Nun habe ich erfahren, wer sich so viel Mühe macht, um uns Kirchenbesuchern solche Freude zu bereiten. Auch das ist wahrer Dienst für Gott, unsere Herzen durch ein geschmücktes Gotteshaus für die Botschaft des Evangeliums bereit zu machen. Vor allen Dingen an Festtagen kann ich meinen Blick kaum von all der blühenden Pracht vor dem Kreuz abwenden. Weihnachten, Ostern, Pfingsten, bei Konfirmationen, Taufen Hochzeiten und vor allem am Erntedankfest ist unsere Kirche reich geschmückt. Jahraus, jahrein erstrahlt das Gotteshaus im Glanz der herrlichen Natur. Die Opferbereitschaft und den wöchentlichen Dienst für Gott bewundere ich an diesem Holländer.
Heute will ich ihm meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen und betrete seinen Laden. Freundlich begrüße ich ihn und spreche ihm ein kräftiges Lob aus. „Ich werde meiner großen Verwandtschaft und meinen Freunden von Ihrer Liebe zu Gott erzählen. Schade, dass ich erst heute von Ihrem Einsatz erfahren habe. Gott selbst möge Ihren Dienst segnen und Ihnen viele Kunden in Ihr Geschäft führen. Herzlichen Dank!“
Der Blumenhändler drückt mir fest die Hand. „Sie sind die Erste, die mir diese guten und ermutigenden Worte sagt“, lächelt er mich an. Dann schaut er sich in seinem Geschäft um, zieht eine wunderschöne rote Rose aus einer Vase und überreicht mir fröhlich diese Blume. Ich will abwehren, aber der Verkäufer bleibt standhaft. „Nehmen Sie sie bitte, ich freue mich, wenn sie Ihr Zimmer schmückt. Diese Rose ist für Sie persönlich.“
Mir tun seine Worte wohl. Auf dem Weg nach Hause muss ich denken: Wie viele Möglichkeiten bieten sich, Gott zu dienen. Durch diesen Blumenschmuck auf dem Altar wird mir dieses Gotteshaus noch lieber.
Nun will ich noch einen kurzen Nachtrag folgen lassen.
Seit einiger Zeit lese ich in meiner morgendlichen Andacht die Auslegungen von Thomas a Kempis aus seinem Buch „Über die Nachfolge“. Ich bin so glücklich, dass ich in diesem alten, schon äußerlich recht schäbigen Büchlein reiche Schätze finde. Besonders werde ich darin zur Liebe ermutigt und lese mir zur Erbauung folgenden Abschnitt:
„Das äußere Werk ohne Liebe nützt nichts; was aber aus Liebe getan wird, wie klein und verachtet es auch sei, trägt reiche Frucht. Denn vor Gott wirkt die gute Absicht mehr als das äußere Werk, das einer tut.
Viel tut, wer viel liebt.
Viel tut, wer wohl tut.
Wohl tut, wer mehr der Gemeinschaft als dem eigenen Willen dient.
Oft scheint Liebe, was viel mehr fleischlicher Sinn ist; denn natürliche Neigung,
eigener Wille, Hoffnung auf Lohn oder Liebe zur Bequemlichkeit sind uns selten fern.
Wer die wahre und vollkommene Liebe hat, sucht in keiner Sache sich selbst, sondern wünscht, dass alles zur Ehre Gottes geschieht.
Er beneidet keinen, weil er kein ausschließliches Vergnügen liebt, noch in sich selbst glücklich sein will, sondern über alles irdische Gut in Gott selig zu sein wünscht.
Niemandem schreibt er etwas als sein eigen zu, sondern führt es ganz auf Gott zurück, von dem alles Gute kommt, in dem endlich alle Heiligen mit reicher Frucht
von ihrer Arbeit ruhen werden.
O, wer nur ein Fünklein dieser wahren Liebe hätte, der würde erkennen, dass alles Irdische voller Eitelkeit ist.“
So bete ich mit diesem Mönch:
„O du ewiges Licht, das alle geschaffenen Lichter an Klarheit übertrifft! Lass deinen Strahl in meine Seele blitzen und mein innerstes Herz durchdringen.
Reinige, erfreue, erleuchte und belebe meinen Geist, dass er dir anhange mit jubelndem Entzücken. Amen!“
TRAURIGKEIT AN EINEM SCHÖNEN TAG
Heute bin ich niedergeschlagen. In einer großen Stadt in Norddeutschland war ich zu Vorträgen eingeladen. Tüchtig hatte ich für diese acht Tage gearbeitet, um die Teilnehmer ins Wort Gottes mitzunehmen. Fröhlich war ich dann zu diesem Gästehaus gefahren. Aber nach einigen Tagen machte ich eine böse Entdeckung. Eine Dame hatte gleich mehrere Bücher gekauft und mir einen größeren Schein dafür gegeben. Aber als ich diesen in mein Portemonnaie legen wollte, konnte ich es nicht finden. Ich suchte überall danach und musste schließlich feststellen, dass es mir abhandengekommen war. Es waren wohl etwa 350 Euro darin. Noch nie bin ich auf Freizeiten bestohlen worden und ich wollte auch nicht meiner Traurigkeit Raum geben; denn jeden Tag musste ich aufs Podium steigen und Bibelarbeiten und Vorträge halten. Dazu brauchte ich eine fröhliche Ausstrahlung. Aber wenn ich abends schlafen ging, wurmte mich der Verlust doch sehr. Es war mir heilsam, dass ich mich an ein Wort erinnern konnte, das ich früher mal mit meinem Mann in einer Notsituation erhalten hatte.
Wir waren mit unserem Hausbau in Bedrängnis geraten und hätten am 10. August 1000 DM zurückzahlen sollen. Aber wir hatten uns verrechnet und nun fehlte uns das Geld. Mein Vater hatte uns schon einmal ausgeholfen, doch wir wollten jetzt seine Liebe und Freundlichkeit nicht schon wieder ausnutzen. So machte ich meinem Mann den Vorschlag, den Betrag von unserem Missionsopfer zu nehmen und dies dann wieder später anzusparen. Aber mein Mann verwarf diesen Gedanken und sagte: „Was Gott gegeben ist, das ist gegeben. Das Geld für die Mission bleibt unangetastet auf diesem Sparbuch.“ Er selbst litt auch darunter, dass wir in einen solchen Engpass geraten waren. 1000 DM waren für ihn als Berufsanfänger sehr viel Geld.
Am Abend vertiefte er sich in Texte der Heiligen Schrift, während ich in die Bibelstunde ging. Wegen unserer kleinen Kinder musste immer einer von uns zu Hause bleiben. Als ich zurückkam, teilte er mir mit: „Lotte, ich bin soeben über unserem Problem zur Ruhe gekommen. Ich habe in 2. Chronik 25,9 gelesen: Der Herr hat noch mehr, das er dir geben kann, denn dies. Ich habe den Eindruck, dass Gott mir dieses Wort in meiner Notlage zuspricht. Nun bin ich gespannt, wie die Sache mit unserem Darlehen ausgehen wird.“
Am nächsten Tag feierte mein Mann seinen 30. Geburtstag. Von meinem Vater erhielt er Glückwünsche auf einer Postkarte. Ganz am Rand stand dann noch ganz klein gedruckt folgende Mitteilung: „Karl-Heinz, wenn du Geld brauchst, dann melde dich. Ich habe für dich noch 1000 DM gespart.“ Als mein Mann mir dies vorlas, hätte ich vor Freude tanzen können. Gott hatte auf wunderbare Weise in unsere Notlage eingegriffen. Sein Wort aus dem Alten Testament hatte er erfüllt.
Natürlich weiß ich, dass ich nicht noch einmal solch ein Wunder erleben würde. Aber ist Gott nicht heute noch derselbe? In ihm kann ich geborgen sein und zur Ruhe finden. So betete ich: „Vater im Himmel, du kannst den Dieb willig machen, mir meine braune Ledertasche wieder zurückzusenden. Auf alle Fälle aber bitte ich dich: Segne diesen Menschen und begegne ihm, dass er bei dir Vergebung seiner Schuld sucht. Ich will ihm auch verzeihen.“
So kam mein Herz bei Gott zur Ruhe.
Und Thomas a Kempis schreibt in seinem Buch „Nachfolge“:
„Es ist nicht schwer, den menschlichen Trost gering zu achten, wenn der göttliche da ist. Groß, sehr groß ist beides, menschlichen und göttlichen Trost entbehren können und zur Ehre Gottes gern die Verlassenheit des Herzens ertragen wollen, ihn nicht bei sich selbst suchen, noch nach eigenem Verdienst trachten. Was ist es Großes, wenn du fröhlich und andächtig bist, wenn die Gnade dich heimsucht. Eine solche Stunde ist allen erwünscht. Und was Wunder, wenn der keine Last fühlt, der von dem Allmächtigen getragen und von dem höchsten Führer geleitet wird.“
Außerdem telefonierte ich noch mit meinem Sohn. In Bad Sooden-Allendorf ist er junger Pfarrer. Nach unserer Reise fragte er mich, wie es uns ergangen sei. „Eigentlich ganz gut. Nur ein Missgeschick hat sich auf der Freizeit ereignet. Mir wurde das Geld, das so viel ausmacht wie meine Mütterrente und noch etwas mehr, entwendet. Das tut mir schon sehr leid.“
Prompt antwortete mir Daniel: „Ach Mama, lass dich nicht durch diesen Geldverlust niederdrücken. Mir ist es ähnlich ergangen. Bei uns ins Pfarrhaus ist ein Dieb eingedrungen. Er hat meine wunderschöne Geldtasche geraubt mit etwa genauso viel Geld, wie dir gestohlen wurde. Darin hatte ich auch meinen Pass, den Führerschein und eine Reihe anderer wichtiger Dokumente. Das hat mich am meisten bekümmert. Aber stell dir vor: Als ich etwas später in die Kirche ging, die dicht neben unserem Pfarrhaus steht, fand ich die Geldtasche unter einem Sitzkissen. Die Moneten waren allerdings verschwunden. Die Papiere aber lagen alle noch darin. Da wurde ich recht froh, dass mir viel Lauferei bei den Behörden erspart geblieben war. Auch war ich glücklich, dass ich meine Geldtasche wieder erhalten hatte, denn sie war ein Geschenk von meiner Schwiegermutter. Mutti, ärgere dich nicht über diesen Diebstahl. Ich tue es auch nicht. Dir wünsche ich Gottes Segen und frohen Mut zu all deinen Vorträgen.“
Ich überlegte nicht lange und beschloss, Daniel eine Freude zu machen; denn er hatte mich sehr getröstet. Ich würde ihm ein Geldgeschenk zukommen lassen. Mit seinen drei Kindern wird er für die Urlaubszeit diese Gabe gut gebrauchen. Ich bin doch seine Mutter.