1. Hunger
Matze hat Hunger. Es gibt verschiedene Arten von Hunger. Einmal den Hunger nach etwas Leckerem, etwas ganz Besonderem, und dann den Hunger, der einfach nur Hunger ist. Matze hat einfach nur Hunger.
Mit seinem blonden Wuschelkopf und den vielen Sommersprossen im Gesicht sitzt er auf einem klapprigen Stuhl. Seinen Kopf hat er in die Hände gestützt, sein Blick ruht liebevoll auf seinem kleinen Bruder Jan. Jan liegt auf einer Matte am Boden. So wie Matze hat er ein löchriges Hemd. Seine Hose ist zu kurz und reicht nur knapp über die Knie. Seinen Kopf hat er zur Wand gedreht. Er starrt die Wand an.
Matze fühlt sich für Jan verantwortlich, immerhin ist er fünf Jahre älter und letzte Woche schon zwölf Jahre alt geworden. Der Hunger nagt ein Loch in die Bäuche der Jungen. Sie warten beide auf ihren Vater. Er soll ihnen etwas zu essen bringen.
Matze steht auf und geht zum Fenster. Er schaut auf die schmale Gasse, die unten vorbeiläuft. Ein Rinnsal läuft in der Mitte und transportiert allen Dreck aus dem Viertel fort. Matze hasst den Gestank, der aus dem Rinnsal bis in die kleine Wohnung steigt. Sein Blick geht in Richtung »Breiter Gang«. Von dort muss der Vater kommen. Dunkle Gestalten huschen im Dämmerlicht die Straße entlang. Ihr Vater ist nicht dabei.
Papa ist bestimmt im »Alten Seebären« versackt, durchfährt es ihn, und ich darf wieder gucken, wie wir was zu essen bekommen.
Jan liegt immer noch auf seiner Matte mit dem Gesicht zur Wand.
»Papa kommt bestimmt! Er hat es versprochen!«, flüstert er, ohne sich umzudrehen.
»Vergiss es! Der ist wieder saufen gegangen!«, zischt Matze vom Fenster her.
»Doch, Papa kommt und er bringt etwas zu essen mit. Ich habe Hunger!« Jan dreht sich um und schaut seinen Bruder mit weinerlichem Gesicht an.
»Papa ist im ›Alten Seebären‹ und säuft!«, erwidert Matze. Da sieht er eine Träne über Jans Wange laufen. Und sofort heult Jan richtig los. Jetzt tut es Matze leid, was er gesagt hat. Jan ist nicht nur sein Bruder, sondern auch sein einziger Freund. Er weiß, wie sehr Jan seinen Papa liebt. Früher hat Matze das auch getan.
»Papa kommt gleich!«, trotzt Jan weiter. Bei diesen Worten laufen noch mehr Tränen über seine Wangen.
»Ja, der kommt bestimmt!«, tröstet Matze ihn. »Und in der Zwischenzeit organisieren wir was zu essen und bringen Papa auch was mit.«
»Na gut, meinetwegen. Aber wir bringen Papa ein Bier oder einen Schnaps mit! Das mag er!«
»Ja, das mag er«, wiederholt Matze. Bei sich denkt er: Der ist bestimmt schon sternhagelvoll, wenn er nach Hause kommt.
Matze hält seinem kleinen Bruder die Hand hin. »Komm, wir gehen auf Tour!«
Jan zieht sich an der ausgestreckten Hand hoch. »Und wir bringen Papa was mit!«
Jan hält sich mit seiner kleinen Hand an Matze fest. Die beiden verlassen das dunkle Zimmer und steigen die düstere Holztreppe hinunter zum Gang.
»Wir laufen zum Schaarmarkt und sehen, was geht.«
»Und was machen wir mit Grothkopp?«, flüstert Jan erschrocken. Dabei lässt er Matzes Hand los. »Wenn er uns erwischt, musst du wieder ins Zuchthaus!«
Grothkopp ist Polizeiwachtmeister. Er hat Matze vor einem Jahr im Zuchthaus eingesperrt, weil er ihn beim Klauen erwischt hatte und weil er nicht in die Armenschule gegangen war. Sechs lange Wochen blieb er eingesperrt. Sechs Wochen musste er Jan allein lassen. Allein mit einem Vater, der entweder im Hafen arbeitete oder besoffen war. Seitdem haben die beiden Angst vor Polizeiwachtmeister Grothkopp.
»Ich lass mich nicht noch mal erwischen!«, zischt Matze. Er überlegt kurz und flüstert: »Du kennst doch unseren Pfiff für Gefahr. Wenn du Grothkopp siehst, pfeifst du!«
»So?« Jan lässt einen durchdringenden Pfiff hören.
»Genau!«
»Und wenn ich fette Beute finde, pfeife ich so!« Jan pfeift, so laut er kann einen Ton, der immer auf und ab geht wie eine Sirene.
»Genau, das ist das Zeichen für fette Beute!«, grinst Matze. Schon lange hofft er, irgendwas aus Gold oder Silber zu klauen. Das könnte er dann zu Geld machen und müsste nie wieder mit seinem Bruder losziehen, um zu »organisieren«, wie sie es nennen.
»So, jetzt komm!« Mit diesen Worten greift Matze wieder nach der Hand von Jan und läuft durch den dunklen Gang. Jan reißt sich los und fängt an, über das stinkende Rinnsal in der Mitte des Ganges hin und her zu hüpfen.
»Fall da bloß nicht rein«, schimpft Matze. »Das letzte Mal hast du drei Tage gestunken wie die Pest und ich musste das aushalten!«
Jan dreht sich um und streckt Matze die Zunge heraus. Dann rast er los in Richtung Schaarmarkt. Matze nimmt die Verfolgung auf. Ihr Weg führt sie hinaus aus dem Gängeviertel, dorthin, wo die Straßen heller, breiter und freundlicher werden. Matze läuft extra langsam. Er will seinem Bruder den Triumph lassen, schneller zu sein als er.
Am Schaarmarkt angekommen, mustern sie die Verkaufsstände. Es gibt Gemüse, Brot, Kuchen, Fleisch und Fisch. Alles, was einen leeren Magen satt machen kann. Eine ganze Weile stehen sie hungrig da und sichten die Lage. Sie wollen sichergehen, dass Grothkopp nicht irgendwo auf der Lauer liegt. Er könnte ihnen den Beutezug vermiesen.
»Siehst du ihn irgendwo?«, flüstert Matze seinem Bruder zu.
»Nö, hier ist er nicht!« Jan schüttelt den Kopf.
»Komm, wir versuchen unser Glück beim Bäcker! Ich habe Lust auf was Süßes.« Matze zeigt auf einen Stand mit Brot, Kuchen und anderem leckeren Gebäck.
Er nimmt Jan an der Hand und sie laufen auf den Bäckerstand zu. Dabei schauen beide Jungs in Richtung Boden, so als wenn man sie so nicht sehen würde. Plötzlich stößt Matze gegen etwas Weiches. Er hebt den Kopf und erschrickt. Er sieht in das rosige Gesicht von Wachtmeister Grothkopp.
»Na, ihr zwei, was habt ihr denn vor? Ihr schaut aus, als wenn ihr auf Diebestour seid.«
Matze fängt an zu stottern: »Wir … wir … wir sind nicht auf Diebestour! Wir gucken uns nur um!«
»Dann ist ja gut«, antwortet Grothkopp scharf. »Das würde euch auch schlecht bekommen, das Zuchthaus wartet schon auf euch!«
»Ich hab Hunger!« Jan fängt an zu weinen.
»Wagt es ja nicht!«, lässt Grothkopp seine Stimme ertönen.
»Ich hab Hunger!«, weint Jan weiter.
»Haut bloß ab!«, zischt Grothkopp.
»Ja, ja, machen wir«, antwortet Matze. Er denkt an das Zuchthaus. Dann packt er seinen kleinen Bruder an der Hand und zieht ihn weg vom Wachtmeister. Er läuft aber nicht nach Hause.
»Wo willst du hin?« Jan zerrt an seinem Arm. »Vielleicht kommt Papa nach Hause und hat etwas zu essen für uns!«
»Hat er nicht!« Matze hält seinen Bruder fester. Er soll ihm ja nicht entkommen.
»Hat er doch!«, antwortet Jan verzweifelt.
Matze rollt die Augen. »Vergiss Papa, der ist saufen!«
Kurz vor dem Michel, einer großen Kirche, bleiben sie stehen. Dabei halten sie sich immer noch an den Händen. Groß und mächtig steht die Kirche da. Ihr Turm ragt wie ein Gebet aus Stein in den Himmel. Aber das sehen die beiden Jungs nicht. Sie haben Hunger.
»Komm, wir setzen uns dahinten hin!« Matze deutet auf die große Eingangstür. Wieder zieht er seinen Bruder hinter sich her. Sie setzen sich auf die Stufen, die hinauf zur Eingangstür führen.
»Ich hab Hunger!«, quengelt Jan los. »Hier gibt es nichts zu essen!«
»Sei still, ich muss nachdenken!«
Tatsächlich schafft es Jan, still zu sein. Matze kann nachdenken.
So geht es nicht weiter. Er betrachtet sich und seinen Bruder. Ihre dünnen Beine stecken in Hosen, die an vielen Stellen zerrissen sind. Schuhe sind Fehlanzeige; wie immer laufen sie barfuß, obwohl es schon empfindlich kalt geworden ist. Ihre dünnen Hemden bieten nur wenig Schutz gegen die Kälte. Matze fröstelt von dem eisigen Wind, der von der Elbe hochzieht. Es wird Winter. Sie brauchen nicht nur etwas zu essen, sondern auch warme Kleidung und Schuhe. Vor allem Schuhe! Ein Winter ohne gute Schuhe ist die Hölle.
Matze überlegt. Man müsste mal richtig was klauen. Gold, Silber, Edelsteine, einfach richtig fette Beute. Da kann man dann alles kaufen, was man braucht. Wo findet man Gold und Edelsteine? So was liegt nicht auf der Straße. Da erinnert er sich an die Häuser der reichen Leute. Gibt es da nicht Gold und Silber genug? Man muss es sich nur holen.
Da wird er aus seinen Gedanken gerissen. Die Glocken des Michel beginnen zu läuten und hüllen die Jungen in ihren Klang. Die beiden Türflügel des Kirchenportals werden weit aufgestoßen.
Auf der Straße fährt eine Kutsche vor. Vorne auf dem Kutschbock sitzen ein Mann und eine Frau. Der Mann springt ab, geht um die Kutsche herum und reicht der Frau die Hand.
Die Frau lacht fröhlich. »Ich bin eine vornehme Dame! Man hilft mir aus der Kutsche!«
Der Mann verbeugt sich tief und reicht ihr seine Hand. »Natürlich bist du eine vornehme Dame! Du bist eine Prinzessin. Die Prinzessin meines Herzens! Da wohnen nur du und unser Herr Jesus allein!«
Matze verdreht unwillkürlich die Augen. So etwas Albernes hat er noch nie gehört. … Du bist die Prinzessin meines Herzens …? Und dann auch noch Jesus … Das hält man ja im Kopf nicht aus!
Inzwischen haben die beiden es geschafft, von der Kutsche herunterzusteigen und die Pferde anzubinden.
»Liebste Amanda, darf ich Ihnen meinen Arm zum Geleit anbieten?«
»Liebster Hinrich, Sie dürfen!« Die junge Frau strahlt ihren Begleiter an.
Matze will sich die Ohren zuhalten. So viel Glück auf einem Haufen hält man nicht aus!
Da entdeckt das junge Paar die beiden Brüder. Von einem Moment zum nächsten werden die beiden ganz still.
»Was macht ihr hier?« Der Mann, den die Frau gerade Hinrich genannt hat, schaut Matze an.
»Das geht Sie gar nichts an!« Matze steht rasch auf und zieht Jan mit hoch.
»Da hast du recht - und auch wieder nicht!«, antwortet der Mann mit ernster Stimme. »So wie ihr ausseht, überlebt ihr den Winter nicht!«
»Ihr braucht unbedingt ein paar gute Schuhe und etwas Warmes zum Anziehen«, pflichtet die junge Frau dem Mann bei. Dabei schaut sie die Brüder besorgt an.
»Sie können uns gern was schenken!«, seufzt Matze genervt. Als könnte er in den Laden gehen und sich was Warmes kaufen! Die beiden haben doch keine Ahnung vom echten Leben.
»Nein, aber vielleicht haben wir etwas viel Besseres für euch. Ich muss jetzt im Michel einen Vortrag halten. Wenn ich wieder rauskomme, kümmere ich mich um euch!«
»Das macht er wirklich«, lächelt die junge Frau die beiden Jungs an.
»Also bleibt bitte hier sitzen und wartet. Nach dem Vortrag mache ich euch ein Angebot.«
Mit diesen Worten verschwinden die beiden im Michel.
Verwundert schauen sich die beiden Brüder an. Allerdings nicht lange. Eine zweite Kutsche fährt vor. Matze kennt den Mann, der jetzt aussteigt, sehr gut. Es ist Senator Hudtwalcker, der Polizeiherr von Hamburg, gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern. Er hat Matze damals eingesperrt. Das soll nicht noch mal passieren und Matze will nicht warten, bis er ihn entdeckt. Er stößt seinen Bruder mit dem Ellenbogen an und flüstert ihm zu: »Das ist Senator Hudtwalcker. Wir hauen ab! Den kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen!«
Er läuft los in Richtung Alster, wo die großen Villen stehen.
»Wohin willst du?«, antwortet sein Bruder. »Wir wohnen da nicht!«
»Vertrau mir! Ich habe einen Plan!«
»Ich will aber nicht«, murrt Jan. »Ich will nach Hause. Vielleicht ist Papa wieder zurück!«
Matze reicht Jan die Hand hin, so wie er es immer macht.
Jan muss ihm folgen, ob er will oder nicht. Schließlich ist Matze der größere Bruder.
Als Jan bei ihm ist, zieht er ihn zu sich heran und flüstert: »Wir gehen zu den Reichen und machen richtig fette Beute!«
Hand in Hand laufen die beiden Jungs in die Gegend, wo Kaufleute, Senatoren, Richter, Fabrikanten und Unternehmer wohnen. Alles Leute mit richtig viel Geld und jeder Menge Gold und Silber. Ihre Häuser bergen sicherlich große Schätze. Matze grinst vor Freude. Er will dort alles auf eine Karte setzen und fette Beute machen.
»Wenn es mir gelingt, einen richtigen Schatz zu klauen, haben wir genug für den Winter und alle Zeit«, erklärt er leise seinem Bruder.
Je weiter sie in Richtung Alster laufen, desto reicher und vornehmer wird es. Die Häuser werden größer und schöner. Die Sonne geht über der Stadt unter. Hinter den Fenstern werden Kerzen und Öllampen entzündet. Matze und Jan erkennen vornehme Damen und Herren in großen hellen Räumen.
»Was willst du hier?«, flüstert Jan ängstlich. Und wieder quengelt er: »Ich will nach Hause zu Papa!«
»Wir machen einen Einbruch! Papa ist sowieso nicht da.«
»Da sind doch überall Leute drin!«
»Das ist es ja gerade. Wir suchen ein Haus, in dem es dunkel ist. Da ist dann keiner und da brechen wir ein!«
Trotz seines Plans spürt Matze die Angst in sich hochkrabbeln. Wagt er zu viel? Er kennt nur die engen Gassen und dunklen Zimmer im Gängeviertel. Angestrengt mustert er ein Haus nach dem anderen. Überall ist Licht. Überall sehen sie Leute hinter dem Fenster, sie sitzen an Tischen oder laufen am Fenster vorbei. Matze und Jan schleichen weiter und überprüfen ein Haus nach dem anderen.
Plötzlich zupft Jan Matze am Ärmel: »Guck mal da!« Er deutet auf ein großes Haus. Es steht dunkel da. Nirgendwo ist ein Schimmer zu entdecken.
Da ist niemand zu Hause!, denkt Matze. Ihm klopft das Herz.
Er nickt seinem Bruder zu. »Du hast recht. Da ist kein Licht. Da gehen wir rein.« Er hofft, endlich so viel Gold zu finden, dass er sich alles kaufen kann: Essen, Kleidung, Schuhe.
Ganz vorsichtig schleichen die beiden weiter. Jetzt stehen sie direkt neben der Gartenpforte. Am Pfosten daneben ist ein Schild angebracht. Sie können es nicht lesen. Sonst wären sie umgekehrt, denn auf dem Schild steht: Polizeiherr und Senator Martin Hieronymus Hudtwalcker.
»Was steht da?«, will Jan wissen. Seine Stimme zittert vor Aufregung. Auf dem Markt etwas zu essen stehlen, ist etwas ganz anderes, als in ein reiches Haus einzubrechen.
»Du weißt doch, dass ich nicht lesen kann. Da steht bestimmt nur ein Name! Wem das Haus gehört oder so«, beruhigt ihn Matze.
Sie klettern im Dunkeln rasch über den Zaun, ducken sich und rennen zu einem Busch, wo sie im Verborgenen stehen bleiben können. Matze sieht sich ein Fenster nach dem anderen an. Vielleicht steht ja eines offen?
»Guck mal da!« Jan deutet auf ein Kellerfenster direkt vor ihnen. Es ist nur angelehnt.
Matze dreht sich um und lässt den Blick nach allen Seiten schweifen. Sie werden von niemandem beobachtet. Er läuft auf das Fenster zu und zerrt Jan hinter sich her.
»Komm jetzt! Wenn wir da was finden, haben wir für immer genug.«
Matze bückt sich und drückt auf das Fenster. Es lässt sich wie von selbst öffnen. Zuerst streckt er den Kopf hindurch und schaut rein. Dort drin ist es dunkel. Er dreht sich um und klettert mit den Füßen voran in das fremde Haus. Er hält sich am Fensterrahmen fest und lässt sich langsam hinab. Einen kurzen Moment baumeln seine Füße in der Luft, dann finden sie festen Stand. Er schaut sich um, doch er kann nichts sehen. Dunkelheit umgibt ihn. Er schaut zurück nach draußen. Dort erkennt er das Gesicht seines kleinen Bruders.
»Jan, jetzt bist du dran«, flüstert er. »Keine Angst, ich helfe dir. Denk an fette Beute!«
Da steigt auch Jan durch das Kellerfenster in das fremde Haus ein. Er hat keine Angst mehr, denn seine Gedanken sind bei dem einen großen Schatz, der für alle Zeit reichen soll.
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02.08.2023Matthias C. Im Jahr 1833 im Hamburger Gänge Viertel ist das Leben für Kinder eine Herausforderung. Viele leben in Armut und sehen sich zum Stehlen genötigt. So auch der 12-jährige Matze und sein Bruder Jan, die unter einem trinksüchtigen Vater leiden. Nach einem missglückten Einbruch in ein schickes Haus wird Matze verhaftet. Er fürchtet, wieder in ein Zuchthaus gesteckt zu werden,
aber landet zu seinem Glück bei Johann Hinrich Wichern, der das sogenannte Rauhe Haus leitet. Diese neue Einrichtung fungiert erstmalig als soziales Auffangnetz für Kinder wie Matze. Dort geht es nicht darum, eine Strafe abzusitzen, sondern in familiären Wohn- und Arbeitsgruppen die Chance auf einen Neuanfang und eine bessere Zukunft zu bekommen. Matze lernt so christliches Gedankengut kennen und will seinen Bruder Jan auch in das Rauhe Haus holen.
Heinrich Dietrich Nehring ist Pfarrer und hat mit diesem detailreichen und gut recherchierten historischen Jugendroman mehr geschaffen als eine Broschüre für die Stiftung "Das Rauhe Haus". Aufgrund des stark spezifischen Lokalkolorits vor allen Dingen empfohlen für Bibliotheken rund um Hamburg.
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22.05.2023Hopeandlive Für den 12jährigen Matze, der mit seinem 5 Jahre jüngeren Bruder Jan, im Hamburger Gängeviertel wohnt, ist das ganz klar. Fette Beute ist Gold und Silber, dass sie von reichen Leuten klauen um sich etwas zu essen zu kaufen und noch wichtiger um ihren ständig betrunkenen Vater mit Alkohol zu versorgen. Für die Kinder damals im 19. Jahrhundert bitterer
Alltag, die Armut ließ ihnen oft keine Wahl und wenn sie erwischt wurden, dann drohte auch den Kinder Zuchthaus, Es gab für sie keine Chance eine Schule zu besuchen oder eine Ausbildung zu machen, also beschloss Matze ein richtig guter Dieb zu werden und fette Beute zu machen.
Allerdings wird er bei einem Einbruch erwischt, ausgerechnet im Haus des obersten Polizeiherrn in Hamburg und auch noch von seiner Tochter. Matze hat noch nie ein solches Mädchen gesehen und so vergisst er völlig wegzurennen, zum Glück konnte wenigstens sein Bruder Jan fliehen. Durch welche Fügung auch immer, das weiß Matze da noch nicht so genau, kommt er jedoch nicht ins Zuchthaus, sondern ins "Rauhe Haus".
Das "Rauhe Haus" wird von Johann Hinrich Wichern geführt, gemeinsam mit seiner Frau Amanda und es ist schon sehr merkwürdig, was er dort erlebt. Anders als im Zuchthaus bekommt er jeden Tag zu essen, neue saubere Kleider und ein eigenes Bett in einem Zimmer mit vielen anderen Jungen, die aus ähnlichen Verhältnissen wie Matze kommen. Matze wird mehr und mehr akzeptiert und im "Rauhen Haus" lernen und mitarbeiten, sogar spielen ist erlaubt und Wichern, so nennen ihn die Jungs, erzählt ihnen von Jesus, wie er sie liebt und annimmt wie sie sind. Mehr und mehr taut Matze auf und er kann sich auf einmal eine Zukunft vorstellen. Wenn doch nur sein Bruder Jan das auch erleben könnte.
Matze macht sich heimlich auf den Weg, seinen Bruder Jan aus Hamburg zu holen. Er muss es in der Nacht schaffen, ohne dass er von Wichern und den anderen Jungs entdeckt wird, sonst muss er das "Rauhe Haus" verlassen. Doch Jan ist mittlerweile auf ganz anderen Wegen unterwegs. Wird Matze es schaffen"
Hans-Dietrich Nehring ist ein ganz wunderschöner, spannender und informativer Kinder- und Jugendroman gelungen, der auf sehr bildhafte Art und Weise die Lebensumstände der Kinder damals mit ihren Klassenunterschieden darstellt. Mit einer feinen Sprache hat er die Gedankengänge der Kinder nachgezeichnet und wie sie zum wahren Glauben an Gott finden und erkennen, dass dieser Gott ihre Rettung ist. Sie müssen keine Diebe mehr sein. Auch wenn Matze fiktiv ist, hat der Autor sehr geschickt, die Anfänge des "Rauhen Hauses" in Hamburg beschrieben, dank den ausführlichen Aufzeichnungen von Johann Hinrich Wichern und sie sehr lebendig in die Geschichte mit eingebaut.
Eine Geschichte, die Spaß macht zu lesen und zu vielen interessanten Gesprächen in der Familie oder in einer Gruppe anregt.
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15.05.2023Vanessa "Im Buch wird die Geschichte des zwölfjährigen Matze und seines kleinen Bruders Jan erzählt, die im Armenviertel von Hamburg um 1833 aufwachsen. Durch einen glücklichen Zufall kommt Matze zu Johann Hinrich Wichern ins Rauhe Haus. Das Buch ist toll recherchiert. Auch wenn die Geschichte von Matze fiktiv ist, finden sich viele wahre Begebenheiten wider. Das Buch lässt sich gut
lesen mit vielen anschaulichen Beschreibungen. Ich fand es sehr spannend, in diese Zeit einzutauchen und Matze und seine Freunde auf ihren Abenteuern zu begleiten. Das Buch ist auf jeden Fall gut geeignet für Jungs und Mädchen von 8 bis 12. Aber auch als Erwachsener ist es ein tolles, kurzweiliges und spannendes Buch um mehr über Wichern und das Rauhe Haus zu erfahren.“
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13.05.2023Marianne Der 12jährige Matze will nicht stehlen, aber was soll er machen" Er hat so viel Hunger, und Papa kommt nicht nach Hause. Bestimmt ist er mal wieder in einer Kneipe. Zusammen mit seinem kleinen Bruder Jan macht sich Matze auf den Weg, um etwas zu „organisieren“.
Da der Polizeiwachtmeister auf dem Markt patrouilliert, müssen sich die Jungs etwas anderes einfallen
lassen. Sie hoffen in einem Wohnhaus „fette Beute“ zu machen, dann müssten sie nicht mehr hungern. Es scheint so einfach zu sein, ein Kellerfenster steht offen. Sie klettern herein und machen sich auf die Suche. Doch dann kommt die Tochter des Hauses zurück. Jan ist gleich weg, doch Matze kann nicht schnell genug fliehen. Er hat große Angst wieder ins Zuchthaus zu kommen.
Johann Hinrich Wichern kommt gerade zu dem Haus, in dem der Einbruch missglückte. Er nimmt Matze mit. Doch wie wundert sich dieser, als er nicht eingesperrt wird, sondern sich stattdessen zuerst einmal sattessen darf. Mit der Zeit lernt er die Hausgemeinschaft des sogenannten „Rauen Hauses“ lieben. Jetzt fehlt nur noch sein Bruder, doch bei dem Versuch ihn auch in Wicherns Haus zu bringen, verliert Matze fast alles, was ihm liebgeworden ist.
Diese Erzählung beruht auf die Lebensgeschichte Wicherns, der zusammen mit seiner Frau Rettungshäuser für die verarmten Kinder Hamburgs aufgebaut hat. Viele Ereignisse in der Geschichte haben tatsächlich so stattgefunden und wurden den Aufzeichnungen Wicherns entnommen.
Es ist interessant zu lesen, wie Kinder in der Mitte des 19. Jahrhunderts lebten. Die Geschichte enthält viele spannende Episoden. Johann Wichern wird sehr gut beschrieben, er wirkt authentisch und lebensnah, mit seinen positiven und negativen Seiten. Ein kleiner Mangel sind einige Wiederholungen.
Sprache und Erzählstil passen gut zur empfohlenen Altersgruppe. Vermutlich haben besonders ältere Grundschulkinder Freude an diesem Buch, das auch gut in einer Unterrichts- oder Gruppenstunde vorgelesen werden kann.
Fazit: Eine spannende Geschichte über eine beeindruckende historische Gestalt, die die Lebensumstände von Kindern vor zweihundert Jahren beschreibt und mit seiner Schilderung eines liebevollen und aufopfernden Lebensstils beeindruckt. Sehr empfehlenswert!
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24.04.2023lieberlesen21 ,,Matze macht fette Beute“ - Abenteuer im Rauhen Haus ist ein Roman für ältere Kinder bzw Jugendliche, erschienen im Francke-Verlag von Autor Hans-Dietrich Nehring.
Der Zielgruppe entsprechend ist die Schrift etwas größer und in einer sehr verständlichen Sprache verfasst.
Es geht um den 12-jährigen Matze, der sich für seinen 5 Jahre jüngeren Bruder Jan verantwortlich fühlt und sich um ihn kümmert,
dass sie zu essen haben.
Da der Vater viel Zeit im Wirtshaus verbringt und kein Geld für Essen übrig bleibt, muss Matze stehlen, um sich und seinen Bruder über die Runden zu bringen.
Dabei wird er erwischt und ,,landet“ im Rauhen Haus. Matze kann aufatmen, denn dort gibt es genug zu essen und auch sonst wird für die Kinder gesorgt. Seine größte Sorge gilt jedoch sein Bruder Jan, den er unbedingt auch dort haben möchte.
Eine sehr spannende Geschichte des Rauhen Hauses und um Hans Hinrich Wichern, am fiktiven Beispiel von Matze und seinem jüngeren Bruder, spannend und informativ nicht nur für Jugendliche! Ein interessantes Nachwort ergänzt den Roman mit Wissenswertem und macht deutlich, dass doch einen ganze Menge Wahrheit im Roman enthalten ist.
Ein Roman, der zeigt, dass es nicht allen so gut geht, wie den meisten und wie wichtig es ist, die Grundbedürfnisse zu befriedigen, in und mit einer Gemeinschaft zu leben und was die Orientierung an Gottes Wort Positives bewirken kann.
Ein wunderbarer, informativer, nicht nur fiktiver Roman für Jugendliche, aber auch für Erwachsene sehr interessant über die Geschichte des Rauhen Hauses mit einer unbedingten und herzlichen Leseempfehlung.
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31.03.2023mabuerele „...Matze hat Hunger. Es gibt verschieden Arten von Hunger. Einmal den Hunger nach etwas Leckerem, etwas Besonderem, und dann den Hunger, der einfach nur Hunger ist. Matze hat einfach nur Hunger...“
Mit diesen Sätzen beginnt ein Kinderbuch, das in Hamburg im Jahre 1833 spielt. Matzes Vater vertrinkt das Geld. Für den 12jährigen Matze und seinen kleinen Bruder Jan gibt
es nur zwei Möglichkeiten: betteln oder stehlen.
Der Autor hat eine berührende und tiefgründige Geschichte geschrieben. Der Schriftstil ist kindgerecht und gut lesbar. Die historischen Gegebenheiten werden anschaulich und nachvollziehbar beschrieben.
Matze bricht mit seinem Bruder Jan ausgerechnet ins Haus des Polizeiherrn ein. Dort wird er von dessen Tochter Leni erwischt. Jan gelingt die Flucht. Als der Hausherr erscheint, muss Matze damit rechnen, ins Zuchthaus zu kommen. Zufällig kommt der Polizeiherr aber mit Johann Hinrich Wichern. Der nimmt Matze mit ins Rauhe Haus. Da hört er von Amanda, Wicherns Frau:
„...Iss, so viel du willst. [...] Im Rauhen Haus geht niemand hungrig ins Bett und hier geht niemand mit Hunger in den Tag...“
Sehr realistisch werden die Verhältnisse in dem Kinderheim beschrieben. Schnell stellt Matze fest, dass er nicht eingeschlossen ist. Er soll nicht aus Zwang bleiben, sondern freiwillig.
Grundlage des Zusammenlebens ist der christliche Glaube. Er bestimmt den Tagesablauf. Auch wenn einer der Jungen damit Probleme hat, wird er nicht anders behandelt wie die anderen. Die Vielschichtigkeit der Gemeinschaft wird gut herausgearbeitet. Manche der Jungen haben schon mehr erlebt, als es für sie gut ist. Aber über die Vergangenheit wird nicht mehr gesprochen. Warum und wieso wird eindeutig im Buch erklärt. Wichtig ist, dass nun für alle ein Neuanfang möglich ist. Die Jungen bekommen Unterricht, dürfen später ein Handwerk erlernen und ihnen werden soziale Werte des Zusammenlebens vermittelt. Natürlich bleiben Konflikte nicht aus.
Matze möchte, dass auch sein kleiner Bruder im Rauhen Haus aufgenommen wird. Dafür geht er ein großes Risiko ein. Wird das Folgen haben"
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Im Rauhen Haus wurde Kinder eine Zukunft gegeben, die nach den Vorstellungen der Zeit eigentlich solche keine hatten. Der Erziehungsstil Wicherns setzte völlig neue Maßstäbe. Es zählte die Gemeinschaft, nicht der Profit.
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24.03.2023Grace2 Großartiges Kinderbuch über die Gründung des Rauhen Hauses in Hamburg. Sehr empfehlenswert!
Mit seinem Kinderbuch „Matze macht fette Beute – Abenteuer im Rauhen Haus“ bringt der Autor Hans—Dietrich Nehring kleinen und großen Lesern das Leben von armen Kindern in Hamburg vor 200 Jahren nahe und geht hierbei auch auf die Gründung des Rauhen Haus ein.
Matze lebt mit seinem kleinen
Bruder Jan bei seinem trunksüchtigen Vater. Die Mutter ist schon lange gestorben und so sieht sich Matze in der Verantwortung für Jan. Da wieder einmal kein Geld im Haus ist, beabsichtigen die beiden in ein großes, vornehmes Haus einzubrechen und richtig fette Beute zu machen. Doch die Tochter des Hauses erwischt die beiden, während Jan fliehen kann, wird Matze verhaftet. Droht ihm nun erneut eine Zuchthausstrafe" Was wird dann aus Jan" Gibt es keine Rettung für die beiden Brüder"
Das Leben vor 200 Jahren war nicht einfach und für die armen Kinder aus dem Gänge Viertel in Hamburg schon gar nicht. Wie bei Matze und Jan war es keine Seltenheit, dass Kinder stehlen mussten, um zu überleben. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, das Leben dieser Kinder dem Leser realitätsnah und wahrhaftig nahezubringen, was unter anderem daran liegt, dass große Teile des Buches eben auch der Wahrheit entsprechen, so erschreckend es sich heute anhört. Hans-Dietrich Nehring zeigt auf, was passiert, wenn es kein soziales Auffangnetz gibt. Hierbei hat mich sehr angesprochen, dass die historischen Fakten nicht nur gut recherchiert wurden, sie fließen auch wunderbar in die Geschichte mit ein. Für den Leser, der mehr wissen möchte, gibt es am Ende des Buches noch einige Hinweise sowie ein Literaturverzeichnis. Der Schreibstil des Autors liest sich hervorragend und die Geschichte hat einen guten Spannungsbogen. Die Charaktere der Protagonisten werden gut aufgebaut, auch das Setting wird gelungen beschrieben und mit einer Karte ergänzend erklärt. Hamburger werden so manches schnell wiedererkennen. Für mich hat dieses Buch aber besonders der christliche Glaube der Familie Wichern begeistert. Hier wird deutlich, was der gelebte Glaube alles verändern kann.
Sehr gerne empfehle ich dieses großartige Kinderbuch weiter, das auch für Erwachsene eine gute Informationsquelle über die Gründung des Rauhen Haus sein dürfte.
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