Seit Jahren sind Sie verheiratet; Sie haben viel gemeinsam erlebt; Ihre Kinder sind aus dem Haus – dafür steht der Ruhestand vor der Tür. Viele Paare trennen sich an diesem Punkt, weil sie feststellen, dass ihre Liebe erkaltet ist. Was können Sie tun, um gut vorbereitet in diesen Lebens- und Eheabschnitt zu gehen?
Bestsellerautor Gary Chapman (»Die 5 Sprachen der Liebe«) und Harold Myra zeigen, wie Ihre Ehe lebendig bleibt. Praktische Ratschläge und anschauliche Beispiele helfen Ihnen, aus der Liebe in den besten Jahren die beste Liebe Ihres Lebens zu machen!
Mit Liebessprachentest
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Ein Abenteuer:
Ja zum Leben sagen
Eine junge Frau stürmt in ein Pariser Café und zieht den Blick eines Manns auf sich … ein reiches Mädchen und ein armer junger Mann kämpfen Seite an Seite gegen das Böse … ein Liebespaar flieht durch den Dschungel, bis die beiden vor einem Abgrund stehen ...
In Filmen bedeutet Romantik auch immer Abenteuer. Wir erleben die Spannung, die Gefahr, Entdeckung, Jagd und eine neue Liebe mit sich bringen. Alles ist aufregend, dramatisch und attraktiv. Doch Hollywood bringt Abenteuer selten mit Ehe in Verbindung.
Wir auch nicht – wenn überhaupt, ist für uns eher das Gegenteil der Fall. Wir sagen: „Warum heiraten sie nicht, kommen zur Ruhe und lassen sich häuslich nieder?“
In Hollywood haben Abenteuer und ältere Menschen nichts miteinander zu tun, abgesehen von einer löblichen Ausnahme, nämlich Judi Dench, die in den beiden Best-Exotic-Marigold-Hotel-Filmen in Indien im reifen Alter ihre große Liebe findet.
Aber Abenteuer ist wichtig. Abenteuer ist deshalb wichtig, weil viele von uns in der Versuchung stehen, sich häuslich niederzulassen und dort sitzen zu bleiben. Die Marigold-Filme bringen eine Saite zum Klingen, weil sie Fragen ansprechen, die sich viele von uns stellen – zum Beispiel: Wer bin ich? Wer sind wir? Und was wollen wir mit der Zeit anfangen, die Gott uns schenkt? Entgeht uns vielleicht etwas Besonderes, womöglich sogar das entscheidende Etwas?
Wir mussten über die Schilderung einer Bekannten lächeln, die uns erzählte, was sie vor Kurzem gemeinsam mit ihrem Mann bei einem Besuch bei Freunden erlebt hatte:
Je älter wir werden, umso weniger können wir den Winter hier im Norden leiden. Eine Möglichkeit, dem trostlosen Wetter zu entfliehen, besteht darin, dass wir Freunde besuchen, die auf einer Insel vor der Küste Floridas wohnen. Seekühe, Pelikane, Palmen und warmes Salzwasser, das die Zehen umspült, sind wahrhaft Balsam für eine durchgefrorene Seele.
Das Allerbeste ist es aber, dass wir von lieben Freunden umgeben sind und uns richtig entspannen können.
Eines Abends setzten wir uns nach einer großartigen Mahlzeit vor den Fernseher und schauten Basketball. Wir alle, die beiden Labradorhunde eingeschlossen, waren erschöpft und machten es uns gemütlich. Ach, so schön kann das Leben sein!
Auf einmal merkte ich, dass ich blinzelte und schlaftrunken war. Ich war eingenickt – genauso wie die anderen auch. Im Fernsehen lief inzwischen eine Late-Night-Talkrunde. Einer der beiden Männer war auf dem Sofa eingeschlafen. Der andere schlief im Sitzen. Meine Freundin hatte sich eingekuschelt und war eingenickt. Beide Hunde hatten sich auf dem Boden ausgestreckt und schnarchten.
Mir gefiel, wie verletzlich wir in dieser Situation wirkten. Wann bekommen uns unsere Freunde schon einmal schlafend zu Gesicht? Ich war froh, dass mein Mann und ich nicht die Einzigen sind, die vor dem Fernseher einschlafen. Es war so gemütlich und geborgen ...
Neue Wege, neue Überraschungen
Gemütlich und geborgen ist natürlich wunderbar, aber wann ist der Punkt erreicht, an dem wir es uns zu gemütlich gemacht haben? Wann müssen wir von der Couch aufstehen und für Veränderung sorgen?
Der Schweizer Arzt und Psychiater Paul Tournier schreibt in seinem Buch Jeder Tag ist ein Abenteuer, dass wir nur dann Erfüllung finden, wenn wir unser Leben als Abenteuer verstehen. In erster Linie bezieht er das auf die Ehe in all ihren Phasen. Er schreibt, dass man die Ehe als Abenteuer behandeln müsse, um sie zu einem Erfolg zu machen – mit allen Reichtümern und Schwierigkeiten, die ein Abenteuer mit sich bringt, das man mit einem anderen Menschen teilt.
Es hängt von Ihrer Persönlichkeit ab, was genau „Abenteuer“ bedeutet. Für richtige Gewohnheitstiere könnte es bedeuten, einmal einen anderen Weg zum Supermarkt zu nehmen. Doch für Paare, die schon seit Langem verheiratet sind, liegt eine große Chance darin, etwas ganz Neues zu versuchen: neue Ideen, neue Gespräche, neue Menschen, die man kennenlernt. Veränderungen wecken das Gehirn auf und bahnen sogar den Neuronen neue Wege. Das tut unserer Ehe gut und auch unserer Gesundheit.
Doch welcher Weg ist der richtige? Denn „Neues“ ist nicht unbedingt mit „Neuheiten“ gleichzusetzen. Viele von uns kennen Paare, die im Herbst des Lebens nur noch dem Vergnügen hinterherjagen. Diesem Stress wollen sich die wenigsten von uns aussetzen. Doch andererseits wollen wir auch nicht immer in den alten Gleisen stecken bleiben. Hören Sie auf Paul Tournier: Er schreibt, dass wir unser ganzes Leben lang immer neue Abenteuer brauchen und wir ein gemeinsames Ziel entdecken, indem wir „auf Gott warten, dass er uns ein neues Abenteuer schenkt“.
Hier ist sein Rezept für eine gelingende Ehe: „Dieses Christus übergebene Leben ist auch deshalb ein ständiges Abenteuer, weil es ein Leben des Hinhorchens ist, des Hinhorchens auf Gott, auf seine Stimme, auf seine Engel. […] Es handelt sich darum, unaufhörlich in ihnen die Zeichen Gottes zu entdecken.“ Und weiter: „Es ist das schwierige und anspruchsvolle Abenteuer des Glaubens, voller Leidenschaft und Poesie, voll von Entdeckungen, neuen Auftrieben und Überraschungen. […] Ja zu sagen zu Gott heißt Ja zu sagen zum Leben. […] Auch jede Ehe kann wieder zu einem Abenteuer werden, selbst wenn sie nur noch Formsache, Gewohnheit war und Langeweile und Herzenskälte in ihr vorherrschten.“
Weniger Platz, mehr Freiraum
Wenn die Kinder aus dem Haus sind, überlegen sich die Eltern oft, ob sie das große Haus am Stadtrand aufgeben und aufs Land oder in eine Wohnung in der Innenstadt ziehen sollen, wo alles zu Fuß erreichbar ist. Im Internet finden wir endlose Listen mit den besten Wohnorten fürs Rentenalter und wir fragen uns, wie es uns denn beispielsweise irgendwo auf dem Land ergehen würde. Aber Paul und Becky dachten nicht nur darüber nach.
Vor einiger Zeit zogen die beiden aus einem Vorort weit weg vom Zentrum in eine Stadtwohnung mit einem atemberaubenden Blick aufs Wasser. Paul braucht nun nur noch zwölf Minuten mit dem Bus zu seinem Arbeitsplatz in der City statt der bisherigen zwei Stunden mit dem Auto. Morgens erleben sie den Sonnenaufgang in ihrem Schlafzimmer und sehen, wie sich die Sonnenstrahlen glitzernd auf dem Wasser spiegeln (allerdings wird es ohne Vorhänge fast fünfzig Grad heiß, wie Paul erklärt). Überall gehen sie zu Fuß hin, reden tatsächlich mit ihren neuen Nachbarn in der Stadt und haben eine Gemeinde mit vielen jungen Leuten gefunden. Alles in allem empfinden sie ihr Leben nun als viel entspannter.
Für Becky und Paul war der Umzug in die Stadt fast so wie nach Hause zu kommen. Als frisch verheiratetes Paar hatten sie in der Stadt gewohnt und sich später geschworen, eines Tages auch wieder dorthin zurückzukehren.
Doch zunächst wollten sie ihre Kinder am Stadtrand großziehen. „Paul opferte sein Leben für seine Familie“, erzählt Becky. „Wenn ich mal in die Stadt fuhr, fragte ich mich immer: ‚Wie schafft er das eigentlich?‘“
„Ich war immer erschöpft“, sagt Paul. „Ich war von der Frage nach dem Schlaf förmlich besessen. Andauernd fragte ich mich: ‚Wenn ich um soundso viel Uhr zu Bett gehe, wie viel Schlaf bekomme ich dann?‘ Becky und ich lebten aneinander vorbei. Mir ging der Gedanke durch den Kopf: ‚Wenn wir mit fünfzig schon so weit voneinander entfernt sind, wie wird das erst mit siebzig aussehen?‘“
Als die Kinder erwachsen waren und Paul befördert wurde, schien der richtige Zeitpunkt für einen Umzug gekommen zu sein. Als ihre älteste Tochter zu Besuch war, blickte sie ihren Vater an und stellte fest: „Wenn das so weitergeht, bist du bald tot. Ich will aber, dass meine Kinder Großeltern haben.“ Und sie „befahl“ Paul und Betty, in die Stadt zu ziehen.
Jetzt war Betty an der Reihe, ein Opfer zu bringen. „Ihr fiel es sehr schwer, ihr bisheriges Leben aufzugeben“, erzählt Paul. „Aber es war notwendig, eben damit wir wieder dieses gemeinsame Leben führen konnten.“
„Und zu diesem neuen Lebensabschnitt gehört auch, dass wir besser darüber Bescheid wissen, was den anderen gerade beschäftigt“, ergänzt Becky.
„Wir arbeiten zusammen“
Auch Kevin und Karen sind abenteuerlustig; allerdings entsprechen sie nicht unbedingt dem typischen Bild, das man sich von Abenteurern macht. Beide arbeiten als Hauptamtliche in ihrer Ortsgemeinde mit. Exotische Urlaube sind nicht ihre Sache (wenn man einmal davon absieht, dass Kevin vor einigen Jahren eine Partnergemeinde in Nigeria besuchte). Schon lange wohnen sie in ein und demselben Haus. Doch Kevin und Karen stillen ihre Abenteuerlust und ihre Sehnsucht nach neuen Erfahrungen, indem sie ein gemeinsames Ziel verfolgen.
Als ihre beiden Kinder noch klein waren, machten sie eine Entdeckung, die ihre Ehe veränderte. Karen und Kevin leiteten damals eine kirchliche Jugendgruppe, wo sich die He-ranwachsenden so unverschämt aufführten, dass sie die Arbeit hinschmeißen wollten. Das belastete ihre Beziehung, doch gleichzeitig zwang sie diese Enttäuschung auch, mehr miteinander zu sprechen.
Und dabei entdeckten sie Folgendes: „Die größte Überraschung war, dass sich unsere Ehe zum Guten veränderte. Wir haben gemeinsam an etwas gearbeitet. So richtig verstanden wir das nicht. Die Jugendarbeit, von der man erwartet hätte, dass sie unsere Ehe zerstören würde, hat uns in Wirklichkeit zusammengeschweißt. Wir sind uns nahe wie niemals zuvor.“
Aus dem „Zusammen an etwas zu arbeiten“ wurde schließlich noch mehr als eine gemeinsame Aufgabe. Sie schrieben ein Buch mit dem Titel More than You and Me („Mehr als ich und du“), in dem sie ihre Vision der Ehe darstellten, die dazu da ist, um anderen zu dienen.
Seit sie vor vielen Jahrzehnten diese Jugendgruppe geleitet haben, mussten sich Kevin und Karen schweren persönlichen Problemen stellen: Schwierigkeiten mit den Kindern, schwere Zeiten in ihrer Gemeinde, sogar chronische Schmerzen. Doch noch heute helfen sie als Team vielen anderen Menschen. Vor einiger Zeit fragten sie vier jüngere Paare, ob sie Lust hätten, sich bei ihnen zu Hause zu treffen, um über verschiedene Lebensfragen zu reden. „Das sind Ehepaare, die intensiv in der Gemeinde mitarbeiten und wachsen wollen. Anderen Paaren zu helfen gehört zu den Dingen, die wir gern gemeinsam tun.“
Kevin hat inzwischen eine neue Stelle und ist in die Verlagswelt zurückgekehrt, die er vor dreißig Jahren kennengelernt hatte. Doch er ist und bleibt Pastor und arbeitet immer noch in seiner und Karens Gemeinde mit. Sie beide haben viel zu tun, doch man kann gewiss sein, dass sie auch in Zukunft mit ihrer Ehe anderen helfen und dabei das eine oder andere Abenteuer erleben werden.
„Als wir den größten Teil unserer Rente verloren,
hatten wir die Wahl“
Es braucht zwei Menschen, damit die Ehe nicht langweilig, sondern zu einem Abenteuer wird – und manchmal sind diese beiden Menschen sehr unterschiedlich. Wie sehen ihre individuellen Begabungen, Vorlieben und Motive aus? Wie nimmt sich ein Paar eine gemeinsame Aufgabe vor, als Mann und Frau, „Mars und Venus“, als einzigartige Individuen?
Was Ted und Linda erleben, hat mit diesen Fragen zu tun. Zurzeit stecken sie mitten in einem Abenteuer: Sie haben sich entschieden, auf einem Boot zu leben. Nein, nicht auf einem geräumigen Hausboot, sondern auf einem sehr kleinen Boot mit gut 30 Quadratmetern Wohnfläche. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Entscheidung?
Vor einigen Jahren führte die Finanzkrise dazu, dass Teds und Lindas teilweise abbezahltes Haus auf einmal nichts mehr wert war und sie das ganze Kapital, das sie schon hi-neingesteckt hatten, verloren. Im darauffolgenden Jahr erhielten sie einen Anruf von der Finanzbehörde, die Linda und Ted darüber informierte, dass die beiden Männer, denen sie ihre Altersvorsorge anvertraut hatten, die gesamten Ersparnisse mit einem betrügerischen Schneeballsystem verschleudert hatten. Die Männer landeten schließlich im Gefängnis, doch Ted und Linda konnten sich weder ein Eigenheim noch eine Mietwohnung leisten.
Viele Möglichkeiten standen ihnen also nicht offen.
„Eigentlich hatten wir schon immer auf dem Wasser leben wollen“, erzählt Ted, als wir ihn danach fragen, „also lag es nahe, die finanzielle Notlage in die Chance auf ein Abenteuer zu verwandeln. Wir hatten da ein Boot im Auge.“
Es wurde ein spannendes Abenteuer auf einem kleinen Boot! Wie kommen zwei sehr unterschiedliche Menschen Monat für Monat miteinander zurecht, wenn sie nur so wenig Platz haben und sich kaum einmal aus dem Weg gehen können? Wir fragen Ted und Linda auch danach. Sie berichten uns, dass sie als Jungverheiratete jeder für sich persönlich aufgeschrieben hatten, was er mit seinem Leben anfangen wollte. Dann hatten sie dasselbe auch noch einmal für sich als Paar formuliert. Das fanden wir spannend. Ihre persönlichen Ziele hatten sie umgesetzt, doch das gemeinsame in weiten Teilen ignoriert.
Warum setzte ihr gemeinsames Schriftstück Staub an? Sie erklären es uns so: „Unsere individuellen Lebensziele halfen uns, als Paar zusammenzufinden.“ Das scheint in sich widersprüchlich zu sein. Doch letztendlich steht dahinter die Erkenntnis, dass der gegenseitige Respekt vor dem, was der andere in die Ehe mitbringt, von wesentlicher Bedeutung ist.
Doch nachdem Linda und Ted nun schon Jahrzehnte verheiratet waren, führten diese neuen Entwicklungen zu Spannungen. Sie standen beispielsweise vor der Frage, wie sie mit den emotionalen Auswirkungen ihres finanziellen Verlustes umgehen sollten.
„Als wir den größten Teil unserer Altersvorsorge verloren, hatten wir die Wahl“, sagt Ted. „Entweder konnten wir in Selbstmitleid versinken oder wir konnten ausprobieren, wie sich das Leben unter völlig anderen Bedingungen gestaltet. Dass Gott uns versorgt, ist für uns Realität, genau wie unsere Dankbarkeit dafür. Oft fragen wir uns: ‚Was kommt als Nächstes? Wie wird er uns versorgen? Werden wir in ein richtiges Haus ziehen, wo uns unsere Enkel öfter besuchen können?‘ Immer läuft es darauf hinaus: Wir wohnen auf einem Boot, erfüllen uns einen Traum und lernen, unserem Herrn zu vertrauen, was die nächsten Schritte betrifft.“
Den anderen verstehen
Eine Spur Verrücktheit, ein Ziel vor Augen, Lust auf Abenteuer und der Entschluss, gemeinsam etwas zu schaffen: All das stärkt und vertieft eine Partnerschaft. Es bedeutet, Jahr für Jahr die Begabungen des Partners zu erkennen und dessen Wachstum zu fördern. Es bedeutet, nicht aus der Bequemlichkeit in die Stagnation abzugleiten. Oft bedeutet es auch, Opfer zu bringen.
Der andere. In jeder Phase gibt es nur einen Weg zu einer gelingenden Ehe – und das ist der Weg, dass ich den „anderen“, den wichtigsten Menschen in meinem Leben, verstehe, ihn mit einbeziehe und ihm zuhöre. Wenn eine Ehe nicht scheitern soll, müssen die beiden Partner auf derselben Seite stehen, zumindest an den großen Weggabelungen des Lebens. Es ist wichtig, dass Ehepartner gemeinsame Werte haben, aber natürlich dürfen sie durchaus unterschiedlicher Meinung sein, welchen Weg sie einschlagen, wenn sich verschiedene Möglichkeiten auftun.
Wie andere Paare haben Jeanette und ich (Harold) vor langer Zeit Entscheidungen getroffen, die bis heute unser Leben prägen. Bei drei sehr wichtigen Entscheidungen bestand Jeanette darauf, dass wir sie einmütig trafen.
Auf ihre Initiative hin wurden wir Pflegeeltern und schließlich adoptierten wir Richard, einen kleinen Jungen. Zu der Zeit waren wir mit drei leiblichen Kindern vollauf beschäftigt und auch meine berufliche Situation war sehr anstrengend. Außerdem waren wir längst nicht mehr in dem Alter, in dem man normalerweise Kinder adoptiert.
Immer wieder diskutierten wir, welchen Weg wir einschlagen sollten, und beteten darüber. Jeannette beharrte darauf: „Wir können das unmöglich machen, wenn du nicht genauso dahinterstehst wie ich.“
Drei Mal standen wir vor der Entscheidung, ein Kind zu adoptieren. Drei Mal haben wir nach viel Gebet und Gesprächen Ja gesagt.
Schwere Zeiten gibt es immer; auch uns traf es einige Male sehr hart. Dass Jeannette darauf bestanden hatte, die Entscheidung zur Adoption einmütig zu treffen, erwies sich als richtig. Denn wie leicht weist man hinterher sich gegenseitig die Schuld zu! „Wenn du bloß nicht ...“
Wenn sich in Actionfilmen die Partner in die Haare bekommen und sich einer aus dem Staub macht, steht normalerweise eine Katastrophe ins Haus. Ganz anders ist es, wenn man sich vornimmt, eine gemeinsame Basis zu finden oder zu zweit hinter einer Entscheidung zu stehen. Für solche Menschen gilt das Bibelwort: „Zwei haben es besser als einer allein, denn zusammen können sie mehr erreichen.“
Die „Bonusjahre“
Von den Demografen hören wir, dass es doch etwas Neues unter der Sonne gibt: eine zwanzig bis dreißig „Bonusjahre“ höhere Lebenserwartung. Der Psychologe Erik Erikson bezeichnete es als „Generativität“, wenn gereifte Erwachsene der nächsten Generation Weisheit und Werte vermitteln können.
Diese zusätzlich gewährte Zeit wird von vielen Paaren, die sie als Geschenk betrachten, gut genutzt. Joe und Marilyn beherbergen in ihrem Haus immer wieder Enkel und Gäste aus aller Welt. Außerdem reisen sie oft nach Brasilien, um ihre Tochter und deren Familie bei der Arbeit unter Straßenkindern in São Paulo zu unterstützen.
Schon früh zeigte sich ihre Neigung zu Abenteuern. Joe, ein Turmspringer, wurde zum ersten Mal auf Marilyn aufmerksam, als sie sich aus einer Mädchengruppe löste und als Einzige vom Sprungturm ins Schwimmbecken sprang. Diese erste Begegnung führte zu einer Ehe, die grenzenlos schien. Mit ihren kleinen Kindern gingen Joe und Marilyn auf eine sechswöchige Campingtour, die sie von Schottland nach Beirut führte, wo Joe eine Stelle als Dozent antrat. Als sie drei Jahre später wieder in den Mittleren Westen der USA zurückkehrten, tat sich für Joe unerwartet die Möglichkeit auf, in Nigeria zu unterrichten. Obwohl sich ihre Kinder wehrten, schon wieder umzuziehen, meinte Marilyn: „Warum nicht?“ Und so zogen sie um.
Wir fragen nach, wie sie mit Meinungsverschiedenheiten umgingen. Die beiden können sich nur an einen einzigen erbitterten Streit erinnern. Joe unterrichtete zu diesem Zeitpunkt an der Amerikanischen Universität in Kairo und aß in der Regel mit einer mehrheitlich muslimischen Gruppe zu Mittag. Für ihn war es eine Geste der Höflichkeit, im Ramadan mit ihnen gemeinsam zu fasten. Marilyn war strikt dagegen. Sie gab zu, dass sie richtig wütend auf ihn gewesen sei.
„Wie lange?“, fragen wir.
„Den ganzen Ramadan hindurch!“
Joe und Marilyn überschritten immer wieder Landes- und Kulturgrenzen und wollten es auch gar nicht anders haben. „Ohne Abenteuer wäre das Leben langweilig“, lacht Marilyn. „Das macht das Leben wieder prickelnd.“
„Gott hat viel für uns getan“
Nun ist nicht jedes Paar bereit oder in der Lage, nach Brasilien zu fliegen oder in ein Hochhaus in der Stadt zu ziehen. Ein gemeinsames Ziel, Abenteuerlust – das bedeutet für jeden Menschen etwas anderes und hängt von seiner persönlichen Situation, seiner Gesundheit und der finanziellen Lage ab.
Ein Ehepaar kam zum Beispiel überein, eine Zeit lang die Haustiere ihrer Tochter zu hüten: den Hund, die Fische und Vögel. Diese Erfahrung machte ihr Zuhause lebendiger.
Es hat den Alltag auf gute Weise durcheinandergebracht und uns gezwungen, für andere Lebewesen zu sorgen. Wenn die Kinder ausgeflogen sind, dreht man sich mit dem sauberen, aufgeräumten Haus und dem gewohnten Tagesablauf manchmal nur noch um sich selbst. Uns beiden steht der Sinn nicht nach großen Risiken und das ist für uns auch in Ordnung, aber wir haben häufig darüber nachgedacht, was es für uns bedeuten könnte, ein Abenteuer zu erleben. Uns gefällt es, wenn wir nach Hause kommen und die Wellensittiche kreischen, das Hundespielzeug überall verstreut liegt und der Fisch herumzappelt, um mir zu signalisieren, dass er Hunger hat. Ich glaube, das tut uns gut.
Eben dieses Ehepaar wechselte vor einiger Zeit zu einer anderen Gemeinde, die jünger, größer und eher liturgisch geprägt war. Ihrer Meinung nach war das eine notwendige Veränderung.
Der Gottesdienst ist fröhlich und kreativ, gleichzeitig aber auch altehrwürdig und feierlich. Es spricht uns an, dass die Predigten nah an der Bibel dran sind und etwas mit unserem Leben zu tun haben. Wir merken beide, dass der andere geistlich gewachsen ist. Früher haben wir uns auf dem Weg zur Kirche immer gestritten. Heute gehen wir samstags voller Vorfreude auf den Gottesdienst zu Bett. Wir sprechen darüber, wie wir etwas dazu beitragen können. Das ist eine ganz neue Erfahrung, die uns Kraft gibt. Wir glauben, dass Gott noch viel mehr für uns bereithält.
Sprung ins kalte Wasser
Ein Ehemann gestand uns: „Jahrelang habe ich auf der Überholspur gelebt: Stress im Beruf, die Kinder in der Schule, haufenweise Veranstaltungen. Immer fühlte ich mich überlastet und fragte mich, was als Nächstes kommen würde. Ja, das war ein Abenteuer und heute ist alles anders. Trotzdem ist es in gewissem Sinn gleich geblieben. Jeden Tag muss ich neue Entscheidungen treffen und habe Menschen um mich herum, denen ich Gutes tun kann. Und das gilt auch noch, wenn meine Gesundheit nachlässt und ich das Bett hüten muss.“
Jerry und Shirley Rose fordern uns in ihrem Buch Significant Living („Bedeutsames Leben“) auf: „Schrecken Sie nicht vor neuen Abenteuern zurück, auch wenn Sie älter werden – denn auf Gott können Sie sich so sehr verlassen wie immer zuvor!“ Sie illustrieren das mit einem Beispiel aus eigener Erfahrung, nämlich einer Wildwassertour mit einem Schlauchboot. „Der Fluss“, schreiben sie, „war ein Abenteuer mit gefährlichen Stellen und einer überwältigenden, ja majestätischen Landschaft.“ Sie mussten sich dem Willen des Flusses unterwerfen, wussten dabei, dass sie sich nicht verirren würden, und genossen auf dem Weg verschiedene Abenteuer. Shirley und Jerry sprechen insbesondere von der zweiten Lebenshälfte, wenn sie zu dem Schluss kommen: „Wir können mehr Spannendes erleben, mehr Frucht bringen und ein sinnvolles Leben führen, wenn wir den Sprung ins kalte Wasser wagen und uns von Gott mit der Strömung treiben lassen.“
Wie man die Ehe als Abenteuer gestaltet
Abenteuer bedeutet nicht unbedingt, dass man einen radikalen Schnitt macht und fortan auf einem Boot lebt. Es kann auch bedeuten, einmal ein neues Restaurant auszuprobieren oder sich ein Fußballspiel anzusehen, weil der Enkel eines Freundes mitspielt. Dann schicken Sie ihm am Montag eine Nachricht und sagen ihm, wie sehr Ihnen das Match gefallen hat. Abenteuer kann auch eine geistliche Aufgabe sein.
Nicht jedes Abenteuer muss man mit dem Partner gemeinsam erleben. Jeder von uns ist selbst dafür verantwortlich, sein Leben mit einer gewissen Abenteuerlust zu gestalten. Ich (Gary) bin ein Morgenmensch und verbringe gerne morgens eine Stunde im Wäldchen hinter dem Haus, um den Kudzu wegzuschneiden. Wenn Sie nicht im Südosten der USA leben, werden Sie nicht wissen, was Kudzu ist: Es handelt sich um eine große, schnell wachsende Pflanze mit vielen Blättern, die sich um Bäume schlingt und diese dadurch schließlich abtötet. Sie könnten mich also als Ökofreak bezeichnen. Wenn ich den Kudzu bis zum Boden zurückschneide, geht er ein und fällt schließlich von den Bäumen ab. Mir gefällt dieses Abenteuer, im Wald zu arbeiten. Meine Frau Karolyn ist ein Nachtmensch. Sie würde sich niemals mit mir in den frühen Morgenstunden in den Wald wagen, nicht einmal, wenn sie ein Morgenmensch wäre. Dafür hat sie zu viel Angst vor Schlangen, Zecken und giftigem Efeu. Trotzdem hört sie mir gerne zu, wenn ich von meinen Abenteuern erzähle und ihr berichte, was ich im Wald gehört und gesehen habe.
Karolyn dagegen liebt Symphonien. Ich wünschte wirklich, dass ich die Klänge so wahrnehmen und die Instrumente voneinander unterscheiden könnte wie sie, aber ich kann diese Feinheiten einfach nicht heraushören. Für sie ist der Besuch eines Symphoniekonzerts ein Abenteuer. Wenn sie mit einer guten Freundin von einer Aufführung zurückkommt, genieße ich es, wenn sie mir erzählt, was sie dort erlebt hat. Ich empfinde tiefe Freude, wenn ich sehe, wie sie dieses Abenteuer noch in ihrem Herzen bewegt, und das spiegelt sich in ihren Augen wider, wenn sie mir davon erzählt.
Der Schlüssel zu einer Ehe voller Abenteuer liegt darin, einander die Freiheit zu geben, manche Abenteuer auch getrennt zu erleben.
Einige Vorschläge, um die Abenteuerlust
in der Ehe zu befeuern
Besuchen Sie gemeinsam einen Töpferkurs.
Ermutigen Sie Ihren Ehepartner, Malstunden zu nehmen.
Besuchen Sie zusammen Ihre jeweiligen Heimatorte. Zeigen Sie Ihrem Ehepartner, wo Sie geboren wurden, wo Sie zur Schule gingen, wo zur Kirche usw. Sie können das Ganze noch lebendiger gestalten, wenn Sie Ihre Enkel mitnehmen.
Engagieren Sie sich gemeinsam als Ehrenamtliche in einer sozialen Einrichtung, in einem Verein oder in einer Gemeinde in Ihrem Ort.
Machen Sie noch einmal dort Urlaub, wo Sie die Flitterwochen verbracht haben.
Nehmen Sie an einem Missionseinsatz teil, vielleicht sogar im Ausland.
Besuchen Sie einmal pro Jahr den Gottesdienst einer anderen Gemeinde in Ihrer Stadt.
Fahren Sie irgendwo mit dem Zug hin.
Nehmen Sie an einem Klassentreffen teil.
Gehen Sie im Juni einkaufen, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen.
Diese Liste lässt sich beliebig verlängern! Überlegen Sie sich noch mehr Aktionen, die Sie allein oder mit Ihrem Partner unternehmen wollen.
Dr. Gary Chapman
Dr. Gary Chapman hat Anthropologie studiert und war viele Jahre in der Paarberatung tätig. Er ist der Autor zahlreicher Bücher und als Experte für Beziehungsfragen international bekannt. Mit seinem New York Times-Bestseller "Die 5 Sprachen der Liebe", der in über 60 Sprachen übersetzt wurde, hat er einen neuen Schlüssel zur Kommunikation gefunden und ein Millionenpublikum erreicht. Zusammen mit seiner Frau Karolyn lebt er in North Carolina.
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