Wollten Sie schon immer mal ein paar Worte mit Joseph, dem Zimmermann aus Nazareth, wechseln? Oder mit Lazarus sprechen, den Jesus auferweckte? Haben Sie sich gefragt, was wohl in der Tochter des Jairus vor sich ging oder was die Samariterin bewegte? Was dachte der Bräutigam von Kana, als Jesus seine Hochzeit rettete? Und wie mag es wohl dem Soldaten vor dem leeren Grab ergangen sein? Eckart zur Nieden stellt uns dreißig Persönlichkeiten aus den Evangelien vor, indem er mit ihnen ins Gespräch kommt. Jedes Interview wird abgerundet durch einen geistlichen Impuls und ein Gedicht aus der Feder des bekannten Buch- und Hörspielautors.
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1. Zacharias
Für Elisabeth war die Zeit der Entbindung gekommen und sie brachte einen Sohn zur Welt. Als die Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr Erbarmen mit ihr gehabt hatte, freuten sie sich mit ihr. Am achten Tag des Kindes kamen sie zur Beschneidung zusammen und wollten ihm den Namen Zacharias geben (…) Der Vater Zacharias ließ sich eine Tafel geben und schrieb: „Sein Name ist Johannes.“ Während sich noch alle darüber wunderten, konnte Zacharias plötzlich wieder reden. Seine Zunge war gelöst und er pries Gott.
Lukas 1, (1–25) 57–64
Im Gespräch
Schön, dass wir miteinander reden können, Zacharias.
Ja, Gott sei Dank, im wahrsten Sinn dieser Redewendung!
Gott hat dich stumm werden lassen, weil du nicht geglaubt hattest, nicht wahr?
Ich habe nie aufgehört, an Gott zu glauben.
Aber diese Aussage des Engels, dass meine Frau in unserem Alter noch ein Kind bekommen sollte, konnte ich nicht glauben. Ich erbat mir ein Zeichen, das mir das Glauben leichter machen sollte.
Ich habe noch nie einen Engel gesehen.
Es war im Tempel. Ich hatte dort Dienst, weil durch das Los …
Diese Regelungen des Tempeldienstes habe ich noch nie verstanden, aber das ist ja auch nicht so wichtig. Jedenfalls stand da ein Engel …
Mir ist zuvor auch noch nie ein Engel begegnet. Dies war eine besondere Situation. Und weil ich nicht wirklich vertraut habe, ließ Gott mich für ein dreiviertel Jahr stumm werden.
Als Strafe für deinen Zweifel?
Wohl auch, aber nicht nur. Ich habe viel darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Gott damit wohl drei Absichten verfolgt hat.
Er wollte also sozusagen drei Fliegen mit einer Klappe …
Der Ausdruck scheint mir etwas respektlos an dieser Stelle.
Verzeihung! Welche drei Absichten meinst du?
Es war zunächst eine Strafe. Dann war es aber auch ein Zeichen. Es sollte klar werden: Wenn Gott solch ein Wunder tun kann, dass ich verstumme, kann er erst recht das Wunder tun, uns im Alter noch ein Kind zu schenken. Immer wenn ich etwas sagen wollte und nicht konnte, erinnerte mich das an das Versprechen Gottes. So redete er, während ich schweigen musste.
Und drittens?
Die Zeit ohne Gespräche mit Menschen half mir zum Reden mit Gott. Die erzwungene Stille ließ mich nachdenken und reifen im Glauben.
Verstehe. Verstehe. Eine sehr originelle Art zu strafen!
Originell? Du hast eine sehr originelle Art, über Gott zu reden!
Oh – habe ich schon wieder etwas Falsches gesagt?
Wie könnte Gottes Reden und Handeln anders als originell sein? Schema F kennt er nicht. Er ist der Schöpfer von allem, was es gibt. Kreativität ist sein Wesen. Was er schafft, ist original, und was er tut, ist originell.
Verstehe. Und das ist dir hauptsächlich in der Zeit der erzwungenen Stille aufgegangen?
Nicht nur das.
Und als die Verwandten dem Kind den Namen Zacharias geben wollten …
Viele Väter geben ihren Kindern gern den eigenen Namen. Vielleicht steht dahinter der Gedanke, im Sohn würde gewissermaßen das eigene Leben verlängert. Und der eigene Ruhm. Aber um mich geht es gar nicht bei der Zukunft dieses Kindes. Es soll ganz dem Allmächtigen zur Verfügung stehen. Weil mir der Engel befohlen hatte, den Kleinen Johannes zu nennen, tat ich sozusagen den ersten Gehorsamsschritt in Bezug auf sein Leben.
Und für dich war es der entscheidende Schritt, deine Sprache wiederzufinden.
Gottes Ziel mit mir war erreicht.
Interessant! Das bringt mich zu der Frage, was mit diesem Kind wohl noch alles passieren wird. Aber wir wollen mal nicht spekulieren.
Nein, wir warten ab und überlassen die Zukunft ihm, dem Herrn über Himmel und Erde, und über uns Menschen.
Du sollst, erzählt man sich, dann spontan ein Loblied angestimmt haben. Obwohl du bisher weder poetisch noch literarisch hervorgetreten bist.
Es wurde mir spontan eingegeben. Von Gottes Geist gewirkt. Irgendjemand hat es aufgeschrieben, du kannst das Lobgedicht nachlesen, wenn du möchtest.
Danke, dass du ein paar Minuten Zeit für mich hattest, Zacharias! Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben!
Meinst du? Vielleicht. Aber das Wichtigste ist nicht, dass wir darüber gesprochen haben, sondern dass Gott zu uns spricht. Und dass wir hören und gehorchen.
Ein Gedanke
So fängt die Geschichte von Jesus an, obwohl er noch gar nicht geboren ist. Das große, kaum begreifliche Ereignis, dass der allmächtige, ewige Gott Mensch wird, beginnt, indem einer ihm den Weg bereitet: Johannes der Täufer. Und dessen Geschichte beginnt mit dem Wunder, das sein Vater Zacharias erlebt. Er muss schweigen, damit Gottes Reden gehört wird, und damit Gottes Wort Mensch werden kann.
Unser Schweigen ist die richtige Vorbereitung auf Gottes Reden, auf das Kommen Jesu, von dem es im Hebräerbrief heißt, dass er das letzte Reden Gottes sei.
Nicht, dass Gott danach nicht mehr zu den Menschen geredet hätte. Doch, das tut er bis heute durch den Heiligen Geist. Aber – so meint es der Schreiber des Hebräerbriefes – gegenüber dem früheren Reden Gottes durch Gesetz und Propheten ist dieses Reden durch seinen Sohn nun etwas Besonderes, etwas ganz Neues, etwas Unübertroffenes. Es sind nicht nur Worte, die Gott macht. Es sind auch nicht nur Ereignisse, die er schickt, um so zu reden – zu strafen, zu ermahnen, zu korrigieren, zu beschenken. Jetzt kommt er selbst.
Wir feiern dieses Wunder an Weihnachten. Das Wort wurde Fleisch, heißt es am Anfang des Johannesevangeliums. Gottes Wort an die Menschen wurde Mensch. Zunächst sogar ein winziges Kind in einem ärmlichen Stall. Gottes ewig gültiges, zurechtbringendes, rettendes Wort wurde sichtbar. Man konnte diesen Mensch gewordenen Gott hören, sehen und anfassen. Was für ein Wunder! Was für ein Erbarmen des Unsichtbaren, sich für die Menschen sichtbar zu machen! Was für eine Gnade des Ewigen, sich sterblich zu machen – und dann auch tatsächlich zu sterben! Was für ein Geschenk, uns mit seinem Auferstehen auch das ewige Leben zu geben! Es beginnt damit, dass Menschen still werden und hören. Dass sie alles wertlose Geschwätz abstellen, aber auch alle noch so wertvollen Worte und Gedanken zur Ruhe kommen lassen, und Ohren und Herzen öffnen für dieses große Wort Gottes an uns. Dieses Wort, das man Evangelium nennt, frohe Botschaft. Dieses Wort, das Jesus ist.
Ich möchte stille werden.
Die Weihnacht kommt herbei.
Du kamst auf diese Erden
nicht laut, nicht mit Geschrei.
Nein, schwach und klein und leise
der Gottessohn erschien.
Du willst auf diese Weise
auch in mein Herz einziehn.
Von Angst und Hast getrieben
bin ich nur immerzu.
Herr, bringe durch dein Lieben
mich innerlich zur Ruh.
Und hilf mir, loszulassen,
was mich unruhig macht,
das Wunder zu erfassen
der stillen, heil’gen Nacht.
Ich sehe dir entgegen
und bin für dich bereit,
für deinen stillen Segen
in dieser lauten Zeit.
Hast du mein Herz bereitet,
dann komme ich zu dir.
Und, was viel mehr bedeutet:
Du, Jesus, kommst zu mir.
2. Ein Hirte aus
Bethlehem
In der Nähe von Bethlehem waren Hirten mit ihrer Herde auf dem Felde. Da trat ein Engel des Herrn vor sie und die Herrlichkeit Gottes umstrahlte sie. Sie erschraken sehr, aber der Engel sagte: „Habt keine Angst! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die sich das ganze Volk freuen wird. Heute ist in der Stadt Davids ein Retter geboren worden, der Messias, der Herr. An diesem Zeichen werdet ihr ihn erkennen: Er ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe.“
Plötzlich war bei dem Engel die Menge des himmlischen Heeres. Sie lobten Gott mit den Worten: „Ehre Gott in der Höhe und Friede auf der Erde bei den Menschen, an denen er Wohlgefallen hat.“ Danach kehrten die Engel in den Himmel zurück.
Da sagten die Hirten zueinander: „Kommt, wir gehen nach Bethlehem, um zu sehen, was da geschehen ist, was uns Gott sagen ließ!“ Schnell gingen sie hin und fanden Maria und Joseph und das Kind in der Krippe. Nachdem sie es gesehen hatten, erzählten sie überall, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Alle, die das hörten, staunten darüber. (…) Dann kehrten die Hirten zu ihrer Herde zurück und lobten und rühmten Gott für alles, was sie gesehen und gehört hatten.
Lukas 2,8–20
Im Gespräch
Du bist doch einer von den Hirten, nicht wahr?
Ja. Hast du schon gehört, was wir erlebt haben? Wir waren …
Ich kenne die Geschichte schon. Ihr redet ja überall davon, egal, ob es jemand hören will oder nicht.
Willst du es etwa nicht hören?
Ich sagte doch, ich habe es schon gehört.
Machst du dich etwa darüber lustig, dass wir das großartige Erlebnis nicht für uns behalten können? Würdest du es etwa verschweigen, wenn dir ein leibhaftiger Engel erschienen wäre? Und dann noch eine große Gruppe von Engeln …
Nein, nein, es ist schon okay, dass ihr davon redet …
Und dabei ist die Erscheinung des Engels gar nicht mal das Wichtigste. Noch wichtiger war, was er uns gesagt hat. Er war nur der Bote.
Er hat euch gesagt, dass der Messias geboren wurde.
Genau! Der Messias, auf den unser Volk schon seit Jahrhunderten wartet. Den wir herbeisehnten. Nun ist er da!
Das hat euch noch mehr beschäftigt? Ich finde, ein neugeborenes Kind in Windeln – auch noch in einem Stall – ist ja nun bei Weitem nicht so spektakulär wie ein leuchtender Engel mitten in der Nacht, und sogar ein ganzes Engelheer.
Aber was für ein Kind! Du darfst dich doch nicht an Äußerlichkeiten aufhalten! Das Kind wurde ja von dem Engel angekündigt. Wenn ein prächtiger Herold einen König ankündigt, der aber nur schlicht daherkommt, würdest du dann den Herold mehr ehren als den König?
Da hast du recht. Der Glanz des Herolds würde die Größe des Königs unterstreichen, auch wenn der Bote auf den ersten Blick eindrücklicher erscheint.
Siehst du! Der Engel war nur Bote. Dass der Messias kam, ist das eigentliche Wunder.
Vielleicht ist das Wunder sogar gerade die Ärmlichkeit des Kindes im Stall.
Wie meinst du das?
Dass der große, allmächtige Gott, der über Engelheere gebietet, nicht in überwältigender Pracht erscheint, sondern klein, als hilfloser Säugling, das ist doch zum Staunen. Findest du nicht?
Allerdings! Und ausgerechnet uns, den verachteten Hirten, lässt er es als Ersten verkündigen! Ich finde, da können wir mächtig stolz drauf sein.
Stolz? Ich glaube, stolz solltet ihr nicht sein, eher dankbar.
Natürlich, du hast recht! Es liegt ja nicht an uns, dass wir auserwählt waren, die Ersten zu sein, die den Messias anbeten dürfen.
Es war wohl eher Gottes Absicht, in dieser Welt als armes Kind zu erscheinen. Es sollte klar werden, dass er für alle Menschen kommt: Reiche und Arme, Große und Kleine, Mächtige und Schwache …
Könige und Hirten.
Für dich und mich.
Ein Gedanke
Ganz genau wissen wir nicht, was die Hirten da in Bethlehem vorfanden. War es ein Stall aus Steinen und Balken, wie es auf alten Bildern dargestellt wird, oder eine Art Höhle, wie manche Forscher meinen? War es eher eine hölzerne Krippe oder ein Trog, in dem das Kind lag? Eins aber wissen wir: Die Unterkunft war ärmlich, ein Notbehelf, völlig unpassend für den Messias, den von Gott Gesandten, den Erlöser der Welt.
Unpassend? Nein, im Gegenteil, sehr passend! Das ist es ja gerade, was Gott will: herunterkommen in die Not der Menschen, werden wie sie, einer von ihnen. Er will sie erreichen. Er will ein Mensch werden wie alle Menschen, versucht wie sie, nur ohne Sünde. Ein Menschensohn, wie er sich selbst später oft nannte, aber zugleich Gottessohn.
Da stehen sie also vor dem Säugling, die schlichten Hirten, oder sie knien vielleicht, und staunen. Staunen über die Diskrepanz zwischen der großartigen Ankündigung durch Engel und dem ärmlichen Anblick eines Babys. Sie durften einen Blick in die unsichtbare Welt Gottes und der Engel werfen, und nun fällt ihr Blick auf Stroh und Windeln. Sie können es kaum fassen – Gott im Schafstall!
Sie können es kaum begreifen, aber ergreifen. Sie können es für wahr nehmen und dem Allmächtigen danken, dass er den Menschen so nahe kommt. Und sie erzählen allen davon aus übervollem Herzen.
Vielleicht waren auch Ochse und Esel dabei, wie man es oft auf alten Bildern sieht, aber das ist eher unwahrscheinlich. Die Vorstellung geht auf ein Wort des Propheten Jesaja zurück: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, aber mein Volk versteht’s nicht!“, klagt Gott. Wie das Vieh weiß, wo es zu Hause ist und wo es versorgt wird, so sollten die Menschen wissen, wo sie hingehören. Aber sie wenden sich ab, erkennen nicht, was richtig und gut wäre, erkennen nicht, auf wie wunderbare Weise ihr Herr zu ihnen kommt. Die Hirten erkannten es und beteten an und erzählten überall davon.
Vergleiche aus der Tierwelt sind ja nicht beliebt und gelten als Beleidigung. Aber einen Ochsen, der seinen Herrn kennt, und einen Esel, der weiß, wohin er gehört, will ich mir gern zum Vorbild nehmen. Oder ein Schaf, das die Stimme des guten Hirten kennt.
Die Hirten halten müde Wacht
weit draußen bei der Herde.
Ganz still und finster ist die Nacht,
und finster ist die Erde.
Da plötzlich steht in hellem Licht
ein Engel auf der Weide.
„Ihr Hirten, fürchtet euch doch nicht!
Ich bring euch große Freude!
So wie es Gott verheißen hat,
ist heut der Herr erschienen,
als Kind, dort in der Davidsstadt,
die Menschen zu versühnen.
Den es aus Liebe zu euch zog,
zu tragen eure Strafe,
der liegt in einem Futtertrog
für Rinder oder Schafe.“
Und als der Bote schweigt, da singt
es laut durch Engelchöre,
dass weit es durch die Nacht erklingt:
„Gott in der Höh’ sei Ehre!“
Und kraftvoll klingt es, hell und schön:
„Fried sei den Menschen allen,
die nun in seiner Gnade stehn,
und seinem Wohlgefallen!“
Dann sind sie wieder ganz allein,
die Hirten. „Kommt, wir gehen!
Wir gehn nach Bethlehem hinein,
um dieses Kind zu sehen!“
Schnell finden sie das Kind im Stall
und knien vor ihm nieder.
Und sie erzählen überall,
berichten immer wieder:
„Gott wird ein Säugling! Macht sich klein!
Lässt sich im Stall bewirten!
Ein Engel nachts im Himmelsschein
sagt’s ausgerechnet Hirten!
Selbst den Geringsten sagt Gott zu,
sie soll’n gerettet werden!
Gemeint sind alle – ich und du
und jeder Mensch auf Erden.“
Eckart zur Nieden
Eckart zur Nieden arbeitete nach seiner theologischen Ausbildung in einem Missionswerk und dann 35 Jahre beim Evangeliums-Rundfunk (ERF) in Wetzlar. Er schrieb viele Bücher für Kinder und Erwachsene.