Neben persönlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gab, veränderte sich die weltpolitische Lage enorm in diesem Zeitraum. Der Krieg gegen die Ukraine zog eine Reihe von Unsicherheiten und Sorgen nach sich – als hätten wir nicht durch die Pandemie schon hinreichend gelernt, dass das Leben sich häufig unserer Kontrolle entzieht. »Das Leben passiert«, während wir taumelnd versuchen, das Gleichgewicht zu halten.
Du wirst hier keine fertigen und pauschalen Antworten finden, denn auch uns selbst stellen solche nicht zufrieden. Stattdessen mischen wir ein buntes Potpourri von Gefühlen und Erfahrungen, Denkanstößen und Hoffnungen in den Briefwechsel. Unser Austausch hat uns beiden Wachstum in die Tiefe und in die Weite geschenkt. Und Du darfst daran teilhaben.
Durch einen echten Briefwechsel wird unser Horizont gedehnt. Wir betrachten uns und unsere Welt aus einer neuen Perspektive und im besten Fall lernen wir einen anderen Menschen und seine ganz private Sicht auf das Leben kennen.
Wir möchten Dich einladen, nicht nur zu lesen, sondern auch selbst aktiv zu werden! Zwischen den Kapiteln findest Du immer wieder Anregungen zur Selbstreflexion. Du könntest Dir ein Notizbüchlein zum Buch legen. Vielleicht magst Du an Gott schreiben, möglicherweise an Dich selbst oder auch an das Kind in Dir.
Nun haben wir schon verraten, worum es in den ersten Kapiteln geht: einzutreten in den Prozess »Frieden schließen mit dem Kind in dir«. Wir haben gemeinsam eine Reihe von Seminaren zu diesem Thema angeboten und festgestellt, dass es für viele Menschen gewinnbringend ist, sich damit zu beschäftigen. Nicht nur, um etwas abzuschließen, was aus der Vergangenheit noch negativ nachklingt. Sondern vor allem auch, um befriedet im Hier und Heute zu leben und zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.
Darüber hinaus erwartet Dich noch mehr, beispielsweise Fragen rund um unsere Identität und unsere tiefe Vatersehnsucht. Aber schau doch selbst! Oh – und wenn Du schon beim Durchblättern bist: Die Briefe werden ergänzt durch federleichte, tiefschürfende Lyrik, gut zusammengefasstes Fachwissen und zugehörige Bleistiftskizzen.
Du wirst schnell bemerken, mit welchem Blick wir auf die Baustellen des Lebens schauen: vielschichtig und mit der Neugier, Gottes Segensspuren in unserer Geschichte zu entdecken.
Den einprägsamen Titel verdankt das Buch Valeries Leidenschaft, mit Worten zu spielen. Der Gedanke des Gärens hat uns tatsächlich begleitet. Wie viel Unausgegorenes schleppen wir doch mit – von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr.
Eine Freundin schwärmt vom neuen Trendgemüse Kimchi, dem nach koreanischer Art zubereiteten Chinakohl. Was ist sein Geheimnis? Die Fermentierung über längere Zeit an einem dunklen Ort. So wird aus unterschiedlichsten Zutaten ein Superfood – gesund für den Körper und belebend für den Gaumen. Christina konnte sich davon schon persönlich überzeugen. Als Ergebnis des Gärungsprozesses entsteht bei Kimchi – genau wie beim Sauerkraut unserer Großmütter – etwas überraschend Neues.
Das wünschen wir auch Dir von Herzen: dass die Mischung aus erfahrenem Glück, Deiner Lebenskraft, schmerzenden Wunden und offenen Fragen sich zu frischem Lebensmut entwickelt.
Bleib behütet und hoffnungsvoll!
Deine Christina und Valerie
1. MEHR GOLDRAND ANS LEBEN
1.1 Liebe Valerie, 4. Januar
nun bin ich wieder daheim. Obwohl unser Umzug noch nicht lange zurückliegt, ist es doch schon ein Nachhausekommen. Darüber freue ich mich sehr. Danke für die wunderbare und inspirierende Zeit bei Euch. Wie jedes Mal habe ich es richtig genossen, in Eurem Zuhause sein zu dürfen. Die besondere Mischung aus alten und neuen Gegenständen schafft eine Atmosphäre der Geborgenheit. Ich liebe es, meine Augen bei Euch durch die Räume schweifen zu lassen und mit Dir am gemütlichen Tisch zu sitzen. Unser Teestündchen nach dem frostigen Spaziergang war einfach nur beglückend: Ich habe es genossen, das zarte Porzellan der alten Sammeltassen in den Händen zu halten und auf den brüchigen Goldrand zu blicken, der die Tassen früher zu etwas Besonderem machte. Denn genau das sind sie! Nicht wie Massenware, die zu Tausenden verkauft wird. Dass Du sie aus dem Schrank geholt hast, zeigte: Jetzt feiern wir den Moment und setzen einen Glanzpunkt!
Die Heimfahrt mit der Bahn klappte prima. Vielen Menschen geht es so, dass es ihnen beim Zugfahren leichtfällt, ihre Gedanken schweifen zu lassen. Ich liebe es ebenfalls. Und so hing ich der Erinnerung an einen Gegenstand in Eurem Gästezimmer nach … Wenn ich Dich raten lassen würde, welcher das war, würdest Du es wohl nicht herausbekommen. Nein, ich meine nicht die kuschelige Bettdecke und auch nicht die leckere Schokolade, die Du für mich auf den Nachttisch gelegt hattest, sondern den tickenden Wecker.
Ich weiß, andere Menschen stört dieses Geräusch und sie würden den Wecker vor die Tür stellen. Doch ich mag diesen beständigen Rhythmus. Plötzlich wird mir dann bewusst, dass auch meine Lebenszeit tickt. Jede Sekunde ist wertvoll und unwiederbringlich. Das macht mich nicht mal nervös oder unruhig. Als ob sich die Ruhe und Selbstverständlichkeit des Tickens auf mich übertragen würde. Tatsächlich hätte ich das vor Jahren nicht so schreiben können. Da saß mir irgendwie immer die Zeit im Nacken. Länger als sieben Stunden zu schlafen, war für mich reine Zeitverschwendung. Ziemlich schräg, oder?
Das geht bis in meine Jugendzeit zurück. Damals wollte ich ermutigende Bibelverse auswendig lernen. Nur mit meinem Taufspruch, den ich als Baby bekam, konnte ich nicht viel anfangen und stolperte immer wieder darüber: »Macht den bestmöglichen Gebrauch von eurer Zeit, gerade weil wir in einer schlimmen Zeit leben.« (Eph 5,16)
Ich fragte mich: Brauche ich diesen Vers über meinem Leben? Macht Gott mir auch noch Druck? Muss ich immer etwas Sinnvolles und Effektives tun, damit ich mein Leben nicht vergeude? Eines Tages kam dann die große Erleichterung: Ich entdeckte, dass in diesem Bibelvers das griechische Wort Kairos für Zeit verwendet wird – nicht Chronos. Du kennst das sicher: Kairos meint die göttliche Zeit, den günstigen Augenblick, die gesegnete Stunde. Das ist doch etwas völlig anderes als die pure Uhrzeit. Du als Künstlerin sagst ja auch: »Ich muss warten, bis mich die Muse küsst.« Und dann ist sie da, die Muse, und schenkt Dir diese wunderbaren Ideen, die zu Worten, Liedern oder Bildern werden.
Mitten in unserer tickenden Lebenszeit ereignen sich diese Momente. Glitzernde Sonnenstrahlen, ein fernes Kinderlachen, vertraute Gespräche und unverhoffte Begegnungen. Ja, wir beide lieben das Leben und achten auf so etwas. Welcher Segen, dass wir uns begegnet sind! Es gibt ein göttliches Timing, das einfach überirdisch ist. So war es damals bei Deinem Konzert, an dem ich teilnehmen durfte. Einer Deiner Liedtexte hat mich sofort abgeholt: »Die Hoffnung lebt zuletzt!« Mittlerweile weiß ich, es ist Dein Lebensmotto, Dein Glaubensausspruch, Deine Einladung an die Welt. Und ich hatte einen Tag vorher beim Wohnungputzen noch gedacht: Diesen Satz »Die Hoffnung stirbt zuletzt« dürften Christen niemals sagen. Du hast mir prompt mit Deiner Formulierung aus dem Herzen gesprochen.
Parallel zur tickenden Uhr pulsiert immer die Hoffnung. Hoffnung ohne Jesus kann ich nicht denken. Will ich auch nicht denken. Dafür ist mir der Glaube viel zu wertvoll. Von Kindheit an wurde er mir ins Herz gesät.
Der tickende Wecker versetzte mich gedanklich zurück ins Schlafzimmer meiner Oma. Dort klang es genauso. Wie anders war diese Zeit damals. Wie klein und unerfahren war ich selbst.
Es ist doch echt verrückt: Wir haben heute unser Leben zu bewältigen mit allen Fragen und Herausforderungen der aktuellen Zeit. Und gleichzeitig bringt eine so winzige Episode wie ein tickernder Wecker uns zurück ins Damals. Kennst Du das auch? Und welche Kraft könnte daraus fließen? Wie können wir das nutzbar machen für unser Leben heute? Ich bin so gespannt, was Du dazu meinst, liebe Freundin.
Herzliche Grüße in Deine Idylle,
Deine Christina
Kundenstimmen
Eine Echtheits-Überprüfung der Bewertungen hat vor deren Veröffentlichung nicht stattgefunden. Die Bewertungen könnten von Verbrauchern stammen, die die Ware oder Dienstleistung gar nicht erworben oder genutzt haben.
30.05.2023Friederike Höhndorf Die Freundinnen Christina Ott und Valerie Lill haben einen bemerkenswerten Briefwechsel über ein Jahr hinweg geführt. Auf das Buch war ich sehr gespannt, zumal ich Christina Ott´s erstes Buch „Unvollkommen glücklich“ in meiner eigenen psychologischen Arbeit gerne verwende und empfehle.
Beide Autorinnen sind auf psychologischen und christlichen Spuren unterwegs. Sie schwingen ähnlich, erweitern einander den Horizont von Brief zu Brief
und lassen Gedanken und Ideen ineinandergreifen und sich fortentwickeln. Es geht oft um alltägliches Erleben, dies wird dann aufgegriffen, um philosophische Spuren zu legen.
Überraschend: Außer den Texten gibt es viele Zeichnungen und Gedichte, die die Gedanken aufgreifen und künstlerisch weiterentwickeln. Fantastisch ist der Stil und die überaus bildhafte Sprache. Die Gedanken und Gefühle schwingen von Brief zu Brief wunderbar hin und her. Man bleibt gerne dran und freut sich auf jeden neu kreierten Aspekt.
Die psychologischen Aspekte von Kindheit, Entwicklung, Wurzeln und Flügeln, die einem wachsen, sind wunderbar bildhaft beschrieben künstlerisch ausgearbeitet.
Zwischendurch bietet das Buch immer wieder Reflexionsangebote, mit deren Hilfe das Gelesene im Hinblick auf das eigene Erleben bearbeitet werden kann.
(Friederike Höhndorf, Individualpsychologische Beraterin und Trainerin, Biberach/Riss)
› mehr...