Bei dem Wort Segen denken wir zuerst an den Zuspruch am Ende eines jeden Gottesdienstes. Doch Segen ist so viel mehr.
Die Familienberater Gary Smalley und John Trent zeigen fünf biblisch fundierte Schlüsselelemente des Segens auf und wie unabdingbar diese für heilsame Beziehungen zu anderen und zu Gott sind. Sie geben praktische Impulse, wie man den Segen Gottes im eigenen Leben erfahren und auch für andere ein Segen sein kann.
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1. Auf der Suche nach dem Segen
Jeder von uns sehnt sich danach, von anderen akzeptiert zu werden. Laut äußern wir vielleicht: „Mir ist egal, was andere Leute von mir denken.“ Im Inneren jedoch wünschen wir uns nichts sehnlicher als Vertrautheit und Zuneigung. Ganz besonders gilt dieses Verlangen im Verhältnis zu unseren Eltern. Es spielt für uns eine große Rolle, ob wir die Anerkennung unserer Eltern finden oder sie uns verwehrt bleibt, selbst wenn wir seit Jahren keinen regelmäßigen Kontakt mehr zu ihnen haben.
Was sich in unserer Beziehung zu den Eltern abspielt, kann tatsächlich in hohem Maße alle unsere gegenwärtigen und zukünftigen Beziehungen beeinflussen. Das mag übertrieben klingen, doch die Sprechzimmer sind voll von Menschen, die genau mit diesem Problem zu kämpfen haben, so wie auch Bernd und Nele.
Wie Bernds Traum zerplatzte
„Bitte sag, dass du mich lieb hast, bitte!“ Bernds Worte verloren sich in Tränen, als er sich über die still gewordene Gestalt seines Vaters beugte. Es war spät nachts in einem großstädtischen Krankenhaus. Nur die kalten weißen Wände und das Summen eines Herzmonitors leisteten ihm Gesellschaft. Seine Tränen offenbarten eine tiefe innere Qual und Empfindsamkeit, die seit Jahren an ihm zerrten, seelische Verletzungen, für die es nun keine Heilung mehr zu geben schien.
Bernd war fast über das halbe Land zu seinem Vater geflogen, um einen letzten Versuch zu unternehmen, jahrelangen Streit und Missverständnisse auszuräumen. Unaufhörlich hatte Bernd sich darum bemüht, von seinem Vater akzeptiert und anerkannt zu werden, doch schien dieses Ziel immer unerreichbar zu sein.
Bernds Vater war Offizier gewesen. Als Bernd heranwuchs, hegte sein Vater nur den einen Wunsch, dass der Sohn in seine Fußstapfen treten würde. Mit dieser Vorstellung im Kopf ließ Bernds Vater keine Gelegenheit aus, dem Sohn Disziplin einzuimpfen, die er brauchen würde, wenn auch er eines Tages Offizier war.
Worte der Liebe und Anerkennung waren untersagt. Der Vater spornte Bernd an, Sport zu treiben und Wahlfächer zu belegen, die ihm die beste Ausrüstung für die Offizierslaufbahn geben würden. Das einzige Lob, das Bernd für eine sportliche Glanzleistung oder eine gute Arbeit in der Schule zu hören bekam, war eine Lektion darüber, wie er es noch besser hätte machen können und sollen.
Nach dem Abschluss des Gymnasiums meldete sich Bernd bei der Bundesmarine. Das war der glücklichste Tag im Leben seines Vaters. Doch die Freude war von kurzer Dauer. Bernd wurde wegen schlechter Führung und Missachtung von Befehlen vorgeladen und zurechtgewiesen. Nachdem er über Wochen hinweg diszipliniert worden war (unter anderem wegen eines hitzigen Streits mit seinem Ausbilder), wurde Bernd nicht zur Offizierslaufbahn zugelassen.
Die Nachricht vom Ende der Karriere Bernds bei der Marine versetzte der Beziehung zu seinem Vater einen tödlichen Schlag. Er war zu Hause nicht länger willkommen und schließlich riss der Kontakt zwischen beiden vollständig ab. In dieser Zeit kämpfte Bernd mit Minderwertigkeitsgefühlen und litt unter einem Mangel an Selbstbewusstsein. Trotz überdurchschnittlicher Intelligenz übte er eine Reihe von Tätigkeiten aus, die weit unter seinen Fähigkeiten lagen. Dreimal war er verlobt – nur um jedes Mal wenige Wochen vor der Hochzeit die Verlobung wieder zu lösen. Irgendwie fehlte ihm der Glaube, dass ein anderer Mensch ihn wirklich lieben könne.
Damals war sich Bernd noch nicht bewusst, dass er an den üblichen Symptomen eines Menschen litt, der ohne das Gefühl des Segens seiner Familie aufwächst. Der Segen fehlte in seinem Leben so sehr, dass er schließlich professionelle Hilfe suchte.
Ich nahm meine Beratungen mit Bernd auf, nachdem er seine zweite Verlobung gelöst hatte. Als wir seine Vergangenheit aufarbeiteten, erkannte Bernd allmählich sein Bedürfnis nach dem Segen seiner Familie und seiner Verantwortung, sich ernsthaft mit seinen Eltern auseinanderzusetzen. In diesem Zustand kam der Anruf seiner Mutter, dass sein Vater nach einem Herzanfall im Sterben liege.
Bernd machte sich sofort auf den Weg zum Krankenhaus, um seinen Vater zu sehen. Den ganzen Weg über hoffte er auf eine Aussprache und dass ihre Beziehung endlich wieder ins Reine kam. „Ganz sicher wird er mir zuhören. Ich habe ja so viel gelernt. Ich weiß, dass sich die Dinge zwischen uns ändern werden.“ Bernd sagte sich diese Sätze während der Fahrt immer wieder vor. Aber so sollte es nicht kommen.
Zwei Stunden vor seiner Ankunft fiel Bernds Vater ins Koma. Die Worte, die zu hören sich Bernd so gewünscht hatte – Worte der Liebe und Anerkennung – konnten nun nicht mehr ausgesprochen werden. Sein Vater starb vier Stunden nach Bernds Eintreffen, ohne das Bewusstsein noch einmal wiederzuerlangen.
„Papa, bitte wach auf!“ Bernds herzzerreißendes Schluchzen hallte auf dem Krankenhauskorridor wider. Seine Schreie betrauerten nicht nur den physischen Verlust seines Vaters, sondern auch den endgültigen Verlust des väterlichen Segens.
Als Nele von ihrer Vergangenheit eingeholt wurde
Neles Verlust war gänzlich anders, doch Schmerz und Leid durch das Fehlen des Segens trafen sie beinahe genauso tief. Leben ohne Segen führte nicht nur zu Problemen mit ihren Eltern, sondern auch mit ihrem Mann und den Kindern.
Nele wuchs in einem wohlhabenden Vorort einer größeren Stadt auf. In ihren frühen Kinderjahren pflegte ihre Mutter besonders gern den gesellschaftlichen Umgang mit anderen Frauen im Tennisklub. Tatsächlich gewannen diese gesellschaftlichen Zusammenkünfte für Neles Mutter eine überragende Bedeutung, da ihre Ehe alles andere als erfüllt war.
Als Nele noch sehr klein war, steckte ihre Mutter sie in elegante Kleider (das Kind musste drinnen still sitzen und durfte nicht draußen spielen) und nahm sie und ihre ältere Schwester mit zum Tennis. Doch als Nele älter wurde, änderte sich diese Praxis allmählich.
Im Gegensatz zu ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester war Nele keineswegs zierlich, sondern ziemlich kräftig und robust. Auch war sie alles andere als die Ruhe in Person. Sie war ein Wildfang mit einer Vorliebe für Spiele im Freien, Tiere aller Art und das Klettern über Zäune.
Man kann sich leicht vorstellen, dass ein solches Verhalten bei einer Tochter, die auf einen späteren Auftritt als Debütantin hin getrimmt wurde, ernsthafte Probleme hervorrief – vor allem, als eine Strumpfbandnatter auf mysteriöse Weise ihren Weg in eine der Gartenpartys ihrer Mutter fand. Niemand konnte beweisen, dass Nele die Schlange in den Garten geschmuggelt hatte, doch von diesem Augenblick an trat eine Veränderung in der Beziehung zu ihrer Mutter ein.
Neles Mutter versuchte verzweifelt, die Irrwege ihrer Tochter wieder zurechtzurücken. Nele wurde ständig zurechtgewiesen, weil sie „unbeholfen“ und „träge“ sei. Beim Einkaufsbummel wurde sie oft aufgezogen, um sie zur Gewichtsabnahme zu motivieren. „Die wirklich hübschen Kleider sind alle zwei Nummern zu klein für dich. Sie passen deiner Schwester“, kritisierte ihre Mutter sie. Schließlich wurde Nele zu einer strengen Diät gezwungen, damit sie von ihrer äußeren Gestalt her für andere vorzeigbar würde.
Nele gab sich große Mühe, ihre Diät einzuhalten und genau so zu werden, wie ihre Mutter sie sich wünschte. Doch trotzdem wurde Nele von ihrer Mutter und ihrer Schwester meist zu Hause gelassen, wenn sie zu gesellschaftlichen Ereignissen gingen. Bald gab es keine Einladungen mehr für solche Anlässe. Eines Tages sagte ihre Mutter zu ihr:
„Du möchtest doch nicht in Verlegenheit kommen wegen deines Aussehens, oder?“
Als Nele zum ersten Mal zur Beratung kam, war sie über dreißig, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Seit Jahren kämpfte sie mit ihrem Gewicht und ihren Minderwertigkeitsgefühlen. Auch ihre Ehe war für sie ein ständiger Kampf.
Neles Mann liebte sie von ganzem Herzen, doch ihre Unfähigkeit, sich angenommen zu fühlen, erzeugte Unsicherheit und Abwehr. Als Folge dieser Überempfindlichkeit fühlte sich Nele jedes Mal bedroht, wenn sie und ihr Mann sich nahe kamen. Unweigerlich schreckte sie bei irgendeiner Kleinigkeit, die ihr Mann tat, zurück und distanzierte sich umso mehr.
Nele fühlte sich wegen der fehlenden Akzeptanz in ihrer Vergangenheit in einer Beziehung nur dann wohl, wenn sie den Partner auf Abstand hielt. Ihre Ehe war für sie sehr wichtig, doch am meisten beschäftigte sich Nele mit ihren Kindern.
Sie hatte zwei Töchter. Das ältere Mädchen war eher kräftig gebaut und sah Nele sehr ähnlich, die jüngere Tochter hingegen war eher zierlich. Die Beziehung zwischen Neles Mutter und diesem jüngeren Kind war für Nele unerträglich und hatte gravierende Auswirkungen auf Neles Gefühle und ihr Verhalten.
Genau wie in Neles Kindheit kümmerte sich ihre Mutter nur um die jüngere, „hübsche“ Tochter, während die ältere unbeachtet blieb. Alte Wunden, die für Nele längst der Vergangenheit angehörten, rissen wieder auf bei der Beobachtung ihrer eigenen Kinder. Kummer und Einsamkeit ihrer älteren Tochter waren wie ein Echo von Neles eigenem Unglück.
Unbewusst veränderte sich Neles Haltung gegenüber ihrer jüngeren Tochter. Schon die geringste Unstimmigkeit zwischen den beiden rief einen Zornesausbruch hervor. Bitterkeit und Wut traten an die Stelle echter Zuneigung.
Im tiefsten Herzen war Nele auch zornig auf Gott. Trotz ihrer Gebete hatte sie das Gefühl, er habe weder das Verhältnis zu ihrer Mutter noch ihre gegenwärtigen Lebensumstände verändert. Sie schien dazu verdammt, ihre eigene qualvolle Vergangenheit nochmals zu durchleben. Diese Anklage hatte zur Folge, dass sie den Kontakt zu anderen Christen abbrach und auch nicht mehr betete.
Nele vermisste den Segen, um den sie sich vergeblich so viele Jahre bemüht hatte und worunter letztlich ihre Beziehung zu ihrem Mann, ihren Kindern und auch zu Gott litt.
Unser Verlangen nach Akzeptanz
Für Bernd und Nele hatte die fehlende Akzeptanz durch die Eltern schwerwiegende Folgen. Für Bernd war das Ausbleiben des Segens ein Hauptgrund für das Zerbrechen seiner Verlobung; es hinderte ihn daran, einem anderen Menschen so nahezukommen, dass eine tiefere Bindung entstehen konnte. Bei Nele zerstörte die Unfähigkeit, sich selbst anzunehmen, ihre wichtigsten Beziehungen. Ohne es zu erkennen, waren Bernd und Nele auf der Suche nach dem gleichen Ziel – dem elterlichen Segen.
Bernd und Nele stehen für Menschen, die das Elternhaus physisch schon lange verlassen haben, aber gefühlsmäßig nach wie vor daran gefesselt sind. Da sie in der Vergangenheit keine Anerkennung durch ihre Eltern erhalten haben, kann in der Gegenwart kein Gefühl echter Annahme durch andere entstehen. In Neles Fall hielt dieser Mangel sie sogar davon ab zu glauben, dass ihr himmlischer Vater sie wirklich liebt.
Manche Menschen werden bei der Suche nach dem Segen, der ihnen zu Hause versagt bleibt, in die Arbeitssucht getrieben, sie werden „Workaholics“. Das unablässige Streben nach Bestätigung führt dazu, dass sie nie das Gefühl erreichen, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Andere ziehen sich zurück und werden teilnahmslos, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben, jemals wirklich Anerkennung zu finden. Im schlimmsten Fall kann dieses Verhaltensmuster in chronische Depression münden und sogar zu Selbstmord führen. Bei fast allen Kindern, die den Segen ihrer Eltern nicht mit auf den Weg bekommen, löst dieser Verlust irgendwann in ihrem Leben eine unaufhörliche Suche aus.
Diese Suche nach dem Segen ist keineswegs ein Phänomen unserer Tage, sondern reicht weit in die Jahrhunderte zurück. Tatsächlich können wir schon im Alten Testament einen Menschen finden, dem der Segen seiner Familie entging: ein verwirrter und zorniger Mann mit Namen Esau. Wenn wir das Leben dieses Mannes betrachten, erfahren wir zugleich auch etwas über den Segen und was es bedeuten kann, mit oder ohne diesen aufzuwachsen.
„Segne mich auch, mein Vater!“
Esau war außer sich. War das wirklich geschehen? So mag er sich vielleicht gefragt haben. Nur wenige Stunden zuvor hatte ihn sein Vater zu sich gerufen und eine besondere Bitte geäußert. Wenn Esau, der ältere Sohn, ihm aus frischem Wildbret ein schmackhaftes Mahl zubereite, dann würde der lang erwartete Segen seines Vaters über ihm ausgesprochen werden.
Was war das für ein Segen, auf den Esau schon so lange gewartet hatte? In biblischen Zeiten war der Empfang des väterlichen Segens für Söhne und Töchter ein Ereignis von großer Bedeutung. Wir entdecken, dass es diesen Kindern das Gefühl gab, von ihren Eltern hoch geachtet zu sein und von diesen eine besondere Zukunft verheißen zu bekommen. An einem wichtigen Punkt in ihrem Leben vernahmen sie Worte der Ermutigung, Liebe und Zuneigung von ihren Eltern.
Wir werden sehen, dass einige Aspekte dieses alttestamentlichen Segens einmalig für jene Zeit waren. Die Beziehungsebene dieses Segens findet dagegen auch heute noch Anwendung. Zur damaligen Zeit war der Segen vorwiegend für eine spezielle Gelegenheit vorbehalten. Heute dagegen können die Eltern beschließen, diese Elemente des Segens in das tägliche Leben ihrer Kinder einzubauen.
Bei Esau folgte sein Vater Isaak dem Brauch, bis zu einem besonderen Tag zu warten, um seinem Sohn dann den Segen zu geben. Nun war Esaus Wartezeit endlich vorbei. Die Segenszeit würde beginnen, sobald er die Jagdbeute erlegt und ein besonderes Mahl zubereitet hatte.
Mit den Erfahrungen und dem Geschick eines erfahrenen Jägers war Esau rasch und erfolgreich losgezogen. In kürzester Zeit hatte er ein köstliches Wildbret hergerichtet, wie es nur jemand konnte, der die Kunst des Kochens im Freien beherrschte.
Alles war so geschehen, wie es ihm aufgetragen worden war. Warum nur hatte sein Vater so gezittert, als Esau vor ihm stand? Wie in einem Traum lief die Szene vor seinem inneren Auge immer und immer wieder ab. Eben hatte er das Zelt seines Vaters betreten und ihn begrüßt:
Richte dich auf mein Vater, und iss von dem Wildbret deines Sohnes, dass mich deine Seele segne. Da antwortete ihm Isaak, sein Vater: Wer bist du? Er sprach: Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn. Da entsetzte sich Isaak über die Maßen sehr und sprach: Wer? Wo ist denn der Jäger, der mir gebracht hat, und ich habe von allem gegessen, ehe du kamst, und habe ihn gesegnet? Er wird auch gesegnet bleiben. Als Esau diese Worte seines Vaters hörte, schrie er laut und wurde über die Maßen sehr betrübt und sprach zu seinem Vater: Segne mich auch, mein Vater!
(1. Mose 27,31-34)
Esau wusste nicht, dass jemand sie belauscht hatte, als sein alter und nahezu blinder Vater ihn zu sich gerufen hatte. Rebekka, die Mutter Esaus und seines Zwillingsbruders Jakob, befand sich ebenfalls im Zelt. Sobald Esau aufs Feld hinausgegangen war, um frisches Wildbret zu erlegen, lief sie mit einem listigen Plan zu Jakob, ihrem Lieblingssohn.
Wenn sie sich beeilten, konnten sie eine Ziege aus der Herde schlachten und damit ein leckeres Mahl zubereiten. Außerdem konnten sie Jakob die Kleider seines Bruders anziehen und ihm das Tierfell anlegen, um Esaus raue, haarige Haut an Armen, Händen und Hals vorzutäuschen.
Esaus Kleider anzuziehen war kein Problem, doch was sie nicht nachzuahmen vermochten, war Esaus Stimme, und daran wären sie beinahe gescheitert (1. Mose 27,22). Doch obwohl Isaak ein wenig misstrauisch war, gelang ihr Plan letzten Endes genau so, wie sie es sich erhofft hatten. In 1. Mose 27,22-23 lesen wir: „So trat Jakob zu seinem Vater Isaak ... Und er erkannte ihn nicht, denn seine Hände waren rau wie Esaus, seines Bruders, Hände. Und er segnete ihn.“ Der Segen, der dem älteren Sohn zugedacht war, ging nun an den jüngeren.
Jahre vorher hatte Esau sein Erstgeburtsrecht für eine Schüssel mit Linsen an seinen Bruder Jakob verkauft (1. Mose 25,29-34). Wie wir später noch sehen werden, war dieses Erstgeburtsrecht ein besonderes Erbrecht, das nur dem Erstgeborenen vorbehalten war. Esau war bereit, dieses Recht ohne einen weiteren Gedanken zu verkaufen, nur um ein momentanes Hungergefühl zu stillen, doch der Verlust des Familiensegens war eine andere Geschichte.
Dass Esau den Segen seines Vaters verlor, war für ihn niederschmetternd. Bei der Entdeckung, dass Jakob ihm den Segen gestohlen hatte, rief er tatsächlich aus: „Hast du denn nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein Vater!“ (1. Mose 27,39-40), doch es waren nicht die Worte der Wertschätzung und Zuneigung, nach denen er sich sehnte.
Können Sie sich den Schmerz, der in dem Ausruf „Segne mich auch, mein Vater“ liegt, vorstellen? Der gleiche schmerzliche Ruf, die gleiche unerfüllte Sehnsucht findet sich heute bei vielen Menschen, die nach dem Segen ihrer Familie verlangen. Männer und Frauen, deren Eltern es aus irgendeinem Grund versäumten, sie mit Worten der Liebe und Zuneigung zu beschenken. Menschen wie Bernd und Nele, Menschen, denen Sie jeden Tag begegnen. Vielleicht auch Sie selbst?
Was bedeutet heute Segen?
Echte Zuneigung und das Gefühl, wirklich angenommen zu sein –, ein unerfülltes Bedürfnis im Leben von Bernd, Nele und Esau, ein Bedürfnis, das auch bei vielen Menschen heutzutage nicht gestillt wird. Vielleicht haben Sie selbst diese Sehnsucht, oder ein von Ihnen geliebter Mensch verlangt danach. Doch der Segen der Familie vermittelt den Menschen nicht nur die dringend benötigte Bestätigung der eigenen Person, sondern ermöglicht erst den Aufbau enger Beziehungen.
Orthodoxe jüdische Familien verleihen heute wie früher ihren Kindern einen besonderen Familiensegen. Dieser ist dem patriarchalischen Segen sehr ähnlich, den wir in der Geschichte von Esau kennengelernt haben, und bildet einen wichtigen Bestandteil, um Generationen von Kindern ein Gefühl des Angenommenseins zu geben. Doch in unserer Zeit ist er auch zu einer bedeutsamen Quelle des Schutzes für diese Kinder geworden.
Im ganzen Land bieten Sekten unseren Kindern einen falschen Segen an. Religiöse Führer vermitteln ein Familiengefühl und versprechen zumindest anfangs persönliche Aufmerksamkeit, Zuwendung und Bestätigung – ein wichtiges Zugpferd für viele Sekten. Besonders anfällig sind Kinder, die ohne das Gefühl aufwachsen, von den Eltern angenommen zu sein. Pro Jahr sind das Tausende. Doch es ist, als bitte man hungrige Kinder zu einem imaginären Mahl: Geruch und Aroma locken sie zum Tisch, doch nach dem Essen sind sie hungriger als vorher.
Als Eltern können Sie Ihr Kind oder Ihre Kinder mit einer schützenden Rüstung ausstatten. Die beste Antwort auf das Verlangen eines Kindes nach Bestätigung ist, ihm echte Zuwendung entgegenzubringen. Wenn ein Kind daheim echte Zuneigung und Anerkennung findet, verringert isch die Gefahr, dass es bei einer Sekte oder bei falschen Freunden Zuflucht sucht. Echte Zuwendung schöpft ihre Kraft aus dem Segen.
Der Segen ist jedoch nicht nur für Eltern ein wichtiger Schlüssel. Auch für jeden Menschen, der sich einem anderen in einer engen Beziehung nähern möchte, ist Segen von entscheidender Bedeutung.
Einer der bekanntesten Verse der Bibel steht in 1. Mose 2,24: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen.“ Es wird viel von der Notwendigkeit gesprochen, seinem Ehegatten anzuhangen. Aber zu wenig ist davon die Rede, dass Menschen ihr Zuhause „verlassen“ müssen. Vielleicht liegt der Grund darin, dass die Menschen das Weggehen von zu Hause einfach als physisches Fortgehen betrachten.
In Wirklichkeit bedeutet das Verlassen der Familie weit mehr, als dass wir einen physischen Abstand zwischen unseren Eltern und uns selbst herstellen. Im Alten Testament beispielsweise zogen die Menschen, wenn sie ihre Eltern verließen, höchstens auf die andere Seite des Lagerfeuers in ein neues Zelt! Das Verlassen des Elternhauses bedeutet nicht nur die physische, sondern auch die emotionale Trennung.
Es ist bedauerlich, dass die meisten Menschen, denen der Segen ihrer Eltern versagt bleibt, beim Verlassen des Elternhauses mit großen gefühlsmäßigen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sie haben ihre Eltern vielleicht schon jahrelang nicht mehr gesehen, doch das ungestillte Bedürfnis nach persönlicher Zuwendung kann einen Menschen an sein Elternhaus fesseln, sodass er für dauerhafte Beziehung mit anderen Menschen unfähig ist. Aus diesem Grunde bleiben viele Paare in ihrer Beziehung unerfüllt. Genau das ist bei Bernd und Nele geschehen. Vielleicht befinden Sie sich selbst oder einer Ihrer Lieben in dieser Situation. Grundvoraussetzung für die Lösung dieses Problems und die damit verbundene Befreiung der Menschen für den Aufbau gesunder Beziehungen ist das Verständnis für den Gedanken des Segens.
Eine Reise der Hoffnung und Heilung
Auf den folgenden Seiten werden Sie mehr über das Wesen des Segens entdecken. Wenn Sie selbst Kinder haben, erkennen Sie, wie Sie ihnen den Segen vermitteln können. Darüber hinaus werden Sie erkennen können, ob Ihre eigenen Eltern Sie unter den Segen Gottes gestellt haben. Wer segensreich aufgewachsen ist, wird einen Blick dafür bekommen, wie seine Eltern den Segen übermittelt haben, und empfindet vielleicht den Wunsch, ihnen dafür zu danken.
Und auch dem, der ohne den elterlichen Segen aufwächst, kann geholfen werden. Sie erhalten Einblick in die üblichen Verhaltensmuster von Menschen, denen der Segen vorenthalten wurde. Sie erhalten Anregungen, wie Sie ohne den Segen einer irdischen Familie leben können und werden zu Gottes geistlichem Familiensegen hingeführt, den er jedem seiner Kinder anbietet. Sie dürfen hoffen, dass die lange Suche nach persönlicher Zuwendung ein Ende findet.
Wenn Sie Lehrer sind, kann die Entdeckung des Segens Ihnen zu einem besseren Verständnis Ihrer Schüler verhelfen. Wenn Sie als Berater tätig sind, kann sie Ihnen eine hilfreiche Basis bieten, um Probleme besser zu verstehen und praktische Lösungen zu erarbeiten. Wenn Sie ein geistliches Amt ausüben, gibt sie Ihnen die Möglichkeit, ein Grundbedürfnis jedes Menschen zu begreifen, und liefert Ihnen die Mittel, dieses Bedürfnis zu stillen.
Ich bete darum, dass Sie sich für die folgenden Seiten Zeit nehmen und den Mut haben, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten – eine Reise, die zu Hoffnung und Heilung führen kann. Darüber hinaus bete ich dafür, dass Sie bereit sind, einen realistischen Blick auf die Gegenwart zu werfen und die Dinge, die Sie dabei entdecken, in die Praxis umsetzen.
Diese Lektüre beendet vielleicht eine lebenslange Suche oder ermöglicht Ihnen den Anfang einer neuen Beziehung zu Ihren Kindern, Ihrem Ehegatten, Ihren Eltern oder einem engen Freund. Aus ganzem Herzen wünsche ich mir, dass dieses Buch Ihre Beziehung zu Ihrem himmlischen Vater bereichert, wenn Sie mehr darüber erfahren, welche Quelle des Segens er für jedes seiner Kinder sein will.
Gary Smalley
Gary Smalley ist seit 35 Jahren Seelsorger, Berater, Redner und Buchautor in Sachen Beziehungspflege. Er leitet das Smalley Relationship Center, ist verheiratet, hat drei Kinder, sieben Enkel und lebt in Missouri.
John Trent
John Trent ist Dozent am Moody Theological Seminary, Präsident von strongfamilies.com und der Autor zahlreicher Bücher zum Thema Ehe und Familie. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.
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