Er schritt durch das Stadttor und bog in die enge Kluft ein, während er sich an die dröhnenden Trommeln, die Rauchsäulen und sein hilfloses Entsetzen erinnerte. Wieder einmal stand Hiskia seinem Feind Moloch gegenüber.
Das Ungeheuer wirkte kleiner, als Hiskia es in Erinnerung hatte, der Metallgötze stumpf und kalt, jetzt, wo die Flammen gelöscht waren. Regen tropfte von Molochs Gesicht, als er von seinem Thron herunterblickte. Sein rußverschmierter Bauch war leer, sein aufgerissener Mund stumm. Er war von dicken Seilen gefesselt, die seinen Hals, seine Brust, seine Arme und seine Beine umfingen.
»Es ist kaum zu fassen, dass jemand dieses Ding anbeten kann«, sagte Hiskia, »geschweige denn, ihm Kinder opfern würde.«
»Unser Volk wird ohne dieses Ungeheuer ein besserer Ort sein«, nickte Jonadab. »Und es ist nur recht, dass Ihr derjenige seid, der es zerstört, Majestät.«
Hiskia nickte und erinnerte sich daran, wie knapp er der Vernichtung durch Moloch entkommen war. Er sah zu, wie die Arbeiter zwei Paar Ochsen vor die Statue spannten. Dann ließ der Vorarbeiter auf Hiskias Zeichen hin die Peitsche knallen und die Tiere strebten vorwärts. Die Seile spannten sich. Einen Augenblick lang wankte Moloch auf seinem Thron, dann verlor er das Gleichgewicht und fiel krachend zu Boden. Die Ochsen zogen den Götzen noch einige Fuß weiter, bevor sie stehen blieben. Molochs Arme reckten sich Hiskia entgegen, als wollte er den König um Hilfe bitten.
»Das war es dann für ihn, Eure Majestät«, sagte Jonadab.
»Wenn es doch nur so einfach wäre.« Hiskia dachte an seine Brüder Eliab und Amaria, die bei lebendigem Leib verbrannt worden waren, und er empfand keinen Triumph über seinen gestürzten Feind. »Ich fürchte, es gibt immer noch viele, die sich lieber an Unwissenheit und Aberglauben klammern, als die Wahrheit zu suchen. Und sie sind es, die Moloch am Leben erhalten.«
»Ihr meint, die Leute werden ihre Kinder immer noch opfern, obwohl die Statue nicht mehr da ist?«
Hiskia nickte. »Da bin ich mir sicher – nur werden sie es jetzt heimlich tun. Du musst die Wachen am Taltor anweisen, diesen Ort nach Einbruch der Dunkelheit zu überwachen, Jonadab. Jahrhundertelang wurden hier Kinder geopfert, schon bevor sie dieses verfluchte Götzenbild gemacht haben.«
»Und wenn wir jemanden dabei erwischen, wie er hier Opfer bringt?«, fragte Jonadab leise.
»Dann bringt ihn sofort zu mir.«
Hiskia sah schweigend zu, wie die Arbeiter die Seile lösten. Jonadab zeigte auf den gefallenen Götzen. »Was sollen wir damit machen, Majestät?«
»Zerschlagt ihn. Schmelzt ihn ein und schmiedet Waffen aus dem Metall. Schwerter, Speere, Pfeilspitzen, Schilde. Füllt das Waffenlager damit. Irgendwann werde ich wieder eine Armee haben – und du wirst sie anführen, General Jonadab.«
Der Hauptmann blickte überrascht auf. »Majestät?«
»Ich befördere dich zum General.«
Es dauerte einen Moment, bis Jonadab seine Fassung wiedergewonnen hatte, dann verneigte er sich. »Danke. Es ist mir eine Ehre, Eure Majestät.«
Der Wind wehte eine Fahne aus Ruß und Asche in die Luft, als Hiskia näher an die leere Feuergrube trat. »Die Schuld unseres Volkes ist sehr groß«, sagte er leise. »Ich weiß nicht, wie Gott uns all das Unrecht vergeben kann. So viel unschuldiges Blut wurde an diesem Ort vergossen.« Einen Augenblick lang sagte keiner etwas. Die Arbeiter warteten in ehrfurchtsvollem Schweigen.
»Sollten wir vielleicht ein Gebet oder so was sprechen?«, schlug Jonadab vor.
Die Männer sahen Hiskia erwartungsvoll an. Er holte Luft und sagte einen der wenigen Verse der Thora, die er auswendig kannte: »›Höre, Israel! Jahwe ist unser Gott und sonst keiner! Darum liebt ihn von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit aller Kraft.‹«
Dann wandte er sich um und begann den langen Aufstieg zurück zum Palast.
Teil 1
Hiskia war 25 Jahre alt, als er König wurde, und er regierte 29 Jahre lang in Jerusalem. Seine Mutter hieß Abi und war eine Tochter von Secharja. Hiskia tat, was dem Herrn gefällt, genau wie sein Ahnherr David. Noch im ersten Jahr seiner Regierung, gleich zu Beginn des neuen Jahres, ließ er die Tore des Tempels wieder öffnen und instandsetzen.
2. Chronik 29,1-3 (GNB)
Kapitel 1
Im Nordreich Israel
Jeruscha lag auf dem Dachboden über ihrem Haus wach und lauschte den Geräuschen des neuen Tages. Sie war viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Das Licht der aufgehenden Sonne drang durch die Ritzen in den Fensterläden, begleitet von den Melodien der Singvögel in den Olivenbäumen vor dem Haus. Sie hörte das schwere Stampfen der Ochsen auf dem Steinfußboden im Stall unter ihrem Zimmer und die leise Stimme ihres Vaters Jerimot, der leise mit den Tieren sprach, während er sie hinausführte. Er würde ihnen Futter und Wasser geben und sie dann vor den Wagen spannen für die drei Meilen Fahrt nach Dabbeschet – und zur Hochzeit ihrer Cousine Sera.
Jeruscha stand auf und faltete ihre Decke zusammen. Sie konnte es kaum erwarten, dass der Tag begann. Nachdem sie das winzige Bronzequadrat, das ihr als Spiegel diente, auf der Fensterbank aufgestellt hatte, betrachtete sie ihr undeutliches Spiegelbild, während sie ihr dickes braunes Haar kämmte. Ihre gerade Nase und das ovale Gesicht waren stark gebräunt von der Arbeit im Gerstenfeld an der Seite ihrer Mutter und sie hatte die mandelförmigen Augen ihres Vaters, so grün wie die sanften Hügel. Abba sagte, sie sei hübsch; Jeruscha fragte sich, ob das stimmte. Sie seufzte und legte das Metallstück wieder an seinen Platz im Regal, während sie wünschte, sie hätte einen richtigen Spiegel.
An diesem Morgen zog Jeruscha nicht wie sonst ihre Arbeitskleidung an, sondern das einzige gute Kleid, das sie besaß und das für besondere Gelegenheiten wie diese reserviert war. Das Hochzeitsfest würde mehrere Tage andauern; sie würde feiern und tanzen und alle ihre Verwandten treffen. Aber vor allem hoffte sie, dass Abram da sein würde.
Jeruscha kannte Abram schon seit Jahren – sie war mit ihm zusammen aufgewachsen, hatte ihn bei Hochzeiten und Festtagen und Dorfversammlungen gesehen. Er war immer ein stiller Junge gewesen, das genaue Gegenteil zu ihrer eigenen unbekümmerten Art. Als sie Kinder gewesen waren, hatte sie ihn kaum bemerkt. Aber jetzt, wo Abram ein Mann war – jetzt, wo er sie ansah, wie ein Mann eine Frau ansieht –, ertappte Jeruscha sich dabei, dass sie davon träumte, seine Frau zu werden, seine Kinder zu gebären und mit ihm auf dem Land seines Vaters zu leben.
Während Jeruscha sich in der kleinen Dachkammer zu schaffen machte und ein Hochzeitslied summte, wachte ihre jüngere Schwester Maacha auf. »Warum stehst du so früh auf?«, knurrte Maacha. »Es ist doch noch nicht einmal richtig hell.« Für eine Elfjährige war sie klein und dünn wie ein Schilfrohr und sie hatte dicke dunkle Zöpfe und ein rundes, sommersprossiges Gesicht. Sie folgte Jeruscha, wohin sie auch ging, aber sie war viel zu jung, um die Träume ihrer Schwester von einem Mann und Babys zu teilen.
»Hast du vergessen, dass wir heute zu Seras Hochzeit nach Dabbeschet fahren?« Jeruscha entriegelte die Fensterläden und öffnete sie.
Maacha drehte sich zur Wand und zog sich die Decke über den Kopf. »Das habe ich nicht vergessen, aber so früh müssen wir auch nicht los.«
»Abba sagt, wir können erst fahren, wenn wir alle unsere Arbeiten erledigt haben, und je eher wir damit anfangen, desto eher kommen wir dort an. Komm schon, Schlafmütze.« Jeruscha zog ihrer protestierenden Schwester die Decke weg und verstaute sie in der Wandnische neben ihrer eigenen. Maacha meckerte noch immer, als Jeruscha die Leiter vom Boden in den großen Hauptraum ihres Hauses hinunterstieg.
Ihre Mutter Hodesch kniete mitten im Zimmer an der Feuerstelle und mahlte mit einer Handmühle Weizen für das Frühstück. »Oh, gut – du bist auf«, sagte sie. »Geh und hol etwas Wasser.« Sie gab Jeruscha den leeren Krug und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu und schüttete einen Haufen fertig gemahlenes Mehl in den Knettrog.
Jeruscha hob den Krug auf ihre Schulter und öffnete die Tür, auf den Lippen den nächsten Refrain des Hochzeitsliedes, während sie den Berg hinunter zum Brunnen ging. »›Nur mir gehört mein Liebster und ich gehöre ihm …‹« Der neue Tag war frisch und klar, die Sonne wärmte, stand aber noch nicht so hoch am Himmel, dass es heiß war. Es war ein herrlicher Tag für eine Hochzeit.
Als Jeruscha mit dem Wasser zurückkehrte, den Krug waghalsig auf dem Kopf balancierend, war Maacha aufgestanden und angezogen und half ihrer Mutter, das Feuer anzufachen. Jeruscha sang, während sie arbeitete, ihre Aufgaben eine vertraute tägliche Routine – aber an diesem Tag mit einer besonderen Belohnung im Anschluss. Als Abba von draußen hereinkam, beugte er sich über sie und küsste sie auf die Wange.
»Wie kommt es, dass mein kleines Vögelchen an diesem Morgen so lieblich singt?«, fragte er.
Sie lächelte und schnitt den Ziegenkäse für ihre Fahrt in dicke Scheiben. »Du weißt genau, warum, Abba – wir fahren heute zu einer Hochzeit. Ich werde Sera und Tirza sehen und …«
»Und vielleicht Abram, den gut aussehenden Sohn von Eli?«
»An ihn habe ich gar nicht gedacht«, antwortete Jeruscha zu hastig. »Aber … aber er kommt doch sicher auch, oder?«
Jerimot lachte und schob sich ein Stück Käse in den Mund.
»Wieso lachst du, Abba?«, fragte Maacha.
»Ach, nichts, Kleines.« Er zog scherzhaft an Maachas Zopf. »Es ist nur so, dass deine Schwester schon eine richtige Frau geworden ist. Sieh sie dir doch an – so schlank und anmutig wie ein junger Weidenbaum. Bald wird sie eine reizende Braut sein.«
»Aber sie heiratet doch heute nicht«, sagte Maacha stirnrunzelnd. »Sera heiratet.«
»Ich weiß, ich weiß.« Jerimot legte je einen Arm um sie beide und zog sie an sich. »Wie schön es doch wäre, wenn ich meine Töchter immer bei mir behalten könnte. Es wird ganz einsam sein, wenn unser Jeruscha-Vögelchen nicht mehr für uns singt! Aber Abrams Land ist nicht so weit entfernt. Vielleicht kommt sie manchmal hergeflogen und besucht uns, hm?«
Jeruscha blickte in das Gesicht ihres Vaters. Sie liebte jede Falte und jede Runzel in seiner wettergegerbten Haut. »Du redest ja gerade so, als wäre ich schon verheiratet und fort, Abba. Woher weißt du denn, ob Abram mich überhaupt heiraten will?«
»Woher ich das weiß? Ha! Wenn es nach ihm ginge, würdet ihr zwei heute heiraten und nicht Sera und ihr Bräutigam. Es liegt nur an mir, dass er noch warten muss. Ich will einfach nicht, dass mein kleines Vögelchen das Nest verlässt.«
Jeruscha starrte ihn überrascht an. »Hat er wirklich gesagt, dass er mich heiraten will?« Sie konnte ihre Erregung nicht verbergen und hoffte, ihr Vater würde sie nicht wieder auslachen.
»Ja, natürlich hat er das«, erwiderte Jerimot seufzend. »Und wie ich sehe, wird es Zeit, dass ich ihn erhöre. Nach der Hochzeit werde ich mit Abrams Vater reden. Dann sehen wir, wie es mit einer Verlobung aussieht.«
Jeruscha schlang die Arme um ihren Vater und drückte ihn ganz fest. »Ich liebe dich, Abba! Danke! Danke!« Jerimot erwiderte ihre Umarmung mit wortloser Zärtlichkeit.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Jeruschas Familie ihre Arbeiten erledigt und den Ochsenkarren beladen hatte: mit Wein aus Jerimots Weinberg und dem Essen, das sie für das Hochzeitsmahl vorbereitet hatten. Jeruscha war schrecklich aufgeregt, als sie über die terrassenförmig angelegten grünen Hügel nach Dabbeschet fuhren, und am liebsten wäre sie vor den Ochsen die Straße zu dem unbefestigten Dorf hinuntergerannt. Aber irgendwann trafen sie bei Onkel Sauls Haus hinter der Werkstatt ein, in der er Töpferwaren herstellte und verkaufte. Jeruscha überließ es den verheirateten Frauen, den Wagen abzuladen und das Essen für das Bankett aufzubauen – sie selbst war gebeten worden, eine der Brautjungfern zu sein.
Die Mädchen unterhielten sich im Flüsterton, während sie Sera dabei halfen, sich zurechtzumachen, und die ganze Zeit lauschten, ob der Zug des Bräutigams schon zu hören war. Als die Braut endlich in ihr besticktes Brautgewand gekleidet war und Blumen in ihren Haaren steckten und rund um ihren Stuhl verstreut lagen, starrte Jeruscha ihre Cousine neiderfüllt an. »Vielleicht wird die nächste Hochzeit ja meine sein«, seufzte sie. »Meine und Abrams.«
Dann hörten sie den Klang von Flöten und Becken und Tamburinen. Der Bräutigam kam, um den Anspruch auf seine Braut geltend zu machen, und zog mit seinem Gefolge durch die Straßen von Dabbeschet. Die Dorfbewohner kamen aus ihren Häusern, um mit dem glücklichen Paar zu feiern und die Trauzeremonie im Hof hinter Onkel Sauls Haus mit anzusehen. Anschließend, als Jeruscha Braut und Bräutigam zum Hochzeitsbankett auf dem Dorfplatz folgte, suchte sie gespannt die Gesichter in der Menge ab in der Hoffnung, Abram zu entdecken.
Aber plötzlich glaubte Jeruscha, neben der Musik und dem Jubel der Prozession das Grollen entfernten Donners zu hören. Sie blickte nach oben, weil sie hoffte, dass das Unwetter den Tag nicht verderben würde, aber die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Das Grollen wurde lauter und kam immer näher. Allmählich erstarben die fröhlichen Stimmen, als auch die anderen verstummten, um zu lauschen.
Und dann war es auf einmal, als wäre ein Damm gebrochen, als Hunderte assyrischer Krieger zu Pferde auf den Dorfplatz stürmten. Entsetzensschreie lösten das Singen und Lachen ab, als die Dorfbewohner zu fliehen versuchten und in alle Richtungen rannten. Die Schwerter der Assyrer blitzten in der Sonne, während die Soldaten jeden niederstreckten, der ihren Weg kreuzte. Die Hufe ihrer Pferde trampelten alle zu Boden, die stolperten und fielen. Innerhalb weniger Minuten war das Kopfsteinpflaster nass vom Blut und Dutzende Leichen lagen in den Straßen.
»Lauft, Mädchen! Lauft!«, schrie Onkel Saul in dem Getöse. Jeruscha hörte die Warnung, aber sie stand wie angewurzelt dort, zu fassungslos, um sich zu rühren, erstarrt vor Schrecken angesichts des Terrors und Blutvergießens um sie herum.
»Lauf, Jeruscha!«, flehte er. »Lauf weg! Beeil dich!« Benommen sah sie zu, wie ihr Onkel seine Töchter eine Gasse entlang zu seinem Haus schob. Jeruscha sah sich nach Seras Bräutigam um und sah ihn reglos am Boden liegen, um ihn eine größer werdende Blutlache. Der grausige Anblick riss sie endlich aus ihrer Schockstarre. Sie drehte sich um und stolperte hinter ihrem Onkel her, aber ihre Beine bewegten sich nur mit Mühe, so als wären sie mit Steinen beschwert.
Aber genau in dem Moment, als Jeruscha ihre schweren Füße dazu brachte, sich zu rühren, erschienen plötzlich zwei assyrische Reiter am anderen Ende der Gasse und versperrten ihnen den Fluchtweg. Die Mädchen versuchten umzukehren, aber die Soldaten kamen auf sie zugeritten und beugten sich aus ihren Sätteln herunter, um Jeruschas Cousinen zu packen. Die Mädchen schrien vor Entsetzen, als die Soldaten sie bäuchlings über ihre Pferdesättel warfen.
Onkel Saul versuchte das Zaumzeug eines Pferdes zu fassen, um sie aufzuhalten, während er die Männer anflehte: »Nehmt mir nicht meine Mädchen! Bitte, ich zahle jeden Preis – jedes Lösegeld, das ihr nennt, wenn ihr sie nur gehen lasst! Bitte, ich flehe euch an!«
Der Assyrer zog sein Schwert und hieb mit einer kraftvollen Bewegung Onkel Sauls Hand ab. Jeruscha wäre bei dem Anblick beinahe ohnmächtig geworden, aber Abba packte sie plötzlich von hinten. »Hier entlang, Jeruscha! Versteck dich unter dem Wagen! Schnell!« Er wirbelte sie herum und schob sie zurück in Richtung Dorfplatz, wobei er auf einen Ochsenkarren zeigte, der einige Ellen entfernt stand. Sie sah, dass ihre Mutter und ihre Schwester darunter kauerten. Ein Stück weiter entriss ein assyrischer Soldat einer Frau ihr Baby und schleuderte es zu Boden.
Schreien und Rufen und donnernde Hufe dröhnten in Jeruschas Ohren, als Abba sie zu dem Wagen schob. Die paar Ellen kamen ihr vor wie hundert Meilen. Sie bewegte sich, als wäre sie unter Wasser, und ihr Körper weigerte sich, ihr zu gehorchen. Tränen trübten ihr den Blick, während sie die letzten Schritte bis zu dem Wagen und dem sicheren Ort stolperte. Gleich hatte sie es geschafft. Ihre Mutter streckte die Hand nach ihr aus und rief dann plötzlich: »Jerimot, pass auf! Hinter dir!«
Jeruscha warf einen Blick über die Schulter und sah, wie ihr Vater dem nächsten assyrischen Soldaten gegenüberstand. »Nein! Lass die Finger von ihr!«, schrie Abba. Er packte das Zaumzeug des Pferdes mit beiden Händen, um das Tier zur Seite zu ziehen, während er sich duckte, um dem Schwert des Mannes auszuweichen. »Lauf, Jeruscha, lauf!«, schrie er.
Sie versuchte ein letztes Mal, den Wagen zu erreichen, und hörte, wie ihre Mutter kreischte: »Pass auf, Jeruscha! Hinter dir!« Aus dem Nichts erschien ein weiterer berittener Soldat neben ihr. Sie versuchte sich gegen ihn zu wehren, indem sie mit Fäusten um sich schlug und die Fingernägel in seine Arme krallte, als er sie ergriff, aber er hob sie mühelos hoch und warf sie über seinen Sattel.
»Nein! Oh Gott, nein!«, schrie sie. »Abba, hilf mir! Rette mich!«
Jeruscha versuchte sich zu befreien, aber der Soldat drückte eine Hand fest auf ihren Rücken, sodass sie keine Chance hatte. Sie konnte nur den Kopf heben, als das Pferd eine Kehrtwende machte, und sah, wie ihr Vater auf sie zugerannt kam. Dann hörte sie das leise metallene Geräusch, als ihr Peiniger sein Schwert zog. Sie dachte an das Blut und den entsetzlichen Anblick von Onkels Sauls abgetrennter Hand und schrie: »Abba, nein! Komm nicht näher!«
Der Assyrer lehnte sich auf seinem Sattel seitwärts und hieb mit seinem Schwert in Abbas Richtung. Jeruscha sah eine leuchtend rote Wunde auf der Stirn ihres Vaters und er sank auf die Knie, das Gesicht blutüberströmt. Dann konnte sie ihn nicht mehr sehen, als das Pferd die Straße hinunterjagte und sich vom Dorf entfernte.
Jeruscha schrie, während das Pferd immer schneller wurde und Dabbeschet und ihre Familie und jede Sicherheit hinter sich ließ. Mehrere Minuten lang galoppierten sie, dann wurde das Pferd langsamer und der Soldat versetzte Jeruscha eine Ohrfeige, während er etwas in seiner unverständlichen Sprache sagte. Als sie nicht aufhörte zu schreien, schlug er sie immer wieder, bis ihre Schreie endlich verstummten. Sie war wie betäubt vor Schmerzen und Angst.
»Ich will nicht sterben – bitte, ich will nicht sterben«, wimmerte sie. Einige Minuten später hielten sie in der Nähe eines Platanenhains bei dem Feld eines Bauern. Mehrere andere Pferde waren dort bereits angebunden und Jeruscha hörte gedämpfte Schreie und grobschlächtiges Lachen drang aus dem Gebüsch. Ihr Herz hämmerte vor neuem Entsetzen, als ihr bewusst wurde, was gleich geschehen würde.
»Nein … nein … bitte nicht«, schluchzte sie. Der Soldat stieg ab und zog Jeruscha von seinem Pferd. Dann warf er sie sich wie einen Sack Getreide über die Schulter. Als er sie in den Wald trug, sah sie, wir ihre Cousine Sera sich mit aller Kraft gegen den Soldaten wehrte, der versuchte, sie auf den Boden zu drücken. Als Sera nicht aufhörte zu kämpfen, schlug der Soldat sie mit der Faust, bis sie sich nicht mehr rührte.
Jeruscha wusste, dass es keinen Sinn hatte zu kämpfen. Die Schläge, die ihr Peiniger ihr vorhin versetzt hatte, schmerzten noch immer. Sie wollte diesen Albtraum überleben und den Weg nach Hause finden, deshalb beschloss sie, sich nicht zu wehren. Sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war, aber sie konnte einfach nicht aufhören zu schluchzen. Ihr angstvolles Weinen mischte sich mit dem der anderen, bis es überall im Wald widerhallte. Selbst der Wind schien vor Angst zu kreischen.
Endlich blieb Jeruschas Peiniger stehen und warf sie auf den Boden. Der Geruch seines ungewaschenen Körpers ekelte sie so, dass sie würgen musste. Angewidert wandte sie das Gesicht ab und er schlug sie wieder und schrie sie wütend an.
»Oh Gott … ich will nicht sterben«, schluchzte sie. »Nicht jetzt, nicht so. Bitte, Gott, bitte – ich will nicht sterben!«
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31.01.2023Jutta 
Was ich an den Büchern schätze:
- Entsprechende Bibelstellen sind auf jeder Seite zum Nachlesen angegeben
- so wird es einem erleichtert
"Prüfet alles und das gute behaltet"
- Bibel und Roman sind so eine Sache. Ich las die Bücher nicht, um mein Bibelwissen aufzufrischen. Dazu ist das Wort Gottes selber da.
Was aber großartig gelungen ist, dass man lebendig nachvollziehen kann, dass staatliche
Macht und Gottesglaube NICHT vereinbar ist.
"Entweder dienst du dem Mamon oder Gott. Du kannst nicht zwei Herren gleichzeitig dienen. Du wirst den einen Hassen und den anden Lieben."
Dieser Zwiespalt kommt in allen Büchern gut heraus !
Ein erstes Danke an GOTT und ein zweites an die Autorin.
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13.06.2022annislesewelt 
"Bleib du meine Hoffnung" ist ein brillanter historisch biblischer Roman der einen mit nimmt in längst vergangene Zeiten.
Man findet sich wieder in Juda unter der Herrschaft Hiskias.
Hiskia möchte Gott wohlgefällig leben, seinen Geboten folgen und nur ihm dienen. Das ist damals bestimmt nicht bei allen gut angekommen, denn es bedeutet für das Volk das sie sich von den Götzen
und heidnischen Ritualen trennen müssen und genau dieser Konflikt wird hier sehr glaubhaft beschrieben.
Hiskia führt den Tempeldienst wieder ein und verweigert den Assyrern den Tribut - mit dem Wissen das es Krieg bedeuten wird.
Außerdem geht es noch um Jeruscha, einer jungen und bildschönen Frau, die von den Assyrern bei einem ihrer Kriegszüge verschleppt und schlimm behandelt wird.
Zu guter Letzt geht es noch um den Baumeister Eljakim der für den König höchstpersönlich arbeitet.
Eins muss man sich beim lesen dieses Buches bewusst machen, es ist ein Roman, auch wenn Lynn Austin es auf grandiose Weise geschafft hat die biblischen Fakten perfekt einzuarbeiten.
Dieses Buch ersetzt nicht den Abschnitt aus der Bibel, aber es haucht den biblischen Personen Leben ein, sie werden greifbarer, menschlicher und real.
Lynn Austin zeigt in diesem Buch das jüdische Leben, die Bräuche und Ritten, sie spricht über den Glauben an Gott, dem Wunsch ihn zu finden, ihm zu gefallen, gleichzeitig spricht sie aber auch über die Nöte und den Kummer, über Gewalt, Krieg und Sehnsucht.
Alles ist flüssig und leicht zu lesen, wenn auch manchmal schwer zu fassen weil einem die Luft bei der Gewalt und dem Leid fast weg bleibt.
Die Protagonisten sind authentisch ausgearbeitet, ihre Entwicklung ist spannend zu verfolgen und die biblische Geschichte so real.
Am Beispiel Hiskias hat Lynn Austin hervorragend gezeigt das wir Gott immer vertrauen können, ja es sogar sollen.
Er hat alles in der Hand und was er zusagt wird er halten.
Dieses Buch ist hochgradig spannend und voller Gefühl. Hier gibt es Protagonisten deren Stärken und Schwächen, Zweifel und Fragen aber auch deren Hoffnung auf Gottes Kraft wunderbar beschrieben sind.
Die historischen und biblischen Fakten sind gut recherchiert, zudem gibt es immer unten am Rand Bibelstellen die auf den Originaltext hinweisen. Das macht das Buch wertvoller.
Klare Kauf und Leseempfehlung
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06.01.2022Reinhard Bröker 
Tolles spannendes Buch. Sehr gut zu lesen und auch hilfreich, um die Geschichte Israels zu verstehen.
Ich warte gespannt auf die Fortsetzung.
30.08.2021Gudrun Ermes 
König Hiskia will die Bevölkerung von Juda zurück zu Jaweh führen. Er stellt die Tributzahlung an die Assyrer ein, lässt den Tempel wieder aufbauen und die Stadt befestigen. Sein Baumeister baut zudem einen Tunnel , um Jerusalem bei einer Belagerung mit Wasser versorgen zu können. Dabei spielt die ehemalige Sklavin der Assyrer Jeruscha und die Königin Hephzibah wichtige Rollen.
Der
2. Band der Chroniken der Könige beginnt zunächst mit 2 Erzählsträngen, die später zueinanderfinden. Die Grausamkeiten der Assyrer und die Bemühungen um das Wiedererstarken der jüdischen Nation stehen gegeneinander
Der Schreibstil ist flüssig und sehr emotional. Biblische Geschehnisse werden in einem spannenden historischen Roman eingebaut. Zitate belegen den Bibelbezug und biblische Gestalten werden hier Handlungsträger. Die Charakterentwicklung und die Suche nach dem richtigen Glauben und dessen Umsetzung nehmen einen wichtigen Teil des Buches ein. Das Ende hat mich überzeugt und ich bin in gespannter Erwachtung auf den dritten Teil.
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10.08.2021Franziska 
Zum Inhalt bitte den Klappentext lesen.
Zu Beginn war ich ein wenig Skeptisch, denn ich bin nicht so sehr interessiert an Geschichte. Außerdem finde ich es schwierig wenn biblische Texte in einen Roman zu verwandeln. Oft habe ich das Gefühl das man nicht nah genug am Text geblieben ist.
Das ist hier nicht der Fall. Es hat so unglaublich viel Spaß
gemacht dieses Buch zu lesen! Es hat mir die biblische Geschichte von Hiskia so viel näher gebracht. Ich war oft total berührt und es war so wundervoll mir alles vorstellen zu können. In manchen Abschnitten habe ich mich Gott ganz nahe gefühlt.
Die Charaktere kamen mir authentisch rüber und ihr Hadern und Zweifeln, ihr Prüfen und Überwinden war so menschlich und ich habe mich oft darin wieder gefunden. Es war spannend und ich konnte das Buch oft nicht weglegen, obwohl man im groben die Geschichte ja aus der Bibel kennt.
Besonders angesprochen haben mich auch die vielen Bibelstellen und die Auslegung dieser. Ich kann es kaum abwarten bis der dritte Band rauskommt!
Ich empfehle dieses Buch wirklich jedem. Es hat mir so geholfen einen Zugang zu dem Biblischen Text zu bekommen. Lest dieses Buch!!
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05.08.2021Mathias Winkler Ich habe das Buch regelrecht verschlungen.Es ist die Fortsetzung des Buches "Sei Du meine Stärke" und nimmt uns mit hinein ein in das Ringen von König Hiskia auf den Gott der Väter zu vertrauen oder auf menschliche Kraft Stärke und Cleverness. Ein Thema was zweifellos übertragbar ist in unsere heutige Zeit.
Die Geschichte Israels dargebracht in Romanform -spannend- beeindruckend- absolut
lesenswert.
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