Ein neuer Mitbewohner für Otto & Co!
Kat freut sich riesig: Mia hat endlich ein eigenes Pferd! Doch Raven bringt den ganzen Stall in Aufruhr. Wird es Mia gelingen, den feurigen Friesen zu bändigen? Die Tipps eines Pferdeflüsterers sollen ihr helfen, besser mit Raven zu kommunizieren.
Doch obwohl für Mia längst nicht alles nach Plan läuft, macht Kat einige erstaunliche Entdeckungen – in Sachen Pferd, aber vor allem in Sachen Gott. Kann es sein, dass es auch beim Glauben verschiedene Arten der Kommunikation gibt ...?
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1. Kapitel
… in welchem Pferdeäpfel rollen und eine Teenkreis-Aktion geplant wird
„Da vorne ist noch einer!“
„Wo?“
„Da, direkt am Zaun!“
Kat folgte Hellis Hinweisen durch das nasse Gras und wurde dann langsamer. „Ach guck mal, der liegt ja halb auf der Nachbarkoppel. Der geht uns gar nix an.“
„Doch. Halb“, stellte Helli unbarmherzig fest.
„Okay.
Dann nehme ich aber auch nur die Hälfte mit.“
Helli kicherte. „Zählst du jetzt die einzelnen Äpfel ab?“
„Ordnung ist Ordnung!“ Kat stellte den Bollensammler vor den Haufen und harkte sorgsam die Hälfte der Pferdeäpfel hi-nein, die auf ihrer Seite des Zaunes lag.
Helli kam mit der Schubkarre heran. „Kat! Du willst den Rest jetzt aber nicht ernsthaft liegen lassen, oder? Die Würmer, die sich darin entwickeln können, bleiben nämlich nicht unbedingt so schön ordentlich auf ihrer Seite des Zaunes!“
Kat seufzte und schob auch den Rest der Pferdehinterlassenschaft auf die Schaufel. „Also, manchmal bist du echt fast schon unanständig vernünftig.“
„Eine muss ja.“ Helli setzte die Karre ab, um sich ihren langen blonden Pferdeschwanz neu zu binden. Der Herbstwind, der immer wieder in Böen über die Koppeln fegte, hatte ihn halb aufgelöst.
Kat ließ ihre kürzeren Haare einfach im Wind flattern und schaute durch die rot gefärbten Strähnen zu den Pferden hinüber, die sich ungerührt dem Gras widmeten und höchstens ihren Hintern in die Windrichtung drehten. Otto, der Haflingermix ihrer Mutter, hatte immer noch einen runden Grasbauch und tat alles, damit der auch nicht so schnell verschwand. Aber ob ein Pferd zu dick war, sah man sowieso nicht unbedingt am Bauch, hatte Mom ihr erklärt, sondern an den Fettanlagerungen am Hals und an der Brust. Und die waren schon ein bisschen weniger geworden in den inzwischen fast acht Monaten, die das Pony nun bei ihnen war. Ein ganz kleines bisschen.
„Los, mach schon, mir wird langsam kalt“, beschwerte sich Helli und Kat ließ die letzten Pferdeäpfel in die Schubkarre rollen. Bollensammler und Harke legte sie gleich dazu.
„Wie lange stehen die Pferde eigentlich noch auf der Weide?“ Helli stemmte sich gegen die schwere Karre, um sie in Bewegung zu setzen.
„Weiß ich auch nicht. Nicht mehr lange, glaube ich, es ist ja schon Oktober. Und langsam wird’s zu nass, da geht dann der Boden kaputt. Genau weiß ich es nicht, denn Otto betrifft das nicht, der zieht schließlich sowieso übermorgen in den Offenstall. Für diese Herde ist damit dann die Weidesaison eh beendet.“
„So richtig begeistert von dem Umzug klingst du noch nicht …“
Kat zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Okay, der Stall sieht nicht so aus wie die Bretterbude, in der Otto im Frühling bei seiner alten Besitzerin stand, und die Fläche davor ist mit diesen Platten belegt, da wird’s also auch keine Schlammschlacht geben – aber irgendwie finde ich das komisch, dass die Pferde dann die ganze Zeit zusammen sind. Ich freue mich schließlich auch, dass ich ein eigenes Zimmer und nachts meine Ruhe habe. Wenn sie sich zanken, haben sie nicht so viel Platz zum Ausweichen wie hier auf der Koppel. Und der hintere Bereich ist ja auch nicht befestigt, da wird es bestimmt total matschig, wenn es regnet. Das ist doch eklig.“
„Gruppenhaltung ist aber artgerechter. Das kannst du überall lesen. Machst du bitte das Tor auf?“
Kat hakte die Griffe am Tor aus und ließ Helli von der Koppel fahren, bevor sie die Stromlitzen wieder schloss. „Tja, vielleicht. Das haben allerdings auch nicht die Pferde geschrieben!“
„Das wäre natürlich praktisch, wenn die uns einfach sagen könnten, wie sie’s am liebsten hätten …“
Kat grinste. „Ach, ich weiß nicht. Otto würde bestimmt ständig nölen, dass wir ihn vom Futter wegholen, und warum er sich jetzt schon wieder bewegen soll und Kommentare abgeben wie: ‚Och nö, Galopp, echt jetzt?‘ – die Diskussionen, die wir bisher wortlos führen, reichen mir eigentlich.“
Kichernd blieb Helli stehen und stellte die Schubkarre ab, um sich eine schon wieder entflohene Haarsträhne aus den Augen zu wischen und die Schultern kreisen zu lassen. „Vielleicht würde er sogar so was sagen wie: ‚Iih, ich steh nicht auf Türkis, das ist doch voll uncool, kauf mir gefälligst ein rotes Halfter!‘“
„Oder: ‚Hey, lass den Mistfleck an meinem Po, der ist total schick!‘ – Soll ich übernehmen?“
Helli nickte. „Das schiebt sich so schlecht über den nassen Grasweg, außerdem ist die Karre so voll.“
Als Kat zu schieben anfing, stellte sie fest, dass Helli recht hatte. Schneller als gedacht kam sie trotz des kühlen Windes ins Schwitzen. Zum Glück lag der Misthaufen nahe an den Weideflächen.
„Puh“, machte Kat auf dem letzten Stück – und in genau diesem Moment rutschte die Karre auf dem feuchten Boden weg, kippte halb nach links und verstreute einen Teil der Pferdeäpfel vor dem Misthaufen.
„Mist!“, schimpfte Kat.
„Und zwar sehr viel davon!“ Helli grinste. „Komm, nimm’s mit Humor. Das schaffen wir jetzt auch noch, wir müssen es ja nur ein Stück rüberschieben.“
In diesem Augenblick kam jemand mit einer leeren Karre um den Misthaufen herum, in der Bollensammler und Harke bei jeder Bodenwelle laut klapperten. „Hey! Oha, das ging wohl schief, was?“
Kat schaute von der Bescherung auf. „Hi Mia! Lass es dir eine Lehre sein – pack die Karre nicht zu voll.“
Mia lachte, blieb stehen und schob sich die halblangen braunen Haare hinter die Ohren zurück. „Wartet, ich helfe euch schnell. Ich muss sowieso dringend meine Neuigkeiten loswerden, bevor ich Faxis Koppel absammle, sonst platze ich!“
Faxi war Mias Reitbeteiligung, ein Isländerwallach, mit dem sie hauptsächlich ausreiten ging. Kat hatte Mia, Faxi und dessen Besitzerin Sarah im Sommer auf einem Westernturnier kennengelernt. „Neuigkeiten? Was denn?“, fragte Kat und ließ die Schubkarre erst mal, wo sie war.
Mia strahlte übers ganze Gesicht und drehte aufgeregt an der Ethno-Spirale in ihrem Ohr herum. „Ich hatte vorgestern Geburtstag, bin jetzt fünfzehn.“
Helli reichte ihr sofort die Hand. „Herzlichen Glückwunsch!“
„Ja, von mir auch!“, sagte Kat. „Aber das ist doch sicher nicht die große Neuigkeit, Geburtstag hat man schließlich jedes Jahr einmal!“
Mia grinste noch breiter. „Aber ein eigenes Pferd kriegt man nicht jedes Jahr geschenkt!“
„Ein Pferd, echt?“ Kat hüpfte vor Aufregung auf der Stelle auf und ab. „Wie grenzgenial! Was für eins? Hast du’s schon? Stellst du es hier ein?“
„Klar, wo denn sonst! Und nein, ich hab’s noch nicht. Die letzten Tage habe ich erst mal fast pausenlos Anzeigen durchgeschaut, im Internet und in Zeitschriften und so. Und morgen gucken wir uns eine Stute an, die mir total gut gefallen würde – ein Kaltblutmix, dunkelbraun mit hellerem Maul und Beinen und sooo süß auf den Fotos!“
Kat boxte Mia leicht in den Oberarm. „Schreib mir, wie es gelaufen ist, ja?“
„Mach ich! Wahrscheinlich werde ich das sowieso allen Leuten gleichzeitig erzählen wollen. Und jetzt mal zu dem Mist hier.“
Gemeinsam beförderten sie die Pferdeäpfel auf den Haufen, während Mia weiterredete. „Sie heißt Leila und ist neun Jahre alt, genau richtig, nicht zu jung, aber auch nicht schon kurz vor der Rente. Ansonsten weiß ich noch nicht allzu viel über sie, aber jedenfalls soll sie ganz lieb sein und gerne auch allein ins Gelände gehen, das ist mir besonders wichtig. Mann, bin ich aufgeregt! Ich glaube, heute Nacht schlafe ich keine Minute. Zum Glück schreiben wir morgen in der Schule keine Arbeit, die ginge garantiert in die Hose.“
„Das kann ich mir vorstellen!“ Helli hatte ganz rote Wangen bekommen.
„Aber hallo! Mann, das ist so aufregend!“ Kat schüttelte die letzten Reste aus dem Bollensammler und legte ihn in die leere Karre. „Was meinst du, in welche Herde wird sie kommen, wenn du sie kriegst?“
„Keine Ahnung, das werden wir dann sehen. Ich habe erst mal nur grundsätzlich gefragt, ob hier ein Platz für mein Pferd frei wäre. Das kommt ja auch darauf an, was für eines es ist. Ich weiß schließlich noch nicht, wie Leila so drauf ist und ob das überhaupt passt mit uns beiden.“
„Also, ich werde morgen jedenfalls Nägel kauend auf deine Nachricht warten! Wann ist denn der Termin?“ Kat wischte sich die Hände an der Hose ab.
„Um vier. Wir müssen erst ein Stück hinfahren, Leila steht in einem kleinen Verkaufsstall in Dettelsberg. Ich wollte zwar eigentlich nur von privat kaufen, weil solche Händler doch angeblich oft die Käufer übers Ohr hauen. Aber dieser Händler hat einen guten Ruf, das habe ich im Internet überprüft, bevor wir angerufen haben.“ Mia hob ihre Schubkarre wieder an. „So, jetzt muss ich aber mal zu Faxis Weide. Bis dann!“
„Danke fürs Helfen und hoffentlich klappt es mit Leila!“, rief Helli ihr nach. Dann nahm Kat ihrerseits die Schubkarre auf und sie fuhren zum Stall zurück.
„Ach ja“, seufzte Kat. „Das Problem, zu gucken, ob ein Händler seriös ist, hätte ich auch gerne …“
„Du hast doch Otto. Musst du unbedingt ein eigenes Pferd haben?“
Kat runzelte die Stirn. „Eigentlich hast du ja recht. Wenn ich genauer darüber nachdenke, fände ich es auch komisch, ein anderes Pferd als Otto zu haben. Trotzdem wäre es irgendwie was anderes, wenn er meiner wäre. Oder wenn halt ein anderes Pferd nur zu mir gehören würde.“
Helli seufzte. „Also, ich wäre eigentlich schon komplett und völlig überglücklich, wenn ich ein Pflegepferd hätte, um das ich mich kümmern dürfte. Oder Reitstunden nehmen könnte. Ein eigenes Pferd muss es gar nicht sein.“
„Auch wieder wahr. Eigentlich geht’s mir unverschämt gut.“
„Aber mir auch. Ein kleines Stückchen Otto habe ich ja immerhin inzwischen. Ich darf mitkommen und kuscheln und putzen und ihn führen und Bodenarbeit lernen …“
„Und Mist schaufeln …“, grinste Kat.
„Das auch. Und sogar das macht Spaß. Dir etwa nicht?“
„Doch“, gab Kat zu. „Doch, macht es. Erstaunlicherweise. Und zwar sogar, wenn du nicht dabei bist. Dann aber weniger.“
Helli strahlte sie an. „Ich bin echt froh, dass du meine Freundin bist.“
Ja, es war sehr gut, dass sie Freundinnen waren. Und dass es Otto gab und dass sie hier zusammen bei den Pferden sein konnten. Mit einem Glücksgefühl im Bauch schob Kat die Schubkarre zu ihrem Platz zurück.
***
Gerade als Kat sich am nächsten Tag die Schuhe anzog, um zum Teenkreis aufzubrechen, blökte ein Schaf. Sofort ließ sie den linken Schuh fallen und fummelte das Handy aus der engen Hosentasche ihrer Jeans, das mit diesem Blöken den Eingang einer neuen Textnachricht anzeigte.
„Ha!“, machte sie laut, als sie Mias Profilbild neben der Nachricht erkannte. Endlich!
Ich hab ein pferd und es ist ein traum! Bist du morgen nachmittag am stall? Du wirst staunen …
Kat beeilte sich zu antworten. Holt ihr sie morgen schon?
Ja!!!
Dann bin ich auf jeden fall da! Warum werde ich staunen?
Wirst du dann sehen!
Na, Mia machte es ja spannend! Aber jetzt musste sich Kat erst mal beeilen, um noch rechtzeitig zum Teenkreis zu kommen. Sie stopfte das Handy zurück, zog den zweiten Schuh an und rannte zum Gemeindehaus, das so dicht an Hellis Zuhause lag, dass die beiden Freundinnen hier nicht zusammen eintrafen wie sonst überall.
Der Raum, in dem der Teenkreis stattfand, lag im Dachgeschoss – sehr gemütlich, aber viele Treppen zum Hochsteigen. Als Kat oben ankam, war sie völlig außer Atem. „Hey allerseits!“, stieß sie hervor und feuerte ihre Lederjacke in eine Ecke, bevor sie sich neben Helli auf eins der Sofas fallen ließ, die in einem bunten Stilmix an den Wänden standen.
„Und?“, fragte Helli sofort und knuffte Kat ungeduldig in den Oberarm. „Hast du schon was von Mia gehört?“
„Lass mich doch erst mal wieder Luft kriegen! Ich war sowieso schon knapp dran und dann kam gerade eben Mias Nachricht. Sie hat ein Pferd und – warte, ich zeige dir das einfach.“ Kat holte das Handy heraus, rief die Unterhaltung von eben auf und hielt es Helli vor die Nase, die in Sekunden alles gelesen hatte.
„Mann, die macht es aber spannend!“
„Ja, oder? Furchtbar! Was könnte wohl an der Stute zum Staunen sein?“
„Vielleicht hat sie ein Fohlen?“ Helli hopste aufgeregt auf dem Sofa auf und ab. „Oder sie kann irgendwelche Kunststücke!“
„Oder sie hat doch nicht Leila gekauft, sondern ein anderes Pferd! Na, wir werden es ja morgen sehen – du bist doch dabei, oder?“
„Vormittags ja, wegen nachmittags habe ich meine Eltern jetzt noch nicht gefragt. Aber was sollten sie schon dagegenhaben?“
In diesem Moment ließ sich Martin neben Kat aufs Sofa plumpsen. „Hey ihr zwei! Was führt ihr denn für Geheimgespräche? Plant ihr die Übernahme der Weltherrschaft oder geht’s um Liiiieeebe?“
Kat grinste ihn an. „Jahaaa! Um Pferdeliiiieeebe!“
„Pferde?“ Martin imitierte ein Würgegeräusch. „Bei euch geht’s echt um nichts anderes mehr in letzter Zeit!“
„Na und? Bei Joel und dir geht’s ja auch so gut wie immer um Computerspiele oder Fußball“, konterte Kat.
„Das sind aber immerhin zwei Themen, nicht bloß eins!“
„Hey Leute, warum hat eigentlich noch keiner Musik angestellt?“, unterbrach Sophie das Geplänkel. Sie sprang von ihrem Sessel auf und ging zur Musikanlage hinüber, die auf einem kleinen Regal unter dem Dachfenster stand. „Wave of Grace, Breathe oder Randy MacLean?“
„Wave of Grace natürlich!“, tönte es sofort aus mehreren Kehlen. „Musst du das überhaupt fragen?“, fügte Paula hinzu.
„Na, wir sind ja schließlich demokratisch. Aber die Mehrheit war dafür, oder?“
Gleich darauf tönten die ersten Geigentöne der momentan im Teenkreis angesagtesten Worship-Band durch den Raum. Kat seufzte lautlos. Die Mehrheit mochte dafür sein, aber nicht die absolute. Andererseits hatten ihr auch die anderen Vorschläge nicht gefallen, das gab sich alles nicht viel: gefühlvolle Melodien mit Band und immer wieder Orchesterbegleitung – und in Kats Ohren einfach nur schmalzig. Aber sie wusste, dass sie mit dieser Meinung allein war, also hielt sie es eben aus.
Helli grinste sie von der Seite an, Kat grinste zurück. Natürlich wusste ihre beste Freundin, dass der Musikstil Kat nicht gefiel. Jetzt begann der Gesang, den einige Teenkreisler leise mitsummten, und Kat wurde sich wieder einmal des größeren Problems bewusst, das sie mit dieser Lobpreismusik hatte: die Texte. Und davon wusste nicht einmal Helli etwas. Jedes Mal, wenn Kat die häufigen Wiederholungen der eher einfachen Refrains hörte, fragte sie sich, ob mit ihr etwas nicht stimmte. Wie konnte man Texte, in denen Gott gepriesen wurde, langweilig finden? Aber sie mochte einfach die Lieder deutlich lieber, in denen es um mehr ging, in denen das ganze Leben eine Rolle spielte, nicht nur der Lobpreis.
Ihr gegenüber richtete sich Paula auf einmal ruckartig aus einer halb liegenden in eine sitzende Position auf. „Mann! Leute, hört mal zu! Was würdet ihr sagen, wenn wir einen richtig coolen Worship-Abend machen? Vielleicht zum Einstand in die Herbstferien? Alex, du würdest doch Gitarre spielen, oder?“
Alex, mit sechzehn der Älteste in der Gruppe, blieb zwar in der bequem-verknüllten Position, in der er es sich auf seinem Sessel gemütlich gemacht hatte, aber er reckte den Daumen nach oben. „Immer.“ Alex spielte wirklich gut Gitarre – wenn er da war, machte das gemeinsame Singen richtig Spaß. Wenn Daniel, der Jugenddiakon, in seiner Abwesenheit die Begleitung übernahm, war das dagegen eher ein zweifelhaftes Vergnügen.
Sophie sprang sofort auf die Idee an. „Oberkrasse Idee! Helli, du spielst doch Klavier, oder nicht? Und Rebecca und Paula singen total gut, da hätten wir schon eine kleine Lobpreis-Band zusammen! Wir könnten richtig einladen, vielleicht kommen danach noch ein paar Leute mehr in den Teenkreis oder in den Gottesdienst, das wäre doch eine supergeniale Sache!“
Kat schaute zu Helli hinüber. Bisher hatte Helli sich immer geweigert, auf dem Keyboard den Gesang zu begleiten, weil sie eigentlich klassisches Klavier lernte und nur nach Noten spielte. Aber diesmal sagte sie nichts, sondern verfolgte die sich nun entspinnende Diskussion über Liedauswahl, Flyerproduktion und Zeitpunkt mit vor Aufregung immer rosiger werdenden Wangen und einem begeisterten Lächeln im Gesicht. Als sie Kats fragenden Blick bemerkte, sagte sie leise: „Wenn ich vorher üben kann, kriege ich das schon hin! Ich kann’s nur nicht spontan.“
Die anderen waren inzwischen schon bei der Raumdeko angekommen.
„Stopp, stopp, stopp!“ Daniel wedelte mit den Armen, um sich Gehör zu verschaffen. „Nicht so hastig, Leute. Die Idee finde ich richtig toll, aber das müssen wir etwas besser planen, und zwar in Ruhe. Wenn ihr wollt, verschieben wir das Thema, das ich für heute eigentlich vorgesehen hatte, und wir widmen uns die ganze Zeit der Idee, aber dann gehen wir das auch systematisch an. Ich hole erst mal ein großes Stück Papier, dann können wir brainstormen.“
Während die anderen begeistert zu planen anfingen, hockte Kat mit etwas komischem Gefühl dazwischen. Es war nicht so, dass sie es nicht toll fand, dass der Teenkreis zusammen etwas auf die Beine stellen wollte – aber sie selbst würde auf die Einladung auf einem der geplanten Flyer vermutlich nicht reagieren, wenn es nicht ihr Teenkreis wäre, der die Veranstaltung organisierte. Auf die Vorbereitungen freute sie sich, aber auf den Abend selbst hatte sie schon jetzt überhaupt keine Lust.
Aber vielleicht würde die ja noch kommen, wenn es so weit war. Wenn alle anderen den Lobpreis so liebten, dann musste schließlich mehr dahinterstecken, als die manchmal etwas simplen Texte auf den ersten Blick vermuten ließen. Und dann würde Gott ihr schon die Freude daran ins Herz geben, oder?
Birthe zur Nieden
Birthe zur Nieden, Jahrgang 1979, hat in Marburg Geschichte studiert, weil sie die Geschichten hinter den Jahreszahlen faszinieren. Danach blieb sie einfach dort und lebt und arbeitet bis heute in ihrer Wahlheimat. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Schreiben, Lesen, Träumen oder im Pferdestall.