Ich saß eng an Marlene gepresst und hielt ihren Arm umklammert. Auf ihrem Schoß saß meine kleine Schwester Johannette und starrte mich aus riesigen Augen an, den Daumen im Mund. Sie hatte die ganze Zeit gewimmert, bis unsere Mutter mit Ludwig eingestiegen war, dicht gefolgt von ihrer Zofe. Mit ihren vier Jahren verstand Nanni noch viel weniger als ich, warum wir mitten in der Nacht die sichere Freusburg verlassen und nach Hachenburg fahren mussten. Unsere Kinderfrau strich ihr mit immer der gleichen Bewegung über das blonde Haar, beinahe, als würde sie es selbst gar nicht bemerken.
Es war dunkel in der Kutsche. Die Vorhänge waren zugezogen und nur ab und zu fiel ein Strahl Mondlicht ins Innere, wenn der Wagen schwankte. Mein Blick war genauso reglos auf meine Mutter und meinen toten Bruder gerichtet wie der meiner Schwester auf mich. Die Zofe sah ich nur als Schatten in der Ecke der Kutsche und Ludwig wirkte wie eine lebensgroße Puppe in den Armen meiner Mutter, die die Augen geschlossen hatte und sich nicht bewegte.
Den ganzen Tag über hatte man versucht, ihr den Knaben abzunehmen, hatte auf sie eingeredet, sie zu überzeugen versucht. Es hatte nichts genützt. Allein, um sich anzukleiden, hatte sie ihn losgelassen. Sobald die Zofe ihr das Mieder geschnürt hatte, hatte sie ihn schon wieder in die Arme geschlossen und nicht einmal ihr Vertrauter Korporal Quast, der Befehlshaber ihrer Leibgarde, hatte sie davon abbringen können. Ihr Sohn würde noch lange genug im Sarg liegen, hatte sie gesagt.
Über das Hufgetrappel und das Knarzen der Räder hinweg war nichts zu hören als das leise Schmatzen von Nanni, die an ihrem Daumen saugte.
Da! Wieder rumpelten wir über eine Bodenunebenheit und schwaches Mondlicht berührte kurz das Gesicht meiner Mutter. Auf ihrer Wange funkelte ein glitzerndes Band silbern auf, dann herrschte erneut Dunkelheit. Waren das Tränen? Weinte meine Mutter etwa?
Ich spürte, wie mein Magen sich zusammenkrampfte, und auf einmal fiel mir das Atmen schwer. Ich hatte meine Mutter noch nie weinen sehen, nicht einmal nach dem Tod meines Vaters. Damals war ich sechs gewesen, Ludwig vier und Nanni noch gar nicht geboren, und wir hatten viel Zeit mit Marlene verbracht. Meine Mutter hatte ich meist nur von weitem bewundert: die schöne, starke Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein, die sich gegen alle machtgierigen Verwandten gestellt hatte, um Ludwigs Erbanspruch auf die Grafschaft zu verteidigen. So viel hatte ich verstanden. All diese wichtig aussehenden Männer in ihrer prunkvollen Kleidung waren gekommen, um uns zu nehmen, was uns rechtmäßig zustand.
Aber Mutter hatte nicht klein beigegeben. Sie hatte noch nie klein beigegeben. Sie jetzt so stumm und weinend mir gegenüber sitzen zu sehen, machte mir Angst. Hatte sie etwa aufgegeben, weil Ludwig tot war? Was wurde jetzt aus uns? Warum fuhren wir nach Hachenburg? War das nicht noch von den Schweden besetzt?
„Werden wir jetzt alle sterben?“, platzte es aus mir heraus. Ich fing an zu schluchzen und drückte mein Gesicht an Marlenes Arm. Plötzlich konnte ich den Anblick meiner Mutter nicht mehr ertragen.
„So ein Unfug“, hörte ich Marlene leise sagen. „Wie kommst du nur auf so etwas?“
„Die Schweden in Hachenburg werden uns umbringen!“
„Die Schweden sind schon vor ein paar Monaten abgezogen. Niemand wird uns umbringen.“ Die Stimme meiner Mutter klang hölzern und wenig überzeugend. Erst dachte ich, sie würde wieder in Schweigen verfallen, aber sie redete weiter: „Wir werden deinen Bruder neben seinen geliebten Vater zur Ruhe betten. Und dann bleiben wir erst einmal in unserem Schloss.“
In unserem Schloss. Ich konnte mich kaum noch an das Schloss Hachenburg erinnern, so lange wohnten wir jetzt schon in der uralten Freusburg mit ihren dicken Steinmauern und kalten Räumen. Aber eins wusste ich noch: Ich hatte mich im Schloss viel wohler gefühlt. An diesem Gedanken klammerte ich mich genauso fest wie an Marlenes Arm.
Nachdem das erste Stück des Weges aus der Burg heraus steil bergab geführt hatte und wir durch das ständige Bremsen des Kutschers kräftig durchgeschüttelt worden waren, verlief die Strecke jetzt in sanften Windungen an der Sieg entlang. Das trockene Juliwetter hatte die Fahrspur der Straße festgebacken, sodass wir in der gut gefederten Kutsche sacht hin und her gewiegt wurden. Nach der ganzen Aufregung des Tages spürte ich, wie mein Kopf immer schwerer wog und meine Augenlider zuklappten.
* * *
Ein kühler Luftstoß weckte mich. Verwirrt rieb ich mir die Augen. Die Tür der Kutsche stand offen und Korporal Quast zog gerade seinen Kopf heraus, um hastig wieder auf sein Pferd zu steigen. Draußen erstrahlte der Himmel in kräftigem Morgenrot und aus den Bäumen ringsum erhob sich ein wahres Konzert aus Vogelstimmen. Sie konnten die sich nähernden Hufschläge jedoch nicht übertönen. Meine Mutter hielt Ludwigs leblosen Körper eng an sich gepresst. Über seinem bleichen Gesicht sah ich die Ader an ihrem Hals pulsieren. Die Zofe hatte die Hände auf den Mund gelegt und blickte zitternd auf die Türöffnung.
Von draußen erklangen Rufe und die Hufschläge verstummten. Wer auch immer dort angekommen war, es musste eine größere Gruppe von Reitern sein, denn ich hörte das unruhige Schnauben der Pferde und das leise Klirren und Krachen von Waffen und Zaumzeug. Ich erstarrte vor Angst. Wenn es nun doch die Schweden waren? Sie kannten keine Gnade.
„Still.“ Der eisige Befehl meiner Mutter schnitt mein panisches Weinen ab, noch bevor es meinen Mund verließ. Ich musste mehrmals schlucken, wagte es aber nicht, auch nur einen Ton von mir zu geben. Neben mir hielt Marlene Nanni den Mund zu, obwohl diese schlief. Wir schienen alle die Luft anzuhalten, bis ein fremder Soldat auftauchte und in die Kutsche schaute. Sein Blick streifte kurz alle Insassen und blieb dann voll zufriedener Gewissheit an meiner Mutter hängen.
„Erlauchtigste Gräfin“, sagte der Mann, nahm seinen Hut vom Kopf und deutete eine Verbeugung an. „Der Kurfürst von Köln lässt Euch sein Beileid ausrichten.“
„Wie auch immer der Kurfürst davon erfahren hat“, sagte meine Mutter kaum hörbar und fügte dann lauter hinzu: „Wollt Ihr uns aufhalten und uns hindern, meinen Sohn in der Familiengruft zu bestatten?“
„Nichts dergleichen, Euer Gnaden. Wir sind nur Teil der kurkölnischen Reiterei auf Patrouille. Ihr habt von uns nichts zu befürchten.“ Er neigte den Kopf zum Abschied, setzte den Hut wieder auf und ging zurück zu seinem Pferd.
An den zusammengekniffenen Lippen meiner Mutter konnte ich ablesen, dass dieser Soldat es an der nötigen Ehrerbietung hatte mangeln lassen.
Kurz darauf erschollen Befehle, die Reitergruppe zog an der Kutsche vorbei und galoppierte davon.
Korporal Quast erschien wieder an der Tür. „Bedauerlicherweise wurden wir verraten, Gnädigste. Wenn der Kurfürst es jetzt schon weiß, wird die Kunde vom Tod des Erbgrafen bis zum Abend die gesamte Grafschaft erreicht haben.“
„Ich weiß.“ Meine Mutter schloss die Augen und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Es ist nicht zu ändern“, sagte sie dann und sah den Korporal an. „Es war ohnehin ein wirrer Wunschtraum, seinen Tod vertuschen zu können. Setzt die Reise in größtmöglicher Eile fort. Vielleicht können wir ihn wenigstens unbehelligt bestatten.“
Der Korporal verbeugte sich und schloss die Tür, während meine Mutter die kalte Stirn meines Bruders küsste. Von den Tränen der Nacht war nichts mehr zu sehen.
* * *
Es dauerte nicht mehr lange, bis wir vor uns die Mauern Hachenburgs aufragen sahen. Seit der Begegnung mit den kurfürstlichen Reitern hatten wir die Vorhänge geöffnet, was mich sehr erleichterte. Das frühe Sonnenlicht erhellte die bedrückende Atmosphäre. Die wächserne Leblosigkeit meines Bruders war dadurch zwar deutlicher, wirkte aber längst nicht mehr so unheimlich wie in der Nacht. Er lag in den Armen meiner Mutter, als würde er schlafen, und sah dabei so friedlich aus, dass auch ich den Wunsch verspürte, ihn zu berühren.
Mein Bruder. Wie würde mein Leben ohne ihn sein? Sicherlich deutlich langweiliger. Er hatte immer viele Dummheiten im Kopf gehabt, die ich nur zu gern mitgemacht hatte, auch wenn ich meistens die Schelte kassiert hatte, weil ich die Ältere war. Andererseits war es mir immer ein Dorn im Auge gewesen, dass er von allen so verhätschelt worden war, nur weil er ein Junge war. Der Erbgraf. Der Hoffnungsträger. Das war nun vorbei. Wenn es jetzt noch etwas zu erben gab, dann war ich die Nächste in der Reihe. Nachdenklich betrachtete ich sein regloses Gesicht. War es mir das wert?
Nein, dachte ich, und schaute wieder aus dem Fenster. Die Grafschaft konnte mir gestohlen bleiben. Lieber wollte ich meinen Bruder behalten. Doch das war ein Ding der Unmöglichkeit.
Ich war noch ganz in stiller Trauer gefangen, als wir durch das obere Stadttor rollten und an der Schlossmauer entlang zur Zugbrücke fuhren.
Hochrufe aus der Bevölkerung begleiteten unsere Weiterfahrt.
Ich hatte erwartet, dass die Menschen in Stille die Mützen vom Kopf ziehen würden, aber anscheinend hatte sich der Tod des Erbgrafen noch nicht bis zu den einfachen Leuten herumgesprochen, und da wir nicht mit einem Trauerzug angekommen waren, bejubelten die Hachenburger die Rückkehr ihrer geliebten Gräfin.
Vor uns ragte der Turm der Stadtkirche empor. Das Schloss zur Rechten war aus diesem Blickwinkel hinter der hohen Mauer verborgen.
Die beschlagenen Hufe der Pferde hallten in der Straße wider und wurden besonders laut, als wir in den Schatten des Torbogens eintauchten. Kurz darauf verwandelte sich der metallische Klang in dumpfe Schläge auf dem Holz der Brücke, um dann dem Knirschen der Räder auf Kies zu weichen. Die Kutsche hielt an und in aller Eile wurden wir ins Schloss gebracht, sodass ich kaum Gelegenheit hatte, mich umzusehen. Ich hatte nur einen kurzen Eindruck von runden Wehrtürmen in der Schlossmauer und einem zweiflügeligen Gebäude, das in den oberen Stockwerken sicherlich einen wunderbaren Blick über die Stadt bot. Hoffentlich bekam ich ein Zimmer ganz oben.
Die Freusburg lag genau wie dieses Schloss oben auf einem Berg, der aber von weiteren Bergen umringt war, wodurch alles eng und zerfurcht wirkte. Um Hachenburg herum fiel das Land in alle Richtungen ab und man konnte sehr weit sehen. Nicht umsonst war diese Stadt schon seit vielen Jahrhunderten ein wichtiger Knotenpunkt und Handelsplatz. Was leider auch der Grund war, warum die Schweden sich hier einquartiert hatten und alle Mächtigen der Gegend sich darum rissen.
In einem Raum im Erdgeschoss stand bereits eine Bahre für Ludwig bereit und endlich war meine Mutter in der Lage, meinen Bruder loszulassen. Sie legte ihn so behutsam auf die weichen Polster, als wäre es eine Wiege, strich ihm noch einmal über die Wange und legte ihre Stirn an seine. So verweilte sie einen Moment. Als sie sich aufrichtete, seufzte sie tief und winkte uns heran. Sie trat einen Schritt zurück und gab mir und Marlene Gelegenheit, uns ebenfalls von Ludwig zu verabschieden.
Ich folgte meinem früheren Impuls und beugte mich über ihn, schreckte aber im letzten Moment vor der Berührung zurück. In der Nähe wurde mir schlagartig bewusst, dass er nicht mehr da war und dass ich meinen kleinen Bruder nie mehr wiedersehen würde, nie mehr seine Albernheiten und sein Lachen hören würde. Nie mehr mit ihm zanken würde. Weg. Ausgelöscht. Einfach so.
Ich stolperte rückwärts und spürte die Hände meiner Mutter auf den Schultern, die mich zu sich umdrehte und an sich drückte. Gleichzeitig verzweifelt und erleichtert schmiegte ich mich so eng an sie, wie unsere Röcke es erlaubten.
Sie hatte mich nicht vergessen, meine Mutter. Gott sei Dank hatte sie mich in ihrer Trauer nicht vergessen.
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16.05.2024Petra 
Kann man scheinbar trockene Geschichte unterhaltsam erzählen? – Spratte kann!
Im Nachwort erfahren die Leser, dass nahezu alle handelnden Personen real im 17. Jahrhundert gelebt haben. Die wenigen historisch belegten Tatsachen hat Annette Spratte mit einer wunderbaren Geschichte belebt.
Die 10-jährige Ernestine ist die älteste Tochter im Haus von Sayn und Wittgenstein. Aus ihrer Sicht wird die Geschichte erzählt. Nach
dem Tod des Vaters stirbt zu Beginn des Romans auch der einzige Sohn und männliche Erbe im Alter von 7 Jahren. Damit geht die Grafschaft eigentlich in die entferntere Verwandtschaft über. Aber Ernestines Mutter kämpft für ihre Töchter und behauptet sich in der Männergesellschaft. Gräfin Louise Juliane ist eine sehr schlaue und hartnäckige Frau, die für die damalige Zeit scheinbar Unmögliches anstrebt: eine Tochter als Erbin einer Grafschaft durchzusetzen. Da gibt es natürlich viel Widerstand. Die Familie wird mitsamt ihrer Dienerschaft und Leibgarde in der Hachenburg belagert und soll ausgehungert werden. Daher der Name „Hungergräfin“. Die Leser begleiten Ernestine durch die Zeit der Belagerung, Flucht und den Kampf um das Erbe auf dem Weg zum Erwachsensein.
Da alles aus der Sicht von Ernestine erzählt wird, wird der Leser Teil der Geschichte und bekommt viel von den Freuden und Ängsten der Junggräfin mit und auch der Frage, die sie umtreibt: Wen wird sie einmal heiraten müssen" Der christliche Glaube spielt immer wieder mit hinein, da Gräfin Louise Juliane überzeugte Christin ist. So wird auch Ernestine immer wieder damit konfrontiert und setzt sich mit dem Glauben auseinander.
Annette Spratte ist es wunderbar gelungen aus kleinsten historischen Überlieferungen einen unterhaltsamen und spannenden Roman zu kreieren, der mich bis zum Schluss fesselte. Dankeschön für diese unterhaltsame Geschichtsstunde!
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09.01.2023ann-marie 
Verantwortungsvolle und kämpferische Gräfin im 30jährigen Krieg.
Die mir bereits aus ihren anderen historischen Romanen bekannte Autorin stellt mir auf mehr als 300 Seiten das Leben und Wirken von Gräfin Luise Juliane von Sayn und Wittgenstein, auch genannt "Die Hungergräfin" dar. Mit den Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen des 30jährigen Krieges in der eigenen Grafschaft direkt betroffen, muss sie nach dem
Tod des Ehemannes und ihres Sohnes, auch noch um das Erbe ihrer Familie kämpfen. Dabei fällt ihrer ältesten Tochter, Ernestine, eine wichtige Rolle und Aufgabe zu: sie soll eines Tages die Geschicke der Grafschaft lenken.
Beginnend mit Schock über den unerwarteten Tod des erst siebenjährigen Erbgrafen, gelingt es der Autorin auf sehr einfühlsame und auch authentische Erzählweise, die Gefühle und Empfindungen der Mutter darzustellen. Hautnah mitzuerleben, wie unter diesem Schicksalsschlag fast zusammenbricht und sich in einer - heute würde man sagen - Ausnahmesituation befindet, in der sie keinen klaren Gedanken fassen kann und den weiteren Entwicklungen ihren Lauf lässt. Denn nur wenige Stunden nach dem Tod des Kindes wird sie bereits zur Übergabe der Grafschaft gedrängt, der sie eher willens- und mutlos zustimmt. Ergreifende Schilderungen, die mich sehr berührt haben. Das gleiche gilt für die Rückkehr des Lebenswillens, die Entschlusskraft und auch die Selbstvorwürfe über die zu rasche Fehlentscheidung. Sie setzt alles daran, alles wieder rückgängig zu machen und ihre älteste Tochter zu einer weisen und - vor allem - verantwortungsvollen Landesmutter zu erziehen.
Ernestine von Sayn und Wittgenstein, zum Zeitpunkt des Todes ihres jüngeren Bruders Louis erst 10 Jahre alt und damit selbst noch ein Kind, ist daher noch zu jung, um all das zu verstehen, was vor allem auch ihre Mutter von ihr erwartet. Die ehemals unbeschwerte Kindheit wird zunehmend gefüllt durch umfangreiches Lernpensum und Ernestine stellt so manches mal die an sie gerichtete Erwartungshaltung in Frage. Mit zunehmendem Alter und der stetigen Unterstützung und Begleitung ihrer Mutter, vor allem aber durch deren kämpferisches und unbeugsames Verhalten gegenüber Obrigkeiten verbunden mit dem großen Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Bevölkerung - und dies alles während des 30jährigen Krieges - sind das beste Lehrbeispiel für die heranwachsende Ernestine. Die eines Tages selbst erkennt, dass sie für eine wichtige Aufgabe bestimmt ist: Verantwortung für die ihr anvertrauten Menschen zu übernehmen.
Die Lebensgeschichte dieser Frauen, deren Wirken auch in ihrem christlichen Glauben verwurzelt war, nachvollziehen zu können: mit großer Dankbarkeit und Staunen durfte ich dank des Romans diese Frauen kennen- und schätzen lernen.
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03.01.2023vielleser18 
Völlig gebannt habe ich den neuen Roman von Annette Spratte mit der fiktiven Lebensgeschichte der historischen Figur Gräfin Ernestine von Sayn und Wittgenstein (geb. 1626) gelesen. Annette Spratte hat es geschafft, die Hauptakteure darin so bildlich und authentisch zum Leben zu erwecken, dass ich mir diese nicht nur richtig gut vorstellen konnte, sondern, dass auch die damalige Zeit ist
für mich so greifbar geworden ist, mit all ihren vielen Sorgen und Ängsten, Nöten und Gefahren, dem Verrat, dem Kampf ums Überleben und der Kampf um die Rechtmäßigkei eines Testaments. Auch Familienbande, Liebe und Erfolge kommen hier nicht zu kurz.
Mit dieser wunderbaren Mischung aus belegbaren Ereignissen aus der historischen Geschichte, gepaart mit den dichterischen Freiheiten, mit denen die Annette Spratte aus trockener Geschichtschreibung den Figuren Leben und Gefühle eingehaucht hat, ist der Autorin eine spannende, interessante und vor allem auch sehr informative Geschichte über starke Frauen in einer düsteren Zeit gelungen, immer vor dem Hintergrund der wahren Begebenheiten.
Die Geschichte beginnt mit dem Tod des Bruders von Ernestine, dem Erbgrafen. Nun ist nur noch die weibliche Linie vorhanden. Die junge Ernestine ist am Anfang erst 10 Jahre alt, als Leser erleben wir aus ihren Augen die Kämpfe um die Grafschaft mit. Im Laufe der Handlung wächst Ernestine zu einer jungen Frau heran, die Verantwortung übernimmt und an ihren Aufgben wächst. Die Figuren, egal ob Hauptfiguren oder Nebenfiguren, sie passen stimmig in das Bild. Ich habe einiges hinterher über die Geschichte des Hauses Sayn und Wittgenstein nachgelesen, da durch dieses Buch auch mein weiteres Interesse geweckt wurde.
Vielen Dank an die Autorin für die umfangreichen Recherchearbeiten und diese tolle Umsetzung der Lebensgeschichte von Ernestine von Sayn und Wittgenstein und ihrer Mutter Louise Juliane.
Zum Inhalt:
Die Grafschaft Sayn im Westerwald, Mitte des 17. Jahrhunderts: Behütet wächst Ernestine von Sayn und Wittgenstein auf, bis das Schicksal ihr Leben auf den Kopf stellt. Mit dem Tod des jüngeren Bruders endet die männliche Erbfolge und ihre verwitwete Mutter, Gräfin Louise Juliane, sieht sich einer ganzen Reihe von Feinden gegenüber. Gefangenschaft, Hunger und Flucht bestimmen plötzlich das Leben der Gräfinnen, bis sie einen sicheren Hafen erreichen. Von dort aus startet Louise Juliane einen beispiellosen Kampf um das Erbe ihrer Töchter, der bis in die höchsten Instanzen geht.
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10.12.2022Grace2 
Eine Gräfin kämpft um das Erbe ihrer Töchter. Spannender, empfehlenswerter Roman.
Der neue Roman "Die Tochter der Hungergräfin" der Autorin Annette Spratte führt den Leser/die Leserin in die Grafschaft von Sayn und Wittgenstein zum Ende des 30jährigen Krieges.
Hier lebt Ernestine von Sayn und Wittgenstein wohlbehütet, bis der frühe Tod ihres Bruders ihr Leben für immer verändert. Nun gibt
es keinen männlichen Nachfolger mehr in ihrer Familie und die "Aasgeier" stehen schon bereit. Im Testament ihres Vaters wurde hinterlegt, dass Ernestine und ihre Schwester Nanni das Erbe in diesem Fall antreten sollen, doch von einer weiblichen Nachfolge will in dieser Zeit niemand etwas wissen. Ihre Mutter Gräfin Louise Juliane setzt ihr Leben dafür ein, dass Erbe ihrer Töchter zu retten. Doch auch sie ist "nur" eine Frau und so mancher verweigert ihr allein schon aufgrund dieser Tatsache den Zutritt. Wird es eine Hoffnung für Ernestine und ihre Schwester Nanni geben"
Die Autorin Annette Spratte hat es geschafft, eine spannende Geschichte mit starken Frauenpersönlichkeiten zu erzählen und dabei die historischen Fakten gut einzubinden. Ihr Schreibstil liest sich sehr leicht und flüssig, so dass das Buch wirklich schnell gelesen ist. Die Erzählung enthält mehrere Zeitsprünge, die innerhalb des Buches durch schöne einfarbige Illustrationen getrennt werden. Insofern kann man aber auch nicht von einen durchgängigen Spannungsbogen sprechen, sondern es erfolgt eher wieder ein Rückblick im folgenden Teil. Die Autorin hat aus meiner Sicht bei der historischen Recherche wirklich Einsatz gezeigt, es gibt einige Kleinigkeiten, wie zum Beispiel das Kaffeetrinken der Gräfin, dass in ihrer finanziellen Situation vermutlich unerschwinglich gewesen ist, aber im Großen und Ganzen bietet das Buch einen guten Überblick über die damalige Zeit. Sehr schön herausgearbeitet empfand ich die Darstellung von guten und schlechten Herrschern und die Auswirkungen auf das Volk. Da gibt es auch heute noch eine Aktualität. Ein wenig in den Hintergrund gerückt ist meines Erachtens der christliche Glaube, es gibt zwar einen etwas ausführlicheren Teil, aber ich hätte mir durchaus gewünscht, dass sich dieser Aspekt mehr durch das ganze Buch gezogen hätte. Insgesamt gesehen ist es für mich ein grundsolider, spannender historischer Roman, der schnell gelesen werden und bei dem man sich gut entspannen kann. Insofern empfehle ich ihn gerne weiter.
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27.11.2022Marianne 
Ernestine ist erst zehn, als ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt wird. Das 1626 geborene Mädchen muss mit ihrer Mutter und Schwester heimlich fliehen, denn ihr Bruder ist gestorben. Da der Vater schon seit Jahren nicht mehr lebt, sicherte dieser männliche Nachkomme den Grundbesitz der Familie. Gleich nach seinem Tod drohen Verwandte der Familie ihre Besitztümer zu entreißen.
Ernestines
Mutter kämpft erbittert für ihr Land. Das macht sie nicht aus eigennützigen Gründen, sondern weil sie die Landbevölkerung vor einem gemeinen Herrn schützen will. Dieser Kampf dauert lange und führt unter anderem dazu, dass Ernestine und ihre Familie hungern müssen, da sie sich in ihrer Burg verschanzen.
Dieser Roman wird aus der Sicht Ernestines erzählt und beginnt mit dem Tod ihres Bruders. Die Stimme dieses Kindes ist authentisch, wenn sie von den Entbehrungen erzählt, die für sie als verwöhnte Adlige neu sind.
Im zweiten Teil trifft der Leser auf die mittlerweile 14jährige Ernestine. Noch immer ist die Frage nach den Eigentumsrechten der Familie nicht geklärt. Sie reist mit ihrer Mutter nach Regensburg und wird dabei in die Gesellschaft eingeführt, da sie sich mit vierzehn im heiratsfähigen Alter befindet.
Am Anfang des dritten Teils ist Ernestine achtzehn und übernimmt immer mehr Verantwortung als Junggräfin. In diesem und im nächsten Teil geht es vor allem darum, wie Ernestine am Beispiel ihrer Mutter lernt selbstlos für die Bedürfnisse der ihr Anvertrauten zu sorgen.
Der innere Kampf um Selbstlosigkeit ist ein Hauptthema dieses Buchs. Schon als Kind überlegt Ernestine, "Was für ein Mensch wollte ich sein" Eine Herrin, die es sich auf Kosten ihrer Untertanen gut gehen ließ" Oder jemand wie meine Mutter, der das Wohlergehen ihres Volkes am Herzen lag"" Als junge Erwachsene beschließt sie, "Ich wollte mein Bestes geben, weil diese Menschen mir nicht egal waren. Ich wollte mein Bestes geben, weil ich sie liebte, und plötzlich verstand ich, dass das der Kern einer göttlichen Berufung war: Die Liebe Gottes sprang über auf ein menschliches Herz und trieb es an."
Ein großes Plus dieses Buchs sind die gutgezeichneten Charaktere. Ihre Persönlichkeit wird so gut wiedergegeben, dass man beim Lesen meint sie zu kennen. Die Lebensumstände in dieser längst vergangenen Zeit kennenzulernen, macht den Reiz dieses Buchs aus. Einmal angefangen, fällt es schwer mit dem Lesen aufzuhören. Dazu beruht diese Geschichte auf Tatsachen, was sie noch faszinierender macht.
Fazit: Eine interessante Erzählung über den Kampf einer Gräfin für ihr Erbe, zu einer Zeit, in der Frauen wenig zu sagen hatte. Die Wandlung eines selbstsüchtigen Kindes zu einer Frau, die das Wohl der anderen sucht, wird spannend wiedergegeben. Sehr empfehlenswert, vor allem für Menschen, die historische Erzählungen lieben.
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27.11.2022Kristina 
Mutige Frauen im Mittelalter
Der Roman "Die Tochter der Hungergräfin" basiert auf der wahren Geschichte der Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Als der Erbgraf im Alter von nur 7 Jahren stirbt, endet die männliche Erbfolge und die Gräfin und ihre beiden Töchter Ernestine und Johannette sehen sich vielen Feinden gegenüber. Alle, egal ob
Verwandtschaft oder die Kurfürsten, strecken die Hände nach der Grafschaft aus. Ein Bischof versucht sogar sie auf ihrem Schloss auszuhungern und bald befindet sich die Gräfin mit ihren Töchtern auf der Flucht. Als sie endlich einen sicheren Ort gefunden haben, beginnt die Gräfin einen beispiellosen Kampf um das Erbe ihrer Töchter.
"Die Tochter der Hungergräfin" ist das 1. Buch der Autorin Annette Spratte, dass ich las, aber es wird sicher nicht das letzte gewesen sein. Die Autorin überzeugt mit einer gut recherchierten Geschichte aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges und mit viel Orts- und Sachkenntnis, sowie mit einem angenehm lesbaren Schreibstil. So konnte ich das Buch oft kaum aus der Hand legen.
Die Geschichte wird aus der Sicht der Junggräfin Ernestine erzählt, die zu Beginn des Romans erst 10 Jahre alt ist und die in den beschriebenen 16 Jahren eine tiefgreifende Verwandlung erlebt. Absolut beeindruckt hat mich aber vor allem die Gräfin Louise Juliane, die sich mutig gegen eine männerdominierte Welt zur Wehr setzt und mit Diplomatie und vielen Briefen und Widersprüchen um das Erbe ihrer Töchter kämpft. So ist mir die Gräfin sehr sympathisch. Ernestine ist ebenso willensstark wie ihre Mutter, doch muss sie noch viel lernen und an sich arbeiten um später eine gute Herrscherin zu sein. Es ist interessant diese Entwicklung mitzuverfolgen. Der Spannungsbogen bleibt während des gesamten Romans recht hoch und ich habe mit den Protagonisten gebangt und auf einen guten Ausgang gehofft.
Mir hat das Buch gut gefallen und ich empfehle es gern weiter.
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19.11.2022mabuerele 
"...Mein Bruder war tot. Der Erbgraf, auf den alle ihre Hoffnungen gesetzt hatten, hatte uns im Alter von nur sieben Jahren verlassen und jetzt waren wir den Mächtigen dieser Welt hilflos ausgeliefert..."
Diese Zeilen am Ende des Prologs sprechen das Problem ohne Umschweife an. Wir befinden uns im Jahre 1636. In Europa tobt ein Krieg, der kaum eine Gegend verschont.
Ohne männlichen Schutz haben es Frauen schwer.
Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Im Mittelpunkt steht eine starke Frau: Gräfin Louise Juliane von Sayn-Wittgenstein.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Der passt sich den historischen Gepflogenheiten an. Die Geschichte wird von Junggräfin Ernestine erzählt. Die war beim Tode ihres Bruders 10 Jahre alt.
Gräfin Louise hatte schon während der Krankheit ihres Mannes die Geschicke der Grafschaft in ihre Hände genommen. Außerdem hatte der Graf in seinem Testament die Töchter zu Erben bestimmt.
Das aber interessiert die hohen Herren nicht. Wie Aasgeier stürzen die sich auf das Erbe. Kaum ist die Gräfin auf Burg Hachenburg angekommen und der junge Graf beerdigt, steht Graf Ludwig Casimir auf der Matte, um die Grafschaft zu übernehmen. Doch auch der Kurfürst von Köln und der Bischof von Trier melden Ansprüche an.
Die Gräfin legt viel Wert auf die Bildung ihrer Töchter. Noch ist Ernestine ziemlich blauäugig::
"...Eine Gräfin musste nicht regieren, auch wenn meine Mutter das anders sah. Eine Gräfin war nur dazu da, sich von den Angestellten umsorgen zu lassen und Kinder zu bekommen. Vorzugsweise Jungen..."
Dann aber kommt es heftig. Der Bischof lässt die Burg belagern. Hunger und Flucht hinterlassen tiefe Spuren. Ernestine reift in dieser Situation. Es ist die Beharrlichkeit ihrer Mutter, die für die Rechte ihrer Töchter kämpft, die Ernestine beeindruckt. Außerdem zeigt sich, dass sie einige der positiven Eigenschaften ihrer Mutter geerbt hat. Sie weiß, was sie will und was nicht und lässt sich ungern Vorschriften machen. Sie möchte in wichtige Entscheidungen einbezogen werden. Eine Lehre ihrer Mutter hat sie sich besonders eingeprägt:
"...Merke dir eines, Ernestine: Nur wenn es den Untertanen gut geht, geht es auch den Grafen gut. Und wenn du mit Respekt behandelt werden willst, dann behandle andere auch so..."
Da wir uns in der Zeit des Dreißigjährige Krieges befinden, wird allerdings eins deutlich. Eine noch so richtige Entscheidung kann gegebenenfalls trotzdem negative Folgen haben. Die Kriegsparteien nehmen zwar manchmal Rücksicht auf die Grafen, die sie gerufen haben, kennen aber bei den Bauern weder Freund noch Feind. Gräfin Louise versucht, die Not zu lindern, solange sie dazu in der Lage ist.
Es sind immer wieder die Gespräche zwischen Mutter und Tochter, die in die Tiefe gehen. Dieses Mal geht es um die jüngere Schwester von Ernestine, die als erste heiraten soll.
"...Gott hat euch unterschiedlich geschaffen und ich denke, er hat auch ganz verschiedene Aufgaben und Lebenswege für euch im Sinn. Was soll man da vergleichen" ..."
Mit dem Ende des Krieges kommt auch das Ende des Rechtsstreits. Gräfin Luise erhält ihr Land zurück und gibt es an die mittlerweile volljährigen Töchter weiter.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.
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17.11.2022Susanne Degenhardt / Smillas_bookworld 
"Ich soll regieren" Ich dachte, ich soll heiraten." Mutter lachte leise. "Glaubst du wirklich, das eine schließt das andere aus"" (Zitat S. 192)
Ernestine von Sayn und Wittgenstein verliert mit jungen Jahren ihren einzigen Bruder. Die männliche Erbfolge endet dadurch und Ernestine rückt an die erste Stelle. Ihr wohlbehütetes Leben findet ein jähes Ende, denn machtgierige Männer versuchen, sich die
Grafschaft nun unter den Nagel zu reißen - leider mit unrechtmäßigem Erfolg. Ernestines Mutter Gräfin Louise Juliane kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln dafür, die Grafschaft für ihre Erbin zurückzugewinnen. Es ist ein Kampf, der zwölf Jahre andauern wird und sowohl ihr als auch Ernestine und Johannette eine Menge abverlangen wird "
Ausgetragen werden die Auseinandersetzungen eher im Stillen mit Hilfe eines Anwalts, ein paar wenigen Fürsprechern, aber vor allem mit dem Mut und der Willenskraft einer Mutter, die wie eine Löwin kämpft. Sie ist deshalb m. E. genauso Protagonistin wie Ernestine, aus deren Perspektive die Romanhandlung in Ich-Form erzählt wird. Aus ihrer Sicht erlebte ich all die Herausforderungen, denen die drei ab dem Tod des letzten männlichen Erben ausgesetzt waren: beispielsweise Trauer, Hunger, Angst ums Überleben, Flucht.
Obwohl sich die Handlung phasenweise recht "ruhig" liest, konnte sie mich vollends fesseln. Annette Spratte gelingt es mit Leichtigkeit, die historischen Hintergründe interessant zu verpacken und so ein Gesamtbild der damaligen Zeit vor die Augen der Leser zu malen. So fließen auch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges mit in die ca. zwei Jahrzehnte umfassende Zeitspanne des Romans. Durch Zeitsprünge und verschiedene Schauplätze ist das Buch in vier Teile aufgeteilt, wodurch man Ernestine in unterschiedlichen Lebensphasen erlebt, beginnend als junge Teenagerin bis hin zu einer jungen Dame in heiratsfähigem Alter.
Den richtigen Ehemann zu finden, gestaltet sich entsprechend schwierig und macht es richtig spannend! Aber wer Annette Spratte kennt, weiß, dass sie nicht dazu neigt, vor Romantik triefende Liebesromane zu schreiben. Dennoch bekommt auch das romantische Herz Nahrung. ;)
Besonders beeindruckt hat mich an diesem Roman vor allem die Entwicklung Ernestines, die als junges Mädchen schon früh in die Rolle einer Herrscherin hineinwachsen muss und oftmals mit sich und ihrem Schicksal hadert. In ihrer Mutter findet sie sowohl in deren Haltung ihrem Volk gegenüber als auch im Glauben ein großes Vorbild. So hat mich der Roman nicht nur emotional mitgerissen, sondern auch zugleich ermutigt. "Es sind Frauen wie wir, die die Welt verändern", sagt die Gräfin auf S. 198 zu Ernestine und spricht es zugleich den Leserinnen des Romans zu.
Für mich ist auch dieses Buch, das auf wahren Begebenheiten beruht, zu einem Lesehighlight geworden.
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17.11.2022Kerstin 
Die Geschichte beginnt mit dem Tod des jüngsten Sohnes der Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein. Mit ihm stirbt auch die Hoffnung auf einen männlichen Erben der Familie, da auch Louses Mann bereits verstorben ist. Louise ist nun mir ihren beiden Töchtern auf sich alleine gestellt. Sehr schnell
kommen machtgierige Gegner auf den Plan, um sich den Besitz der Familie anzueignen. Doch Louise hat einen unglaublich starken kämpferischen Geist und kämpft beherzt und beharrlich um das Erbe ihrer Töchter. Dabei müssen sie fliehen, erleiden Hunger und Gefangenschaft.
Ernestine, ihre älteste Tochter, ist die Erzählerin des Buches. Anfangs noch ein Mädchen, reift sie im Laufe der Geschichte zu einer jungen Frau heran. Sie beschreibt ihre Gefühls- und Gedankenwelt so klar, dass in meiner Vorstellung ein klares Bild von ihrer Person, einer heranwachsenden Persönlichkeit, auch mit der Verantwortung und den Leiden, die sie bereits als junger Mensch tragen musste, gezeichnet wurde.
Das Buch nimmt den Leser mitten hinein in die Zeit des 30jährigen Krieges, die geprägt ist von Krieg, Hunger, Krankheiten, Seuchen, Hoffnungslosigkeit und Armut.
Louise kümmert sich mit Hingabe um ihr Volk. Sie ist keine Herrscherin, die die Menschen ausbeutet und beherrscht, sondern für sie sorgt und immer wieder nach Ideen sucht, wie sie ihnen helfen und deren Leben erleichtern kann. Das hat mich sehr beeindruckt.
Der tiefe Glaube der Gräfin, der auch in Ernestine heranreift, prägt ihr Leben, Handeln und Entscheidungen. Sie ist eine Frau, die weiß, wer sie ist und was ihr gehört, die nicht aufgibt und aus ihrem Glauben Kraft und Mut schöpft und damit auch andere stärkt. Beeindruckt hat mich auch ihr Sinn für Gerechtigkeit und ihre offene Ehrlichkeit. Ihre Entschlossenheit und Kampfkraft wird auch in Ernestines Leben sichtbar.
Die Geschichte nimmt ein nicht ganz unerwartetes Ende, und doch ist der Ausgang überraschend!
Die Überschriften der Kapitel geben die Inhalte sehr gut wieder. Sehr schön finde ich auch die Zeichnungen. Das Cover versetzt den Leser schon in die Geschichte hinein.
Annette Spratte versteht es, den Leser in eine vom Anfang bis zum Ende spannende und zugleich harmonische Geschichte hineinzunehmen. Sehr berührt haben
mich ihre persönlichen Worte am Ende des Buches.
Für mich insgesamt ein absolut lesens- und empfehlenswertes Buch!
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10.11.2022annislesewelt 
Meine Erwartungen an dieses Buch waren hoch - es steht Annette Spratte drauf - und sie wurden noch übertroffen.
Ein unfassbar gutes Buch und ich kann es jedem empfehlen der ein gut recherchiertes auf wahren Begebenheiten ruhendes Buch lesen möchte.
Schon von der ersten Seite an hat mich dieses Buch in den Bann gezogen und ich konnte es nur mit Mühe
aus der Hand legen.
Die Geschichte von Ernestine, ihrer Mutter Gräfin Louise Juliane und ihrer Schwester Johannette erzählt von einem Kampf um das Erbe.
Das Töchter eine Grafschaft erben war zu der damaligen Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Doch Gräfin Louise Juliane gibt nicht auf.
Sie ist eine starke Frau die zielstrebig und fest, mit einem großen Vertrauen auf Gott und im Bewusstsein ihrer Verantwortung , ihren Weg geht.
Ernestine hat einige Lektionen zu lernen und ist doch, trotz kleiner Schwächen, sehr sympathisch und liebenswert, Ihre Entwicklung ist sehr interessant. Es ist toll zu sehen wie sie sich vom Mädchen in eine junge Frau entwickelt.
Wie sie lernt Verantwortung zu übernehmen, Gott zu vertrauen und nicht nur an sich selbst zu denken.
Hach, alle Protagonisten sind wundervoll in vielen Facetten charakterisiert und wirken lebendig.
Es gibt kleine Einblicke in die Pflichten und Aufgaben eines Grafen (einer Gräfin) die sehr viel Verantwortung zu tragen hatten.
Die Bewohner der Ländereien und die Bediensteten, die Leibgarde - alle galt es zu versorgen, bzw darauf zu achten das sie sich versorgen konnten, und ihr Wohl im Auge zu behalten.
Es galt alles zu bedenken was für das Leben und Überleben der gesamten Grafschaft nötig war.
Gräfin Louise Juliane ist da ein starkes Vorbild, eine wunderbare Frau die nicht nur ein Herz für ihr Volk hat sondern auch einen unerschütterlichen Glauben an Gott.
Dieser Glaube zieht sich wie ein roter Faden durchs Buch, ganz dezent und doch deutlich eingearbeitet.
"Die Tochter der Hungergräfin" ist eine phänomenaler Roman der ganz langsam und sacht, ohne große Dramatik, aber mit viel Gefühl von Hunger und Verzweiflung, Verrat und Vergebung, Kampf und Hoffnung, Mut und Zielstrebigkeit sowie einer großen Liebe zu anvertrauten Menschen erzählt.
Dieser Roman ist unglaublich gut und ich kann ihn von ganzen Herzen empfehlen.
Es ist ein Buch das längst vergangene Zeiten in Erinnerung ruft und einen Zeit und Raum vergessen lässt, so lebendig ist die Schreibweise.
Ihr merkt, ich bin restlos begeistert.
Für mich der beste Roman den Annette Spratte bisher geschrieben hat.
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09.11.2022Hopeandlive 
Wir befinden uns im Jahr 1636 in Deutschland auf der Freusburg. Die verwitwete Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein lebt dort mit ihren drei Kindern und es beginnt gleich mit einem tragischen Trauerfall, denn der jüngere Bruder, der die männliche Erbfolge antreten sollte, ist verstorben. Gräfin Louise Juliane, sowie ihre kleinen Töchter Ernestine und Nanni bekommen keine Zeit
zu trauern, denn sofort werden Begehrlichkeiten bei den umliegenden Grafschaften geweckt und plötzlich bieten die schützenden Mauern des elterlichen Schlosses keinen Schutz mehr.
Die Gräfin flieht mit ihren Töchtern auf die Hachenburg und dort wird nun versucht die Gräfin und ihre Töchter auszuhungern. Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein bekommt den Titel "Die Hungergräfin", der sie über Jahre begleiten wird. Wir Leser erleben diese schwere Zeit durch die Augen der Junggräfin Ernestine, deren Leben durch diesen schweren Schicksalsschlag völlig auf den Kopf gestellt wird und die Autorin Annette Spratte versteht es meisterhaft, diese verworrene und gefährliche Zeit aus den Augen eines 10jährigen Mädchens zu erleben. Ernestine macht eine ganz erstaunliche Entwicklung durch und Gräfin Louise stemmt sich mit einem unglaublichen Mut, Gottvertrauen und Klugheit gegen ihre Feinde und wird nicht müde mit Feder und Papier um ihr Recht und das ihrer Töchter zu kämpfen.
Dabei wählt sie manchmal Mittel, die man sich heute nicht mehr so ganz vorstellen kann und Ernestine wird immer mehr mit der Frage konfrontiert, wen sie denn nun heiraten muss. Ein Schicksal, das damals viele junge Frauen betroffen hat und in den seltensten Fällen war Liebe im Spiel. Zudem hat Ernestine ihren höchst eigenen Kopf und haderst aufgrund von Gefangenschaft, des schlimmen Hungers und der Not um sie herum immer mehr mit Gott, der ihr doch gerade in diesen schweren Zeiten Frieden schenken könnte.
Annette Spratte hat in diesem wunderbar gestaltendem Buch, das Cover spiegelt die Atmosphäre dieser Zeit sehr gut wieder, und in ihrer absolut gelungenen Version von historischer Recherche und gekonnte Fiktion geschafft den Leser auf diese Zeitreise zu nehmen und auch ganz besonders den Glauben an Gott mit in den Vordergrund zu stellen. Die Verwandlung Ernestines zu erleben war aufgrund dieser schweren Zeit sehr schön zu lesen.
Absolut lesenswert!
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31.10.2022Annis 
Die Tochter, deren Mutter niemals die Hoffnung verlor
"Ich schätze, das ist das Erbe meiner Mutter. Wir sind nicht dazu geschaffen, aufzugeben."
Annette Sprattes "Die Tochter der Hungergräfin" erzählt die beeindruckende Geschichte Gräfin Ernestines von Sayn und Wittgenstein von 1636 bis 1652, welche wohlbehütet aufwächst, bis ihr jüngerer Bruder, und somit der letzte männliche Erbfolger, stirbt. Es beginnt ein harter und
langer Kampf um die Grafschaft, welcher Hunger, Flucht und Gefangenschaft mit sich zieht.
Das Cover zeigt die Gräfin in einem dunklen Raum, vor ihr drei leuchtende Kerzen, ein schwacher Lichtschein, ein kleiner Hoffnungsschimmer. Dies beschreibt sehr gut die Grundstimmung des Buches.
Positiv fiel mir zunächst auf, dass der Roman ist in vier Teile gegliedert ist, welche wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Die einzelnen Kapitel haben kurze, wirklich treffend gewählte Titel, welche einen ersten Einblick in das Geschehen oder die vorherrschende Emotion geben und somit schon vor dem Lesen des jeweiligen Kapitels Spannung erzeugen.
Spratte hat sich dafür entschieden, die Geschichte nicht aus der Sicht der berühmten Hungergräfin, sondern aus der ihrer Tochter zu erzählen. Dabei schreibt sie in der ersten Person Singular und der Leser erhält ein gutes Bild ihrer Gedanken- und Gefühlswelt.
Gut gelungen finde ich dabei, wie diese Gedanken anfangs kindlich wirken und im Laufe des Buches zusammen mit der Protagonistin immer erwachsener und reifer werden und trotzdem stets menschlich und nachvollziehbar bleiben. Somit wächst einem Ernestine schnell ans Herz und man kann ihre Gemütsbewegungen gut nachfühlen.
Der Roman ist auf die wichtigsten Geschehnisse in dieser Zeitspanne von 16 Jahren fokussiert, diese sind dafür umso intensiver erzählt und es entstehen so gut wie keine Längen.
Die Autorin hat es gut geschafft, dass man verstehen kann, wie und wieso sich alles entwickelt hat und gerade Ernestines beeindruckende Entfaltung ist absolut gelungen: von einem etwas arroganten, verwöhnten Kind zu einer intelligenten jungen Frau.
Aber auch die Sturheit und der Kampfgeist ihrer Mutter sind imponierend, sie hat in jeder Situation noch Hoffnung und gibt nicht auf, egal, was andere sagen und denken.
Dabei langweilt die Autorin nicht mit geschichtlichen Zahlen und Fakten, sondern stellt stets das Empfinden Ernestines in den Vordergrund. Sie hält sie sich größtenteils an die gut recherchierten historischen Hintergründe, abweichende Passagen sind im Nachwort erklärt.
Außerdem hat sie einen sehr angenehmen, natürlichen Schreibstil, nicht aufgesetzt wie es in einigen anderen historischen Romanen vorkommt, trotzdem der Zeit angemessen. Man kann das Buch gut und flüssig durchlesen. Mit wenigen Worten schafft sie es, einen 400 Jahre in der Zeit zurückzuversetzen, man bekommt einen lebendigen Eindruck vom Dasein während des 30-jährigen Krieges.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich allerdings: Es fehlt ein richtiger Höhepunkt in der Geschichte, so herrscht stetig ein gleichbleibendes Spannungslevel, es gibt keine Höhen und Tiefen. Man hätte zum Beispiel einen stärkeren Fokus auf die Zeit der Gefangenschaft, welche den Titel "Hungergräfin" mit sich brachte, legen und hier etwas mehr Dramatik einbringen können.
Insgesamt empfehle ich das Buch allen Fans von historischen Romanen und von imponierenden Geschichten von Frauen, die ihrer Zeit weit voraus waren.
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20.10.2022Annette Schlasse 
Ich finde das Buch super, ich habe von der Autorin alle Bücher direkt nach dem Erscheinen gelesen und freue mich schon sehr darauf,wenn es bald in meinen Händen ist.