Nur wenige Orte erinnerten sie so sehr an Brent wie der Bauernmarkt am Samstagmorgen.
Eva sog die Farben, Gerüche und Klänge des Lebens, die sie umgaben, in sich auf. Selbst um halb neun Uhr morgens waren schon Tausende New Yorker hier unterwegs, um Obst und Gemüse, Biofleisch, Pflanzen und Textilien, frischgebackenes Brot, Säfte, Wein und vieles mehr einzukaufen. Kinder rannten durch die weißen Zelte, spielten lachend Fangen und genossen die letzten freien Sommertage, bevor am Dienstag die Schule wieder anfing.
Hier konnte Eva für einige Stunden in die Zeit zurückreisen, als Brent und sie die aufgetürmten Waren in allen Farben des Regenbogens begutachtet hatten. Jedes Mal hatten sie einander herausgefordert, wenigstens ein neues Lebensmittel zu probieren. Sie hatten den Vormittag damit verbracht, die rundesten Paprikaschoten und die am frischesten aussehenden Bündel Spinat und Spargel auszusuchen und was sonst noch verlockend aussah.
Dann hatten sie alles zum Mittagessen nach Hause gebracht.
Eva wandte den Blick ab und eilte an einem Stand mit frischen Schnittblumen vorbei, während sie sich zu einem Marktstand durchschlängelte, der immer die saftigsten Beeren hatte. Sie begrüßte den groß gewachsenen Mann und nahm eine Schale mit besonders großen Erdbeeren.
»Die übernehme ich.«
Sie drehte sich um und sah Marco Cinelli neben ihr stehen, seine dunkelbraunen Augen voller Mitgefühl. Sein Dreitagebart kitzelte sie an der Wange, als er sich vorbeugte, um sie zu umarmen.
»Hallo, Marc.« Er hatte innerhalb weniger Minuten auf ihre Nachricht gestern geantwortet und gesagt, dass sie einfach einen Ort vorschlagen solle, er würde sie dann heute treffen. »Danke, dass du gekommen bist.«
»Ist doch klar.« Marc bezahlte die Erdbeeren bei dem Verkäufer. »Es ist viel zu lange her, dass wir uns gesehen haben. Wie geht es dir? Was macht die Arbeit?«
Während sie zwischen den Ständen entlangschlenderten, befingerte Eva den Rand der Papiertüte, in dem sich die Erdbeeren befanden. »Wenn man davon absieht, dass ich gestern beinahe meine ehrenamtliche Tätigkeit verloren hätte, läuft alles prima
»Das tut mir leid, Eva.« Er fuhr sich mit der Hand durch die kurzen braunen Haare. »Du weißt, dass du immer einen Job bei uns haben kannst, wenn du willst.«
»Danke.« Vor einigen Monaten, als ihr jemand vorgeschlagen hatte, sie sollte etwas Sinnvolles tun, um Brents Andenken in Ehren zu halten, hatte sie überlegt, ob sie im Hauptbüro der Fitnesskette arbeiten sollte. Aber ihr widerstrebte die Vorstellung, sie könnte versuchen, ihren Mann bei einer Arbeit zu ersetzen, die er geliebt hatte. »Ich gebe nicht auf. Für Brent war Durchhaltevermögen wichtig, also ist es das für mich auch.«
Sie atmete aus und kam endlich auf den Grund zu sprechen, der sie veranlasst hatte, sich mit ihm zu treffen. »Ich wollte mit dir über etwas reden.«
»Okay, schieß los.«
Sie holte eine Edelstahltrinkflasche aus ihrer Handtasche. »Gestern hat mich eine Frau aus England angerufen wegen eines Rennens in Neuseeland, für das Brent sich angemeldet hat. Sie sagte, du und Wes wäret seine Mannschaftskollegen. Zuerst war ich nur überrascht und habe nicht viele Fragen gestellt.« Sie trank einen Schluck Wasser. »Worum geht es da? Ist das ein Marathon? Ein richtig teurer?«
Er rieb sich den Nacken. »Genau genommen ist es ein Ultra-Marathon. Zweihundertfünfzig Kilometer durch Neuseeland. Die Läufer müssen das Rennen in Etappen innerhalb von sieben Tagen absolvieren. Man kann auch gehen, aber natürlich wollte Brent das Ding laufen. Wir haben uns angemeldet, kurz bevor …«
»Warum hat er mir nichts davon gesagt?«
Marcs rechter Daumen fuhr in Kreisen über seine linke Handfläche. »Er wollte dich überraschen. Er hat gesagt, ihr wolltet zusammen nach Neuseeland und er wollte anschließend noch ein paar Wochen mit dir dort Urlaub machen.«
Dieser Mann … immer für eine Überraschung gut.
Eva riss sich zusammen, bevor sie sich den Emotionen hingeben konnte, die sie zu überwältigen drohten. »Es ist doch eigentlich eine Schande, dass euer Platz verfällt. Willst du nicht allein mitmachen?«
»Wir haben uns als Mannschaft angemeldet, weil die Einzelplätze schon ausgebucht waren. Es ist ein Wunder, dass wir noch einen Teamplatz bekommen haben. Dieser Marathon ist schon Jahre im Voraus voll und er findet nur alle zwanzig Jahre in Neuseeland statt. Aber wir hatten sowieso vor, als Mannschaft anzutreten. Dann hätten wir einander unterstützen können, um schneller und besser zu sein, um es zu schaffen.« Marc hustete. »Ich habe kein Verlangen danach, das Rennen allein mitzumachen.«
Eva rückte ein wenig näher zu ihm. »Das verstehe ich gut.«
»Ich vermisse ihn jeden Tag.«
»Ich auch.«
»Brent hat den tieferen, den geistlichen Sinn in allem gesehen. Deshalb wollte er auch genau bei diesem Wettbewerb mitmachen. Nicht nur, weil er an einem Ort stattfinden sollte, den ihr immer schon mal sehen wolltet, sondern auch, weil das Geld, das die Läufer dabei sammeln, einer Herzstiftung ihrer Wahl zugutekommt.« Marcs Stimme brach. »Er hatte vor, eine Million Dollar für die Manhattaner Herzstiftung zu sammeln. Und weißt du was? Wenn jemand das hätte schaffen können, dann er!«
Eine Million Dollar, gesammelt zu Ehren seines Vaters. Ein Ultra-Marathon durch Neuseeland – etwas, das viel Vorbereitung und Training erfordert und Brent an seine körperlichen Grenzen gebracht hätte.
Was für ein Triumph das gewesen wäre.
Ihre Nichte war ein Genie.
»Du solltest es machen.« Kylees Worte vom vergangenen Abend ließen Eva nicht los, während sie in der Nähe der Herzstiftung aus der U-Bahn stieg und mit Hunderten anderer New Yorker die Straße überquerte, um den neuen Arbeitstag in Angriff zu nehmen.
Irgendwie fühlte der Tag sich neu an, die Luft war voller Möglichkeiten. Ein Hauch von Safran und Zimt kitzelte Eva in der Nase, als sie an einer Straßenecke bei einem indischen Imbiss, einer Bäckerei und einem angesagten kleinen Buchladen vorbeikam.
Kylee glaubte vielleicht nicht, dass Eva ihren Vorschlag ernst nehmen würde, aber etwas daran stieß in ihrem Inneren auf positiven Widerhall.
Denn es war eine Chance, sich Brent auf noch intensivere Weise nahe zu fühlen, als die ehrenamtliche Arbeit bei seiner bevorzugten Wohltätigkeitsorganisation es war. Sie konnte damit sein Andenken ehren. Und vielleicht die Farben des Lebens wiederentdecken, die mit seiner Abwesenheit verschwunden waren.
Auf dem Weg zum Büro suchte Eva eine Nummer in ihrem Handy und rief an.
»Eventagentur Abenteuer Laufen, Tina hier.«
«Hi Tina, hier ist Eva Jamison. Die Frau von Brent Jamison.«
»Oh, hallo. Ich habe immer noch nichts von Ihrem Mann gehört.«
»Nein.« Eva holte tief Luft, während sie sich auf dem überfüllten Gehweg zwischen anderen Fußgängern hindurchschob. Sie bog in eine ruhigere Straße ab. »Und das werden Sie auch nicht. Sie müssen wissen, dass er vor fünfzehn Monaten gestorben ist.«
Tina sog scharf die Luft ein. »Das tut mir schrecklich leid. Wenn ich gewusst hätte …«
»Sie brauchen sich deswegen nicht zu entschuldigen.«
Am anderen Ende der Leitung raschelte Papier. »Also, es ist eigentlich nicht üblich, aber ich kann versuchen, Ihnen die Anzahlung zu erstatten. Versprechen kann ich es nicht, aber …«
»Ich wollte Sie eigentlich um etwas anderes bitten.«
»Okay.«
Eva blieb zwei Häuserblocks von der Herzstiftung entfernt stehen. Vor ihr erhob sich ein großes schmiedeeisernes Tor mit einem handgeschnitzten Schild daran, auf dem East Side Garden stand. Sie holte zitternd Luft. »Ich wollte fragen, ob es möglich ist … dass ich an seiner Stelle teilnehme.«
»Ach, du liebe Güte. Also … normalerweise geht das nicht, das verstehen Sie sicher. Aber vielleicht …« Tina überlegte. »Können Sie in der Leitung warten, während ich mit meinem Vorgesetzten spreche?«
»Natürlich.«
Als die Musik der Warteschleife in der Leitung erklang, streckte Eva die Hand aus, um das Schild des Parks zu berühren. Sie spürte eine Gänsehaut auf ihrem Arm. Sie hatte den öffentlichen Garten mit Tausenden herrlicher Blumen im Herzen von Manhattan entdeckt, als sie hierhergezogen war. Damals war der Garten für sie ein Zufluchtsort vor dem Smog der Stadt und dem Lärm des Lebens gewesen, wann immer sie sich von der Arbeit wegstehlen konnte.
Hier hatte Brent ihr vor sechs Jahren den Heiratsantrag gemacht.
Und seit seinem Tod hatte Eva diesen Ort nicht mehr betreten.
»Ms Jamison?« Tina Landrys Stimme unterbrach ihre Gedanken.
»Ja, ich bin dran.« Die Worte klangen verzweifelter, als Eva es beabsichtigt hatte.
»Sie können gerne anstelle Ihres Mannes mitlaufen.«
Ein Sonnenstrahl spiegelte sich in einem Fenster eines Hochhauses und blendete sie. »Oh, das ist wunderbar.«
»Natürlich nur, wenn die Mannschaftskollegen Ihres Mannes damit einverstanden sind.«
»Was? Ach so …« An dieses Detail hatte sie noch gar nicht gedacht. Und Ms Landry kannte nicht die ganzen Umstände. »Wissen Sie, mein Schwager Wes ist auf dieselbe Weise umgekommen wie mein Mann.«
»Ach, du liebe Güte. Das tut mir sehr leid.« Tina schnalzte mit der Zunge. »Aber ich wüsste nicht, warum wir in dem Fall nicht auch für einen nahen Angehörigen eine Ausnahme machen können.«
Kylee hatte gesagt, sie wollte für ihren Dad einen Wettkampf laufen, aber zweihundertfünfzig Kilometer waren zu viel für einen Teenager.
Aber was war mit Angela? Sie war früher auch gelaufen. Ihre Schwägerin zeigte vielleicht ihre Gefühle nicht offen, aber gestern Abend hatte Eva in Angelas Augen dieselbe Hoffnungslosigkeit gesehen, die sie in ihrem eigenen Spiegelbild so oft entdeckte. Vielleicht wäre es für sie beide gut, wenn sie diesen Lauf mitmachten.
Eva rief Angela an.
Als ihre Schwägerin dranging, erklärte Eva schnell, was sie mit Tina besprochen hatte. Dann schwieg sie. Und wartete. Aber am anderen Ende der Leitung herrschte nur Schweigen.
»Angela? Bist du noch da?«
Endlich ertönte ein Lachen in der Leitung, das bitter klang und ungläubig. »Du willst also, dass wir einen Ultra-Marathon laufen. Zweihundertfünfzig Kilometer. Auf der anderen Seite der Erdkugel. In sechs Monaten. Du bist verrückt.«
Ihre Worte versetzten Evas Herz einen Stich. »Ich finde es gar nicht so verrückt. Und ja, du, ich und Marc.« Sie hatte Marc noch nicht einmal gefragt, aber sie wusste, dass er mitmachen würde. Schließlich war es für Brent.
»Ich bin seit Jahren nicht mehr gelaufen, Eva. Das ist selbst für jemanden, der topfit und im Training ist, ziemlich heftig.«
»Vielleicht wirst du ja staunen, wie leicht du wieder reinfindest. Und wir müssen auch nicht unbedingt laufen. Nur etwa dreißig Kilometer am Tag gehen. Das schaffst du. Du läufst doch jetzt auch auf dem Laufband, oder? Dann machen wir zusätzlich noch ein wenig Cross-Training, joggen ein bisschen, was auch immer. Wir trainieren zusammen. Es spielt keine Rolle, wie schnell wir sind. Es würde uns bei dem Lauf ja nicht ums Gewinnen gehen. Außerdem wären Marc und ich da, um dir zu helfen. Wir wären ein Team.«
Eva, du plapperst. Sie presste die Lippen aufeinander.
»Hör mal, das ist eine schöne Idee für dich, wenn du das willst, aber mich brauchst du dafür nicht. Ich arbeite mehr als vierzig Stunden die Woche. Ich kann weder meine Arbeit noch meine Kinder zwei Wochen lang allein lassen. Und Sherry muss sowieso schon zu oft Babysitter spielen. Und was ist mit dem Geld? Es kostet doch sicher Tausende, dorthin zu fliegen und die ersten Nächte irgendwo zu übernachten. Und was ist mit dem Startgeld?«
»Das Geld ist kein Problem. Ich komme für die Kosten auf.« Eva machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Wie schön, wenn man das kann.« Angelas Worte klangen bitter. »Tut mir leid, Eva. Das war nicht nett von mir. Es ist ein sehr großzügiges Angebot, aber ich kann das im Moment nicht. Doch ich wünsche dir natürlich viel Erfolg.«
»Du sagst, ich brauche dich nicht, aber das stimmt nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Die Männer sind als Mannschaft angemeldet. Ein Team muss aus mindestens drei Personen bestehen und die Organisatoren genehmigen es nur, wenn ein Familienmitglied als Ersatz teilnimmt.«
Ein Stöhnen drang durch die Leitung. »Tut mir leid, Eva. Das … das kann ich nicht.«
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01.10.2021leseschnecke93 Jeder trauert anders
Unterschiedlicher könnten Eva und Angela gar nicht sein. Jedoch verbindet sie ein tragischer Unfall, bei dem ihre beiden Männer gestorben sind. Während Eva voll Liebe an die gemeinsame Zeit mit Brent zurück denkt und von ihren starken Gefühlen immer wieder überrollt wird, versteckt Angela ihre Trauer hinter Wut. So ist Angela dann auch gar nicht begeistert, von
der Idee einen Ultra Marathon, zum Gedenken an ihre Männer zu laufen. Durch gutes Zureden von der Schwiegermutter und ihren Kindern zuliebe lässt sich Angela tatsächlich dazu überreden. So fliegen sie nun alle zusammen nach Neuseeland wo auf uns Leser die gesamte Bandbreite der Gefühle wartet.
Das Cover gefällt mir optisch sehr gut. Besonders gefallen hat mir, das der Baum auch einen kleinen Platz in der Geschichte bekommen hat.
Eva war mir von Anfang an sympathisch und sie tat mir auch sehr leid als sie folgendes sagte: "Künstler müssen ihre Inspiration aus den Tiefen ihrer Seele ziehen - und meine ist leer!" Mit Brents Tod ist die Farbe und Inspiration aus Evas Leben verschwunden. Eva hat Brent von Herzen geliebt, das spürt man immer wieder. Jedoch machte sie aus ihm auch eine Art Heiligen. Zu Beginn mochte ich Eva mehr als Angela.
Angela kam mir so verschlossen, verbittert wütig und stolz vor. Obwohl sie von Herzen bemüht ist eine gute Mutter zu sein. Mit der Zeit konnte ich mich immer mehr mit Angela identifizieren und sie wirkt auf mich einfach unglaublich authentisch. Besonders toll fand ich die Gespräche zwischen Angela und ihrer Schwiegermutter Sherry.
Sherry kam mir wie der Fels in der Brandung vor, obwohl sie ihren Mann und ihre beiden Söhne verloren hat. Bei Sherry merkt man ihre Tiefe Beziehung zu Gott. Ich hätte mir gewünscht auch bei den anderen Charakteren noch mehr über ihre Beziehung zu Gott zu erfahren.
Auch ganz gut haben mir die Dialoge zwischen Angela und ihrer Tochter Kylee, einem 15 Jährigen Teenager gefallen. Diese Thematik fand ich sehr erfrischend.
Eine meiner Lieblingsstellen möchte ich hier noch weitergeben:
"Manche Menschen haben so viel Trauer in sich, dass sie nicht wissen, wie sie sie herauslassen sollen. Sie verschliessen sich und zeigen nur ihre Dornen. Aber vergiss nicht, dass da auch eine Rose ist. Manchmal muss man einfach warten, bis sie blüht."
Mein Fazit:
Dies war mein erstes Buch der Autorin Lindsay Harrel, den Schreibstil empfand ich als flüssig und angenehm zu lesen.
Es ist ein schönes christliches Buch über Trauer und den Weg sich selber zu finden. Wie bereits erwähnt, hätte ich mir noch mehr Tiefgang in Sachen Glauben gewünscht.
Es hat mir sehr gut gefallen wie die Autorin ausser der Trauerbewältigung und der Liebesgeschichte auch die verschiedenen anderen Beziehungen (Schwiegermutter, Schwägerinnen untereinander, Kinder/ Eltern, Kinder/Tante) hat mit einfliessen lassen.
Dieses Buch würde ich jedem viel Leser empfehlen.
Ich vergebe dem Buch gerne 4 Sterne, da mir der Tiefgang im Glauben gefehlt hat.
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16.03.2021katikatharinenhof Eva und Angela sind nicht nur Schwägerinnen, sondern auch durch den schmerzhaften Verlust ihrer Ehemänner miteinander verbunden. Das Brüderpaar kam bei einem Tauchunfall ums Leben und seit dem ist nichts mehr, wie es war. Eva hat die Lust verloren, mit ihren Händen wunderschöne bunte Blumengebinde zu erschaffen und Angela kann kaum den Spagat zwischen Mehrfachbeschäftigung und Kindererziehung leisten. Evas
Idee, das Andenken an die beiden Männer mit einem Ultramarathon in Neuseeland zu bewahren, stößt bei Angela zunächst auf Kopfschütteln und Unverständnis. Doch sie müssen die extreme Strecke von 250 km nicht alleine bewältigen, denn das Schicksal stellt ihnen zwei nette Männer an die Seite, die nicht nur für die Dauer des Marathons die Frauen begleiten wollen....
"Alles, was noch vor uns liegt" ist ein sehr einfühlsamer Roman, der sich mit den Themen Trauerbewältigung, Loslassen, innerer Heilung und Selbstfindung befasst und mit leisen Tönen die Geschichte von Eva und Angela erzählt.
Gefangen in ihrer Trauer können beide nicht aus ihrer Haut, schotten sich immer mehr ab und verlieren sich dabei komplett selbst aus den Augen. Für Eva geht es sogar soweit, dass sie keinerlei Inspiration mehr verspürt, ihr die Welt grau und einsam vorkommt uns sie sich immer mehr in ihrer Trauer verschanzt. Dabei merkt sie gar nicht, dass ihr nicht nur eine, sondern gleich mehrere helfende Hände gereicht werden, um ihr die Rückkehr ins Leben wieder zu ermöglichen.
Angela erscheint mit manchmal recht verbittert und ihre Unzufriedenheit sorgt dafür, dass sei selbst einen Keil zwischen sich und ihre Kinder treibt, obwohl sie gerade jetzt zusammenhalten müssten.
Mit der Anmeldung zu Ultramarathon scheinen auch ein wenig die Lebensgeister zurückzukehren und man merkt, dass beide das Training dazu nutzen, im wahrsten Sinne des Wortes wieder Fuß zu fassen. Anfangs hat man noch das Gefühl, dass sie eher von ihrer Trauer davonlaufen, anstatt sich ihrer Gefühle zu stellen, aber je mehr Trainingskilometer gelaufen sind, desto mehr öffnen sich die beiden Frauen und lassen Einblicke in ihr Seelenleben zu.
Die Laufstrecke in Neuseeland bietet zwar landschaftliche Reize, aber es passiert leider nicht all zuviel, um hier eine großartige Spannung oder Neugier zu erzeugen. Der Prozess des Loslassen und des Zulassens von Gefühlen ist zwar recht anschaulich beschrieben, emotional rührt die Autorin aber leider nicht am Mitgefühl des Lesers, sodass sich dieser Part ein wenig zähflüssig liest. Für mich hätte ruhig noch stärker zum Ausdruck kommen können, dass die Trauer quasi mit jedem Schritt in Grund und Boden gelaufen bzw. abgegeben wird und sich so eine gewisse Art der Befreiung in den beiden Frauen ausbreiten kann.
Bis es zum Happy-End kommt, vergehen noch ein paar Augenblicke, die das Gefühlsleben der Protagonisten in Wallung versetzen, den Leser aber außen vor lassen. Die Vermittlung der christlichen Botschaft geschieht wohl dosiert und ist passend zum Thema in die Handlung eingearbeitet.
Leider kann das Buch nicht an die herausragende Qualität von "Das Flüstern von Tinte auf Papier" anknüpfen und ich bleibe ein wenig enttäuscht zurück. Somit kann ich nur gute 3,5 Sternchen vergeben.
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