Ihre Gesichter waren genauso bleich wie die Kreidefelsen am Ufer, das hinter ihnen lag. Die Blässe betonte noch mehr, wie der Hunger ihre Gesichter gezeichnet hatte.
Die Columbia-Missionsgesellschaft hatte vor Antritt der Reise jeder Frau zwei Pence gegeben, um in einem öffentlichen Badehaus in der Nähe des Büros zu baden und sich die Haare zu waschen. Doch das Wasser hatte nur den Schmutz verschwinden lassen können, nicht all die Jahre in den ärmsten Teilen Londons.
Mercy war zuvor nur ein einziges Mal in einem Badehaus gewesen. Das Erlebnis, ihren ganzen Körper in eine Wanne zu tauchen – auch wenn das Wasser lauwarm und trüb gewesen war, da mehrere Frauen vor ihr an der Reihe gewesen waren –, war der reinste Luxus gewesen.
Sie staunte immer noch über die schöne Kleidung, die man ihr gegeben hatte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Gutes besessen. Der dunkelblaue Baumwollrock war zwar am Saum etwas abgenutzt, aber er war dick, widerstandsfähig und, was am allerbesten war, er hatte keine Flecken oder Löcher. Die Bluse hatte die gleiche Farbe und vorne eine schöne Knopfleiste.
Mercy strich mit der Hand über die langen Ärmel und genoss den weichen, fast seidigen Stoff. Auch für das saubere Unterhemd und die lange Unterhose war sie mehr als dankbar. Beides war zwar nicht mehr in einem ganz so guten Zustand wie die anderen Kleidungsstücke, aber immer noch weißer und sauberer als alles, was sie je zuvor getragen hatte.
»Sind wir bald da?«, fragte Sarah und drückte ihr Gesicht an Mercys Arm.
»Es dauert noch ein bisschen.« Mercy warf einen Blick auf das Schiff, das irgendwie nicht näherzukommen schien. Eine schöne Galionsfigur zierte das Bugspriet und ein Schornstein ragte neben mehreren Masten in die Luft.
Einer der Männer, die das Beiboot ruderten, hatte erklärt, dass das Schiff eine lange Propellerschraube hatte, die mit Dampf angetrieben wurde. Streckenweise brauchte die Tynemouth die Propellerschraube und die Dampfmaschine, um vorwärtszukommen, aber wenn der Wind stark genug war, reichte die Kraft der Segel aus.
Dieses Schiff würde also in den nächsten drei bis vier Monaten ihr Zuhause sein. Der Eisenbahnwaggon war schon ungewohnt genug gewesen, die Geschwindigkeit des Zugs hatte Mercy ein wenig beunruhigt, und dazu der Lärm, das Ruckeln und die Aufregung. Aber der Anblick dieses riesigen Dampfers verschlug ihr die Sprache und machte ihr erst richtig bewusst, dass sie England tatsächlich verlassen und vielleicht nie zurückkommen würde. Sie würde um die halbe Welt in ein fremdes Land segeln, wo sie niemanden kannte.
Ihr Blick wanderte an den Frauen im Beiboot vorbei, zurück zu dem Land, das sie verließ. Blumenwiesen und Wälder breiteten sich in den schönsten Farbtönen auf den Hügeln über der Stadt aus, der blaue Himmel schien endlos weit.
Das Bild, das sich ihr bot, war so anders als alles, was sie bisher gekannt hatte. Sie könnte dieses Panorama stundenlang betrachten, ohne sich jemals daran sattsehen zu können. Auch gestern hatte sie während der gesamten Zugfahrt wie gebannt aus dem Fenster geschaut. Die vorbeiziehende Landschaft, die kleinen Städte, die Wiesen und Felder und die üppige Vegetation hatten in ihr eine starke Sehnsucht geweckt – danach, barfuß übers Gras zu laufen, die saubere Luft einzuatmen und zwischen den hohen Bäumen spazieren zu gehen.
Das Land war so groß! Warum mussten dann in London so viele Menschen auf viel zu engem Raum zusammenleben, in Häusern, die so dicht nebeneinanderstanden, dass man den Himmel kaum sehen konnte? Wa-rum gab es in diesem reichen Land so viele Arme, die nicht genug zu essen, keine Arbeit und keine Hoffnung hatten? Es gab doch so viel Schönheit auf der Welt! Warum konnte Gott sie nicht so verteilen, dass jeder etwas davon hatte, statt sie nur wenige privilegierte Menschen genießen zu lassen?
Diese Fragen hatten sie schier erdrückt, je weiter sie London hinter sich zurückgelassen hatte. Es war, als hätte sie ihr ganzes Leben eingeengt in einer winzigen Ecke festgesessen, die ihre Existenz definiert hatte – und das, ohne dass sie gewusst hatte, welche große Welt außerhalb davon auf sie wartete. Wenn sie nur früher auf die Idee gekommen wäre, sich aus ihrer kleinen Welt hinauszuwagen! Doch auch wenn sie sich das wünschte, war ihr nach wie vor bewusst, wie schwer es für arme Frauen wie sie war, ein neues Leben anzufangen. Ohne die Hilfe der Columbia-Missionsgesellschaft hätte sie sich nie eine Zugfahrkarte leisten können. Und selbst wenn sie beschlossen hätte, zu Fuß bis aufs Land zu wandern, wurden Bettler, Vagabunden, Landstreicher und alle, die nicht dazugehörten, sofort vertrieben oder ins Gefängnis gesperrt.
»Wie soll ich es monatelang auf dem Meer aushalten, wenn ich es nicht einmal eine Stunde schaffe?«, fragte Sarah stöhnend.
»Du wirst dich daran gewöhnen«, versicherte Mercy ihr und betete, dass sie damit recht behalten würde.
Sarah wollte noch etwas sagen, doch dann hielt sie schnell den Kopf über den Bootsrand und fütterte mit dem Frühstück, das sie in ihrem Gasthaus bekommen hatten, die Fische.
Sie alle hatten das Essen gierig verschlungen: frisches Brot, Eier, Speck, Wurst und Kaffee – echten Kaffee! Und jetzt konnte Sarah die Nahrung, die ihr Körper so dringend bräuchte, nicht bei sich behalten.
Während der restlichen Fahrt zum Schiff rieb Mercy sanft Sarahs Rücken, hielt ihre Haare zurück, als sie sich noch ein weiteres Mal übergab, und streichelte ihr die Wange.
Sarah und einige andere in ihrer Gruppe waren nicht älter als fünfzehn. Sie waren aus dem Waisenhaus St. Margaret geholt worden. Die Mädchen hatten ihr erzählt, dass sie zu alt waren, um noch länger dort wohnen zu können. Die bevorstehende Seereise bewahrte sie vor einem Leben auf der Straße.
Als das Beiboot neben dem Schiff anlegte, stellte Mercy fest, dass der Dampfer aus der Nähe sehr mitgenommen aussah. Offenbar war er in seinem kurzen Leben zu oft an seine Grenzen gebracht worden. Der frische Farbanstrich konnte die Kratzer und Schrammen nicht verbergen und der größte Teil des Schiffsrumpfs war vom Kohlenruß ganz schwarz.
Als der Landesteg herabgelassen wurde und sie aufs Hauptdeck stiegen, stützte Mercy Sarah.
»Meine Damen, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.« Eine großgewachsene Frau, die so dünn und flach war wie ein Brett, trat auf die Neuankömmlinge zu. Sie war nicht alt, aber ihre nach unten gezogenen Mundwinkel und die vortretenden Adern an ihren Schläfen verrieten, dass sie nicht unbedingt ein leichtes Leben hatte. »Ich bin Mrs Robb«, erklärte sie. »Ich habe während der Fahrt die Aufsicht über Sie.«
Mercy hätte sich denken können, dass die Columbia-Missionsgesellschaft nicht sechzig Frauen ohne eine Aufpasserin auf die Reise schickte. Es musste ja jemand für Ordnung sorgen.
»Nehmen Sie Ihre Sachen und folgen Sie mir.«
»Unsere Sachen?«, schnaubte Ann, ein weiteres Mädchen aus dem Waisenhaus, als Mrs Robb bereits außer Hörweite war. »Für wen hält sie uns denn? Für Königliche Hoheiten?«
Einige kicherten. Alle folgten Mrs Robb mit leeren Händen; sie gingen mit nichts als der Kleidung, die sie am Leib trugen, in ihr neues Leben.
Mercy war überrascht, als sie an einer Kuh in einem improvisierten Stall sowie an mehreren Schweinen und Hühnerkäfigen vorbeikamen. Barfüßige Matrosen, die Segel flickten und das Deck schrubbten, unterbrachen ihre Arbeit und blickten den Frauen nach. Mrs Robb führte sie eilig weiter.
»So, da wären wir«, sagte sie schließlich und blieb neben dem Schornstein stehen. Sie deutete zu einer Kabinenreihe direkt dahinter. »Sie dürfen sich gesegnet schätzen, dass Sie für die Dauer der Überfahrt nicht zusammen mit den anderen ärmeren Passagieren auf dem Zwischendeck hausen müssen. Die Columbia-Missionsgesellschaft hat Geld gesammelt, damit Sie eigene Kabinen haben.«
Mercy ahnte, wie die Bedingungen auf dem Zwischendeck waren – wahrscheinlich war es dort dunkel, überfüllt und stickig, ähnlich wie sie es aus dem Armenviertel gewohnt waren. Obwohl es sie immer noch schmerzte, dass sie Patience und ihre Familie nicht so schnell wiedersehen würde, begriff sie immer mehr, welche große Chance diese Reise bedeutete.
»Sie teilen sich je zu sechst eine Kabine«, erklärte Mrs Robb. »Wenn Sie sich zusammengefunden haben, wohnen Sie für die Dauer der Überfahrt in diesen Konstellationen.«
Mrs Robb wartete, bis alle Frauen Grüppchen gebildet hatten und wieder Ruhe einkehrte. »Es ist wichtig, dass Sie sich während der gesamten Reise streng an die Regeln der Columbia-Missionsgesellschaft halten. Die wichtigste: Es ist Ihnen verboten, zu anderen Passagieren Kontakt aufzunehmen, vor allem zu den Männern.«
Unzufriedenes Gemurmel erhob sich.
Mercy störte diese Regel nicht. Sie hatte nicht den Wunsch, jetzt oder in Zukunft irgendwelche Männer kennenzulernen. Sie sah keinen Sinn darin, da sie ja sowieso nicht die Absicht hatte, je zu heiraten. Soweit sie es beurteilen konnte, brachte die Ehe nur Streit, Untreue und Babys.
Es gab zu viele verzweifelte Frauen, die den erstbesten Mann heirateten, der ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte, weil sie glaubten, die Ehe würde sie retten. Auch etliche von Mercys Freundinnen waren einem solchen Denken zum Opfer gefallen. Eine nach der anderen hatte einen Mann aus der Nachbarschaft geheiratet. Aber statt glücklicher zu werden, hatten ihre Freundinnen jetzt nur noch mehr Probleme, besonders wenn sie Kinder bekamen, die dann an Hunger oder Krankheiten starben. Mercy hatte bislang wirklich nicht viele gute Ehen gesehen.
Aber vermutlich hofften die meisten Frauen, die an Bord der Tynemouth waren, eines Tages einen guten Ehemann zu finden.
Mrs Robb ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen. »Wenn wir in der Kolonie ankommen, werden mindestens tausend junge Männer sehnsüchtig Ihre Ankunft erwarten. Sie werden von Verehrern umringt werden und sich vor Heiratsanträgen kaum retten können.«
Diese Bemerkung löste ein aufgeregtes Kichern aus, in das Mercy nicht einstimmte. Sie wand sich innerlich bei der Vorstellung, es könnte wirklich so kommen, und betete, dass Mrs Robb übertrieb.
Die große Frau blickte jedoch genauso ernst wie ein Totengräber. »Sie verstehen hoffentlich, wie wichtig es ist, dass Ihr Ruf und Ihre Tugend in den langen Wochen auf See keinen Schaden nehmen. Sie wollen bestimmt nicht, dass auch nur der geringste Verdacht auf ein unmoralisches Verhalten einer Ehe im Weg steht. Deshalb müssen Sie sich von den Männern an Bord unbedingt fernhalten. Haben Sie verstanden?«
Die Frauen konnten ihre Aufregung kaum zügeln. Mercy konnte diese Begeisterung absolut nicht teilen.
»Ich habe gefragt, ob Sie mich verstanden haben!«, übertönte Mrs Robbs scharfe Stimme das Tuscheln.
»Ja!«, antwortete Mercy mit den anderen Frauen im Chor.
Mrs Robb würde bald merken, dass sie sich bei Mercy Wilkins in dieser Hinsicht keine Sorgen machen musste. Absolut keine Sorgen.
Kundenstimmen
Eine Echtheits-Überprüfung der Bewertungen hat vor deren Veröffentlichung nicht stattgefunden. Die Bewertungen könnten von Verbrauchern stammen, die die Ware oder Dienstleistung gar nicht erworben oder genutzt haben.
27.05.2021Lesestern 
Schiff der Hoffnung
Aufgewachsen im Armenviertel von London, erfährt Mercy Wilkins schon früh die Schattenseiten des Lebens. Als sie die Chance bekommt, ihre aussichtslose Zukunft zu ändern, begibt sie sich auf ein Schiff nach Vancouver Island, das sie weit von Zuhause wegträgt. Ihre Hoffnung ist es in einem neuen Land eine gute Anstellung zu finden, um ihre ältere schwer kranke
Schwester Patience von ihrem elenden Dasein in einem Arbeitshaus zu befreien und so schnell wie möglich alles für deren Nachreise vorzubereiten.
Mit an Bord ist Joseph Colville, ein junger und sehr begabter Arzt adliger Abstammung. Um seinen großen familiären Verlust und seine Trauer zu überwinden, reist er als Schiffsarzt in ferne Länder, immer auf der Flucht sich seiner Vergangenheit zu stellen und sesshaft zu werden. Mercy entschließt sich auch dann noch die Reise fortzusetzen, als sie erfährt, dass sie auf einem Brautschiff gelandet ist und eine der sechzig jungen Frauen ist, die als zukünftige Ehefrauen der dort ansässigen Goldsucher über eine britische Missionsgesellschaft verheiratet werden sollen. Sie sieht es als einzige Möglichkeit, um Patience Leben zu retten und ist bereit sich dieser Reise ins Ungewisse zu stellen. Unermüdlich kämpft sie zusammen mit dem jungen Schiffsarzt gegen die auftretenden und bedrohlichen Seekrankheiten der Passagiere und wird zu einer unabkömmlichen Assistentin, die stets das Wohlergehen ihrer Mitmenschen vor Augen hat. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen beiden, die entgegen aller Konventionen, Regeln und Verboten an Tiefe gewinnt...
Ein Buch, in das man in eine Welt eintaucht, in der das viktorianische Zeitalter im Jahr 1860 lebendig wird.
Standesunterschiede und Klassendenken belasten das Zusammenleben der Frauen untereinander und auch die Begegnungen von Mercy und Joseph sorgen für Probleme und Hindernisse. Jody Hedlunds Schreibstil ist angenehm und flüssig, zu lesen.
Die Handlung zieht den Leser in Bann und man kann gar nicht anders, als Seite um Seite weiter zu blättern. So versteht es die Autorin wunderbar historische Fakten mit romantischer Fiktion zu einer faszinierend-glaubensstarken Geschichte zu verweben, die für mich zu einem ganz besonderen Lesevergnügen wurde.
Ich freue mich auf weitere Fortsetzungen dieser Reihe.
› mehr...
27.04.2021Klaudia K. 
Bevor ich dich traf" ist der sehr schöne und gefühlvolle Auftakt zu einer "Brautschiff" - Trilogie von Jody Hedlund.
Die Handlung beginnt in England um das Jahr 1860. Die gerade erst 18 jährige Mercy Wilkins kümmert sich mit Hingabe um die schwachen kleinen Kinder in ihrer durch Armut und Not geprägten Umgebung. Obwohl Mercy selbst zu den Armen gehört und
nichts anderes als Hunger und Entbehrung kennt weiß sie, dass es in ihrer Welt noch bedauernswürdige Geschöpfe gibt. Mit sehr viel Herzblut gibt sie alles, nur um den noch mehr an Not leidenden helfen zu können.
Zu ihrer älteren Schwester Patience, die im Arbeitshaus beschäftigt ist, hat sie eine innige und besonders tief gehende Verbindung. Patience rät Mercy dazu, mit dem Schiff nach Kanada zu reisen um sich dort ein besseres Leben aufzubauen. Mercy sieht im fernen Land eine bessere Chance, zunächst das notwendige Geld zu verdienen, um dann Patience nachkommen zu lassen. Mit diesem vielversprechenden Plan vor den Augen lässt sie sich auf das Abenteuer ein und beginnt mit weiteren 60 Waisenkindern die gewagte Reise in das Unbekannte.
Auf der Überfahrt lernt Mercy den Schiffsarzt Lord Joseph Colville kennen und assistiert diesem bei jeder Gelegenheit. Schon bald wird sie für ihn unentbehrlich. Während ihrer gemeinsamen Arbeit in der Praxis lernen sich die Beiden besser kennen und letztendlich auch lieben. Die Standesunterschiede machen eine ernsthafte geinsame Zukunft jedoch unmöglich.
Mercy ist eine herzliche und zu tiefst mitfühlende junge Frau. Sie ist sehr klug und hübsch. Allerdings stammt sie aus einer großen und sehr armen Familie, die selten viel zu essen hatte, was sie in jener Zeit zur gesellschaftlichen Unterschicht degradierte. Durch ihr aufopferndes, liebevolles Engagement für not leidende Menschen nennt man sie "Engel der Barmherzigkeit" - und das mit Recht.
Der Schiffsarzt Joseph Colville verlor seine Eltern und seinen Bruder an die Cholera. Er kann sich nicht damit abfinden, dass er lebt und seine Verwandten so früh sterben mussten. Diese Selbstvorwürfe lassen Joseph
stets auf der Flucht sein. So reist er unstetig durch die ganze Welt, nur um nicht sesshaft zu werden.
Mercy gelingt es durch ihr gutes Herz jedoch zur Seele dieses traumatisierten Menschen vorzudringen. Mercy, die wie er ebenfalls viel Schmerz und Trauer in sich trägt, ermöglicht es ihm seinen Verlust zu verarbeiten und schließlich zu bewältigen. Joseph ist aufrichtig, freundlich und großzügig. Er macht keine Unterschiede zwischen den
Menschen.
Als Mercy eher zufällig auf dem Schiff erfährt, dass es sich um ein sogenanntes "Brautschiff" handelt und sie zu denen gehören soll, die zur Heirat nach Kanada gebracht werden, wehrt sie sich vehement gegen diese Absichten.
Der Autorin Jody Hedlund gelingt es auf mehr als bemerkenswerte Weise die Atmosphäre auf einem solchen großen Brautschiff einzufangen: Der Leser erfährt hautnah mit, wie sehr die unerfahrenen Passagiere unter
der Seekrankheit leiden und wie beängstigend die orkanstarken Stürme auf hoher See wüten. Die enorm emotional bewegende Erzählkunst der Autorin lassen den gebannten Leser die Naturgewalten mit Gänsehaut miterleben und um das Leben der Romanfiguren bangen. Die klare saubere Sprache und die christlichen Passagen geben dem Roman einen ganz besonders schönen und besonderen Glanz. Die wunderschöne, malerische Erzählkunst, ihre einfühlsamen und sehr sorgfältig gewählten Worte machen diesen beeindruckenden Roman zu einem ganz besonders schönen und zu tiefst liebenswerten Lesegenuß.
Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung dieser Brautschiff - Serie.
Einen ganz besonders herzlichen Dank an den Francke Verlag für die Publikation dieses außerordentlich schönen und gefühlvollen Buches.
› mehr...
21.04.2021Nicole 
Auftakt einer vielversprechenden Saga
London 1862 - Die junge und aufopfernde Mercy Wilkins ist in einem der ärmsten Viertel der Stadt zu Hause. Trotz der fürchterlichen Lebensverhältnisse versucht sie allen zu helfen, wo sie nur kann. Um ihre Familie zu entlasten ist bereits ihre große Schwester ins Armenhaus gezogen. Nun ist auch Mercy gezwungen, die Familie zu verlassen. Schneller als
ihr lieb ist, landet sie auf einem Schiff in die britischen Kolonien, da sie in England keine Zukunft für sich und ihre Schwester sieht. Allerdings erfährt sie zu spät, dass es sich um ein sog. Brautschiff handelt und sie in der Neuen Welt umgehend verheiratet werden soll. Der Schiffsarzt Lord Joseph Colville steht ihr während der beschwerlichen Überfahrt stets zur Seite. Ob er sie auch vor der Zwangsheirat bewahren kann"
Sehr gekonnt verbindet die Autorin reale historische Begebenheiten mit einer fiktiven Geschichte rund um Mercy und Joseph. Auch die damaligen Lebensumstände und sozialen Strukturen sind sehr gut beschrieben und eingebaut. Ebenso die beschwerliche Überfahrt, die Behandlung der potentiellen Bräute und die Beschauung bei der Ankunft werden sehr eindrucksvoll geschildert.
Sowohl Haupt- als auch Nebencharaktere sind absolut authentisch und detailliert beschrieben. Zu Vielen baut man sehr schnell eine Sympathie auf. Einige der Nebencharaktere bekommen ihren eigene Platz in der Geschichte und sind nicht nur simple Randfiguren, auch die etwas unangenehmeren Zeitgenossen finden ihren Platz. Besonders bei den beiden Hauptprotagonisten Mercy und Joseph kann man eine enorme Entwicklung miterleben, die uns dann dieses wunderschöne Ende beschert.
Die Autorin hat einen sehr angenehmen, flüssigen aber auch lebhaft fesselnden Schreibstil. Ereignisse, Orte und Personen hat sie wunderbar beschrieben, sich darin aber nicht ausufernd verloren. Stets war es spannend und mitreißend, da es immer wieder neue Wendungen und Herausforderungen gab. Die Kapitel hatte eine angenehme Länge und auch die abwechselnde Perspektive von Mercy und Joseph haben mit gut gefallen.
"Bevor ich dich traf" von Jody Hedlund ist der Auftakt zur dreiteiligen Brautschiff-Saga und der erste Roman, den ich von der Autorin gelesen habe - vermutlich aber nicht der Letzte.
Insgesamt hat mich das Buch rundum überzeugt und ich bin gespannt auf die Fortsetzung. Definitiv empfehlenswert!
› mehr...
20.04.2021YumikoChan 
Der historische Roman Bevor ich dich traf von Jody Hedlund beruht auf wahren Begebenheiten und ist der Auftakt der Brautschiff Saga.
*Die Hauptprotagonisten: ~VORSICHT SPOILER~*
Mercy Wilkins:
Mercy ist 18 Jahre alt und in einem der ärmsten Vierteln London aufgewachsen. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um alle, denen es noch schlechter geht als ihr. Um sich und ihrer Schwester ein besseres Leben zu
ermöglichen, begibt sie sich auf die Tynemouth, bekommt dabei aber nicht recht mit, dass es sich um ein Brautschiff handelt...
Joseph Covile:
Joseph ist Lord von Winshire, hält aber nicht sehr viel von den Pflichten, denen er als solcher erfüllen müsste und segelt deshalb als Schiffsarzt durch die Welt. Als er Mercy an Bord der Tynemouth kennen lernt, gerät diese jedoch ziemlich ins Wanken.
William Richard Scott:
Mr. Scott ist Pastor und wird von der Columbia Missionsgesellschaft, als eine Art Aufpasser auf das Brautschiff geschickt. Er nimmt seine Aufgabe manchmal viel zu ernst und ist - ohne es wirklich zu merken - sehr aufdringlich.
Zudem hält er nicht viel von Menschen, die gesellschaftlich unter ihm stehen...
Arabella Larewnce:
Ms. Lawrence ist eine der Passagiere auf der Tynemouth. Als sie seekrank wird, kümmert sich Mercy hingebungsvoll um sie. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich dadurch eine zarte Freundschaft...
Velva Moresby:
Mrs. Moresby ist Mitglied des Fraueneinwanderungskomitees von Victoria und ist zudem eine imposante, aber gutherzige Frau, die gerade Mercy sehr hilft...
Sarah, Ann, Minni, Flo & Kip:
Diese fünf jungen Mädchen sind auf dem Schiff Mercys Zimmergenossinnen. Auch sie segeln mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Victoria...
*Meine Meinung: ~VORSICHT SPOILER~*
Die englische Autorin Jody Hedlund begibt sich mit ihrem Roman Bevor ich dich traf rund um die Brautschiff - Saga zum ersten Mal auf hohe See und verbindet damit wahre Begebenheiten mit fiktionalen Ansätzen so gekonnt, dass ich gar nicht anders konnte, als allein von dieser Thematik total gefesselt zu werden..
Die Tynemouth war eines dieser Brautschiffe und brachte im Jahre 1860 etwa sechzig ledige Frauen von London nach Kanada, um sie dort an die - in der Überzahl lebenden - Männer zu verheiraten. Ganz besonders toll fiand ich die tiefe und wunderbare Atmosphäre, die die Autorin mit ihren Beschreibungen zu schaffen wusste. Dies gilt in erster Linie für die Szenen auf dem Schiff. Man fühlte sich fast so, als wäre man selbst mit an Bord. Mercy, dessen Name nicht besser zu ihrem Charakter passen könnte - ist eine hingebungsvolle junge Frau, die es versteht, dass es wichtig ist sich immer um die zu kümmern, die ärmer dran sind als man selbst. Ich mochte sie gerade deshalb sehr, weil sie in ihren jungen Jahren schon so erwachsen wirkte, es tatsächlich war. Auch, wenn sie das wohl sogar musste. Ich vergass sogar des Öfteren, dass sie erst achtzehn ist...
Joseph als sekundärer Hauptcharakter ist in seinem Handeln - aus bestimmten Gründen - anfangs sehr ruhelos, muss im Laufe der Geschichte erst lernen, was wirklich wichtig für ihn ist, was im Leben zählt. Aber auch ihn mochte ich von Anfang an, als Protagonist sehr gerne...
Auch alle anderen handelnden Figuren bekamen ihren gerechten Platz in der Geschichte. Hervorzuheben ist hier deutlich Mrs. Moresby, die ich seit ihrem ersten Auftauchen in Victoria die gesamte Zeit hätte umarmen und sagen können: "Danke, danke, danke!" Sie war einfach so vorausschauend und phänomenal in ihrem Handeln, in dem was sie sagte. Eine absolute Bereicherung für die gesamte Story...
Der Schreibstil von Jody Hedlund ist absolut toll und passend für einen historischen Roman. Man merkt das ganze Buch über, dass sie gut recherchiert, aber sich eben auch genug künstlerische Freiheit gelassen hat, um eine gute Balance für alles gefunden hat, was für diese Erzählung so wichtig war...
Schlussendlich ist zu sagen, dass ich sehr hoffe, dass die folgenden Bände ebenfalls ins Deutsche übersetzt werden und wir somit schon bald neuerlich in den Genuss kommen, diese Saga weiter verfolgen zu dürfen...
*Mein abschließendes Fazit:*
Ein toller historischer Roman, der mit einer unglaublich tiefen und einzigartigen Atmosphäre aufwartet. Ein schönes Leseerlebnis! <3 <3 <3
› mehr...
12.04.2021dorli 
England, Mai 1862. Mercy Wilkins ist im Londoner Armenviertel Shoreditch aufgewachsen. In der Hoffnung, sich selbst und ihrer in einem Arbeitshaus lebenden Schwester ein besseres Leben zu ermöglichen, beschließt sie, das Angebot der Columbia-Missionsgesellschaft anzunehmen und nach British Columbia auszuwandern. Sie begibt sich an Bord der Tynemouth - dass es sich dabei um ein Brautschiff handelt und von ihr
erwartet wird, nach ihrer Ankunft einen der unzähligen in der Kolonie lebenden ledigen Männer zu heiraten, erfährt Mercy erst, als sie bereits unterwegs ist"
Lord Joseph Colville ist Arzt geworden, weil er noch nicht bereit ist, sein Erbe anzutreten und den Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der für ihn vorgesehen ist. Als Kapitän Alfred Hellyer ihm die Möglichkeit bietet, als Schiffsarzt auf der Tynemouth anzuheuern, sagt er daher ohne zu zögern zu"
Jody Hedlund wartet in ihrem Roman "Bevor ich dich traf" mit einer wunderbaren Mischung aus Historie und Liebesgeschichte auf. Grundlage für diesen ersten Band ihrer Brautschiff-Saga sind die realen Begebenheiten rund um die Fahrt des Brautschiffes Tynemouth von England nach Victoria/British Columbia im Jahr 1862. Zudem widmet Jody Hedlund sich intensiv den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen des 19. Jahrhunderts und zeigt auf, wie tief das Standesdenken in den Menschen verwurzelt war.
Der Autorin gelingt es ganz hervorragend, die schrecklichen Lebensumstände in Londons Armenvierteln mit wenigen Worten anschaulich zu schildern. Armut, Elend, Hunger, womöglich Prostitution - angesichts solch düsterer Zukunftsaussichten kann man gut nachvollziehen, dass eine junge Frau es vorgezogen hat, eine Reise ins Ungewisse zu wagen und sowohl die grausamen Strapazen einer monatelangen Überfahrt wie auch die Verpflichtung, einen völlig fremden Mann zu heiraten, in Kauf zu nehmen.
Die Geschichte von Mercy und Joseph wird fesselnd erzählt und steckt voller mitreißender Emotionen. Beide Protagonisten sind äußerst liebenswert - Mercy kümmert sich selbstlos um diejenigen, denen es noch schlechter geht, als ihr selbst. Sowohl in London wie auch auf dem Schiff ist sie für jeden da, der Hilfe braucht. Und Joseph legt keinen Wert auf die Privilegien seines Standes, sondern ist mit Leib und Seele Arzt und versorgt aufopfernd jeden Patienten, unabhängig davon, wer er ist und woher er kommt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie Jody Hedlund das Band zwischen diesen beiden Menschen, die aus so gänzlich unterschiedlichen Welten kommen, immer stärker werden lässt. Das gemeinsame Pflegen und Heilen der Kranken und Verletzten auf der Tynemouth schweißt Mercy und Joseph zusammen. Sie fühlen sich mehr und mehr zueinander hingezogen. Dennoch ist beiden bewusst, dass die Standesunterschiede eine gemeinsame Zukunft unmöglich machen"
"Bevor ich dich traf" hat mir sehr gut gefallen - der lebendig erzählte Mix aus historischen Fakten und fiktiver Liebesgeschichte ist durchweg fesselnd und hat mich bestens unterhalten.
› mehr...
06.02.2021Monika S.-W. 
Ein zu Herzen gehender Roman, der mir sehr gefallen hat. Kern ist die große Diskrepanz zwischen arm und reich und das Verhalten der Menschen untereinander. Dass Menschen auch da zusammenkommen können, zeigt diese Geschichte deutlich. Ich denke, die Liebe zu Gott ist da der entscheidende Faktor.