Jakob war ein Mann, der mitunter krumme Wege ging, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Trotzdem hat Gott ihn nie losgelassen. Der Höhepunkt seines Lebens war der dramatische nächtliche Kampf mit Gott am Fluss Jabbok. Er ging als neuer Mensch aus diesem Kampf hervor: körperlich angeschlagen, aber innerlich neu. Als sein Lieblingssohn Joseph plötzlich »verschwand«, war er schon alt und es folgten Jahre der tiefen Trauer. Doch dahinter verbarg sich eine unsichtbare Realität: Im Himmel wurden schon die nächsten Schritte vorbereitet.
Jakobs Geschichte zeigt uns: Während sich unser kleines Leben auf der Bühne unseres Alltags abspielt, entfaltet Gott hinter den Kulissen seine Pläne.
»Noor van Haaften liebt die Bibel. Sie versteht es die alten Geschichten lebendig werden zu lassen und mit dem Leben heute zu verbinden. Ihre Auslegungen treffen ins Herz, fordern heraus und machen Mut Gott zu vertrauen. Mit ihrer Betrachtung zu Jakob setzt sie ihre Auslegung alttestamentlicher Geschichten fort. Stets stellt sie die Figuren in einen gesamtbiblischen Kontext. Dabei ergeben sich überraschende Einblicke und praktische Impulse für das Leben in der Nachfolge Jesu.« Gernot Spies, Generalsekretär der SMD
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Kapitel 1
Gott tut, was er verheißen hat
1. Mose 25,19-26
»… in Isaak soll dir ein Same berufen werden.«
1. Mose 21,12
»Isaak aber bat den Herrn für seine Frau, denn sie war unfruchtbar …«
1. Mose 25,21
»Das ist mein Trost in meinem Elend, dass deine Verheißung mich belebt.«
Psalm 119,50
Bitte lesen Sie zuerst den Bibeltext:
1. Mose 25,19-26
Es gibt einige Frauen in der Bibel, die lange Jahre kinderlos blieben.
Sie gingen damit ganz unterschiedlich um. Sarah schlug ihrem Mann Abram vor, mit ihrer ägyptischen Sklavin Hagar einen Sohn zu zeugen, was schmerzhafte und weitreichende Folgen hatte. Rahel, die Lieblingsfrau Jakobs, wurde verzehrt von Eifersucht, weil ihre Schwester Lea, die ebenfalls mit Jakob verheiratet war, ihm mehrere Kinder schenkte, während bei ihr selbst eine Schwangerschaft ausblieb. Hannah, die Frau Elkanas, die wegen ihrer Kinderlosigkeit regelmäßig von der Nebenfrau ihres Mannes gedemütigt wurde, trug ihre Trauer in Stille und suchte ihre Zuflucht bei Gott. Für all diese Frauen (und für ihre Männer) war ihre Kinderlosigkeit nicht nur schmerzhaft, sondern in der Gesellschaft, in der sie lebten, eine Schmach. In alttestamentlichen Zeiten wurde Unfruchtbarkeit sogar als Strafe Gottes angesehen. Eine zahlreiche Nachkommenschaft galt als ein Geschenk Gottes.
Kinderlos blieben auch Isaak und Rebekka. Ihrer Hochzeit ging eine faszinierende Brautsuche voran, über die in 1. Mose 24 ausführlich berichtet wird. Dieses Kapitel ist mit 67 Versen das längste im Ersten Buch Mose. Isaak war zu dieser Zeit 40 Jahre alt, sein Aufenthaltsort war die Wüste Negev oder das Südland. Er wohnte bei dem »Brunnen des Lebendigen, der nach mir schaut.« Die Lage dieses Ortes, den wir aus der Geschichte Hagars kennen, ist nicht mehr genau auszumachen. Er lag wohl zwischen Kadesch und Bered. Offensichtlich war Isaaks Vater Abraham, der ja Halbnomade war, nach dem Tod seiner Frau Sarah in Hebron weitergezogen und hatte hier seine Zelte aufgeschlagen. Rebekka, die Braut Isaaks, stammte aus der Verwandtschaft von Abraham, die in Haran, der wohl wichtigsten Handelsstadt in Mesopotamien, ihren Wohnsitz hatte. Nach der Hochzeit brachte Isaak sie in das Zelt seiner verstorbenen Mutter Sarah. »Sie wurde seine Frau und er gewann sie lieb«, lesen wir in 1. Mose 24,67. Und dann: »So wurde Isaak getröstet nach dem Tod seiner Mutter.« Es war ein vielversprechender Anfang. Sehr enttäuschend und schmerzhaft war allerdings, als sich erwies, dass Rebekka unfruchtbar war. Wie sie ihre zwanzigjährige Kinderlosigkeit empfand, wird uns nicht erzählt. Wir erfahren aber, dass Isaak sich an Gott wandte: »Isaak aber bat den Herrn für seine Frau, denn sie war unfruchtbar …« (V. 21).
Isaaks Gebet
Isaak war bei einem Vater aufgewachsen, der ganz besondere Gotteserfahrungen gemacht hatte. Er wird gewusst haben, dass Gott Abraham eine große Nachkommenschaft versprochen hatte. Dass Rebekka nicht schwanger wurde, muss für ihn nicht nur schmerzhaft, sondern im Licht der Verheißungen Gottes auch unerklärlich gewesen sein. Es war deutlich, dass die Erfüllung über ihn laufen sollte. Sein Halbbruder Ishmael war ja aus diesem Grund weggeschickt worden.
Es ist bewundernswert, dass Isaak in diesen zwanzig Jahren des Hoffens und des Immer-wieder-enttäuscht-Werdens nichts unternahm, um das Problem selbst zu lösen. Er hätte Schritte einleiten können, die in Kanaan üblich und akzeptiert waren. Sein Vater Abraham hatte sich dafür entschieden: Er hatte sich die Sklavin seiner Frau zur Nebenfrau genommen und mit ihr einen Sohn gezeugt. Isaak aber wählte einen anderen Weg. Er scheint nicht da-ran gezweifelt zu haben, dass seine Frau Rebekka, die ihm auf wunderbare Weise von Gott geschenkt worden war, die Stammmutter seiner Nachkommen sein würde. Anstatt sich eine »Leihmutter« zu suchen, wendete er sich in 1. Mose 25,21 an Gott und tat Fürbitte für seine Frau.
Hier steht kein Mann, der Gott damit konfrontiert, dass er ihm Kinder schuldig bleibt. Hier steht auch kein Mann, der seiner Frau vorwirft, dass sie versagt. Hier steht keine Rahel, die ihrem Mann Jakob einmal voller Bitterkeit sagen wird: »Schaffe mir Kinder! Wenn nicht, so sterbe ich!« Hier, in 1. Mose 25, steht ein Mann, der sein Leben und seine Zukunft in Gottes Hände legt und ihn darum bittet, seiner Frau das Geschenk der Fruchtbarkeit zu machen und dadurch die Verheißung an seinen Vater Abraham zu erfüllen. Offensichtlich ist Isaak davon überzeugt, dass Gott die Unfruchtbarkeit Rebekkas aufheben kann und dass er auf das Beten seiner Kinder achtet.
Die Worte »Er bat den Herrn …« kann man auch so lesen: »Er flehte zu Jahweh.« Wir finden hier den hebräischen Begriff »atar« vor, das man mit »auf Gott einwirken« übersetzen kann. Es ist ein Vorstoßen zu Gottes Herzen. Ein solches Beten finden wir auch bei Abraham. Als Gott ihm sagte, dass er vorhatte, Sodom und Gomorra zu vernichten, stand Abraham für diese Städte auf und drängte Gott, von seinen Plänen abzusehen. Sein Beten mutet fast frech und unverschämt an, denn Abraham ließ nicht locker, er gab nicht auf! Darf man so mit Gott umgehen? Die Antwort ist: Ja. Jesus selbst fordert uns dazu auf!
Was uns Jesus zum Gebet sagt
In seinem Gleichnis über den bittenden Freund in Lukas 11,5-10, zeichnet Jesus das Bild eines Mannes, der um Mitternacht einen ganzen Haushalt – Menschen und Tiere – mit seinem anhaltenden und lauten Klopfen aus dem Schlaf reißt, weil er Besuch bekommen hat und ein Brot braucht. So sollen auch wir lernen zu beten, sagt Jesus seinen Jüngern. Und zwar mit unablässiger Dringlichkeit. Wir sollen nicht schüchtern und leise anklopfen, in der Hoffnung, dass uns jemand hört, sondern so an die Tür hämmern, dass wir nicht zu überhören sind. Und wenn es ein bisschen dauert, bis eine Reaktion kommt, sollen wir nicht aufgeben, sondern durchhalten und einen erneuten Vorstoß wagen.
Entscheidend in diesem Gleichnis Jesu ist das Wort Freund. Einen Freund darf man nämlich stören, man darf ihn drängen. Und Gott ist unser Herr und unser Freund. In der Bibel macht er sich uns so bekannt und wir entdecken sein Wesen und seine Absichten. Wir handeln im Einklang mit seinem Wort, wenn wir ihn im Gebet bitten, freimütig, aber mit allem Respekt. Eindringlich, aber nicht aufdringlich. Beharrlich, aber nicht zwingend. Und immer mit Ehrfurcht. Dass wir vor unserem König und Herrn erscheinen und unsere Anliegen vorbringen dürfen, das ist durch Jesus möglich.
In Lukas 18,1-8 finden wir ein weiteres Gleichnis über das Beten. Hier spricht Jesus von einem harten, unzugänglichen Richter, der von einer Witwe um Hilfe gebeten wird. Anfänglich lässt sich der Richter nicht erweichen, dann aber lenkt er ein und will ihr doch helfen. Das begründet er mit den folgenden Worten: »… so will ich dennoch, weil mir diese Witwe Mühe macht, ihr Recht schaffen, damit sie nicht unaufhörlich kommt und mich plagt« (V. 5). Und dann sagt Jesus: »Hört, was der ungerechte Richter sagt! Gott aber, wird er nicht seinen Auserwählten Recht schaffen, die Tag und Nacht zu ihm rufen, wenn er auch lange zuwartet mit ihnen?« (V. 6-7).
Im ersten Gleichnis wird ein Freund in der Nacht ziemlich unsanft aus dem Schlaf geweckt und dazu gedrängt, die Tür aufzumachen; im zweiten Gleichnis finden wir einen bösen, harten Richter vor, der von einer Witwe unaufhörlich belästigt (»geplagt«) wird und sich schließlich erweichen lässt. Es sind zwei Bilder, die beide auf Gott zutreffen. Er ist der Freund, aber gleichzeitig auch der Richter. Beide hören auf unser Beten. Aber nicht unbedingt sofort! Und nicht immer so, dass wir die Erhörung unserer Gebete selbst miterleben. Letzteres war die Erfahrung einer alten Dame, die viele Jahre lang für die Bekehrung ihrer Söhne betete. Sie war fest davon überzeugt, dass Gott ihre Gebete erhören würde, aber selbst erlebt hat sie es nicht. Kurz bevor sie starb, sagte sie mir, sie rechne nach wie vor damit, dass der Herr ihre Gebete erhören würde. Und dann fügte sie hinzu: »Es sieht aber ganz danach aus, als ob ich das selbst nicht mehr erleben werde.« Andere haben ihre Gebete fortgesetzt.
Das Volk Israel bat 400 Jahre lang um seine Befreiung aus Ägypten. Über mehrere Generationen hinweg bestürmten die Israeliten den Himmel, aber es tat sich nichts. Es war sogar eher so, dass sich die Situation noch verschlechterte. Vielleicht meinten die Menschen, dass Gott sie nicht höre, aber sie gaben trotzdem nicht auf und schrien weiter zu ihm. Und er … hörte sie. Es wurde im Himmel eine Rettungsaktion vorbereitet, über die bis heute geredet wird. Es wurde Mose geboren, der Gottes Volk aus Ägypten hinausführen und die Menschen durch viele Entbehrungen hindurch bis an die Grenze des Gelobten Landes bringen sollte. Es dauerte achtzig Jahre, bis er dieser Aufgabe gewachsen war, und gute vierzig Jahre, bis das Volk ins Gelobte Land einzog. Gott hatte viel mehr vor als das, wofür sein Volk betete. Die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten war ein erster Schritt: Es war der Anfang einer langen Reise, die die Menschen in das Land bringen sollte, das Gott ihren Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob versprochen hatte.
Auch bei Isaak ist es um weit mehr gegangen als nur um die Erfüllung eines Herzenswunsches zweier Menschen. Es ging auch hier um die Verwirklichung der weltumfassenden Absichten Gottes. Eine große Nachkommenschaft für und durch Abraham würde es nicht geben, wenn Abrahams Sohn kinderlos blieb. Isaaks Gebet um Fruchtbarkeit für seine Frau Rebekka war in Einklang mit Gottes Vorhaben. Das hat seinem Beten ein besonderes Gewicht verliehen. In Vers 21 lesen wir »Der Herr ließ sich von ihm erbitten.« Rebekka wurde schwanger.
Rebekkas Gebet
Für Rebekka fängt eine schwere Zeit an. Sie erwartet Zwillinge, die schon im Mutterschoß extrem unruhig sind. Für die werdende Mutter ist das fast zum Verzweifeln. Ihre Worte »Wenn es so gehen soll, warum bin ich denn in diesen Zustand gekommen?« (V. 22) sprechen Bände. Und dann geschieht das, was wir auch bei Isaak schon sahen, als er sich wegen Rebekkas Unfruchtbarkeit an Gott wandte. Nun sucht auch Rebekka Gott, weil die Kinder in ihrem Bauch immer aneinanderstoßen, so als würden sie miteinander ringen. Dass dieses Verhalten ihrer ungeborenen Kinder ein Vorbote auf später ist, kann Rebekka nicht ahnen. Gott schenkt ihr aber einen Blick in die Zukunft. Rebekkas Zwillinge werden getrennte Wege gehen. Es sollen zwei Völker aus ihnen werden, wobei ein Volk dem anderen überlegen sein wird: Der »Ältere wird dem Jüngeren dienen« (V. 23).
Es ist auffallend, dass Rebekka nicht weiter nach Gottes Worten fragt, obwohl seine Botschaft mysteriös und auch verwirrend für sie gewesen sein muss. Es war ja Brauch und damit selbstverständlich, dass der älteste Sohn nach dem Tod des Vaters ein doppeltes Erbteil erhielt und das neue Familienoberhaupt wurde. Nun wird das alles umgeworfen und es soll umgekehrt sein: Der Jüngere soll vorangehen und der Ältere soll ihm dienen. Ob Rebekka diese Botschaft Gottes für sich behalten hat oder sie Isaak mitgeteilt hat, erfahren wir nicht. Einerseits ist es schwer vorstellbar, dass Rebekka ihrem Mann nie erzählt hat, was Gott ihr offenbarte. Anderseits kann es so gewesen sein, dass sie Gottes Botschaft in ihrem Herzen bewahrt hat, wie auch Jakob in späteren Jahren die Worte seines Sohnes Joseph »im Gedächtnis bewahrte« oder wie Maria das, was Jesus ihr als 12-jähriger Junge sagte, in ihrem Herzen bewahrte. Voreiliges Reden kann vieles kaputt machen. Es ist gut, wenn wir lernen zu schweigen und die Dinge in unserem Herzen zu bewegen und reifen zu lassen.
Gott wählt
Mit der Botschaft Gottes an Rebekka, die alle damals üblichen Gepflogenheiten auf den Kopf stellte, stehen wir vor der Tatsache, dass Gott das erste und das letzte Wort hat und nicht an menschliche Bräuche oder Regeln gebunden ist. Die Gründe für sein Vorhaben mit dem Jüngeren der Zwillinge teilt er Rebekka nicht mit. Es bleibt sein Geheimnis. Wir tun uns schwer damit, weil wir es nicht verstehen. Weist Gott hier den älteren Zwilling ab, während sein jüngerer Bruder voll angenommen wird? Ist es so, dass Gott Esau gehasst und Jakob geliebt hat, wie es der Prophet Maleachi sagt? Nein, so sollen wir Gottes Botschaft durch Maleachi nicht verstehen! Esau wird abgewiesen oder verworfen (»gehasst«) mit Blick auf Gottes Bundesverheißungen, die er durch Abraham, Isaak und Jakob erfüllen will. Man kann die Worte in Maleachi 1,3 mit der Aussage Jesu vergleichen, dass derjenige, der ihm nachfolgt, seine Eltern, Frau und Kinder, Geschwister und sein eigenes Leben hassen soll. Natürlich verlangt Jesus nicht von uns, dass wir unsere Lieben und unser Leben hassen, sondern es geht ihm darum, dass er den absoluten Vorrang in unserem Leben hat und dadurch alles andere in den Hintergrund gerückt wird. Jakob soll den Vorzug vor seinem älteren Bruder Esau erhalten, weil Gott ihn für eine besondere Aufgabe auserwählt hat. Ein Ausleger sagt: »Für besonders heikle Aufträge in seinem Reich sucht der Herr sich nach seinem Gutdünken seine Leute aus.« Seine Leute, das sind Menschen wie Mose oder Joseph, der Prophet Samuel, König David, Daniel, Esther oder Nehemia. Es sind die Jünger Jesu, Paulus, Barnabas, Joseph und Maria. Einige von ihnen wurden schon ganz früh von Gott zur Seite genommen und für ihren besonderen Dienst zugerüstet. Gott hatte sie schon im Visier, als sie noch im Mutterleib waren. Wir sehen das hier bei Jakob, aber auch später beim Propheten Jeremia, den Gott schon im Blick hatte, bevor seine Mutter überhaupt schwanger mit ihm war! Der Apostel Paulus sagt von sich selbst, dass Gott ihn schon im Mutterleib ausgesondert und durch seine Gnade berufen hatte. In Apostelgeschichte 9,15 nennt Jesus ihn sein »auserwähltes Werkzeug, um meinen Namen vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israels zu tragen!«
Wenn Gott einen Menschen für einen besonderen Dienst auserwählt, sind nicht die Dinge entscheidend, die in unseren Augen eine Rolle spielen. Es geht nicht der Ältere vor dem Jüngeren, es wird nicht der gewählt, der klüger, stärker, frömmer, anständiger oder netter ist. Gottes Auserwählung orientiert sich nicht an dem Verhalten oder den Werken eines Menschen. Die Gründe für seine Wahl lassen sich nicht unbedingt nachvollziehen oder gar kalkulieren, sie liegen in Gott selbst. Paulus sagt es so: Die Auserwählung geschieht »nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden«. Es kommt öfter vor, dass wir uns über Gottes Wahl und seine Entscheidung für einen bestimmten Menschen wundern, manchmal können wir das, wenn überhaupt, nur schwer akzeptieren, mitunter sind wir sogar entsetzt und empört. Bei Paulus (damals noch Saulus) hätten wir direkt gesagt: »Herr, nimm nicht den!« Aber dieser Mann war Gottes Kandidat! Paulus bestätigt das, wenn er sagt, dass er (und auch Timotheus, an den er schreibt) nicht aufgrund ihrer Werke berufen wurden, sondern »aufgrund Gottes eigenen Vorsatzes und der Gnade«. Für Jakob gilt, dass Gott ihn als denjenigen erwählt hat, von dessen Nachkommen einmal der Messias, Jesus, abstammen würde.
Gott prüft uns, damit wir tauglich werden
Eine Erwählung für eine besondere Aufgabe bedeutet nicht, dass die betreffende Person bei Gott eine besondere Position einnimmt oder eine Sonderbehandlung bekommt, wie etwa in einer Familie, in der die Eltern ein Lieblingskind haben und es bevorzugen. Gott sorgt nicht dafür, dass sich alle Wünsche seiner Auserwählten erfüllen und sie nie mit Gegenwind oder heftigen Stürmen konfrontiert werden. Es ist eher umgekehrt. Die Menschen in der Bibel, die Gott für einen besonderen Dienst auserwählte, mussten viel erleiden. Ihre bitteren Erfahrungen gehörten zum Läuterungsprozess, dem Gott sie unterwarf. Er holte sie aus ihrer Komfortzone, forderte sie heraus und prüfte sie. Mose versuchte sich vor seinem Auftrag zu drücken, indem er Gott gegenüber behauptete, er sei kein guter Redner und Gott solle sich deswegen eine andere Person suchen. Der Prophet Elia fühlte sich total überfordert und wollte sterben; und der Prophet Jeremia verfluchte sogar den Tag, an dem er geboren worden war. Dennoch machten die Prüfungen, denen Gott sie unterwarf, Sinn. Genauso wie der Schmelzofen Sinn macht, in dem Gold geläutert wird, bis es rein ist.
An den biblischen Personen, die von Gott auserwählt sind, entdecken wir auch, dass er bei Sünde nicht einfach ein Auge zudrückt. Als Mose, der Anführer des Volkes Gottes, zweimal mit seinem Stab auf einen Felsen schlug, anstatt im Beisein des Volkes zu dem Felsen zu reden, wie Gott es ihm aufgetragen hatte, blieb das nicht folgenlos: Mose durfte das Volk nicht in das Gelobte Land führen. Als David, den Gott als König über sein Volk eingesetzt hatte, Ehebruch mit Bathseba beging und ihren Mann umbringen ließ, entstand eine Kluft zwischen ihm und Gott. Er musste Buße tun, um die Beziehung mit Gott wiederherzustellen. In den Jahren danach musste David erleben, dass seine Sünde schwerwiegende Folgen hatte. Auch Jakob hatte seine Schwächen, aber Gott wirkte an ihm. Wir werden entdecken, dass er unheimlich Schweres erleiden musste und das viele Jahre lang. Als Greis beschreibt Jakob seine Lebensjahre sogar als »böse«. Er sagt aber auch, dass der Herr ihn vom Anfang seines Lebens an behütet hat. Gott hat von Beginn an daran gewirkt, Jakob seiner Berufung »würdig zu machen«.
Die Geburt der Zwillinge
In Vers 22 werden Rebekkas Zwillinge geboren. Die Babys sind sehr unterschiedlich. Das erste ist ein stark behaartes Kind, das als rötlich beschrieben wird. Er ist, so las ich in einem Bibelkommentar, »wie von der Natur bepelzt gewesen«. Sein Name weist darauf hin, denn Esau bedeutet »der Struppige« oder »der Behaarte«.
Der Name von Jakob ist nicht mit seinem Aussehen verbunden, er enthält einen Wunsch. Ursprünglich lautete er Jahkub-ila oder Ja˝akob˝el. Beides bedeutet »Gott möge beschützen«. Da es im Hebräischen immer wieder Klangähnlichkeiten gibt, kann Jakob (yaakob) auch als akeb verstanden werden, was der hebräische Begriff für Ferse ist. Das trifft zu, denn im Geburtskanal hat Jakob seinen Arm über seinen Kopf gestreckt und Esaus Ferse festgehalten, so als wollte er seinen älteren Bruder zurückhalten. Eine zweite Möglichkeit liegt im Hebräischen akab, das »betrügen« bedeutet. Später in der Geschichte klagt Esau seinen Bruder als Betrüger an und behauptet, er heiße mit Recht Jakob (Fersenschleicher), weil er ihn schon zwei Mal betrogen habe.
Rebekkas Zwillinge stehen für zwei verschiedene Typen Mensch: den fleischlich gesinnten (Esau) und den geistlich gesinnten Menschen (Jakob). Esau wird stark, unabhängig und eigensinnig sein, während Jakob eher auf Nummer sicher gehen und ergreifende Gotteserfahrungen haben wird, die ihn prägen und einen Mann Gottes aus ihm machen werden. Sein Kampf mit Gott am Bach Jabbok wird dabei entscheidend sein. Aber jetzt greifen wir den Ereignissen vor, denn die Brüder sind gerade erst zur Welt gekommen!
»Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst.«
Noch ein paar Worte zu Maleachi 1,3. Ich habe es oben schon erwähnt: Die Auserwählung Jakobs als Träger der Bundesverheißungen bedeutete, dass Esau für diese Stellung verworfen (»gehasst«) wurde. Es ist aber mehr zu diesem Text zu sagen, denn Maleachi 1,3 enthält auch eine Prophezeiung in Bezug auf die Nachkommen Esaus. Wir lesen in diesem Vers nicht nur »Dennoch habe ich Jakob geliebt, Esau aber habe ich gehasst«, sondern auch »Und seine Gebirge habe ich zu einer Wildnis gemacht und sein Erbteil den Schakalen der Wüste gegeben.« Esaus Nachkommen, die Edomiter, die sich im Gebirge Seïr niederließen, wurden von Gott gehasst (und unter Gottes Fluch gestellt), weil sie fremden Götzen dienten und wegen ihrer Feindschaft gegen Gottes Volk Israel.
Fragen zu Kapitel 1
In 1. Mose 25 sehen wir, dass sowohl Isaak als auch Rebekka Gott im Gebet suchen. Wie sieht das bei Ihnen aus? An wen wenden Sie sich zuallererst, wenn Sie Probleme haben? Bei wem suchen Sie Trost und Rat? Bei wem beklagen Sie sich über Ihre Not? Was erwarten Sie, wenn Sie sich an Gott wenden?
Was können wir von Isaaks Beten lernen? Denken Sie dabei an den hebräischen Begriff atar, der in Vers 21 mit Beten übersetzt wird, aber eher verstanden werden kann als ein Drängen oder ein starkes Einwirken auf Gott. Sind Sie damit vertraut, im Gebet Gott zu »drängen« und auf ihn »einzuwirken«? Haben Sie den Mut, sich so an Gott zu wenden?
Es heißt, dass der Herr sich von Isaak »erbitten« ließ. Wie sollen wir das verstehen? Kennen Sie andere Beispiele aus der Bibel, wo Gott sich erbitten lässt bzw. auf das Drängen von Menschen hin ihre Gebete erhört oder sogar seine Pläne ändert?
Überlegen Sie, wie es biblischen Personen wohl damit ging, dass Gott eine besondere Aufgabe für sie hatte, und versuchen Sie, noch mehr Menschen in der Bibel zu finden als die, die im Text erwähnt sind.
Wie kann man wissen, ob man von Gott zu einem besonderen Dienst berufen ist?
Noor van Haaften
Eleonore (Noor) van Haaften studierte Heilpädagogik an der Uni Utrecht und absolvierte an der britischen Missionsschule All Nations Christian College ein weiteres Studium. Sie war einige Jahre in der christlichen Studentenarbeit in Österreich tätig und arbeitete dann als Redakteurin und Moderatorin beim niederländischen Rundfunk- und Fernsehsender EO. Seit 2002 beschäftigt sie sich hauptsächlich mit Vortragsreisen in Europa und dem Schreiben von Büchern und Artikeln.