Wie so oft.
Ungeduldig trommelte Cleo mit den Fingern auf ihren Oberschenkeln. Wann würde diese nervige Befragung endlich vorbei sein? Es war heiß in dem stickigen Büro des Kaufhausdetektivs. Zwischen ihren Brüsten bildeten sich schon Schweißperlen und das konnte Cleo nicht leiden.
»Du weißt, dass ich deine Daten überprüfen werde«, zischte der hässliche kleine Mann, in dessen Fängen sie sich befand. Schon wieder.
Gut, beim letzten Mal war es eine tätowierte Frau um die vierzig gewesen und das Büro wesentlich geräumiger. Trotzdem war es immer dasselbe.
Strafende Blicke, eine endlose Standpauke und die Androhung, sie dürfe den Laden ein ganzes Jahr lang nicht mehr betreten. Als ob es nicht genügend andere Supermärkte gäbe, auf die sie ausweichen konnte. Hausverbot hatte sie derzeit nur in zwei Discounterketten. Morgen würde sie es eben noch einmal an der Tankstelle versuchen. Dort hatte sie schon zweimal Tabak geklaut, ohne erwischt zu werden.
Aber erst einmal musste sie hier rauskommen.
Erfahrungsgemäß ließen die Erzieher sich Zeit, bevor sie auftauchten. Letzte Woche hatte es fast zwei Stunden gedauert, bis Mike mit dem blauen Polo auf dem Parkplatz erschienen war.
»Was soll das, Cleo?«, hatte er mit hochgezogenen Brauen gefragt. »Wir haben Besseres zu tun, als dich ständig aus irgendwelchen Detektivbüros abzuholen. Steig ein.«
Mike war eigentlich ganz okay. Er interessierte sich für seine Schützlinge und er war der Einzige, der Cleo manchmal zum Lachen bringen konnte. Außerdem sah er gut aus. Durchtrainiert, aber nicht protzig. Mit so schönen, leuchtend blauen Augen, und die Frisur immer ein wenig strubbelig. Aber er war uralt, mindestens Anfang dreißig. Also komplett uninteressant.
»Ich habe dich etwas gefragt«, drang plötzlich die Stimme des Kaufhausmackers in Cleos Bewusstsein.
Irritiert hob sie den Blick.
»Wen ich anrufen soll, will ich wissen. Jemanden, der dich abholt.«
Seufzend nannte Cleo die Nummer ihrer Wohngruppe. »Fragen Sie nach Mike.«
Während der Mann sich abwandte, um zu telefonieren, drückte Cleo das T-Shirt auf die Schweißperlen. Verdammte Hitze. Sie mochte den Sommer, aber hier in dieser stickigen Kammer war es einfach unerträglich.
Immerhin gab es, schräg gegenüber dem Stuhl, auf dem sie saß, einen kleinen Spiegel. Kritisch betrachtete Cleo sich darin. Langes schwarzes Haar umrahmte ein schmales Gesicht mit vollen Lippen und einer kleinen, hübschen Nase. Ein großes braunes Auge funkelte daneben; das andere wurde von der glatten schwarzen Pracht beinahe verdeckt. Aus gutem Grund.
Viel mehr als das Gesicht war im Spiegel nicht zu sehen. Der elegante Hals und ein kleiner Ansatz ihres Dekolletés, mehr nicht. Aber Cleo wusste, dass sie gut aussah. Zu gut für manchen.
»Er sagt, dass es eine Weile dauern kann.« Der Detektiv ließ den Hörer sinken und warf ihr einen unwilligen Blick zu. »Wie ich es hasse, wenn ihr Kröten mir meine wertvolle Zeit stehlt. Ich habe wichtigere Aufgaben, als auf kleine Mädchen aufzupassen.«
Cleo musterte ihn angriffslustig. »Ach ja, was denn? Ich dachte, es sei Ihr Job, böse Diebe dingfest zu machen.« Leider klang ihre Stimme nicht halb so selbstbewusst, wie sie es gewollt hatte. Im Gegenteil, sie kratzte ein wenig, als wollte sie verraten, dass da eigentlich Tränen darauf warteten, fließen zu dürfen.
»Jetzt werd nicht noch frech.« Der kleine Mann setzte sich auf einen Stuhl ihr gegenüber, genau vor den Spiegel. »Warum macht ihr das eigentlich? Hast du wirklich kein Geld oder ist das eine Mutprobe?«
Cleo zuckte mit den Schultern und wandte den Blick ab. Als ob sie erklären könnte, warum sie tat, was sie tat. Es war ihr ja selbst ein Rätsel, aber das ging diesen Typen gar nichts an.
Nein, es lag nicht am mangelnden Geld. Sie musste auch niemandem etwas beweisen - außer vielleicht sich selbst. Die Dinge, die sie geklaut hatte, waren ihr nicht einmal wichtig. Sie hatte sie einfach eingesteckt und das Gefühl genossen, unsichtbar zu sein. Tja, nicht unsichtbar genug. Beim nächsten Mal würde sie noch geschickter vorgehen müssen.
Die folgenden Minuten unter dem kritischen Blick des stämmigen Mannes mit der lächerlichen Lederweste vergingen quälend langsam.
Cleo vermutete, dass Mike sie absichtlich schmoren ließ - im wahrsten Sinne des Wortes.
Er betrat erst den Raum, als Cleo das Gefühl hatte, ihre Körpertemperatur wäre bis kurz vor der Kernschmelze angestiegen.
»Endlich«, stöhnte sie und stand auf.
Aber der Kaufhausdetektiv drückte sie zurück auf den Stuhl.
»He!«, protestierte Cleo und stieß seine Hand heftig weg. Wie konnte er es wagen, sie anzufassen! Sie spürte, wie ihr Herz zu rasen begann, neue Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn und rannen an ihren Schläfen herab. Cleo stützte sich mit der Hand an der Wand ab, um wegen des plötzlich aufkommenden Schwindels nicht zu wanken.
Mike warf ihr einen beschwörenden Blick zu. Jetzt bloß ruhig bleiben, hieß das.
Der Erzieher stellte sich in die winzige Lücke zwischen Cleo und dem Detektiv, eine menschliche Mauer gegen den Übergriff. Dankbar schloss das Mädchen die Augen und atmete durch.
Mike würde das hier regeln.
»Wo muss ich unterschreiben?«, hörte sie ihn fragen.
Zum Glück waren die Formalitäten rasch geklärt. Sogar die umfangreiche Belehrung konnte Mike abwenden, indem er versicherte, er hätte so etwas schon mehrmals gemacht.
Als sie zum Auto gingen, fühlte Cleo das schlechte Gewissen stärker als je zuvor. Obwohl sie nicht schnell genug von diesem Supermarkt wegkommen konnte, schienen ihre Füße aus Blei zu sein. Mit gesenktem Kopf folgte sie Mike über den Parkplatz.
Er öffnete ihr die Autotür. Für einen kurzen Moment sah er ihr in das freie Auge. Für Cleo war es, als dringe dieser Blick bis in ihre Seele. Rasch schlüpfte sie auf den Sitz, um diese Intimität zu unterbrechen.
Niemand hatte in ihrer Seele etwas zu suchen.
Mike schlug die Tür zu, umrundete den Wagen und setzte sich ans Steuer. Er drehte den Zündschlüssel im Schloss und das beruhigende Vibrieren des Motors setzte ein. Aber anstatt loszufahren, wandte Mike ihr das Gesicht wieder zu. »Was sollen wir nur mit dir machen, Cleo?« Er sah ehrlich besorgt aus und Cleo spürte, wie ihr Bauch sich verkrampfte. Sie biss auf ihre Unterlippe. Wie gut der Schmerz tat.
»Das ist das dritte Mal innerhalb von vier Wochen, dass du beim Klauen erwischt wirst. Wo soll das hinführen?«
Weil ihr keine Erwiderung einfiel, zuckte Cleo mit den Schultern. Sie fühlte sich hilflos, wusste aber, dass Mike es als Trotz auffassen würde.
Endlich löste er die Handbremse und legte einen Gang ein. Der Wagen rollte über den Parkplatz. Cleo starrte bewegungslos aus dem Fenster, die Zähne noch immer in die Lippe gepresst. Wohin soll das führen? Gute Frage. Nirgendwohin. Denn sie gehörte nirgendwohin. Cleo schmeckte Blut und lockerte widerstrebend den Druck ihres Kiefers.
Mike akzeptierte ihr Schweigen und wenig später erreichten sie das Gelände der Wohngruppe. Der Polo kam zum Stehen.
Obwohl sie lieber einfach sitzen geblieben wäre, löste Cleo rasch den Gurt und stieg aus dem Wagen. Nur schnell in ihr Zimmer, bevor Mike weitere Fragen stellen konnte.
Die vordere Tür des Hauses stand offen. Im Jugendclub, der im Erdgeschoss untergebracht war, herrschte bereits Hochbetrieb. Eilig ließ Cleo möglichst viel Haar vor ihr Gesicht fallen, sodass nur noch ein kleiner Spalt zum Sehen frei blieb. Dann ging sie mit langen Schritten durch das Tor zum Hinterhaus und schlüpfte hinein. Drinnen im Flur war es kühl und ruhig. Aber oben am Treppenabsatz wartete wahrscheinlich schon Mona, die Sozialarbeiterin, die heute Tagschicht hatte. Cleo wünschte sich erneut, unsichtbar werden zu können. Das war die einzige Superkraft, die sie wirklich gern gehabt hätte. Es würde so vieles einfacher machen. Und es hätte so vieles schon verhindert, was ihr zugestoßen war. Aber daran wollte Cleo jetzt auf keinen Fall denken.
Auf Zehenspitzen huschte sie die Stufen hinauf. Richtig, oben am Tresen saß Mona. Sie blickte auf einen Block, der vor ihr lag: Vermutlich rechnete sie irgendwelche Ausgaben durch. Wenn Cleo ganz leise war, konnte sie vielleicht unbemerkt an ihr vorbeihuschen.
»Hi, Cleo.«
War ja klar. Sozialarbeiter waren wie Lehrer. Sie hatten scheinbar überall Augen.
»Ich hab Kopfschmerzen«, behauptete Cleo und versuchte, möglichst unschuldig auszusehen. Vielleicht hatte Mike noch nichts von dem Diebstahl gesagt.
»Okay, aber wir reden später.«
Natürlich. Wer hätte auch erwartet, dass nicht sämtliche Angestellten mit ihr über jeden ihrer Fehltritte hätten sprechen wollen. Cleo wusste, wie der Hase lief.
Sie rannte beinahe durch den kurzen Flur zu ihrem Zimmer.
Endlich. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Instinktiv drückte sie noch einmal dagegen, als würde das verhindern, dass ihr jemand folgte. Leider war es verboten abzuschließen.
Cleo warf ihren Rucksack auf das Bett und schob mit dem Fuß ihren Sitzsack vor die Tür. Am liebsten hätte sie auch noch den Schreibtisch dorthin geschoben.
Erst jetzt, in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers, bemerkte Cleo, wie schnell sie noch immer atmete. Ihr Herz raste, als hätte sie den Mount Everest erklommen.
Verdammt, diese Scheißgefühle! Wie ein Tiger im Käfig ging Cleo zwischen Tür und Schreibtisch auf und ab.
Beruhige dich, Cleo. Ganz ruhig. Es ist vorbei.
Aber die Panikattacke ließ sich nicht wegreden. Wie eine Lawine brachen tausend Gedanken über sie herein. Raue Finger griffen nach ihr und zerrten an ihrem T-Shirt. Die Hand, auf ihren Mund gedrückt, war hart wie Stahl.
Wehe, wenn du schreist! Wenn du stillhältst, ist es schnell vorbei.
Cleo fühlte, wie ihr erneut der Schweiß ausbrach. Diesmal lag es nicht an der Hitze. Mit zitternden Händen packte sie das ehemals rosafarbene Schwein, das auf ihrem Kopfkissen lag, und presste ihr Gesicht hinein.
Atmen. Ruhig atmen. Du bist ganz allein hier, Cleo. Es ist keiner da, der dir etwas tun kann.
Aber die Logik hatte keine Chance. Als hätte jemand die mühsam zugedrückte Tür eines überfüllten Schrankes geöffnet, so stürzten vergangene Ereignisse über sie herein. Sie krallte die Hände in den ausgebleichten Plüsch und versuchte, sich nur auf ihren Atem zu konzentrieren. Ein und aus. Ein und aus.
Endlich wurde die Erinnerung weniger intensiv. Die Knie wurden ihr weich und Cleo ließ sich auf den Sitzsack fallen. Das Schwein sank in ihren Schoß. Wie oft Rosalie ihr in den letzten Jahren geholfen hatte, das Hyperventilieren zu stoppen.
Cleo hasste es, welche Macht die Vergangenheit noch immer über sie hatte. Dabei war das alles so lange her. Wie aus einem anderen Leben. Aus einer Zeit, in der noch keine zartrosa gestrichenen Wände ihr Schutz geboten hatten. Nichts war damals so gewesen, wie es heute war.
Mit einem tiefen Atemzug ließ Cleo die Anspannung entweichen, die sie seit dem Moment im Griff gehabt hatte, als der Kaufhausdetektiv sie auf den Stuhl gedrückt hatte.
Natürlich hatte dieser Mann nichts mit alldem zu tun, was geschehen war. Er hatte jedes Recht, sie, die Diebin, zu maßregeln. Es war nicht seine Schuld, dass er sie an den Mann erinnerte, dem sie ausgeliefert gewesen war.
Nein, es war nicht seine Schuld. Es war ihre eigene.
Kundenstimmen
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20.04.2023mabuerele 
„...Tanzen! Sie wollte tanzen. Schwerelos schweben über all dem, was da unten am Boden auf ihre Schultern drückte...“
Diese Zeilen stammen aus dem Prolog. Sie finden sich später in einem der Kapitel wieder. Sie wurden dem Kapitel vorangestellt. Der Prolog wird so zu einer Art Klammer, die den ersten Teil des Buches zusammenhält.
Die Autorin hat einen bewegenden und tiefgründigen Jugendroman
geschrieben. Es geht darum, den Sinn im eigenen Leben zu finden, aber auch die Schatten und Verletzungen der Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Schriftstil lässt sich flott lesen.Anfangs wechselt die Geschichte zwischen den beiden Protagonisten. Cleo ist eine von ihnen. Sie lebt in einer Wohngruppe.
„...Ungeduldig trommelte Cleo mit den Fingern auf ihren Oberschenkeln. Wann würde diese nervige Befragung endlich vorbei sein" Es war heiß in dem stickigen Büro des Kaufhausdetektivs...“
Warum Cleo klaut, weiß sie selber nicht so genau. Sie braucht die Dinge nicht. Es ist auch nicht der Kick, es zu können. Es scheint eher ihre Art der Vergangenheitsbewältigung zu sein. Was damals passiert ist, kommt erst nach und nach ans Licht.
„...Warum war er nur so frustriert" Es lief doch alles super. Aurelie, seine beste Freundin von Kindheit an und seit fast fünf Jahren seine Partnerin, war offensichtlich verliebt wie am ersten Tag...“
Daniel oder Danic, wie sein Künstlername lautet, ist der Star des Familienzirkus´. Zusammen mit Aurelie postet er die Kunststücke im Internet. Daniel aber will mehr. Er möchte Jura studieren. Wie jedoch soll er das seiner Familie beibringen"
Cleo bekommt Sozialstunden verordnet, die sie auf dem Friedhof absolvieren soll. Dort fühlt sie sich plötzlich angenommen. Sie lernt die Bestatterin Simone Lehmann kennen, die Cleo behutsam in ihre Arbeit mit einbezieht. Bei der Arbeit in der Kapelle sieht Cleo ein Bild von Jesu mit Schafen. Religion ist nicht ihr Ding. Ich mag aber trotzdem oder gerade deshalb ihren lockeren Umgang mit dem Thema.
„...Sorry, Jesus, ich hab jetzt keine Zeit dich anzuschauen, sagte Clementine in Gedanken zu dem Bild. Was war denn jetzt los" Seit wann sprach sie mit fiktiven Personen"...“
Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass der Jesus des Bildes ihr Gegenüber bei einem Gespräch ist. Mir gefällt, dass hier nichts aufoktroyiert wird. Es ist allein Cleos Entscheidung, sich Jesus auf dem Bild zuzuwenden.
Danic teilt seinen Eltern die Entscheidung für das Studium mit. Dabei entgegnet seine Mutter:
„...Das sagst du uns ausgerechnet heute...“
Die Worte lassen Danic nicht los. Welches Familiengeheimnis verbirgt sich dahinter"
Beide Handlungsstränge werden gekonnt zusammengeführt. Cleo und Danic reifen durch die Ereignisse.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.
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02.03.2023Leseschnecke93 
Unfassbar guter (Jugend) Roman
„Das Leben in den Griff kriegen" Diesen Versuch hatte sie längst aufgegeben. Mit elf hatte sie noch daran geglaubt, selbst über ihr Schicksal bestimmen zu können, wenn sie sich nur genug anstrengte. Mittlerweile wusste sie, dass nicht sie ihr Leben, sondern ihr Leben sie im Griff hatte. Und sie sah keinen Sinn mehr darin zu versuchen,
das zu ändern.“ Buchauszug S. 28
Inhalt:
Cleo hat sich selbst aufgegeben. Nach traumatischen Erlebnissen in ihrem Elternhaus, lebt sie nun in einer Wohngruppe. Sie hat keine Ahnung, was sie nach ihrem Schulabschluss mit ihrem Leben anfangen soll. Zudem muss sie wegen wiederholtem Diebstahl, Sozialstunden auf dem Friedhof verrichten. Die Begegnungen dort verändern Cleo unerwartet.
Danic ist ein begabter Zirkusartist. Zusammen mit seiner Kindheitsfreundin betreibt er einen erfolgreichen Internetkanal. Sein Leben scheint perfekt, wäre da nicht die große Sehnsucht in seinem Herzen nach mehr Gerechtigkeit. Danic möchte Jura studieren und den Zirkus verlassen. Seine Familie reagiert alles andere als wünschenswert auf seine Pläne. Danic ahnt ja nicht, dass sein Wunsch, alte Wunden aufreißt und sich dahinter ein großes Familiengeheimnis verbirgt.
Meine Eindrücke:
Das Buch beginnt mit einem wahnsinnig dramatischen und zugleich künstlerischen Prolog, der viele Fragen aufwirft. Erst nach und nach erschliesst er sich dem Leser. Ich wurde von der Geschichte sofort in Bann gezogen und raste in weniger als 24h durch die knapp 300 Buchseiten.
Besonders Cleo hatte es mir angetan. Der Autorin ist es unbeschreiblich gut gelungen dieses Mädchen zu zeichnen. Ein Gebilde aus Fassade, Gaben, tiefen Wunden, Schmerz und Liebenswürdigkeit. Cleo lässt sich für einen kleinen Glücksmoment immer wieder zum Stehlen hinreißen. Wenn sie unsichtbar war, macht sie das stolz.
Wegen diversen Misserfolgen wurde sie vom Richter zu Sozialstunden auf dem Friedhof verdonnert. Hingegen ihrer Erwartungen, findet sie dort Menschen, die sich nicht von Cleos Fassade abschrecken lassen, sondern ihr mit Respekt und Verständnis begegnen.
Es war so faszinierend in Cleos Gedanken Welt eintauchen zu dürfen. Gerade durch ihre direkte, manchmal auch recht freche Art, liest sich das Buch trotz der schweren und ernsten Themen humorvoll und so angenehm.
Im Laufe der Handlung verknüpft sich Cleos Geschichte mit Danics Handlungsstrang. Ich habe beide sehr gerne auf ihrem Weg begleitet. Während mit das Familiengeheimnis um Danic unheimlich ans Buch gefesselt hat, war ich emotional vor allem bei Cleo. Besonders gut gefiel mir außerdem der zeitgemäße Rahmen mit Corona Pandemie, Tiktok, Instagram usw.
Die Geschichte hat mich tief bewegt. Einmal hatte ich sogar mehr als nur feucht Augen bekommen. Ich fand es sehr gut wie natürlich über den Tod geredet wurde und wie dieses Thema ein zentraler Teil der Handlung sein durfte. Natürlich ist der Friedhof ein etwas unkonventionelles Setting, aber es war absolut stimmig und niemals gruselig.
Der Glaube wurde ebenfalls sehr ansprechend und passend in das Jugendbuch eingearbeitet. Es geht vor allem darum, dass man einfach zu Gott kommen kann. Er ist ein guter Zuhörer und wartet schon auf dich!
Ein Buch, dass mich überraschen, zum Weinen, zum Schmunzeln und Nachdenken bringen konnte. Es hat mir unglaublich gut gefallen. Von mir gibt es 5 glasklare Glitzer-Sterne!
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24.02.2023Märchens Bücherwelt 
Was für ein besonderes, nachdenklich stimmendes Buch.
Es besteht aus 2 Geschichten, die parallel laufen und deren Verlauf sich dann auf eindrucksvolle, berührende Art überschneidet.
Den Einstieg macht ein Prolog, der so völlig anders als gewohnt ist. Zitate, die sich später abwechselnd zu den jeweiligen Kapiteln wiederfinden und erst im Laufe der Geschichte erklären, was es damit auf sich hat. Anfangs
hat es mich umgehauen, weil es so dramatisch, hilflos und erschütternd wirkt, doch nach und nach versteht man, dass es sich aus den beiden parallelen Geschichten zusammensetzt und ein Ganzes ergibt- raffiniert!
Während Danic als Akrobat mit seiner besten Kindheitsfreundin Aury auftritt und beide noch einen gemeinsamen Social Media Kanal gestalten, um das Überleben des Zirkus Wittenmeer zu sichern, kämpft er mit seinem Wunsch, Jura studieren zu können. Ich mag ja sowieso Geschichten aus der Zirkuswelt, doch diese hat mich wirklich sehr beeindruckt. Der Schwerpunkt liegt gar nicht so sehr auf den Aufführungen selbst, sondern eher auf dem Leben in der Zirkuswelt und wie Geheimnisse zum Brodeln kommen.
Immer im Wechsel erhält man zu dem, was Danic erlebt, auch Einblicke in Cleos Leben und es ist mir sehr nahe gegangen. Ihre Hilfslosigkeit, das Gefühl von allen verlassen zu sein und kein wirkliches Zuhause zu haben, immer mit etwas Eifersucht, Unzufriedenheit und Konfrontation gemischt.
Erst durch ihre Sozialstunden auf dem Friedhof durch wiederholte Diebstähle merkt sie, dass es tatsächlich Menschen gibt, die sie mögen und auf sanfte Weise hinter die Kulissen gucken.
Auch wenn es eine eher ernste Geschichte ist, so bewirkt gerade Cleo mit ihrer direkten Art, dass ich viele Male lachen musste, weil sie nicht groß nachdenkt, sondern aus dem Bauch heraus das sagt, was sie denkt. Besonders ihre Begegnungen mit dem Vikar oder dem Bildnis von Jesus in der Friedhofskapelle zeigen, wie aufrichtig und liebenswert sie ist. Was für ein Gespür sie für die Menschen hat, gerade in Verbindung mit Trauerfällen, ihre Reaktionen und Ideen, ihr Arbeitseinsatz aber auch ihre Rückfälle haben dieses junge Mädchen so authentisch und gleichzeitig sympathisch gemacht.
Die Wendung der Geschichte, was ihre Begegnung mit Danic auslöst und wie sie verläuft ist genial und überraschend anders. Irgendwie verrückt und doch perfekt.
Diese Geschichte verbindet auf völlig unerwartete Weise zwei Personen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch so viel gemeinsam haben. Der Wunsch, einen Platz zu finden, der sich nicht falsch anfühlt, an dem nicht alles nach Glitzer oder Schein aussieht und wo man seine Träume und Hoffnungen leben kann. Gerade das familiäre Schicksal von beiden hilft ihnen auf eindrucksvolle Weise, worauf es im Leben ankommt, was echte Freundschaft bedeutet, aber auch, wie schnell das scheinbar glitzernde Leben zu Staub zerfallen kann, ebenso wie man auf dem Friedhof nicht nur Staub findet, nur weil das Leben dort zu Ende ist. Es liegt an uns, was wir aus unserem Leben machen.
Ein eindrucksvolles, starkes Buch für alle, die sich verloren fühlen, die Mut brauchen, um sich selbst zu lieben und zu spüren, es gibt immer einen Weg aus jedem Chaos des Lebens und trotz Verlusten lohnt es sich zu leben, weil wir Spuren und Erinnerungen im Staub hinterlassen.
„Man wusste nie, welche Wendung sich hinter dem Chaos an Gefühlen und Enttäuschungen verbarg, wenn man nur mutig genug war weiterzugehen. Einen Schritt nach dem anderen. In dem Wissen, dass man niemals ganz allein war.“ (Buchzitat)
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