So wie das mit der Schokocreme im Gesicht. Nur weil ich während der Sportstunde kurz in die Umkleide gegangen bin, um von meinem Brot abzubeißen. Ich war einfach hungrig! Leider hatte ich dem Lehrer gesagt, ich müsste auf die Toilette. Du kannst dir ja denken, was die anderen da auf meiner Wange vermutet haben.
Aber dann werden aus diesen unangenehmen Sachen eben auch wieder schöne. Luca hat sich zum Beispiel kaputtgelacht, als ich ihm davon erzählt habe. Es gibt nichts Schöneres, als den besten Freund zum Lachen zu bringen. Obwohl, eins kommt schon nah dran: neue Freunde zu finden. So wie wir, als wir dieses Jahr in den Osterferien nach Kroatien fahren mussten.
Eigentlich hatten wir alle keine richtige Lust dazu. Stundenlang Auto fahren, nur um ein paar Tage auf einer steinigen Insel zu verbringen? Im Frühling, wenn das Meer noch zu kalt zum Baden ist? Das klang nicht besonders verlockend.
Papa versuchte es zwar schönzureden, aber das klappte nicht. Die ganze Reise fand sowieso nur statt, weil er in Kroatien arbeiten musste. Er ist Software-Entwickler und wollte mit seinen Kollegen in Zadar (das ist eine Stadt in Kroatien) irgendwas austüfteln. Mama fand es super, weil sie Bekannte hat, die dort in der Nähe ein Ferienhaus haben. Das Haus steht auf einer Insel, auf der es folgende tolle Dinge gibt: keine.
Dachten wir.
Wir hatten ja keine Ahnung, was wir alles erleben würden.
Die Schlange war nur der Anfang. Sie hat Hummel und mich zwar zu Tode erschreckt – aber dann war sie irgendwie auch der Grund dafür, dass Neva uns ihr Geheimnis erzählt hat. Dadurch fing das ganze Abenteuer erst so richtig an.
Willst du wissen, was passiert ist?
Dann mach dich bereit für eine Geschichte, die du genauso gut erlebt haben könntest wie ich. Vorausgesetzt natürlich, du würdest freiwillig in ein Boot steigen, das von einem zwölfeinhalbjährigen Mädchen gesteuert wird, welches du erst am Tag zuvor kennengelernt hast. Mit deinen Brüdern, von denen der eine nicht schwimmen kann und der andere Schlangen in seiner Umhängetasche schmuggelt.
Aber ich fange mit dem Erzählen vielleicht besser ein bisschen weiter vorne an …
Warum ich wirklich mies gelaunt war
Ich bin übrigens Emmi, falls ich vergessen haben sollte, mich vorzustellen.
Mein dreizehnter Geburtstag war genau drei Wochen her, als wir auf dem Himmelhof ins Auto stiegen. Meine Familie und ich, wir wohnen im Erzgebirge auf einem Bauernhof. Ich habe fünf Geschwister, zwei sind älter und drei jünger als ich.
Meine Eltern kennen sich, seit sie zusammen studiert haben – Papa Informatik und Mama Psychologie. Nach der Uni haben sie geheiratet und ziemlich viele Kinder bekommen (also uns, logischerweise). Dazu noch Bella – die liebste Hündin der Welt –, eine Kuh, drei Schafe und eine ganze Menge Hühner.
Bella durfte nicht mit nach Kroatien fahren. Hummel war darüber todtraurig, weil er sie über alles liebt. Ich konnte verstehen, dass die lange Fahrt zu viel für sie gewesen wäre. Außerdem blieb Sofi ja auch zu Hause. Sie ist schon siebzehn und wollte die Osterferien lieber mit ihrem Freund Paul verbringen.
Jedenfalls fuhren wir an diesem Tag abends los, weil Mama und Papa den größten Teil der Strecke in der Nacht hinter sich bringen wollten, während wir schliefen.
Das Problem war nur, dass der Start nicht ganz so friedlich verlief wie geplant. Hummel heulte wie verrückt und wollte ohne Bella nicht ins Auto steigen. Davon war Jo extrem genervt, was wiederum mich aufregte. Also versuchte ich, der Situation zu entfliehen. Ich packte mein Lieblingskissen und eine Decke an meinen Platz, schnallte mich an und kuschelte mich ein. Auf die Ohren kam mein neuer Kopfhörer, Playlist an, fertig. Die Welt war ausgeblendet und ich konnte entspannen.
Es sind eintausendeinhundertfünfzig Kilometer Fahrt von meinem Heimatort bis auf die Insel Pag in Kroatien. Ungefähr achthundert davon habe ich verschlafen. Ich bin sehr gut im Schlafen. Wenn es eine olympische Disziplin »Tiefschlaf« gäbe, hätte ich Chancen auf den Weltmeistertitel.
Jo dagegen war wach. Nach eigenen Aussagen die ganze Reise über. Ich glaube das zwar nicht, aber spätestens für die Strecke ab der Grenze zu Österreich wird es schon stimmen. Er zählte nämlich die Tunnel, durch die wir fuhren. Zwei davon waren so lang, dass ich Platzangst bekommen hätte. Aber ich habe sie ja verschlafen.
Als wir endlich in die Nähe der Insel kamen, war ich wach und ehrlich aufgeregt. Eigentlich sah das Meer nämlich von Weitem doch sehr schön aus. So blau und glitzernd.
Unser Auto rollte über eine Brücke und ich schaute staunend auf das weite Wasser. Weiße Segel von Booten, die wie Spielzeug aussahen, wogten auf den Wellen. Es war windig und die Sonne strahlte vom klaren Himmel.
Doch, ich kam in Urlaubslaune.
Selbst Hummel und Lany hatten glänzende Augen. Nur Jo guckte mürrisch, weil er ja nicht geschlafen hatte.
Er meckerte: »So eine kurze Brücke? Ist ja gar keine richtige Insel.«
Ich verdrehte die Augen. Klar ist es eine Insel, wenn ringsherum Wasser ist. Obwohl ich auch ein bisschen mehr erwartet hatte.
Sam schaute die ganze Zeit nur auf sein Handy.
Das Meer war wirklich wunderschön blau, aber der Rest der Gegend sah trostlos aus. Eine richtige Felsenwüste. Ich hatte schon gewusst, dass in Kroatien die Berge bis ans Meer gehen. Aber hier sah es aus, als hätte jemand einfach eine große Ladung Steine hineingekippt.
»Mondlandschaft«, murmelte Jo.
Ich musste ihm recht geben. Deshalb stellte ich mir vor, unser Auto wäre ein Raumschiff. Wir hätten einen neuen Planeten entdeckt und würden ihn erforschen.
Ich hätte nicht gedacht, wie nah diese Fantasie doch an der Wirklichkeit dran sein würde. Neva und die anderen kamen mir am Anfang nämlich wirklich wie Aliens vor.
»Jetzt sind wir bald da«, erklärte Mama, die am Steuer saß.
Jo kniff die Augen zusammen und maulte: »Wohnen hier überhaupt Menschen? Sieht nicht danach aus.«
Auch damit hatte er leider recht. Zwar kamen uns einige Autos entgegen, aber Häuser gab es nicht.
Papa zeigte auf ein Gebäude, das auf einem steinernen Hügel hinter einem Streifen blauem Meer aufragte. »Dort gab’s jedenfalls früher welche«, meinte er schmunzelnd.
Jo zog die Nase kraus. Die Steine des Gebäudes hatten dieselbe Farbe wie der Fels, auf dem es stand. Kein Dach, keine Fenster, keine Türen. Es sah aus wie die Ruine einer Burg. Nur dass alles von der Sonne ausgebleicht war. Ohne das funkelnde Wasser hätte es gruselig gewirkt.
»Wartet mal ab. Ein Stück weiter wird die Insel grüner. Aber hier haben Pflanzen keine Chance. An anderen Stellen ist die Küste bewachsen. Da, wo unser Ferienhaus steht, gibt es auch Menschen.« Mamas Stimme klang glücklich. Das war schön und es machte mich irgendwie auch froh. Außerdem stimmte, was sie sagte. Nach einer Weile wurde die Landschaft schöner. Kleine Bäume und so was wie Wiesen (allerdings immer noch mit sehr vielen Steinen) waren zu sehen.
Schließlich bogen wir von der Hauptstraße ab.
Ich hatte echt Angst, das Ferienhaus würde mitten in diesen steinigen Bergen an einem einsamen Hang stehen, weit weg vom Strand. Aber dann fuhren wir durch eine Kurve und da war es wieder: das Meer! Ziemlich nahe am Strand standen siebzehn Häuser.
Ich habe sie gezählt.
Auf den ersten Blick wirkten sie auch wie ausgestorben. Mama fuhr ganz langsam an ihnen entlang. Da entdeckte ich Weinpflanzen, die sich an den Wänden entlangrankten. Wäscheleinen, an denen bunte Kleidungsstücke im Wind flatterten. Und Hühner! Ach, ich liebe Hühner. Wir haben selbst welche, und wo Hühner sind, da fühle ich mich wohl.
Dachte ich.
Schließlich hielt Mama vor dem Haus ganz am Ende der kleinen Siedlung. Es war früher offenbar einmal rosa gewesen, inzwischen war die Farbe aber total verblasst. Von den weißen Fensterrahmen blätterte der Lack ab. Neben der Eingangstür lehnte ein Fahrrad an der Wand, das schon dicht von einer rankenden Pflanze überwuchert war.
Hummel reckte den Hals und fragte: »Wo ist denn der Pool?«
»Hinterm Haus«, gab Mama zurück, während sie auf einer winzigen Fläche zwischen Hauswand und einer Steinmauer einparkte.
»Ich will auch in den Pool!«, quiekte Lany und löste ihren Gurt.
Papa versuchte, die Kleinen zu beschwichtigen: »Immer mit der Ruhe.«
In diesem Moment kamen zwei Frauen aus dem Haus. Ich wusste zwar, dass es Mamas Freundinnen sein mussten, aber ich mag es einfach überhaupt nicht, fremde Menschen kennenzulernen.
Dass die beiden erst der Anfang waren, war mir da noch nicht klar.
Jedenfalls versuchte ich, ein halbwegs freundliches Gesicht zu machen, während wir fünf Geschwister uns aus dem Wagen schälten. Unsere Beine waren ziemlich steif von der langen Fahrt. Ein frischer Wind begrüßte uns. Irrte ich mich oder roch er nach Meer? Der nächste Geruch, der meine Nase beanspruchte, war leider nicht zu ignorieren. Eine füllige Frau quetschte mich an ihren Busen. Sie roch nach Parfüm und gekochtem Kohl. Unangenehm.
»Willkommen!«, gurrte sie, als wäre ich ihr lang vermisstes Enkelkind. Obwohl, im Nachhinein betrachtet war sie wohl etwa so alt wie meine Mutter. Aber mir kam sie viel älter vor. »Kommt, kommt, ich habe leckere Sachen für euch vorbereitet!«
Mama verhinderte, dass ich direkt ins Haus geschoben wurde. »Nimm bitte gleich deine Tasche mit rein«, bat sie mich.
Hummel, Jo, Sam und Lany waren schon mit Gepäckstücken beladen, die Papa aus dem Kofferraum holte.
Ich stellte mich zu ihm und schaute in das fast leere Auto. »Wo ist denn meine … Oh nein.« Mir wurde ganz heiß.
Ich wusste genau, wo meine Tasche war: zu Hause auf dem Himmelhof.
Kundenstimmen
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09.04.2024irveliest Auf dieses Buch sind wir durch das total geniale Cover aufmerksam geworden. Es ist bunt und lustig durch die Farben, aber auch etwas ernst durch einige traurige Gesichter. Es verspricht kurzweilige Unterhaltung, tolle, aber nicht nur lustige Abenteuer. Und es hat all seine Versprechen gehalten! Ich habe es sehr gerne gelesen und finde es geeignet für Selbstleser, aber auch
jüngere Kinder, die noch von ihren Eltern oder älteren Geschwistern vorgelesen bekommen, denn die Kinder, die hier mitspielen, sind circa fünf bis fünfzehn Jahre alt, und alle sind wichtig!
Die Familie Himmelhof ist schon aus dem ersten Teil der Reihe bekannt, in dem sie „die Welt retten wollten und dabei aus Versehen das Bernsteinzimmer fanden“. Hier geht es ähnlich turbulent zu, denn Herr und Frau Himmelhof reisen mit fünf ihrer sechs Kinder über die Osterferien mit dem Auto nach Kroatien und es hätte mich sehr gewundert, wenn dabei alles glatt gegangen wäre. Aber auch in Kroatien gibt es nette Menschen, die Emi, dem ältesten Kind der Familie, aus der Patsche geholfen haben, aber auch nicht so nette, denn das gleichaltrige Mädchen Neva von dort, fährt zunächst ihre Krallen gegen Emi aus. So ein Urlaubsanfang ist nicht schön, aber mit der Zeit verstehen Emi und ihre Geschwister, dass Neva eigentlich eine ganz Nette ist, mit der man sogar toll Freundschaft schließen kann.
Die neue Freundin kennt sich super aus auf der „Ferieninsel“, über deren Geschichte, aber auch über die Natur kann sie viel erzählen und weil ihr die sehr am Herzen liegt, vertraut sie den Himmelhof-Kindern ihre Sorge um ein Projekt auf der Insel an. Ebenso schüttet sie sie ihnen ihr kleines Herzchen aus, das auch wegen eines anderen Themas ganz schön schwer ist.
Ich habe mich so gefreut, dass sie ausgerechnet Emi und ihre Geschwister als neue Vertraute auserkoren hat, denn für diese fünf Kinder ist der Begriff „Freundschaft“ kein leerer Begriff. Sie legen sich ordentlich ins Zeug, um Neva in allen Belangen beizustehen und zu helfen. Ganz toll ist, dass sie damit erfolgreich sind. Das zeigt, dass auch schon Kinder, also nicht Erwachsene, das Zeug zu tollen Taten haben und eine Hilfe sein können! Das heißt, so ganz weiß ich gar nicht, ob alles reibungslos geklappt hat, denn das Buch hat ein offenes Ende, und die Dinge, vor allem die Sache mit dem Umweltschutz, kann sich da noch in alle Richtungen wenden.
Interessant gemacht sind die Bezüge zur Bibel, beziehungsweise biblischen Gestalten und Erzählungen, die immer mal wieder hergestellt werden. Nein, ich verrate jetzt nicht welche, aber ich fand es gut, dass es wohldosiert eingearbeitet wurde, an Stellen, wo es sehr gut passt. Denn dann wird man nicht überfrachtet und hat Gelegenheit, nicht nur die Geschichte an sich, sondern speziell diese Passagen etwas sacken zu lassen und darüber nachzudenken.
Mir hat dieses Kinderbuch sehr gut gefallen, auch wenn ich eigentlich schon etwas aus der Zielgruppe herausfalle. Aber Geschichten über Freundschaft, Zusammenhalt und auch ganz aktuell Umwelt- und Klimaschutz gehen doch eigentlich immer, oder?
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