Wir benötigen spezielle Strategien, welche die jeweiligen wunden Punkte schwieriger Persönlichkeiten schonen und dadurch entwaffnend wirken. Wer auch mit schwierigen Menschen zurechtkommt, spart viel Kraft und Nerven. Sozial eingestellte Menschen, die Nächstenliebe verwirklichen wollen, geraten in eine Bewährungsprobe. Wer Liebe mit Liebsein verwechselt, wird schnell zum Opfer schwieriger Menschen. Der Umgang mit ihnen erfordert eine starke, konfliktbereite Liebe, die auch Grenzen setzen und den anderen vor die Wahl stellen kann.
Wenn ich mit Menschen ins Gespräch komme, begegnet mir oft ein Unbehagen, das viele empfinden, wenn sie andere als schwierig bezeichnen: „Ich habe doch auch meine Schwächen.“ Den anderen durchschauen und sich selbst erkennen gehört daher zusammen. Wenn der Stress nur groß genug ist, dann fährt auch die reifste Person ihre Stacheln aus. Dann verletzen oder enttäuschen wir selbst die Menschen, die wir lieben und mit denen wir gerne zusammenarbeiten. Wer um die eigenen Stacheln weiß und sie zu entschärfen lernt, verbessert seine Beziehungen. Diese werden entspannter, tiefer, kooperativer und vertrauensvoller.
Dieses Buch knüpft an zwei Vorgänger aus der Stachelreihe an: „Stachlige Persönlichkeiten. Wie Sie schwierige Menschen entwaffnen“ und „Meine Stacheln. Wie Sie Ihre Schwächen entschärfen“. Dieses Arbeitsbuch eignet sich als praxisbezogener Einstieg ins Thema. In kurzer, übersichtlicher Form vermittelt es Ihnen ein Verständnis schwieriger Persönlichkeiten und der eigenen Schwächen. Fragen und kleine Arbeitsaufträge leiten Sie an, das psychologische Hintergrundwissen mit Ihrer eigenen Erfahrung zu verbinden. Schritt für Schritt entwickeln Sie Ideen, wie Sie die Herausforderungen noch besser bewältigen, die Ihnen Ihre Beziehungen und Ihre eigene Persönlichkeit stellen. Wenn Sie bereits eines der beiden Bücher aus der Stachelreihe gelesen haben, dann ermöglicht Ihnen das Arbeitsbuch eine persönliche Vertiefung.
Wenn es stachlig wird, dann geht es oft um ganz praktische Fragen: Wie rette ich hier meine Haut? Wie kann ich verhindern, dass ein unreifer Mensch zu viel Macht ausübt? Wie kann ich Beziehungen entspannen, in denen Probleme aufgetreten sind? Es geht also zunächst um die Beseitigung von Schwierigkeiten. Aber bei näherer Betrachtung geht es auch um grundlegende Lebensthemen: Wo endet die Toleranz? Wie gehen wir mit Ungerechtigkeit um? Wie bewältigen wir Ohnmacht und wie viel Macht will ich selbst ausüben? Das Austragen von Konflikten und die Selbsterkenntnis, zu der wir dabei finden, führen uns bei diesen existenziellen Fragen weiter. Wir reifen und gewinnen eine Weltanschauung, die die dunklen Seiten anderer Menschen und unserer selbst nicht beschönigen muss. Das macht Freude, finde ich.
Ich hoffe, ich kann Sie in diesem Arbeitsbuch mit einer Faszination für die menschlichen Existenzfragen anstecken. Die Psychologie kann hier hilfreiche Antworten geben. Zugleich sind ihre Antworten aber auch begrenzt. Psychologie ist keine Weltanschauung und hält sich da zurück, wo es um die grundlegenden Fragen des Menschseins geht. Hier knüpfe ich an die christliche Tradition an, in der ich selbst verwurzelt bin. Sie zeigt zu den verschiedenen Themen spirituelle Wege auf, die Sie vielleicht überraschen werden.
Dieses Arbeitsbuch lädt Sie einerseits zum Selbststudium ein, andererseits zu einem Austausch mit anderen. In beidem liegt eine besondere Chance. Beziehungen haben eine Tiefendimension, die sich im Alltag nicht immer erschließt. Andere Menschen und auch wir selbst verhalten uns nicht immer vernünftig. Genauer müsste man sagen: Menschen verhalten sich in einer Weise, die auch von unbewussten Motiven und Reaktionsmustern bestimmt ist. Wenn Sie sich an einen ruhigen Ort zurückziehen und den Dingen auf den Grund gehen, dann offenbaren sich Ihnen auch die Vorgänge, die unter der Oberfläche verborgen liegen.
Aber auch der Austausch mit anderen ermöglicht es uns, den Dingen auf den Grund zu gehen. Denn wir alle tragen eine lebensgeschichtlich geprägte Brille, die uns nur einen Teil der Wirklichkeit erkennen lässt. Andere ergänzen unsere Sicht der Dinge, besonders natürlich dort, wo es um unsere eigenen Schwächen geht. Im gemeinsamen Nachdenken ordnen sich manche Gedanken und Gefühle neu. Wir gelangen zu Erkenntnissen, zu denen wir allein nicht gekommen wären. So ergänzen sich das Selbststudium und der Austausch mit anderen. Zum Selbststudium gehen Sie einfach die Steckbriefe und Arbeitsblätter durch. Für den Austausch mit anderen bietet das Arbeitsbuch verschiedene Konzepte, vom Austausch zu zweit über thematische Gesprächskreise bis hin zu einem Seminarformat. In den jeweiligen Kapiteln sind diese Möglichkeiten genauer beschrieben und ausgearbeitet.
In diesem Arbeitsbuch habe ich meist auf die doppelten Bezeichnungen verzichtet, die eine geschlechtergerechte Sprache fordert. Das macht den Text verständlicher und leichter lesbar. An manchen Stellen habe ich dennoch beide Geschlechter genannt, an allen anderen sind Frauen und Männer gleichermaßen gemeint.
Aber jetzt geht es los. Holen Sie sich Ihr Lieblingsschreibzeug. Gönnen Sie sich Ihr Lieblingsgetränk. Machen Sie es sich an Ihrem Lieblingsort gemütlich. Schon in einigen Stunden werden Sie die Welt und sich selbst mit anderen Augen sehen.
Gemeinsam mit Ihnen auf dem Weg
Ihr
Jörg Berger
Stachlige Persönlichkeiten
Den stachligen Persönlichkeiten begegnen Sie in vier Schritten. Zuerst lesen Sie in einem Steckbrief, was für die jeweilige Persönlichkeit typisch ist, welche Probleme sie verursacht und was hinter ihrem Verhalten steckt. Wenn Sie bereits eine Begegnung mit diesem Typen hatten, können Sie Ihre Erfahrung mithilfe eines Arbeitsblattes auswerten. Strategien für den Umgang mit der schwierigen Persönlichkeit finden Sie in einem zweiten Steckbrief. Ein weiteres Arbeitsblatt hilft Ihnen, diese Strategien anzuwenden.
Vermutlich sind Sie allen sieben Typen schon einmal begegnet, die im Folgenden beschrieben sind. Dieses Arbeitsbuch wird Ihre Wahrnehmung schulen, sodass Sie schwierige Persönlichkeiten immer schneller erkennen und deren Verhalten immer besser entlarven können. Ein wenig Geduld dürfen Sie mit sich haben. Immer, wenn wir etwas Neues lernen, erkennen wir die Dinge zunächst etwas verschwommen, bis unsere Wahrnehmung immer schärfer wird. Beginnen Sie ruhig mit Typen, bei denen Ihnen sofort eigene Erfahrungen in den Sinn kommen.
Extrem schwierige Menschen kombinieren zwei oder sogar mehrere der beschriebenen Verhaltensmuster. Dann können Sie Ihre Erfahrungen mit der gleichen Person an verschiedenen Stellen auswerten und die empfohlenen Strategien nebeneinander einsetzen. Über die sieben grundlegenden Verhaltensweisen schwieriger Menschen gebe ich Ihnen hier einen Überblick.
Grenzüberschreiter meinen es eigentlich gut. Sie bemerken aber nicht, wenn ihre Bedürfnisse nicht im Einklang mit den Bedürfnissen ihrer Mitmenschen sind. Daher gehen sie oft zu weit. Sie überschreiten die Grenzen anderer. Manchmal dringen sie in die Privatsphäre ein. Sie erheben Anspruch auf das Eigentum, das Wissen und die Hilfe anderer. Gegenüber Zurückweisung sind sie sehr empfindsam. Dann kann aus der vereinnahmenden Umarmung ein Schwitzkasten werden, aus dem Betroffene erst entlassen werden, wenn sie den Wünschen von Grenzverletzern nachgeben.
Blender sind Meister der Selbstdarstellung. Sie vermitteln ein Bild von sich, das andere anzieht und Hoffnungen weckt. So gewinnen sie die Aufmerksamkeit anderer Menschen. Ihre Projekte finden Unterstützung. Sie ergattern gute Jobs und angesehene Ehrenämter. Doch wer hinter die Kulisse blickt, entdeckt eine enttäuschende Kehrseite. Was Blender als herausragend verkauft haben, ist in Wahrheit mittelmäßig. Ihre persönlichen oder fachlichen Mängel sind so groß, dass man es nicht glauben will. Am liebsten würde man an der schönen Fassade rütteln und sie zum Einstürzen bringen. Solche Versuche beschwören aber einen gewieften Illusionisten herauf, der andere Dinge sehen lässt, die es nicht gibt, und zum Verschwinden bringt, was andere nicht sehen sollen.
Einschüchterer mögen nicht, wenn sich ihnen jemand in den Weg stellt. Ihre Furcht einflößende Körpersprache, ihre Lautstärke, ihre groben Worte, ihre Drohungen und Machtdemonstrationen lösen bei anderen Angst aus. Die meisten Menschen scheuen den Konflikt und machen den Weg frei. Aber dankbar macht Einschüchterer das Nachgeben nicht. Im Gegenteil, wen sie als schwach wahrnehmen, dessen Rechte übergehen sie immer selbstverständlicher.
Abwerter machen sich selbst zum Maß der Dinge. Ihr Geschmack, ihre Vorlieben, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sind die Messlatte, die sie an andere Menschen anlegen. Sie fällen negative Urteile über andere und sprechen sie in einer Weise aus, die jedes Taktgefühl vermissen lässt. Dadurch greifen sie das Selbstwertgefühl anderer an. Betroffene brauchen manchmal Tage, um sich von abwertenden und kränkenden Worten zu erholen. Wenn Abwerter ihr negatives Urteil öffentlich aussprechen, stehen Betroffene vor einer schwierigen Frage. Sollen sie um ihr Ansehen kämpfen, auf die Gefahr hin, von anderen als empfindlich, eitel oder kritikunfähig gesehen zu werden?
Rächer begleichen offene Rechnungen. Sie tragen es nach, wenn sich jemand auf ihre Kosten durchsetzt. Sie sammeln Groll an, wenn sie sich in ihren Rechten übergangen fühlen. Dann warten sie auf den richtigen Moment. Sie verletzen durch Worte, die wunde Punkte treffen. Durch Tratsch schaden sie dem Ruf anderer. Sie verursachen Pannen, verbummeln wichtige Anliegen und verhindern so, dass ein anderer seine Ziele erreicht. Dabei tarnen sie die Vergeltung als Versehen oder Zufall. Ihre Motive verbergen sie hinter fadenscheinigen Begründungen. Dennoch erfassen Betroffene intuitiv die Botschaft: „Leg dich besser nicht mehr mit mir an!“
Vermeider ziehen sich zurück, wenn sie sich unsicher fühlen. Ihnen erscheint das Leben als gefährlich. Sie verweigern sich Aufgaben, die ihnen Angst machen. Aus diesem Grund entziehen sie sich auch manchen Verpflichtungen und enthalten anderen vor, was in Beziehungen selbstverständlich ist, zum Beispiel das offene Gespräch auch über schwierige Themen oder Hilfe auch bei unangenehmen Dingen. Betroffene fühlen sich von Vermeidern oft im Stich gelassen. Wer Vermeidern nahe sein will, muss sich in deren Schneckenhaus zwängen. Dort kann man sich geborgen, aber auch sehr eingeengt fühlen.
Energieräuber suchen Elternfiguren. Die Kompliziertheit der Welt überfordert sie, die Härte des Lebens setzt ihnen zu, Entscheidungen machen ihnen Angst. Eigentlich bräuchten sie noch eine Mama oder einen Papa, die sie durchs Leben geleiten und ihnen beibringen, wie man Herausforderungen bewältigt. Wer Energieräubern beisteht, merkt bald: Die Hilfe reicht nicht aus. So pendeln Helfer zwischen Selbst- überforderung, wenn sie zu viel geben, und einem schlechten Gewissen, wenn sie weniger geben. Manche macht die große Bedürftigkeit von Energieräubern auch ärgerlich.