Ist größer wirklich immer besser? Ist stetiges Gemeindewachstum ein Muss?
In seinem sehr persönlich gehaltenen Buch erzählt Karl Vaters seine Geschichte als Pastor einer kleinen Gemeinde und räumt mit vielen Annahmen der Gemeindewachstumsbewegung auf. Er ermutigt Leitende, ihre Gemeinden kleinerer und mittlerer Größe mit Gottes Augen zu sehen: das Potenzial wahrzunehmen, das in ihnen steckt, die Chancen auszuloten, die kleineren Gemeinden offenstehen, und ihren einzigartigen, heilsamen Platz im Reich Gottes einzunehmen.
»Gerade weil sie überall auf der Welt in kleinen Gruppen verstreut sind, haben kleine Gemeinden unmittelbaren Zugang zu Stadtvierteln, Familien und Einzelnen. Sie sind die größte und am schnellsten einsetzbare Kraft für geistliche Transformation, emotionale Ermutigung und materielle Hilfe, die die Welt je gesehen hat.«
(Karl Vaters)
€ 14,00
Preise inkl. MwSt., keine Versandkosten innerhalb Deutschlands ab € 10,00.
€ 11,99 inkl. MwSt.
Kapitel 1
Hallo, ich heiße Karl und ich bin Pastor
einer kleinen Gemeinde
Wenn der Titel dieses Kapitels für Sie wie die Einführung zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker klingt, dann haben Sie den richtigen Gedanken.
Ich bin Pastor einer kleinen Gemeinde.
Und ich bin kein Versager.
Erst nach fast dreißig Jahren des pastoralen Dienstes in kleinen Gemeinden konnte ich die zwei obigen Sätze schreiben. Jetzt, wo mir dies möglich ist, weiß ich, dass ich endlich ein Leben frei vom »Heuschrecken-Mythos« leben kann.
Ich bin Pastor einer kleinen Gemeinde
In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren war ich leitender Pastor in drei Ortsgemeinden, davon mehr als zwanzig Jahre in meiner gegenwärtigen Stelle. Diese drei Gemeinden waren völlig unterschiedlich, und doch hatten sie eins gemeinsam – sie waren kleine Gemeinden. Aber trotz zweieinhalb Jahrzehnten Dienst in kleinen Gemeinden war ich bis vor Kurzem in meinem Denken keinesfalls zum Pastor einer kleinen Gemeinde bestimmt. Stattdessen hatte ich mir eingeredet, dass ich eigentlich Pastor einer großen Gemeinde sein müsste, aber leider in einer kleinen Gemeinde stecken geblieben war.
Genau da beginnt der Heuschrecken-Mythos. Zumindest war es bei mir so. Ich glaubte diesem Mythos so sehr, dass ich eine regelrechte Abneigung gegen unser kleines Gemeindehaus entwickelte und gegen das, was es vermeintlich mit mir tat – dass es nämlich meinen Dienst geradezu erstickte.
Bald begann ich mich selbst zu verachten – dafür, dass es mir einfach nicht gelingen wollte, eine große Gemeinde aufzubauen.
Dann kam die Aversion gegen den pastoralen Dienst.
Und mit der Zeit begannen die Vorwürfe gegen Gott, dass er mich nur weiterführte, um mich dann wieder fallen zu lassen. Ich kann niemand anderen für diese Gefühle verantwortlich machen, aber sie waren auch nicht einfach aus der Luft gegriffen. Eleanor Roosevelt soll gesagt haben: »Kein Mensch kann dir einreden, dass du minderwertig bist, solange du ihm nicht die Erlaubnis dazu gibst.«1 Mehr als dreißig Jahre lang hatte ich anderen, die mich eigentlich gar nicht kannten, diese Erlaubnis erteilt. Und diese Menschen wussten nicht, dass ich ihre Bemühungen, mir zu helfen, missbrauchte.
Wenn Sie Pastor sind, so ist dies sicherlich nicht das erste Buch über den pastoralen Dienst, das Sie lesen. Vermutlich haben Sie sogar die gleichen Bücher wie ich durchgearbeitet und auch die gleichen Konferenzen besucht. Sie wissen, von welchen die Rede ist. Da hört man dann ungefähr folgende Erfolgsstory: Ein Pastor übernimmt eine bestehende Gemeinde oder gründet eine neue und innerhalb kürzester Zeit blüht die Gemeinde auf und Dienstzweige entwickeln sich. Und dieser Pastor wird zu einer Berühmtheit. Andere Pastoren beginnen sich zu fragen, wie er wohl so ein Wachstum herbeigeführt hat, und im nächsten Schritt werden wissbegierige Kollegen eingeladen, um sich anzuhören, wie so etwas zu schaffen ist. Es werden natürlich auch noch andere erfolgreiche Pastoren mit eingeladen, um Vorträge zu halten, während die anderen, die sich eher schwertun, in hoffnungsvoller Erwartung lauschen, wie die erfolgreichen Pastoren ihre Geschichten erzählen und ihre Strategien vermitteln. Ich war einer dieser Pastoren, die sich eher schwertun. Und in vieler Hinsicht bin ich es immer noch. Und ich habe auch viele hilfreiche Ideen von diesen Konferenzen und aus diesen Büchern mitgenommen.
Früher wusste das Leitungsteam meiner Gemeinde immer, wenn ich wieder mal auf einer Konferenz gewesen war. Ich kam nämlich völlig aufgedreht mit einer neuen »Erfolgsmethode« zurück und war der Überzeugung, dass diese nun der Schlüssel sei, um unsere Gemeindearbeit entscheidend zu verbessern. Manchmal übernahm ich die Prinzipien, von denen ich gehört hatte, und versuchte, sie meinen Mitarbeitern zu vermitteln. Wenn ich von einem Buch besonders überzeugt war, dann mussten meine leitenden Mitarbeiter es auch lesen, damit wir es dann zusammen besprechen konnten. Manche aus unserem Leitungsteam waren schnell überzeugt, während andere eher zurückhaltend waren. Aber die Konferenzsprecher hatten mich natürlich auf die »Zögerlichen« vorbereitet und diese als die »Problemleute«, die »Visionstöter« und als die »Wir haben es noch nie so gemacht«-Menschen identifiziert. Und ich wollte mich von diesen Leuten nicht ausbremsen lassen, sondern auf eine neue und frische Art und Weise Gemeinde bauen.
Aber letztlich konnte ich nie die Erfolge der Konferenzsprecher oder Buchautoren erzielen. Und nach einigen Monaten voller Begeisterung, Energie und finanziellem Aufwand wurden vielleicht ein oder zwei dieser Ideen dauerhaft in unserer Gemeinde umgesetzt, aber das meiste verblasste mit der Zeit aus Mangel an Interesse. Und das Erfolgsbuch, das alle Antworten hatte, wanderte von meinem Schreibtisch zunächst ins Bücherregal und dann in eine Kiste in den Keller und ich gab den »Zögerlichen« aus der Gemeinde die Schuld daran, dass Gottes Vision wieder einmal gestorben war.
Im Laufe der Jahre fand ich es schließlich kostensparender, einfach Bücher zu lesen und weniger Seminare zu besuchen. Aber sogar dafür konnte ich mich irgendwann nicht mehr begeistern, weil die Konzepte und Ratschläge letztlich immer gleich waren. Konferenzen und Bücher bewirkten in mir mehr Entmutigung und Frustration als Begeisterung und Motivation.
Jahrelang besuchte ich kein einziges Seminar mehr und las kein Buch über Gemeindewachstum. Stattdessen ging ich ins Kino und las Romane. Es war eine nette Pause nach all dem Druck, Leistung zu erbringen. Denn wenn der Held im Film die Welt rettete, dann erwartete er nicht von mir, nach Hause zu gehen und das Gleiche zu tun.
Was war nur mit mir los? Oft fragte ich mich das. Ich bin ein intelligenter Mensch. Ich weiß, dass Gott mich dazu berufen hat, Pastor zu sein. Und ich weiß, dass er mich in diese Gemeinde gestellt hat.
Warum kann ich sie nicht so gestalten, wie sie sein soll? Warum wächst sie einfach nicht?!
Die Seminare, die Bücher oder die Erfolgspastoren waren jedenfalls nicht daran schuld. Ihre Erfolge brachten mich zwar dazu, mich minderwertig zu fühlen, aber nur, weil ich ihnen die Erlaubnis dazu gab, indem ich mich mit ihnen verglich. Je mehr ich sie bewunderte und versuchte, ihre Erfolge nachzuahmen, umso mehr fühlte ich mich wie diejenigen unter den israelitischen Kundschaftern, denen es an Glauben mangelte. Die Pastoren der Megagemeinden erschienen wie Riesen und ich war in meinen Augen wie eine Heuschrecke.2 Doch die Pastoren der Megagemeinden, die Erfolgsbücher schrieben und auf Konferenzen sprachen, hatten nie die Absicht, dies in mir auszulösen. Sie hatten versucht, ihren Erfolg als Werkzeug zu gebrauchen, um mir weiterzuhelfen. Ich war derjenige, der diese Erfolge gedreht und wie eine Waffe gegen mich gerichtet hatte. All dies geschah, weil ich versäumte, eine extrem wichtige Komponente meiner Dienstidentität zu erkennen:
Ich bin Pastor einer kleinen Gemeinde.
Als ich mir zum ersten Mal diese Wahrheit eingestand, war dies einer der besonders befreienden Momente meines Lebens. Ich erkannte die Wahrheit und nahm sie an. Und je mehr ich sie annahm, desto entspannter wurde ich. Endlich wusste ich, wer ich bin und zu welchem Dienst ich von Gott berufen worden war. Ich war frei von der Bürde, so werden zu wollen, wie es mir nicht bestimmt war.
Und ich bin kein Versager.
Aber: Wenn meine Gemeinde klein ist, wie kann ich dann mich selbst, meine Gemeinde oder meinen Dienst als erfolgreich bezeichnen? Wie kann ich die Gemeinde als »gesund« ansehen? Sollten nicht alle gesunden Organismen wachsen? Ja, das sollten sie. Aber das Problem ist, dass so viele von uns Gemeindeerfolg und Gemeindegesundheit anhand von Zahlen bewerten. Und nicht nur irgendwelche Zahlen, sondern: Wie viele Stühle sind besetzt und wie viele Euros sind in der Kollekte? Je mehr, desto besser?
Dieser Zwang, sich mit rein zahlenmäßigem Wachstum zu beschäftigen, ist nicht gesund.
Diejenigen, die Bücher schreiben und Seminare abhalten, werben gerne mit ihren Erfolgsgeschichten und somit ihrem Leiterschaftserfolg – und das mit Recht. Aber Pastoren in meiner Situation sehen etwas, was diese Kollegen oft nicht sehen, nämlich all die Verluste auf der Habenseite. Das Streben nach immer höher ausfallenden Zahlen und größeren Gemeinden hat vermutlich zu mehr Burn-out-Erkrankungen unter Pastoren geführt als zu gesunden, wachsenden Gemeinden. Und nicht zu vergessen sind die Zehntausende von verwirrten und verletzten Gemeindebesuchern, deren Meinung und Bedürfnisse belächelt und beiseitegeräumt wurden, damit neue Wege gegangen werden konnten. Viele von ihnen haben ihrer Gemeinde den Rücken gekehrt und sich nie wieder einer anderen Gemeinde angeschlossen.
Im Kapitel »Was ist denn so falsch am Gemeindewachstum?« stelle ich die Annahme infrage, dass biblisches Wachstum an der Anzahl der Gemeindebesucher abgelesen werden kann.
Aber zunächst möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, die sich viele Pastoren nie stellen. Ich weiß das, weil ich das selbst viele Jahre lang nicht getan habe.
Wie sieht biblisches Gemeindewachstum aus?
Vergessen Sie die Zahlen!
Wo legt Jesus stattdessen die Messlatte an?
Ich befürchte, viele von uns unterliegen demselben Irrtum wie das Kind in der folgenden wahren Begebenheit: Eines Sonntags stand ich nach dem Gottesdienst im Foyer und eine Bekannte kam mit einem Lächeln auf mich zu. »Du wirst nicht glauben, was meine kleine Laura mir heute erzählt hat«, sagte sie. »Sie kann es kaum abwarten, erwachsen zu werden, denn sie möchte unbedingt größer sein. Sie denkt noch, dass man mit zunehmendem Alter immer größer wird. Und sie kann nicht verstehen, dass ihre Oma älter ist als ich, denn Oma sei doch so klein.«
Ich lächelte und erinnerte mich an die Zeit, als meine Kinder im gleichen Alter waren und genauso dachten.
Die Mutter fuhr fort: »Und plötzlich meinte Laura dann: ›Mama, Pastor Karl muss ja der älteste Mensch auf der ganzen Welt sein!‹«
Ich brach in Lachen aus. Mit 1,98 m war ich sicherlich der größte Mensch, den die kleine Laura je gesehen hatte.
Ja, alle gesunden Organismen wachsen. Aber Wachstum kann nie so einfach nach »älter gleich höher« oder »gesund gleich größer« bemessen werden. Eine Erbse wird nie die Größe von einem Kürbis erreichen und eine Rose nie die Höhe eines Mammutbaums, ganz egal, wie oft wir wässern, düngen oder Wachstumsprinzipien lehren. Es liegt einfach nicht in ihrer Natur. Alle gesunden, lebenden Organismen erreichen ihre optimale Dimension in der Reifezeit, danach wachsen sie weiter, aber auf eine andere Art und Weise.
Kann es sein, dass dieses Prinzip auf die Gemeinde angewendet werden kann?
Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass dies möglich ist. Wenn die Gemeinde ein Leib mit vielen Gliedern ist, kann es dann nicht sein, dass der Leib Christi Gemeinden aller Größen braucht?3 Ich bin kein Versager, wenn meine Gemeinde ihre volle Reife erreicht und dann auf andere Weise wächst als nur in Zahlen, die den sonntäglichen Gottesdienstbesuch betreffen. Tatsache ist: Es ist absolut notwendig, dass eine Gemeinde auch auf andere Weise wächst als nur zahlenmäßig, damit sie den nächsten kritischen Wachstumsschritt nehmen kann – von gesund zu heilsam. Der Unterschied zwischen diesen beiden Worten ist sehr bedeutsam.
Nachdem ich meine jetzige Stelle angetreten hatte, haben wir jahrelang Kämpfe ausgefochten. Vor mir gab es mehrere Interimspastoren und dies hatte seinen Tribut gefordert. Aber nach und nach erreichten wir eine Phase, in der uns bewusst wurde, dass unsere Gemeinde zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder richtig gesund war. Eines Tages saß ich am Steuer meines Autos auf dem Parkplatz der Gemeinde und stellte mir die Frage: »Und was kommt jetzt?« Fast vier Jahre lang hatte ich mich abgemüht, damit diese kleine Gemeinde Geschehnisse aus der Vergangenheit hinter sich lassen konnte, und jetzt war sie endlich gesundet.
Was aber macht man mit einer gesunden Gemeinde?
Als ich in meinem Auto saß, wurde mir klar, dass die leitenden Mitarbeiter und ich jahrelang unter der Kühlerhaube herumgearbeitet hatten, um mechanische Probleme zu beheben. Und nun saß ich auf dem Fahrersitz einer gesunden Gemeinde – aber ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich sie lenken sollte!
Was war die Antwort? Gesunde Organismen müssen sich zu heilsamen Organismen entwickeln.
Gesunde Pflanzen nehmen die richtigen Nährstoffe auf und werden stark, aber wenn sie keinen Nutzen für andere haben, sind sie nicht heilsam. Eine heilsame Pflanze ist nicht nur gesund, sondern sie schenkt auch anderen gesunde Frucht. Es gibt zum Beispiel gesunde Pilze, die heilsam für den Menschen sind, und gesunde Pilze, die giftig und deshalb in keiner Weise gesundheitsfördernd sind. Der Leib Christi muss sich bewusst machen, wie heilsames Wachstum aussieht. Tatsache ist: Keine Gemeinde kann sich wirklich als gesund bezeichnen, wenn sie nicht auch eine heilsame Wirkung ausstrahlt. Und in kleinen Gemeinden beginnt das mit einem Pastor, der mit seiner Berufung zufrieden ist.
Als ich an diesem Tag im Auto saß, wurde mir dies bewusst. Der nächste Schritt war der, aus unserer gesunden Gemeinde eine heilsame Gemeinde zu entwickeln, aus der andere Nahrung und Nährstoffe gewinnen konnten. Nicht, weil wir unsere Zahlen verdoppeln wollten, sondern weil unsere Stadt Hoffnung brauchte.
Optimales Gemeindewachstum ist ein Thema, das wir im Kapitel »Gott führt keine Anwesenheitsliste« beleuchten werden.
Heilung vom Heuschrecken-Mythos
Sind kleine Gemeinden nichts anderes als Gemeinden, die versagt und sich nicht zu etwas Großem entwickelt haben? Sind wir dazu bestimmt, unseren Dienst im übermächtigen Schatten großer Gemeinden zu versehen? Oder sind wir zu anderem berufen? Gewiss gibt es viele Gemeinden aller Arten und Größen, die scheitern. Größe allein ist nicht genug, um über Versagen und Erfolg zu entscheiden.
Ich stelle folgende Thesen auf, die auf Neue Kleine Gemeinden zutreffen:
Wir sind nicht krank.
Wir sind keine Versager.
Wir sind nicht festgefahren.
Wir sind nicht unqualifiziert.
Wir sind nicht begrenzt in unserer Vision.
Wir müssen nicht »repariert« werden.
Wir sind nicht »weniger als ...«.
Nein. Wir sind Gottes Idee.
Wir sind klein.
Und gerade weil wir klein sind, können wir ein Segen für den Leib Christi, unsere Nachbarschaft, unsere Stadt, unser Land und unsere Welt auf eine Art und Weise sein, wie andere Gemeinden es nicht können.
Joel Osteen4 könnte meinen Dienst nicht tun.
Damit will ich ihn nicht kleinreden. Ich könnte nie Pastor seiner Gemeinde, der Lakewood Church, sein. Und das macht mich nicht klein. Brian Houston5 und Craig Groeschel6 könnten auch nicht den Dienst in meiner Gemeinde tun. Sie sind einfach nicht dazu bestimmt.
Wenn ein Pastor wie Brian Houston meine Gemeinde übernähme, so würde er ohne Frage aus ihr eine große Gemeinde bauen. In einigen Monaten hätte er ein größeres Gebäude gefunden, um Platz zu schaffen für die wachsende Zahl von Gottesdienstbesuchern und all die neuen Dienste der Gemeinde. Zweifellos wäre es auch eine gute Gemeinde – mit hervorragendem Lobpreis. Aber es wäre nicht mehr dieselbe Gemeinde wie vorher. Damit Brian sich entfalten könnte, müsste sich die Gemeinde verändern. Einiges würde dadurch hinzugewonnen. Aber viel Gutes würde auch verloren gehen.
Ich will damit nicht sagen, dass die Erfolge der »Megapastoren« leicht zustande kommen. Mir ist bewusst, dass sie alle hart gearbeitet und gekämpft haben. Aber sie waren erfolgreich. Und ihr Erfolg ist sichtbar. Was jedoch an Gutem durch die Verwandlung meiner Gemeinde in eine Megachurch verloren gehen würde, wäre weniger sichtbar, genau wie die Erfolge meiner Gemeinde heute weniger sichtbar sind.
Ich bin nicht allein. Es gibt viele gute Gemeinden, die klein sind. Aber wir können nicht unser ganzes Potenzial ausschöpfen, wenn wir einen anderen als den von Gott für uns vorgesehenen Platz im Leib Christi einnehmen. Wir müssen unsere Ressourcen statt auf das falsche Modell des rein zahlenmäßigen Wachstums auf ein eher biblisches Modell ausrichten. Es gibt viele Menschen, die gerne eine kleine Gemeinde besuchen, nicht trotz ihrer Größe, sondern gerade wegen ihrer Größe. Pastoren der Neuen Kleinen Gemeinden haben dies akzeptiert und freuen sich darüber. Wir jammern nicht mehr über die Probleme und Herausforderungen, die wir haben, weil wir klein sind, und konzentrieren uns stattdessen auf unsere Stärken und Möglichkeiten. Weil wir dies tun, erkennen wir mehr und mehr das, was unsere Gemeindemitglieder schon lange wissen – es gibt viel Liebe in einer dynamischen kleinen Gemeinde!
Kleine Gemeinden waren und werden vermutlich immer der Ort sein, an dem die meisten Christen den Hauptanteil ihrer geistlichen Nahrung erhalten. Wir müssen damit aufhören, ihnen zu sagen, dass sie im falschen Laden einkaufen!
Mein Gebet für Sie, den Leser:
Was ich auf den folgenden Seiten schreibe, erwächst aus Hoffnung. Nach Jahren unnötiger Frustration in meinem pastoralen Dienst habe ich emotionale und geistliche Heilung erlebt, nachdem ich meine von Gott geschenkte Berufung akzeptiert habe. Wenn das, was ich geschrieben habe, jemandem hilft, ähnlichen Frust zu vermeiden oder zu besiegen, dann habe ich viel erreicht.
Während Sie dies also lesen, bete ich ...
... dass andere Pastoren kleiner Gemeinden nicht das durchleiden müssen, was ich durch die mir selbst beigebrachten Verletzungen durchlitt.
... dass Neue Kleine Gemeinden und ihre Pastoren nicht nur ihr zukünftiges Potenzial sehen, nämlich eine große Gemeinde zu werden, sondern dass sie ihren von Gott gegebenen Wert in ihrer jetzigen Größe erkennen. Vielleicht werden sie sogar diese Größe behalten, weil dies Gottes Wille für sie ist.
... dass mittelgroße, große und Megagemeinden und ihre Pastoren ihre Hände und Herzen mit den Neuen Kleinen Gemeinden verbinden, um voneinander zu lernen.
... dass wir einander ermutigen und das wertschätzen, was jede Gemeinde auf einzigartige Weise in das Reich Gottes einbringt: »Unser Leib soll eine Einheit sein, in der jedes einzelne Körperteil für das andere da ist.«7
... dass Bibelschulen, Seminare, Konferenzen für Pastoren, Verlage und Glaubensgemeinschaften den Erfahrungsreichtum und die Weisheit von Pastoren Neuer Kleiner Gemeinden aufgreifen bei der Ausbildung der Pastoren von heute und der nächsten Generation, von denen 80 Prozent nie einer Gemeinde von mehr als 200 Menschen vorstehen werden. Somit werden all die besonderen Gaben freigesetzt und geschätzt, die nötig sind, um Gemeinden unterschiedlicher Größe leiten zu können.
... dass Gemeindestatistiker neue Wege finden werden, um Gemeindewachstum zu definieren, und nicht nur die Zahl der Gottesdienstbesucher am Sonntag als Grundlage nehmen.
... dass, wenn Pastoren einander fragen: »So, wie geht es denn voran mit deiner Gemeinde?«, wir in erster Linie über Lebensveränderung sprechen und erst dann über die Zahl der Gottesdienstbesucher. Dass wir über persönliche Geschichten sprechen, statt nur über die Höhe der Sonntagskollekte. Dass wir begeisterter sind von den Menschen in unserer Gemeinde und unserer Stadt als von den Bauplänen für das neue Gemeindehaus.
... dass meine Kollegen, die wie ich Pastor einer Neuen Kleinen Gemeinde sind, befreit werden von Schuld, Stress und Minderwertigkeitsgefühlen, die einem unbiblischen Ideal entspringen. Dass sie neue Hoffnung, Ermutigung und Leidenschaft für ihre Gemeindemitglieder entwickeln, deren Namen und Gesichter sie kennen und an deren Leben sie Anteil nehmen.
... dass der Heuschrecken-Mythos diagnostiziert wird, damit er erkennbar wird als das, was er ist – ein Mythos, eine Verwirrung, eine Täuschung, eine Fälschung. Eine Lüge.
... dass der Leib Christi mit allen seinen Gliedern, klein und groß, die Freude der Anbetung und die heilende Kraft der Gemeinschaft erfährt und einen heilenden, segensreichen Einfluss auf unsere Welt ausübt.
Dies sind hohe Ziele für das Buch eines Pastors, dessen Gemeinde so klein ist, dass sie für 90 Prozent der Menschen unsichtbar ist, die tagtäglich an ihr vorbeifahren. Aber keine Sorge: Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass ich alle Ziele erreichen werde, noch nicht einmal die meisten davon.
Aber ich hoffe, Sie ins Nachdenken und ins Gespräch über die Gedanken in diesem Buch zu bringen.
Karl Vaters
Karl Vaters ist Pastor von Cornerstone Christian Fellowship in Fountain Valley, Kalifornien. Ihm liegen kleine Gemeinden und ihre Bedürfnisse am Herzen. Er engagiert sich dafür, ganz neu ihren Wert und ihren wichtigen Beitrag in den Blick zu nehmen. Er ist Autor, Redner und Gründer von NewSmallChurch.com. Karl und seine Frau Shelley haben drei Kinder.
Webseite: www.karlvaters.com
Instagram: karlvaters
Facebook: Karl Vaters, Ministry