Doch bevor ich die erste Frage über meine trockenen Lippen bringen konnte, stand Mrs Washington auf.
»Möchten Sie eine Tasse Tee? Tee hilft, die Nerven zu beruhigen.«
Meine steifen Schultern entspannten sich ein wenig. Also war nicht nur ich aufgeregt wegen des Interviews. »Das wäre nett, aber ich versichere Ihnen, dass es keinen Grund gibt, nervös zu sein.«
Sie schmunzelte. »Ich bin nicht nervös, Kind, aber Sie wirken völlig angespannt. Kommen Sie mit in die Küche und ich koche Ihnen eine gute Tasse Kamillentee.«
Ohne auf meine Antwort zu warten, verließ sie das Zimmer, während ich, beschämt, weil sie mich so leicht durchschaut hatte, sitzen blieb. Warum machte mich diese Situation so kribbelig? Bei meinen Interviews für den Banner war das nie so gewesen.
Ich legte meine Sachen auf den Boden und folgte Mrs Washington in die winzige Küche. Ein tiefes Porzellanspülbecken stand unter einem Fenster, das auf die Rückseite einer heruntergekommenen Mietskaserne hinauszeigte. Ein kleiner Kühlschrank nahm eine Ecke des Raumes ein, während ein noch kleinerer Tisch und zwei Stühle in der anderen Ecke standen. Am meisten überraschte mich der altmodische Holzofen, an dem Mrs Washington arbeitete. Unser Herd zu Hause wurde mit Gas betrieben. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass jemand noch mit Holz oder Kohle kochte. War das hier in Hell’s Half Acre üblich? Oder war nur Mrs Washington noch nicht in der heutigen Zeit angekommen?
Beim Anblick ihres alten Ofens drängte sich mir jedoch die Frage auf, auf welche anderen Dinge, die ich als selbstverständlich hinnahm, diese Frau vielleicht auch noch verzichten musste.
»Jael – sie kümmert sich um mich, wenn sie nicht gerade an der Universität studiert – mag Kamillentee, aber ich muss zugeben, dass ich eine Tasse starken Kaffee vorziehe.«
Während sie meinen Tee vorbereitete, fiel mir auf, dass eine ihrer Hände ziemlich entstellt war. Dort, wo Fingerknöchel sein sollten, hatte sie große Knoten und zwei ihrer Finger zeigten in die falsche Richtung. Das bremste sie jedoch keineswegs aus. Sie goss heißes Wasser aus einem Kessel, der auf der Herdplatte stand, in eine schlichte weiße Tasse mit einem Tee-Ei. Dann nahm sie eine hellblaue Untertasse aus dem offenen Regal, in dem sie kleine Stapel bunt zusammengewürfelter Teller stehen hatte, stellte die Tasse darauf und reichte sie mir. »Möchten Sie Zucker?«
Ich schüttelte den Kopf, da ich ihr nicht noch mehr Umstände machen wollte, besonders, als ich merkte, dass sie nicht mittrank. »Vielen Dank.«
Sie nickte und ging ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich wieder in ihren Sessel setzte. »Ich nehme an, Sie waren noch nie hier unten in den Acres.« In ihrem ruhigen Blick lag weder eine Anklage noch Neugier. Es war einfach eine Feststellung.
»Nein, Ma’am.« Ich setzte mich vorsichtig, um meinen Tee nicht zu verschütten. Im Moment hatte ich keine Möglichkeit, mein Notizbuch und meinen Bleistift aufzuheben, und hoffte, dass sie nicht sofort anfangen würde, ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
»Sie haben nicht viel verpasst. Ich wohne seit fast sechzig Jahren hier. In dieser Zeit habe ich alles Mögliche gesehen. Hier leben gute Leute, aber es gibt auch einige, die nur darauf aus sind, allen anderen das Leben schwer zu machen.«
Mir fiel auf, dass sie dieses Viertel nicht als Hell’s Half Acre bezeichnete, wie es in ganz Nashville genannt wurde. Wenn ich hier wohnen müsste, würde ich das wahrscheinlich auch nicht tun. Warum sollte jemand, der unter solchen Bedingungen leben musste, seine entmutigende Situation noch verschlimmern und seinen Wohnort nach der Hölle benennen?
»Ich will ehrlich sein, Miss Leland.« Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Ich war ziemlich überrascht, als ich von der Regierung einen Brief bekam, in dem stand, dass man meine Geschichten aus der Zeit der Sklaverei hören will.«
Ich lächelte. »Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie bereit sind, über Ihr Leben zu sprechen.« Natürlich wusste ich nicht, wen ich mit wir genau meinte, aber als Angestellte einer Bundesbehörde musste ich den Eindruck vermitteln, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein. Das ganze Projekt war Präsident Roosevelts Idee, also war anzunehmen, dass sein Interesse an den Geschichten früherer Sklaven der Grund für meinen heutigen Besuch bei dieser Frau war.
»Ich habe meine Geschichte noch nie jemandem erzählt, seit die Freiheit gekommen ist. Es hat keinen Sinn, sich an diese Tage zu erinnern, finde ich.« Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
Ich verschluckte mich fast an meinem Tee. Wollte sie damit sagen, dass sie mir gar nichts erzählen wollte? Würde mein erstes Interview für das Federal Writers’ Project ein totaler Reinfall werden? Mr Carlson wäre davon nicht begeistert.
Mein Magen rebellierte, als mir bewusst wurde, dass ich vielleicht schon am Ende des Tages wieder ohne Arbeit dastehen würde. Ich stellte meine Teetasse auf den kleinen Tisch links neben meinem Stuhl, wobei ich sorgfältig darauf achtete, die darauf verteilten dekorativen Gegenstände und das gerahmte Bild eines jungen Mannes nicht zu berühren, während mein Verstand auf Hochtouren arbeitete. Mr Armistead hatte mich schon früh in meiner Laufbahn als Reporterin gelehrt, bei schwierigen Gesprächspartnern viel Überzeugungskraft einzusetzen. Ich hoffte, seine Methoden würden auch jetzt funktionieren.
»Mrs Washington, ich bin natürlich nicht qualifiziert, Ihnen zu raten, ob Sie meine Fragen beantworten wollen oder nicht, aber ich halte dieses Projekt für sehr wichtig.« Erst jetzt, wo ich das gesagt hatte, begriff ich, dass es der Wahrheit entsprach. Ich wollte die Geschichte dieser Frau wirklich hören. Ich wollte wissen, wie ihr Leben als Sklavin ausgesehen hatte. Mrs Frances Washington war gestern noch ein gesichtsloser Name für mich gewesen. Heute war sie eine ältere Frau, die in einem winzigen gelben Haus mit Blumen im Vorgarten in einem Stadtviertel wohnte, dessen Ruf genauso besudelt war wie die Rinnsteine seiner Straßen.
Lange Sekunden verstrichen, in denen nur das Ticken einer Uhr zu hören war und wir uns ansahen.
»Jael hat gesagt, dass ich mit Ihnen sprechen soll. Sie ist jung und weiß nicht viel über die Zeit der Sklaverei. Sie sagt, es wäre für Leute aus ihrer Generation gut, etwas über die Vergangenheit zu erfahren.«
Ich dankte Jael im Stillen und nahm mein Notizbuch.
»Aber ich habe ihr erklärt, dass man die Vergangenheit am besten vergessen sollte. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und das, was passiert ist, lässt sich nicht mehr ändern. Wozu diese ganzen bitteren Erinnerungen wieder hervorkramen?«
Meine Schultern sackten nach unten. »Sie wollen meine Fragen also nicht beantworten?«
Sie sah mich mit zu Schlitzen verengten Augen an. »Ich hatte es nicht vor, aber heute Morgen hat mir der Herr gesagt, dass ich erst heimgehen kann, wenn ich mit Ihnen gesprochen habe.«
Da war sie wieder, die gleiche sonderbare Aussage, mit der sie mich begrüßt hatte. Ich konnte nur annehmen, dass sie von Gott sprach, aber erwartete sie tatsächlich, ich würde glauben, Gott ließe sie erst sterben, wenn ich sie interviewt hatte? Erneut fragte ich mich, ob sie noch bei klarem Verstand war. Vielleicht sollte ich meine Notizbücher einpacken und gehen, solange ich auf jeden Fall noch ausreichend Zeit hatte, meinen nächsten Interviewpartner aufzusuchen. Wenigstens könnte ich Mr Carlson dann einen Teil von der mir zugeteilten Arbeit für diesen Tag vorlegen.
»Ich sage Ihnen das Gleiche, was ich ihm geantwortet habe«, sprach sie weiter, ohne etwas von meinem Gedankengang zu ahnen. »Ich erzähle Ihnen von der Zeit der Sklaverei, wenn Sie das hören wollen. Sie können mich alles fragen und ich versuche mich, so gut ich kann, zu erinnern. Es ist allerdings keine schöne Geschichte. Wenn ich Ihnen alles erzählt habe, bereuen Sie vielleicht, dass Sie gekommen sind.«
Kundenstimmen
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26.08.2022Lesestern 
Eine Geschichte, die erzählt werden muss!
"Ich gebe dir eine Stimme" ist der Debütroman der talentierten Autorin Michelle Shocklee und ist im Juni 2022 bei Francke Buch erschienen.
Die Handlung beginnt im Jahr 1929 und aus der Sicht der damals sechzehnjährigen Rena Leland werden wir Zeuge des Börsencrashs und seiner Folgen für die Gesellschaft und insbesondere der Familie Leland.
Renas Vater, der
als Bankier die volle Verantwortung trägt, zerbricht an diesem Ereignis. Aber auch Rena selbst, die an diesem Tag den Status eines sorglos-wohlhabenden Teenagers verliert, erlebt die Auswirkungen hautnah.
Jahre später bekommt Rena als erfolglos und arbeitssuchende Zeitungsreporterin die Chance eines neuen Jobs. Dabei sollen ehemalige Sklaven interviewt und ihre Geschichten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Als Rena daraufhin die 101jährige Frankie Washington und ihre tragische Vergangenheit kennenlernt, bekommt ihr Lebensentwurf erneut Risse"
Mein Leseeindruck:
Michelle Shocklee`s Schreibstil ist flüssig und fesselnd, insbesondere die leidvollen Erlebnisse von Frankie ziehen genauso die Protagonistin Rena wie auch die Leser: innen in Bann.
Der historische Hintergrund des Romans wird fundiert wiedergegeben, sodass man wesentlich mehr erfährt als es übliches Schulwissen bietet.
Die Verknüpfung der unterschiedlichen Zeitebenen und der beiden Frauenschicksale verbinden sich zu einem eindrücklichen Gesamtbild.
Das Thema der Vergangenheitsbewältigung und Versöhnung durchzieht diese Geschichte, bei der der Autorin eine authentische und sehr bewegende Entwicklung der Charaktere wunderbar gelungen ist.
Mein Fazit:
Eine Geschichte, die erzählt werden muss und die auch heute noch angesichts modernen Sklavenhandels und Zwangsprostitution in der Welt hochaktuell ist und ein deutliches Mahnmal setzt.
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08.08.2022awii186 
Was ein zu Herzen gehendes, tiefgründiges Buch!
Renas Familie hat durch den Börsencrash, den ihr Vater verursacht hat, alles verloren. Ihre Mutter geht nähen, ihr Vater versinkt im Alkohol, ihre Schwester ist mit einem treulosen Mann verheiratet. Rena wird "grundlos" entlassen, obwohl sie als Reporterin gute Arbeit geleistet hat. Sie bekommt eine neue Stelle bei der Federal Writers Projekt und
soll ehemalige Sklaven interviewen.
Rena fängt mit Frankie an, einer 101jährige Sklavin. Frankie erzählt sehr packend ihre Lebensgeschichte, die von Verachtung, Gewalt, Diskriminierung bis hin zu Gottes heilender Liebe und Gnade führt.
Viele unterschiedliche Charaktere begegnen uns und wir dürfen miterleben, wie Frankies Herz und innere Einstellungen heilen.
Zwischendurch wird Renas Geschichte eingeflochten und zeigt auch ihren überraschenden inneren Werdegang.
Schön am Ende zu sehen, wie sich viele Puzzleteile zusammenfügen.
Sehr spannend geschrieben und ich habe mitgelitten, wie grausam Menschen sein können. Empfinde aber Demut und Hochachtung Gott gegenüber, wie er aus Wut Liebe und aus Hass Vergebung wachsen lassen kann, wenn man ihm völlig vertraut, wie Frankie das getan hat.
Solche Geschichten dürfen nicht vergessen werden. Der Nachhall ist enorm.
Tolle neue Schriftstellerin bei Francke Buch.
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26.07.2022Marianne 
Der 29. Oktober 1929 ist Renas Tag, zumindest ist sie beim Aufwachen davon überzeugt. Endlich ist sie sechzehn, und das soll an diesem Tag groß gefeiert werden. Doch dann schiebt sich ein anderes Ereignis in den Vordergrund dieses Tages, und Renas ganzes Leben verändert sich. Dieser schreckliche Tag geht als der Schwarze Dienstag in die Geschichte ein, doch er
betrifft auch Rena ganz persönlich. Mit der Börsenkrise verliert ihr Vater, ein Bankier, die finanzielle Lebensgrundlage der Familie.
Knappe sieben Jahre später ist Rena längst desillusioniert. Anders als das junge selbstsüchtige Mädchen von damals, weiß sie inzwischen, dass sich die Welt nicht um sie und ihre Wünsche dreht. Sie wäre schon glücklich, wenn sie ihre alte Stelle als Reporterin bei der lokalen Zeitung wiederhaben könnte.
Weil die Familie ihr Einkommen braucht, fragt sie ihren ehemaligen Chef immer wieder nach Arbeit. Schließlich kann er ihr einen Auftrag vermitteln. Sie soll sich die Geschichten von ehemaligen Sklaven anhören und sie aufschreiben. Die gesammelten Geschichten sollen dann veröffentlicht werden.
Voller Angst macht sie sich auf den Weg zu ihrer ersten Interviewpartnerin, der 101jährigen Frankie. Frankies Geschichte erschüttert Rena. Nie hätte sie sich vorgestellt, dass noch vor wenige Generationen in ihrer Heimat so mit Menschen umgegangen wurde. Die Gespräche mit Frankie helfen Rena auch ihre eigene Situation anzunehmen. Ihr Leid wird in die richtige Perspektive gerückt. An Frankies Seite nimmt sie auch zaghafte Schritte zurück zu dem Gott, der sie so enttäuscht hat.
Dieses Buch erzählt zwei Geschichten. Eingebettet in der Geschichte von Rena, die mit den Folgen der Großen Depression zu kämpfen hat, verfolgt der Leser das leidvolle Leben von Frankie, die schon als kleines Mädchen ihre Mutter verlassen musste. Sie lebt als Sklavin, erlebt den Sezessionskrieg mit und verbringt Jahre in einem Lager. Dort wird ihr Leben durch liebevolle Menschen aus dem Norden verändert, die gekommen sind, weil sie den ehemaligen Sklaven beim Aufbau eines eigenständigen Lebens helfen wollen.
Vor allem die zweite Erzählung, die Geschichte von Frankie, ist sehr spannend. Interessant ist aber auch die Entwicklung von Rena, die sich verändert, weil die Lebensgeschichte Frankies sie so bewegt. Außerdem sind mehrere berührende Liebesgeschichten in der Erzählung hineinverwoben. Inspirierend sind auch die Hinweise auf Gott; wie er Leben verändert und warum er trotz leidvollen Erfahrungen vertrauenswürdig ist.
Fazit: Eine lesenswerte Erzählung über eine schlimme Zeit in der Geschichte Amerikas, die zeigt, wie wichtig es ist Geschichten weiterzugeben, damit nachfolgende Generationen davon lernen können. Sehr empfehlenswert!
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26.07.2022Gudrun Ermes 
Rena´s Familie hat durch den Börsencrash während der Welt-wirtschaftskrise alles verloren. Über ein staatliches Programm bekommt Rena einen Job. Sie soll die 101-jährige ehemalige Sklavin Frankie interviewen, um deren Lebensgeschichte festzuhalten. Dabei lernt sie einiges über die Vergangenheit , das sie so nicht erwartet hat.
Dieser historische Roman beleuchtet zwei Zeitebenen. Renas Geschichte beginnt zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, während Frankie,
die Sklavin, ihre Erlebnisse vor und während des Sezessionskrieges aufleben läßt.
Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er ist flüssig und sehr berührend. Der Autorin gelingt es schnell den LEser in die Geschichte mitzunehmen. Historisch belegte Ereignisse werden gekonnt mit einer fiktiven GEschichte verbunden.
Rena macht eine starke Entwicklung durch je mehr sie über Frankies Leben als Sklavin erfährt. Sie wird reifer und erkennt die Hintergründe ihrer eigenen Familie besser. Der Schwerpunkt liegt aber auf Frankies Geschichte. Auf ihren körperlichen und seelischen Verletzungen, die sie während ihrer Sklavenzeit erleben musste. Erst durch Sam konnte Frankie ihren inneren Frieden finden, in dem sie seinen tiefen Glauben kennen lernte. Und diesen Frieden und diesen Glauben vermittelt Frankie Rena mit jedem ihrer Worte.
Das Ende ist absolut stimmig. Beide Zeitebenen haben sich verflochten und beide Protagonisten haben ihren Weg gefunden.
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22.07.2022annislesewelt 
Ein starkes Buch das einhüllt, mitreißt, berührt, erschüttert und tief ins Herz geht.
Lorena, Rena genannt, hat erlebt das alle ihre Träume wie Seifenblasen zerplatz sind. alles was ihre Familie besaß ging 1929 beim großen Börsencrash verloren. Es blieb nur wenig und es ist schwierig sich damit zu arrangieren.
Renas und Frankies Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt und vor allem
Frankies Leben hat mich völlig in den Bann gezogen.
Ihre Erlebnisse als Sklavin, die Jahre voller Schmerz und Leid, haben mich in Atem gehalten und nicht losgelassen. Ich konnte das Buch schlicht nicht aus der Hand legen.
Renas Geschichte empfand ich als würdevollen Rahmen in dem Frankies Erfahrung eingebettet war.
Dieses Buch geht zu Herzen und spricht davon wie wichtig es ist die Vergangenheit so zu sehen wie sie wirklich war und nicht so wie wir sie uns wünschen.
Wunderbar fand ich die Aussage das auch aus negativen Veränderungen etwas Gutes entstehen kann. Darauf mussten sich Frankie und Rena erst einlassen und das gilt auch uns. Manchmal ist es schwierig, oft bringen wir die kraft und Liebe für ein Miteinander, ein Füreinander und einen liebevollen Umgang gar nicht auf, doch Gott kann es schenken.
Denn die Freiheit Liebe zu geben kommt aus der Liebe Gottes zu uns und das hat Michelle Shocklee in "Ich geb dir eine Stimme" wunderbar herausgearbeitet und es geht tief zu Herzen, gerade weil sie die grausamen Seiten des Sklavenbesitzes direkt und klar beschreibt.
Sie schreibt über Gewalt, über Menschen die wie Ware behandelt werden, sie schreibt über verwundetet Herzen, über Wut, Begegnungen mit Gott, über Verzweiflung, Tränen, unglaublichen Schmerz aber auch über Vergebung, Neuanfänge und Liebe.
Sie schreibt über Liebe die gibt - auch wenn alles genommen wurde.
Dieses Buch ist weniger eine Liebesgeschichte sondern ein Werk das misshandelten, missbrauchten und erniedrigten Menschen "eine Stimme gibt".
Es ist ein sehr lesenswertes Buch - ganz klare Kauf und Leseempfehlung.
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14.07.2022Franziska 
Das Buch beginnt mit Lorena (auch Rena genannt). An Ihrem 16. Geburtstag kommt es zum Börsencrash. Sieben Jahre später setzt dann der eigentliche Erzählstrang ein. Das Buch ist aus der Ich Perspektive von Rena verfasst. Am Anfang war mir das etwas fremd, doch ich bin da sehr gut reingekommen. Der Schreibstil ist sehr bildhaft und einnehmend. Mit Beginn des
Interviews, lesen wir auch aus Franckies Sicht und Erfahren wie sie die Skalverei erlebt hat. Auch hier ist der Schreibstil so flüssig und spannend, dass man das Buch gar nicht mehr aus den Händen legen möchte.
Obwohl die Grausamkeiten der Sklaverei beschrieben wurden, kann man das gelesene aushalten. Ich hatte Sorgen dass ich mit der Brutalität nicht klar käme, aber meine Sorge blieb unbegründet.
Mich hat auch sehr bewegt, wie Rena durch Franckies Erzählungen ihr eigenes Leben und Leiden neu bewertet hat und ihre Perspektive sich veränderte.
Franckies Geschichte war so herzzerreißend und trotzdem ermutigend. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich immer wissen wollte wie es mit ihr weitergeht. Die Kraft des Evangeliums spielt hier auch eine große Rolle.
Zwischenzeitlich war mir das Verhältnis zwischen den beiden Geschichten etwas unausgewogen und ich hätte mir manchmal noch mehr Einblicke in Rena Leben gewünscht. Doch zum Ende hin geschieht doch noch einiges und im Nachhinein würde ich es mir nicht anders wünschen.
Alles in allem ein berührender Roman, der wirklich zu Herzen geht und nachklingt. Der einen selber Dankbarkeit spüren lässt für das eigenen Leben, aber auch die Augen öffnet für das Leiden der anderen Menschen. Für mich wirklich ein besonderer Roman!
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13.07.2022Leseschnecke93 
Ein sehr starkes und wichtiges Buch
"Dank ihr hatte ich verstanden, dass jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen hat. Sie war nicht immer schön oder glücklich, und genau wie die traurigen Geschichten meiner eigenen Familie konnte sie manchmal ein wenig chaotisch sein. Aber unsere Geschichten waren wichtig. Frankies Geschichte war wichtig." Buchauszug S. 292
Inhalt:
Genau an Lorena Lelands 16. Geburtstag verändert
sich nicht nur ihre Welt auf einen Schlag. An jenem besagten Tag, dem 29. Oktober 1929, ereignete sich der berüchtigte Börsencrash. Viele Menschen verloren dadurch ihre Existenzgrundlage. Genauso erging es auch Renas einst wohlhabener Familie. Von nun lebt ihr arbeitsloser Vater dem Whiskey sehr zugetan und zieht sich in seine eigene Welt zurück. Die Mutter muss als Näherin arbeiten um die Familie ernähren zu können. Auch Rena bemüht sich um eine Arbeit. Als sie die Gelegenheit bekommt im Rahmen des Federal Writers Projekt eine 101 Jahre alte ehemalige Sklavin Namens Franckie zu interviewen, ist sie hin und hergerissen. Soll sie die dringend benötigte Arbeit wirklich annehmen, obwohl ihre Vorfahren selbst einmal Sklaven besessen haben"
Meine Eindrücke:
Ich habe das Buch soeben beendet. Normalerweise lasse ich meine Gefühle zuerst etwas sacken und sortiere meine Gedanken. Hier möchte ich meine Eindrücke und Begeisterung aber sogleich in Worte fassen, damit sie noch ganz frisch sind!
Die Autorin war mir bis vor kurzem gänzlich unbekannt und ich war neugierig gespannt auf die Newcomerin. Um es kurz zu machen meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Diese Geschichte ist definitiv eines meiner absoluten Jahreshighligths im 2022! Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie oft mir die Tränen kamen und ich zutiefst berührt, aber auch erschüttert wurde. Denn Teile von Franckies Lebensgeschichte sind wirklich nur schwer zu ertragen, vor allem in dem Wissen, dass es genau solche fürchterlichen Verbrechen gegeben hat. Einmal angefangen, konnte ich das Buch fast nicht mehr aus den Händen legen. Michelle Shocklee hat es geschafft, eine Geschichte zu schreiben, die ich nicht so schnell wieder vergessen werde. Ihr Schreibstil würde ich im positiven Sinne als unauffällig beschreiben, sehr angenehm und flüssig. Aber die Gefühle, die die Autorin mit ihrer Erzählung vermag hervorzurufen, sind alles andere als bescheiden. Trotz des manchmal schwierigen und schweren Inhalts schafft sie es doch die Geschichte herzerwärmend und so berührend zu erzählen. Ihre Buchfiguren haben sich in mein Herz gestohlen und ich konnte die Bindung die Rena und Franckie zueinander aufbauten, regelrecht nachfühlen. Franckie ist dabei äußerst beeindruckend und dennoch authentisch gelungen. Ihre warme direkte Art und ihre Lebensgeschichte, verändern Rena sehr. Diese Entwicklung miterleben zu dürfen, war wunderbar. Sehr positiv überrascht hat mich der christliche Aspekt in dieser Geschichte. Der Glaube kam ganz zentral und natürlich in Franckies Leben vor und sie erzählt ungeschönt von ihrem Hass auf die Weißen, ihrer Wut auf Gott aber auch von seiner Liebe.
Mein Fazit:
Für mich ist "Ich gebe dir eine Stimme" ein absolutes Herzensbuch, das ich wärmstens weiter empfehlen möchte. Für dieses unvergessliche Leseerlebnis vergebe ich vollkommene 5 Sterne!
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