Fast über Nacht hat sich die süße Tochter, der fröhliche Sohn in einen mürrischen Teenager verwandelt. Die bisherigen Erziehungsmethoden greifen nicht mehr; wir Eltern fragen uns ratlos: »Was machen wir plötzlich falsch?«
In diesem Ratgeber zeigt Dr. Gary Chapman, wie Eltern ihrem Teenager ihre Liebe zeigen können. Er erklärt, worauf Eltern achten müssen, und geht auch auf besondere Herausforderungen ein, z.B. für Alleinerziehende oder Patchwork-Familien. Ein unentbehrlicher Begleiter, mit dem Eltern ihre Kinder liebevoll auf dem Weg des Erwachsenwerdens unterstützen können.
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Verstehen Sie die Teenager von heute?
Vor 70 Jahren gab es noch keine Teenager. Zumindest bekamen sie erst in der jüngsten Vergangenheit eine eigene Generationenbezeichnung. Das Wort Teenager wurde zum ersten Mal in der Zeit um den Zweiten Weltkrieg gebräuchlich. Obwohl viele Veränderungen stattgefunden haben, seit die ersten Teenager auf der sozialen Bühne erschienen, gibt es zwischen den Teenagern der 1940er-Jahre und denen des 21. Jahrhunderts viele Gemeinsamkeiten.
Seit den ersten Tagen, in denen die Teenagerkultur entstand, bis zu ihrer heutigen Ausprägung haben sich die grundlegenden Themen nicht geändert: Unabhängigkeit und eigene Identität.
Die Teenager in unserer westlichen Gesellschaft sind auf der Suche nach ihrer Identität und versuchen gleichzeitig, von ihren Eltern unabhängig zu werden. In der Zeit, bevor man offiziell von Teenagern sprach, spielten diese beiden Themen keine große Rolle.
Vor dem Industriezeitalter arbeiteten Teenager auf dem Bauernhof ihrer Eltern, bis sie irgendwann heirateten und ihr eigenes Land bekamen oder erbten. Die Frage nach der Identität war für einen Teenager kein Thema. Sobald er alt genug war, um auf den Feldern zu arbeiten, war er ein Bauer. Der heranwachsende Junge oder das heranwachsende Mädchen war ein Kind, bis er oder sie heiratete. Dann wurde aus dem Kind von einem Tag auf den anderen ein Erwachsener.
Die Suche nach Unabhängigkeit und Identität
Bis zum Anfang der 1940er-Jahre war Unabhängigkeit undenkbar, solange der junge Mensch nicht verheiratet war. Aber mit der Industrialisierung veränderte sich vieles: Man konnte seine eigene Identität immer mehr selbst bestimmen. Man konnte einen Beruf erlernen und in der Fabrik arbeiten. Dadurch wurde man Maschinist, Weber, Schuster usw. Auch die Unabhängigkeit von den Eltern wurde immer wichtiger, denn eine Arbeit zu bekommen konnte bedeuten, in ein anderes Dorf oder eine Stadt zu ziehen, wo man sich mit dem Geld, das man verdiente, eine von den Eltern unabhängige Wohnung leisten konnte. Die größeren kulturellen Veränderungen bildeten somit den Hintergrund für die sich entwickelnde Teenagerkultur.
Seit den 1940er-Jahren folgen Teenager diesem Muster, ihre Unabhängigkeit und Identität zu entwickeln, aber das geschieht in einer sich rasant verändernden Welt. Durch die Elektrizität, das Telefon, das Auto, das Radio, Flugzeuge, das Fernsehen, den Computer und das Internet nahmen die Möglichkeiten, Unabhängigkeit und eine eigene Identität zu entwickeln, immer mehr zu. Der Teenager von heute lebt in einer wirklich globalen Gesellschaft. Aber interessanterweise hat er den Blick weiterhin stark auf sich selbst gerichtet: seine Identität und seine Unabhängigkeit. Darauf gehen wir später genauer ein.
Die Orte, an denen der Teenager seine Unabhängigkeit und seine Identität zum Ausdruck bringt, haben sich im Laufe der Jahre verändert, aber die Mittel sind im Grunde immer noch die gleichen: Musik, Tanz, Mode, Hobbys, Sprache, Beziehungen. Zum Beispiel fand auf dem Gebiet der Musik eine Entwicklung von Big Bands zu Rhythm and Blues, Rock ’n’ Roll, Folk, Country, Heavy Metal, Rap usw. statt.
In der sich verändernden Welt hat der Teenager stets eine größere Auswahl als die Generation vor ihm, aus der er sich etwas aussuchen kann. Aber egal, wofür er sich entscheidet – sein Musikgeschmack wird anders sein als der seiner Eltern: Das ist eine Frage der Unabhängigkeit und der Identität. Das Gleiche gilt in allen anderen Bereichen der Teenagerkultur.
Was charakterisiert also die Teenagerkultur unserer Tage? Inwiefern hat Ihr Teenager Gemeinsamkeiten mit Teenagern anderer Generationen und in welchen Bereichen unterscheidet er sich von ihnen?
Damals und heute: Fünf Gemeinsamkeiten
1. Körperliche und intellektuelle Veränderungen
Die grundlegenden Herausforderungen eines Teenagers von heute haben sehr viel Ähnlichkeit mit den Herausforderungen, vor denen Sie selbst als Teenager auch standen. Erstens steht der Teenager vor der Herausforderung, die Veränderungen, die in seinem Körper vor sich gehen, zu akzeptieren und richtig damit umzugehen. Arme und Beine, Hände und Füße … alles wächst, manchmal unterschiedlich schnell, und die Proportionen stimmen noch nicht (das kann für einen Teenager sehr unangenehm und peinlich sein). Die Geschlechtsteile entwickeln sich, was aufregend, aber auch beängstigend sein kann. Und welche Eltern leiden nicht mit, wenn sie sehen, wie ihr Teenager mit dem unangenehmsten Feind kämpft: Pickel!
Diese körperlichen Veränderungen lösen unzählige Fragen in Ihrem Teenager aus: „Ich werde erwachsen, aber wie werde ich aussehen? Werde ich zu groß oder zu klein sein? Werden meine Ohren abstehen? Werden meine Brüste zu klein sein? Und meine Nase? Sind meine Füße zu groß? Bin ich zu dick oder zu dünn?“ Die vielen Fragen lassen den Teenager nicht los. Je nachdem, wie er damit umgeht, hat das entweder einen positiven oder einen negativen Einfluss auf seine eigene Identität.
Das körperliche Wachstum wird von einem „intellektuellen Wachstumsschub“ begleitet. Der Teenager entwickelt eine neue Denkweise. Das Denken von Kindern richtet sich auf konkrete Aktionen und Ereignisse. Ein Teenager beginnt, in abstrakten Begriffen zu denken wie Ehrlichkeit, Treue und Gerechtigkeit. Und mit dem abstrakten Denken kommt die weite Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Teenager kann überlegen, wie etwas anders sein könnte, wie eine Welt ohne Krieg aussehen würde oder wie verständnisvolle Eltern ihre Kinder behandeln würden. Die Welt der unbegrenzten Möglichkeiten öffnet die verschiedensten Türen bei der Identitätsfindung. Der Teenager erkennt: „Ich könnte Hirnchirurg werden oder Pilot oder Müllmann.“ Die Möglichkeiten sind grenzenlos und der Teenager kann sich zahlreiche Berufe für sich vorstellen.
2. Argumentieren und Hinterfragen
Das Teenageralter ist auch die Zeit, in der alles hinterfragt wird. Der Teenager ist in der Lage, logisch zu denken und die logischen Konsequenzen unterschiedlicher Entscheidungen zu sehen. Er hinterfragt nicht nur seine eigenen Argumente und Gedanken, sondern auch die seiner Eltern. Verstehen Sie, warum ein Teenager manchmal streitsüchtig wirkt? In Wirklichkeit entwickelt er nur seine geistigen Fertigkeiten. Wenn die Eltern das verstehen, können sie mit ihrem Teenager sinnvolle und interessante Gespräche führen. Wenn sie das nicht verstehen, kann sich eine angespannte Beziehung entwickeln, vielleicht sogar eine feindselige Atmosphäre, und der Teenager muss seine neu entdeckten intellektuellen „Muskeln“ woanders trainieren. Da diese intellektuelle Entwicklung und die Verarbeitung neuer Informationen so schnell geht, hält sich der Teenager oft für klüger als seine Eltern. In einigen Bereichen ist er das vielleicht auch.
Dieses fortgeschrittene Denken stellt den Teenager auf dem Gebiet sozialer Beziehungen vor völlig neue Herausforderungen. Die Diskussion mit Gleichaltrigen und die Ausei-nandersetzung mit ihren Standpunkten lassen einerseits neue Ebenen der Vertrautheit entstehen, bieten aber auf der anderen Seite auch Reibungsflächen. Die Entstehung von Cliquen (kleinen, geschlossenen sozialen Gruppen) hängt viel mehr mit der Übereinstimmung in intellektuellen Fragen zusammen als mit der Frisur oder dem Kleidungsstil. Genauso wie Erwachsene fühlen sich Teenager meistens bei denjenigen am wohlsten, die ähnliche Standpunkte wie sie selbst vertreten.
3. Hinterfragen der persönlichen Moral und der eigenen Werte
Die intellektuelle Fähigkeit, Gedanken und Taten logisch zu analysieren und die Folgen bestimmter Glaubensüberzeugungen zu erkennen, führt zu einer weiteren Herausforderung für Teenager: Sie stellen die Glaubenssysteme, mit denen sie aufgewachsen sind, infrage und entscheiden, ob dieser Glaube es wert ist, dass sie sich dafür einsetzen. „Haben meine Eltern in ihren Ansichten über Gott, Moral und Werte recht?“ Das sind schwere Fragen, mit denen sich jeder Teenager auseinandersetzen muss. Wenn Eltern diesen Kampf nicht verstehen, üben sie oft einen negativen Einfluss aus. Dann kann es sein, dass sich der Teenager sogar von ihnen distanziert.
Wenn der Teenager fundamentale Glaubensgrundsätze seiner Eltern hinterfragt, sind kluge Eltern für diese Fragen dankbar und versuchen, ehrliche Antworten zu geben, ohne bevormunden zu wollen. Vielmehr ermutigen sie ihren Teenager, diesen Gedanken weiter auf den Grund zu gehen. Mit anderen Worten: Sie sind für jede Gelegenheit dankbar, mit dem Teenager über die Glaubensinhalte, die sie seit Jahren vertreten, im Dialog zu bleiben. Wenn die Eltern hingegen die Fragen des Teenagers ablehnen, ihm vielleicht sogar Schuldgefühle vermitteln, weil er das infrage stellt, was sie selbst glauben, ist der Teenager gezwungen, mit seinen Fragen woanders hinzugehen.
4. Auseinandersetzung mit Sexualität und Ehe
Eine weitere Herausforderung für den Teenager ist der Umgang mit seiner eigenen Sexualität und gleichzeitig die Aufgabe, seine soziale Rolle als heranwachsender Mann oder heranwachsende Frau zu lernen. Was ist im Umgang mit Vertretern des anderen Geschlechts angemessen und was nicht? Was ist im Umgang mit den eigenen sexuellen Gedanken und Gefühlen angemessen und was nicht? Diese Fragen, denen Eltern oft aus dem Weg gehen, sind für den Teenager wichtig.
Die erwachende Sexualität des Teenagers ist Teil seiner Persönlichkeit und der Umgang mit Vertretern des anderen Geschlechts ist eine allgegenwärtige Realität. Die meisten Teens träumen davon, eines Tages zu heiraten und eine Familie zu haben. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 1.500 Kinder und Jugendliche zu ihren Zukunftswünschen befragt. 75 Prozent gaben an, dass ihnen Familie „total wichtig“ sei; für weitere 21 Prozent war Familie immerhin noch „wichtig“.3 Der Weg vom Anfang des Teenageralters bis zur stabilen Ehe und Familie nimmt in seinen Gedanken eine entscheidende Rolle ein.
Eltern, die ihm dabei helfen wollen, nutzen die normalen Familiengespräche, um Themen anzusprechen, die mit Sexualität, Freundschaften mit dem anderen Geschlecht und Ehe zu tun haben. Außerdem verweisen sie auf die richtigen Bücher, Zeitschriften und Websites, die altersgerecht sind und praktische und vernünftige Informationen bieten. Den Teenagern, die Gemeinde- oder Jugendgruppen besuchen, bieten verständnisvolle Erwachsene und Jugendreferenten oft Plattformen an, in denen über Sexualität, Freundschaft und Ehe gesprochen wird. Diese Gruppen ermöglichen einen sozialen Kontext, in dem Teenager diesen wichtigen Aspekt ihrer Entwicklung in einem offenen und verständnisvollen Rahmen ansprechen können.
5. Zukunftsfragen
Die Teenager von früher und die Teenager von heute haben noch eine weitere Herausforderung gemeinsam und das ist das Ringen mit der Frage: „Was werde ich mit meinem Leben machen?“ Zu dieser Frage gehört die Berufswahl, aber sie reicht viel tiefer. Letztendlich ist es eine geistliche Frage: „Wofür lohnt es sich, mein Leben zu investieren? Wo werde ich die größte Zufriedenheit finden? Und wo kann ich das meiste bewirken?“
Auch wenn diese Fragen vielleicht philosophisch klingen, sind sie für unsere Teenager sehr real. Mittelfristig müssen die Teenager Antworten auf die Fragen finden: „Will ich studieren, und wenn ja, was und wo? Soll ich ein soziales Jahr machen, und wenn ja, in welchem Bereich? Oder soll ich eine Ausbildung machen, und wenn ja, in welchem Beruf?“ Natürlich ist Teenagern bewusst, dass jede dieser Entscheidungen mit Folgen verbunden ist. Jeder Schritt hat einen Einfluss darauf, wohin der nächste Schritt geht und wohin ihr Weg führt. Das ist für diese jungen Gehirne eine große Herausforderung.
Eltern, die ihren Teenagern helfen wollen, erzählen ihnen von ihren eigenen Kämpfen, ihren eigenen Freuden und ihren eigenen Enttäuschungen. Als Eltern können und sollten Sie keine leichten Antworten geben, aber Sie können den Teenager bei seiner Suche ermutigen, indem Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter Leute aus verschiedenen Berufen vorstellen, die ihnen von ihrem Weg erzählen. Sie können Ihren Jugendlichen ermutigen, mit Berufsberatern an der Schule zu sprechen und Schnuppertage an Universitäten oder Praktika in Betrieben zu nutzen. Aber letztendlich sollten Sie Ihren Teenager ermutigen, Samuels Beispiel zu folgen. Der Prophet im alten Israel hörte als Jugendlicher Gottes Ruf und sagte: „Sprich, dein Diener hört.“4 Diejenigen, die in der Menschheitsgeschichte Großes bewirkten, waren Männer und Frauen, die eine Berufung von Gott hatten und dieser Berufung folgten.
Fünf fundamentale Unterschiede
Bei diesen ganzen Gemeinsamkeiten dürfen wir jedoch nicht übersehen, dass zwischen dem Teenager von heute und dem Teenager von früher (auch wenn es hier nur um wenige Jahre geht) auch ein großer Unterschied besteht. Dieser Unterschied ist die moderne kulturelle Situation, in der die Teenager von heute mit den oben aufgezählten Herausforderungen konfrontiert werden. Wie sehen diese Unterschiede aus?
1. Technologie
Einer der offensichtlichsten Unterschiede ist, dass die Teenager von heute in einer Welt mit hochentwickelter Technik aufwachsen. In der Jugendzeit ihrer Eltern gab es maximal Kabelfernsehen, die ersten Gehversuche des Internets und „Steinzeit“-Handys, aber der Teenager von heute ist ein „Digital Native“. Eine Welt ohne mobiles Internet, soziale Medien und vernetzte Klassenzimmer ist für ihn undenkbar. Dank des allgegenwärtigen Smartphones ist jeder Film, der je produziert wurde, verfügbar; jedes Lied, das je gesungen wurde, kann auf diversen Musikkanälen gehört werden. Der Teenager von heute kann sich nicht an die Zeit vor dem Internet erinnern; unser Teenager und das Internet sind gemeinsam groß geworden. Was früher als „Informationsautobahn“ bezeichnet wurde, hat sich zu einem weiten mobilen Netz entwickelt, das sowohl positive als auch negative Einflüsse auf uns alle hat. Dadurch hat der Teenager nicht nur immer einen direkten Zugang zu den neuesten Trends in Film, Mode, Musik und Sport, sondern er weiß auch immer sofort, wo seine Freunde gerade sind und wer mit wem zusammen ist oder Schluss gemacht hat. Durch die sozialen Netzwerke und die mobile Versorgung mit aktuellen Informationen hat das Internet das traditionelle Telefon als Medium, über das man mit Freunden kommunizieren und Ideen austauschen kann, nicht nur überholt, sondern buchstäblich ausgeschaltet. Sie sehen Ihren Teenager wahrscheinlich viel öfter an seinem Smartphone Nachrichten schreiben, surfen, chatten und/oder ein Spiel spielen (häufig alles gleichzeitig), als tatsächlich damit zu telefonieren. Diese technischen Möglichkeiten bringen Ihren Teenager in Kontakt mit der Welt und die Welt in Kontakt mit Ihrem Teenager. Der Teenager von heute ist viel mehr kulturellen Reizen ausgesetzt, als sich das seine Eltern in seinem Alter je hätten vorstellen können.
2. Konfrontation mit Gewalt
Ein zweiter prägender Unterschied besteht darin, dass Ihr Teenager viel mehr über Gewalt weiß und erfährt als frühere Generationen. Das liegt einerseits an den technischen Fortschritten – das heißt, in den Medien wird viel mehr über Gewalt berichtet –, aber zum Teil spiegelt es auch einfach den Durst unserer Kultur nach Gewalt (die fast eine Besessenheit ist) wider. Unsere Filme, Lieder und Romane strotzen oft vor Gewaltszenen. Eine Umfrage unter amerikanischen Jugendlichen ergab, dass 36 Prozent der Teenager im letzten Monat einen Film oder eine Fernsehsendung gesehen hatten, die viel Gewalt enthielt.
Interessant war, dass acht von zehn Teens (78 Prozent bei der schon weiter oben erwähnten Umfrage) angaben, dass sie „kein Problem damit haben, Gewaltfilme oder Fernsehsendungen mit Gewalt zu sehen“. Aber 53 Prozent derselben Teenager waren sich einig, dass „Gewalt im Fernsehen und in Filmen jungen Menschen falsche Botschaften vermittelt“. Dieselbe Umfrage ergab, dass 65 Prozent der befragten Teens glauben, dass „Filme und Fernsehen einen großen Einfluss auf die Lebenseinstellung der jungen Leute von heute haben“.5
Die Konfrontation mit Gewalt beschränkt sich nicht auf Medien und Filme. Viele Teenager von heute werden persönlich mit Gewalt konfrontiert. Sie sehen, wie ihr Vater ihre Mutter körperlich misshandelt, oder sie erleben selbst körperliche Misshandlung durch Vater, Stiefvater oder andere Erwachsene. Die meisten Teenager geben an, dass auch die Schule oft Schauplatz von Gewalt ist.
Einige Teenager werden selbst zu Tätern, die Gewalt anwenden, bis hin zum Totschlag. Die Totschlagsrate in den USA ist in den letzten 30 Jahren relativ konstant geblieben, aber der Anteil der jugendlichen Täter nimmt ständig zu. Der Zeitraum, in dem dieser Anteil am meisten gewachsen ist, war von Mitte der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre, als die Zahl der jugendlichen Täter um 168 Prozent stieg. Das FBI berichtet, dass es in den USA jedes Jahr ungefähr 23.000 Fälle von Totschlag gibt. Bei 25 Prozent dieser Fälle ist der Täter 21 Jahre oder jünger.6 In den letzten Jahren weisen die Statistiken, Gott sei Dank, rückläufige Zahlen auf. Aber in vielen Städten stellt die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen nach wie vor ein ernstes Problem dar.
3. Veränderung der Familiensituationen
Ein dritter kultureller Faktor, der den Teenager von heute beeinflusst, ist die veränderte Familiensituation in der modernen westlichen Familie. Laut einer Umfrage unter Jugendlichen vor ein paar Jahren leben vier von zehn amerikanischen Teenagern (39 Prozent) bei nur einem Elternteil. In acht von zehn Fällen ist der fehlende Elternteil der Vater. Dieselbe Umfrage ergab, dass 20 Prozent der amerikanischen Teenager mit einem Stiefvater oder einem anderen erwachsenen Mann, der mit ihrer Mutter zusammenlebt, unter einem Dach wohnen.7 In Deutschland zeigen sich die Zahlen ein wenig anders: Hier leben nach einer Erhebung aus dem Jahr 2010 insgesamt ca. 17 Prozent der Minderjährigen bei nur einem Elternteil.8 Hiervon leben ca. 90 Prozent bei der Mutter. Besonders traurig ist jedoch, dass ca. 40 Prozent der Eltern ohne Sorgerecht keinen oder nur selten Kontakt zu ihrem Kind haben.9
Soziologen stellen fest, dass „unsere Familien in einem noch nie da gewesenen Ausmaß völlig verschieden sind: Wir haben Väter, die arbeiten, während die Mutter Hausfrau ist; Väter und Mütter, die beide außer Haus arbeiten; alleinerziehende Eltern; Eltern, die zum zweiten Mal verheiratet sind und deren Kinder aus völlig unterschiedlichen Hintergründen zusammen aufwachsen; kinderlose Ehepaare; unverheiratete Paare mit und ohne Kinder; und homosexuelle Eltern. Im Familienleben finden historische Veränderungen statt.“10 Ein anderer Autor bemerkt dazu: „Uns fehlen noch die Zahlen über die Nebenwirkungen dieser Zersplitterung, aber die Soziologie vermutet einen direkten Zusammenhang mit vielen sozialen Problemen, die wir täglich beobachten können. Verhaltensauffälligkeiten, Stress, Entfremdung … und kürzere Aufmerksamkeitsfähigkeit sind zum Teil direkt auf den Stress zurückzuführen, den es für Kinder und Jugendliche bedeutet, sich an neue Familienkonstellationen anpassen zu müssen.“11
Es ist nichts Neues, dass der Teenager von heute oft ohne Verwandtschaft aufwächst. James Comer, Direktor des Kinder-Studienzentrums in Yale, bewertet diesen Faktor als fast genauso kritisch wie den Zusammenbruch der Kernfamilie. Aus seiner eigenen Kindheit erzählte Comer: „Auf dem Heimweg von der Schule traf ich mindestens fünf gute Freunde meiner Eltern, die ihnen sofort erzählten, wenn ich etwas anstellte. Für die Kinder von heute gibt es solche Menschen nicht mehr.“12 In der Vergangenheit konnten sich Teenager auf Verwandte, gesunde Nachbarschaften, Gemeinden und lokale Gruppen verlassen. Der Teenager von heute (und die Eltern von heute) haben diese Netzwerke oft nicht.
4. Konfrontation mit Sexualität
Die öffentliche sexuelle Atmosphäre, in der unsere Teenager aufwachsen, ist ebenfalls völlig anders als früher. Die Babyboomer der 1960er rebellierten gegen die Sexualmoral ihrer Eltern, aber sie kannten die Regeln und hatten manchmal sogar Schuldgefühle, wenn sie dagegen verstießen. Aber der Teenager von heute wächst in einer Welt ohne sexuelle Regeln auf. Filme, Medien und Musik setzen Sex mit Liebe gleich und stellen Sex als selbstverständlichen Teil einer normalen Freundschaft dar. Deshalb sind sehr viele Teenager sexuell aktiv.
Teenager, die nicht sexuell aktiv sind, kämpfen mit Gedanken wie: Verpasse ich etwas Wichtiges? Stimmt mit mir etwas nicht? Gleichzeitig haben diejenigen, die sexuell aktiv sind, andere negative Gefühle. Sie fühlen sich oft benutzt, missbraucht und leer.
Der Teenager von heute lebt in einer Welt, in der Sex nicht nur ein erwarteter Teil von Beziehungen ist, sondern in der es auch immer selbstverständlicher ist, dass man zusammenlebt, ohne zu heiraten, und in der homosexuelle Beziehungen als alternativer Lebensstil gefördert werden. Die Worte bisexuell und Transgender gehören für den modernen Teenager zum gängigen Vokabular. In einem sehr realen Sinn ist Sex zu einem Gott geworden und es gibt die verschiedensten Schreine und Anbetungsformen. Das ist die Welt, in der sich der Teenager von heute in den ohnehin beängstigenden Gewässern seiner eigenen erwachenden Sexualität zurechtfinden muss.
5. Neutrale moralische und religiöse Werte
Schließlich wächst der Teenager von heute in einer Welt auf, die im wahrsten Sinne des Wortes post-christlich ist. Auf dem Gebiet Religion und Moral gibt es keine Klarheit mehr. In früheren Generationen hätten die meisten definieren können, was moralisches und was unmoralisches Verhalten ist. Die moralischen Werte basierten in erster Line auf dem jüdischen und christlichen Glauben. Für den Teenager von heute gilt das nicht mehr. Zum ersten Mal in der Geschichte wächst eine ganze Generation ohne klare moralische Werte heran. Werte sind oft neutral. Der Teenager hört, dass das, was sich gut anfühlt, auch gut ist. Richtig und falsch sind relativ.
Die Teenagerjahre waren schon immer eine Zeit, in der religiöse Glaubensinhalte hinterfragt wurden. Teenager stellen Fragen über den religiösen Glauben – oder Unglauben – ihrer Eltern. Genauso wie in anderen Lebensbereichen versuchen sie, ihre eigene Identität zu finden. Doch im Gegensatz zu früher sind Teenager in unserer heutigen globalen Welt unzähligen religiösen Glaubensformen ausgesetzt. Das geschieht sowohl durch die Mittel der modernen Technik als auch durch Freunde, die zu anderen religiösen Gruppen gehören.
Religion ist für den Teenager von heute wichtig. Eine aktuelle Umfrage in den USA ergab, dass ungefähr die Hälfte der Teenager (51 Prozent) Religion für die Gestaltung ihres täglichen Lebens als wichtig betrachtet.13 Über drei Viertel der Teenager (82 Prozent) identifizieren sich mit einer organisierten religiösen Gruppe. Ein Drittel der Teenager (36 Prozent) sagt, dass sie sich Gott „sehr“ oder „äußerst“ nahe fühlen, und über die Hälfte hat eine persönliche Entscheidung getroffen, für Gott zu leben (55 Prozent).14 Vier von zehn Teenagern (40 Prozent) gaben an, dass sie mindestens einmal in der Woche einen Gottesdienst besuchen.15 Für die SINUS-Studie in Deutschland von 2016 wurden zahlreiche Jugendliche auch zum Thema „Religion“ befragt. Sie gaben an, sich sehr für Fragen zu Werten, Moral und Tod zu interessieren. Der Trend gehe allerdings mehr zum individuell zusammengestellten „Patchwork aus vielen religiösen, quasireligiösen und spirituellen Angeboten“. Exotische Religionen, z. B. Buddhismus oder Hinduismus, würden „wie eine neue Sportart“ gerne mal ausprobiert.16
Die Teenager von heute interessieren sich also mehr für die Erfahrungs- und Beziehungsebene in religiösen Gruppen als für abstrakte religiöse Überzeugungen. Wenn die Gruppe den Teenager akzeptiert, Verständnis zeigt und hilfsbereit ist, findet er sie attraktiv, auch wenn er vielleicht mit den religiösen Überzeugungen der Gruppe nicht übereinstimmt.
Eltern können führen
In dieser Welt wächst Ihr Teenager auf. Die gute Nachricht lautet, dass die Teenager von heute von ihren Eltern Führung erwarten. In einer aktuellen Umfrage gaben Teenager an, dass ihre Eltern in folgenden Bereichen mehr Einfluss haben als Gleichaltrige: Frage nach Studium oder Beruf, Gottesdienstbesuch, Hausaufgabenmachen und Umgang mit Alkohol. Eltern haben auch einen Einfluss auf die Berufspläne ihrer Teenager. Freunde haben mehr Einfluss auf ihre Entscheidungen bei kurzfristigeren Fragen: ob sie den Unterricht schwänzen, mit wem sie eine Beziehung anfangen, welche Frisur und Kleidung sie bevorzugen.17
Als Teenagern in der Umfrage die Frage gestellt wurde: „Wer hat den größten Einfluss auf deine Entscheidungen: deine Eltern oder deine Freunde?“, hatten bei den Entscheidungen, die einen größeren Einfluss da-rauf haben, zu welchen Menschen sich die Teenager entwickeln, die Eltern deutlich mehr Einfluss. Ja, Ihr Teenager wird in einigen Bereichen von Freunden geprägt, aber Sie als seine Eltern haben immer noch den größten Einfluss auf sein Denken und Verhalten. Die folgenden Kapitel wollen Ihnen zeigen, wie Sie das Bedürfnis Ihres Teenagers nach Liebe am besten stillen und dadurch den Grundstein legen können, um in allen anderen Lebensbereichen mehr Einfluss auf die Lebensgestaltung Ihres Teenagers nehmen zu können.
Dr. Gary Chapman
Dr. Gary Chapman hat Anthropologie studiert und war viele Jahre in der Paarberatung tätig. Er ist der Autor zahlreicher Bücher und als Experte für Beziehungsfragen international bekannt. Mit seinem New York Times-Bestseller "Die 5 Sprachen der Liebe", der in über 60 Sprachen übersetzt wurde, hat er einen neuen Schlüssel zur Kommunikation gefunden und ein Millionenpublikum erreicht. Zusammen mit seiner Frau Karolyn lebt er in North Carolina.
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