»Folge einfach deinem Herzen« lautet ein weit verbreiteter Rat. Doch wie sinnvoll ist das wirklich? Kann ich meinem eigenen Herzen überhaupt trauen? Andrea Tschuch ist der festen Überzeugung: Es ist sehr viel besser, Gottes Herzen zu folgen! Nur wenn wir ihn und seinen Herzschlag immer besser kennenlernen, können wir auch unserem eigenen Herzen wirklich auf die Spur kommen und das Leben für uns entdecken, nach dem wir uns im tiefsten Innern sehnen. Ihr Buch ist eine Einladung zu einer Entdeckungsreise: in das Herz Gottes, in unser eigenes Herz, in das Leben, für das wir geschaffen sind.
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Gottes Herzschlag
In der Bibel können wir die großartige Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen von Anfang an verfolgen und seinem Herzschlag nachspüren. Wir können den großen Linien seines Handelns in dieser Welt nachgehen und uns in vielen kleinen Geschichten im Einzelnen anschauen, wie Gott Menschen begegnet und sie in sein Handeln einbezieht. Im Neuen Testament zeigt Gott der Vater sein Herz in besonderer Weise durch seinen Sohn Jesus Christus, der selbst Gott ist und der dem Herzen des Vaters ganz nahe ist (vgl. Johannes 1,18; NLB). Wenn wir Jesu Herz sehen, sehen wir immer auch das Herz des Vaters.
Indem wir uns anschauen, wie Jesus sich auf der Erde seinen Mitmenschen zuwendet und über sie denkt, erfahren wir auch, wie Gott sich heute seinen Menschen zuwendet und über sie denkt.
Höre ich manche Christen über die Bibel sprechen, scheint mir, sie lesen sie mit derselben Erwartung und Begeisterung wie die Gebrauchsanweisung für eine Waschmaschine. Das ist nicht nur furchtbar schade, sondern auch völlig unangebracht. Die Bibel ist keine leblose Gebrauchsanweisung, sondern Wort des lebendigen Gottes: bewegend, verändernd, aktuell, persönlich, lebensnah. Sie nimmt uns in das Wesen Gottes mit hinein, in sein Handeln, sein Denken, seine Absichten, sein Herz. Sie zeigt, wie unser Leben gelingen kann, und wie der Schöpfer sich zu uns, seinen Geschöpfen, stellt. Wie er uns sieht, über uns denkt, sich nach uns sehnt und um uns wirbt.
Ich plädiere sehr dafür, sich Gottes Wort nicht wie einer Gebrauchsanweisung zu nähern, sondern wie dem Brief eines geliebten Menschen: gespannt, erwartungsvoll und voller Vorfreude auf die Worte des Geliebten, der mir sein Herz öffnet und mein Herz gewinnen will.
Mein Herz, das unbekannte Wesen
Es tut uns Menschen gut, wenn wir uns mit Gottes Herzen befassen. Als seine Ebenbilder kommen wir nah an seinem Herzen auch unserem eigenen Herzen auf die Spur. Das ist spannend, schön und schrecklich, weil im menschlichen Herzen nicht nur Gutes wohnt, aber es ist auch zutiefst hilfreich und heilsam. Obwohl ich mich selbst als Herzmenschen, mit recht gutem Zugang zum eigenen und oft auch zum Herzen anderer bezeichnen würde, staune ich, wie fremd mir mein eigenes Herz manchmal ist.
Es gibt Momente, in denen ich noch nicht einmal ansatzweise sagen kann, was in mir vorgeht. Zu manchen Zeiten verschließe ich mein Herz vor Gott und merke es erst viel später. Meist kann ich es gar nicht fassen, welche wunden Punkte und dunklen Flecken er mir zeigt und wie unbeteiligt mein Herz manchmal ist, statt für meinen Herrn zu brennen. Ich möchte Jesus gerne aufrichtig nachfolgen und habe schon oft erlebt, wie er mein Herz berührt hat. Aber dann bin ich doch wieder dabei, aus eigener Kraft etwas für ihn leisten zu wollen, als ob er mein Arbeitgeber wäre und nicht der Herr, der mich wie kein Zweiter liebt und mit Gnade und Barmherzigkeit krönt. Was ist nur mit meinem Herzen los?
Anscheinend kenne ich es nicht besonders gut. Mein Herr schon. Ich kann nichts Besseres tun, als mein Herz kontinuierlich der Zuwendung und Fürsorge Jesu auszusetzen, dem Herzenskenner, Herzensversteher, Herzensflüsterer, Herzenströster, Herzensheiler und Herzenserneuerer.
Im Gegensatz zum menschlichen Herzen ist Gottes Herz kerngesund. Es gibt keine dunklen Flecken, keine Untiefen und nicht den Hauch eines Schattens darin. »Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis« heißt es in 1. Johannes 1,5 (LUT). Deshalb ist es so überaus wohltuend, Gottes Herz kennenzulernen und ihm nahe zu sein. Welch ein Geschenk, dass Gott uns sein Herz öffnet und uns in seinem Wort zeigt, wie sein Herz aussieht und wofür es schlägt! Wir können seinem Herzen begegnen und es näher kennenlernen, wenn wir uns anschauen, wie Gott sich uns in seinem Wort vorstellt.
Das Herz des Schöpfers
Schon auf den ersten Seiten der Bibel können wir Gottes Herzschlag entdecken. In 1. Mose 1 und 2 wird erzählt, wie Gott Himmel und Erde geschaffen hat. Dabei wird die Erde zunächst als wenig einladender Ort beschrieben; es war wüst, öde und dunkel. Kein Zuhause zum Wohlfühlen. Wer lebt schon gerne in einem Rohbau? Doch Gott beließ es nicht dabei, sondern baute den kargen Rohbau mit Liebe und Leidenschaft zu einem wunderbaren Lebensraum aus. Er brachte Licht ins Dunkel, Ordnung ins Chaos und füllte die Erde mit Farben, Formen, Düften, Klängen, Vielfalt, Fruchtbarkeit, Leben. Alles wurde von ihm perfekt geplant und erschaffen; aufeinander abgestimmt, einander ergänzend, sinnvoll angeordnet. Tag und Nacht, Himmel und Erde, Land und Meer, Sonne, Mond und Sterne, Ebbe und Flut. Ein Meisterwerk göttlicher Ingenieurskunst.
Das ist es, was eine enge Freundin von mir besonders begeistert. Sie hat ein Faible für Mathematik und ist immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie erzählt, wie sich in der Natur an jeder Ecke faszinierende Muster und Strukturen entdecken lassen und selbst der kleinste Grashalm eine Logik in sich trägt. Das macht sie glücklich. Mich begeistert eher Gottes Künstlerherz. Sein Sinn für Ästhetik, sein verschwenderischer Umgang mit Farben und Licht; das Blau des Himmels, die Weite des Meeres, die Erhabenheit der Berge, Sonnenuntergänge so intensiv und schön, dass es schon fast wehtut. Manchmal, wenn ich von unserem Süd-West-Balkon im dritten Stock über die umliegenden Einfamilienhäuser hinweg einen Sonnenuntergang beobachte, denke ich: »Würde ich das jetzt auf einem Foto sehen, wäre ich davon überzeugt, dass da jemand mit künstlichen Mitteln nachgeholfen hat.« Doch da stehe ich auf meinem Logenplatz und erlebe das Licht und die Farbenpracht in natura. Großartig!
Ist es nicht berührend, wie großzügig, hingebungsvoll und leidenschaftlich Gott den Lebensraum für seine Geschöpfe gestaltet? Das hat etwas von der begeisterten Hingabe werdender Eltern, die voller Eifer das Zimmer für ihr Baby vorbereiten. Es ist schon über zwanzig Jahre her, als mein Mann und ich unser erstes Kinderzimmer hergerichtet haben, aber ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie es uns dabei ging. Wir hatten uns im Vorfeld einiges an Gedanken gemacht, denn wir wollten, dass unser Baby es schön hat. Dann haben wir uns eifrig in die Renovierungsarbeiten gestürzt. Wir haben Wände gestrichen, Möbel aufgebaut, Lampen, Gardinen und Bilder aufgehängt und das Zimmer mit diversen Kleinigkeiten verschönert. Irgendwann war alles bereit, doch unser Sohn ließ noch auf sich warten. Wir hatten keinen Grund, das Zimmer zu betreten, außer um mal durchzuwischen. Trotzdem sind wir zwischendurch immer wieder hineingegangen, haben uns umgeschaut, ein winziges Söckchen in die Hand genommen, das Mobile angestupst, sind mit der Hand über die Möbel gefahren. Wir haben uns gefreut, dass alles so schön geworden ist, und uns noch mehr gefreut, dass dieses Zimmer bald mit Leben gefüllt sein würde. Als unser Sohn dann endlich da war, konnten wir uns gar nicht an ihm sattsehen. Manchmal, wenn er geschlafen hat, haben wir einfach nur dagesessen und ihn angeschaut, und dieser Anblick hat unser Herz verzaubert.
So geht es auch unserem Schöpfer. Schon als er alles vorbereitet und den Lebensraum für seine Geschöpfe geschaffen hat, schaute er sich sein Werk immer wieder an. In 1. Mose 1 (V. 4, 10, 12, 18, 21, 25) heißt es, nachdem Gott Licht, Erde und Meer, Pflanzen, Gestirne sowie Tiere im Wasser, in der Luft und an Land geschaffen hatte: Und Gott sah, dass es gut war. Ich stelle mir das bildlich vor: Gott macht sich an die Arbeit, gestaltet liebevoll Natur und Tiere. Er ordnet alles sinnvoll und schön, und jedes Mal, wenn er etwas Neues geschaffen hat, hält er inne, lehnt sich zurück und schaut sein Werk an. Er lässt seinen Blick zufrieden über die Natur schweifen, die Pflanzen und Bäume, beobachtet den Mond und die Sterne, die am Himmel funkeln. Er schaut auf das Wasser, dessen Oberfläche im Sonnenlicht glitzert und in dem es von Fischen nur so wimmelt, sein Blick folgt den Vögeln, die am Himmel ihre Kreise ziehen, und dem Hasen, der im Gras seine Haken schlägt. Gott genießt das Summen und Zirpen der Insekten und lächelt, als der Pfau sein prächtiges Rad schlägt. Er freut sich, dass alles so schön geworden ist, und freut sich noch mehr, dass die Erde bald mit Menschen bevölkert sein wird.
Dann geht er wieder an die Arbeit und setzt der Schöpfung die Krone auf. Gott schafft Menschen als Mann und Frau, nach seinem eigenen Vorbild, wenig niedriger als sich selbst. Welch unfassbar großen Wert und welche Bedeutung verleiht der Schöpfer damit seinem Geschöpf Mensch! Er haucht dem Menschen seinen Lebens-
atem ein und macht ihn zu einem Wesen mit eigenen Wünschen, Vorstellungen und Ideen. Gott baut keine leblosen Marionetten, sondern kreiert quicklebendige, hochkomplexe Persönlichkeiten, geschaffen für die Beziehung mit ihm. Seine Ebenbilder, die seine Schönheit in sich tragen. Keine langweilige Massenware, sondern Unikate aus Meisterhand, denen der Meister selbst Würde und Wert verleiht.
Nachdem Gott den Menschen geschaffen hat, nimmt er sich Zeit, sein Gesamtwerk zu betrachten, und findet es wunderschön. Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1. Mose 1,31; LUT)
Gottes Sicht – meine Sicht
Unser Herr kann sich gar nicht an uns sattsehen, sein Herz schlägt für uns bis zum Halse. Im Hohelied Salomos, das in sehr poetischer Weise die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, und auch die Liebe, die Gott für seine Menschen empfindet, beschreibt, heißt es in Kapitel 4,9 (NLB): »Du hast mein Herz verzaubert mit einem einzigen Blick deiner Augen.« Ist das nicht großartig? »Dein Anblick verzaubert das Herz deines Herrn« – das kann ich mir gar nicht tief genug ins Herz sinken und oft genug zusprechen lassen, weil es im Alltag immer wieder untergeht.
Es braucht gar nicht viel und schon nehme ich eine Sichtweise auf mein Leben ein, die meilenweit von dem entfernt ist, wie mein Schöpfer mich sieht. Wie schnell bin ich dabei, mich selbst abzuwerten, weil ich nach meinem Dafürhalten nicht so reif, tough oder kompetent wie andere Menschen bin. Wie oft mache ich mich nieder, weil ich mit einer schwierigen Situation nicht so souverän umgehen kann, wie ich es mir wünsche. Wie leicht missachte ich die mir von Gott verliehene Würde und bettle um menschliche Bestätigung, statt in der Gewissheit zu ruhen, dass ich Tochter des Allerhöchsten bin. Seine Herzensangelegenheit, die er wunderbar erdacht und geschaffen hat. Von ihm geliebt, begehrt, geachtet und teuer erkauft. Ich weiß, dass mein Herr mich bedingungslos liebt, aber ich stehe immer wieder in der Gefahr, mir diese Gewissheit rauben oder sie von negativen Gedanken überlagern zu lassen, und nicht nur mir geht es so.
Da sitze ich morgens im Wohnzimmer und bin frustriert. Bis zu meinem 9-Uhr-Termin sind es nur noch schlappe vierzig Minuten und ich habe mein Ziel, vorher noch eine ordentliche Passage für mein Buch zu schreiben, lange nicht erreicht. Zwar war ich extra früh an die Arbeit gegangen, aber was nutzt es mir, wenn so gut wie nichts dabei herumkommt? Zwei Sätze sind eine sehr magere Ausbeute. Ich starre auf den Bildschirm meines Laptops und warte auf mehr, doch es kommt nichts. Stattdessen fangen meine Gedanken an zu kreisen: »Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet ich ein Buch schreiben könnte? Da wird doch nie etwas draus. Wahrscheinlich habe ich mir sowieso nur eingebildet, dass Gott aus meiner Krise etwas richtig Gutes macht und Neues in Bewegung bringt. Ich mache mir doch selbst etwas vor …« Ich merke, wie ich mich immer weiter nach unten ziehe, schaffe es aber nicht, aus meinem Gedankenkarussell auszusteigen. Als ich durch meinen Termin unterbrochen werde und mich auf etwas anderes konzentrieren muss, bin ich richtig froh.
Direkt im Anschluss, noch bevor ich wieder meinen zermürbenden Gedanken nachgehen kann, ruft mich eine Freundin an. Sie befindet sich gerade in einer schwierigen Lebenssituation, in der die Ungewissheit, wie es in einem bestimmten Bereich weitergeht, ihr sehr zu schaffen macht. Jetzt ruft sie an, um sich für einen Mutgruß zu bedanken, den ich ihr am Morgen geschickt habe, und wir reden miteinander. »Andrea, im Moment habe ich sehr mit negativen Gedanken zu kämpfen«, sagt sie und erzählt, wie innere Anklagen ihr das Herz schwer machen: »Wer bin ich denn schon? Ich habe nichts geleistet im Leben, nicht einmal etwas für meine Rente getan. Andere sind in ihrem Beruf vorangekommen, ich habe kaum in meinem Beruf gearbeitet, sondern immer nur ehrenamtlich in der Gemeinde. Auch dort sehe ich nicht, dass es viel bewirkt hätte …« Sie vergleicht sich mit anderen, die aus ihrer Sicht mehr aus ihrem Leben gemacht haben, auch mit mir. »Du hast deinen Weg gefunden«, meint sie, »du bist mit Leidenschaft als Predigerin unterwegs und jetzt schreibst du noch ein Buch.« Ich erzähle ihr von meinem Gedankenkarussell am Morgen und wir sind uns schnell einig, dass es nicht die Stimme Gottes ist, die so abwertend mit und über uns spricht.
Wir ermutigen uns gegenseitig, den negativen Gedanken nicht weiter Raum in unseren Herzen zu geben, sondern uns stattdessen mit Gottes Wahrheit über unser Leben füllen zu lassen. Es tut uns gut, von der jeweils anderen zu hören, was sie Kostbares und Schönes in unserem Leben sieht. Als wir auflegen, ist unsere Perspektive eine andere als vorher. Das verdanken wir unserem Herrn. Sein Geist hat uns zur rechten Zeit am Telefon zusammengebracht und unser Gespräch geleitet. Er hat uns gebraucht, um einander die Perspektive zurechtzurücken, als die eigene völlig verschoben war, und hat uns beiden dabei zu einer neuen Sichtweise verholfen.
Je länger ich mit Jesus lebe, desto bewusster wird mir, wie eingeschränkt und verzerrt meine menschliche Sicht ist und wie schnell mein Blick sich ablenken und täuschen lässt. Ich bin darauf angewiesen, dass mein Herr mir immer wieder den Blick korrigiert, und bin sehr froh, dass er das fortwährend tut. Dafür will ich bis zum letzten Tag meines Lebens offen sein.
Oft gebraucht Gott andere Menschen als »Perspektivenzurechtrücker«. Viel Korrektur geschieht jedoch auch, wenn ich mich seinem Wort, das mich prägt und verändert, unmittelbar aussetze. Ich möchte Gottes Wort an mich heranlassen, mich in seine Sicht mit hineinnehmen und mir Augen und Herz für die Größe und Schönheit meines Herrn öffnen lassen. Gleichzeitig möchte ich es mir gefallen lassen, dass Gott mir durch sein Wort zeigt, wer ich bin und wie es in meinem Herzen aussieht. In Kapitel 4 des Hebräerbriefes heißt es in den Versen 12 und 13 (NLB): Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam. Es ist schärfer als das schärfste Schwert und durchdringt unsere innersten Gedanken und Wünsche. Es deckt auf, wer wir wirklich sind, und macht unser Herz vor Gott offenbar. Nichts in der ganzen Schöpfung ist vor ihm verborgen. Alles ist nackt und bloß vor den Augen Gottes, dem wir für alles Rechenschaft ablegen müssen. Diese Verse, die man eher selten auf Geburtstagskarten findet, wirken auf den ersten Blick nicht sonderlich ermutigend. Vielmehr könnten sie Befürchtungen wecken und dazu beitragen, dass wir uns Gottes Wort aus Angst davor, was dabei herauskommt, entziehen. Doch das wäre der verkehrte Weg, denn Jesus Christus, der uns Menschen und unsere Schwächen versteht, hat alles getan, damit wir nicht an uns selbst verzweifeln müssen. Das macht der Verfasser des Hebräerbriefes in den Anschlussversen (14-16) deutlich und ermutigt die Leser, entschlossen an Jesus Christus festzuhalten. Durch ihn haben wir Zugang zur Gnade Gottes und können jederzeit mit allem und ohne Angst zu ihm kommen. Mit ihm können wir uns der Wahrheit unseres Lebens stellen.
Unser Herr verdammt uns nicht, sondern zeigt uns, wie es in unserem Herzen aussieht, weil er uns heilen will. Jesus ist der Heiland, der sich unseres heilungsbedürftigen Herzens annimmt und den Weg der Heilung mit uns geht. Jeder, der schon mal beim Arzt war, weiß, dass am Anfang eines Heilungsprozesses eine Diagnose steht. Bevor über eine Behandlungsform entschieden wird, macht es Sinn herauszufinden, unter welcher Krankheit der Patient leidet. Auch die Heilungsprozesse in unserer inneren Welt beginnen mit einer Diagnose, indem erkannt und benannt wird, was unserem Herzen fehlt. Dafür muss genau hingeschaut werden, und das tut Gott auch. Er weiß jederzeit, wie es um unser Herz bestellt ist, und möchte, dass wir es auch wissen, damit wir uns von ihm helfen und heilen lassen.
Manchmal unterschätzen wir vielleicht, wie bedeutsam unser Herz und dessen Zustand für unser Leben ist, weil wir es gewohnt sind, es auf einen kleinen Bereich zu reduzieren. Im Denken der westlichen Welt wird das Herz oft mit den Gefühlen gleichgesetzt, während das Denken dem Kopf zugeordnet wird. Viele Formulierungen im deutschen Sprachgebrauch machen das deutlich. »Das ist etwas fürs Herz« sagen wir, wenn uns etwas im Inneren anrührt, ein »herzzerreißender Anblick« weckt unser tiefes Mitgefühl, »herzerfrischend« bezeichnen wir ein Lachen, das die Stimmung hebt und ansteckt, und Liebesfilme werden manchmal »Herz-Schmerz-Schnulzen« genannt. Auf der anderen Seite sagen wir von einem schlauen Menschen, »Der ist nicht auf den Kopf gefallen«, und wenn ein Mensch in einer unruhigen Situation noch klar denken kann, »bewahrt er einen kühlen Kopf«.
Das Menschenbild der Bibel vollzieht diese Trennung zwischen Kopf und Herz nicht, sondern sieht den Menschen als eine Einheit, in der das Herz das Zentrum bildet. Es ist quasi die Schaltzentrale unseres Lebens, in der Verstand, Wille und Gefühl ihren Sitz haben. Kein Wunder, dass Gott dem menschlichen Herzen große Aufmerksamkeit widmet, beeinflusst es doch das ganze Leben.
Gott selbst öffnet uns Menschen sein Herz weit und versucht unsere Herzen zu gewinnen. Er gibt sich ganz in seine Liebe zu uns hinein und will, dass wir es umgekehrt auch tun. Pausenlos wirbt Gott um unser Vertrauen. Er will keine kühle Geschäftsbeziehung zu uns unterhalten, bei der es um den Nutzen geht und das Herz eine untergeordnete Rolle spielt, sondern er lädt uns in eine erfüllende Liebesbeziehung ein. In die Begegnung von Herz zu Herz.
Für die Liebe geschaffen
Gottes Herz hat von Anfang an für uns Menschen geschlagen und er wünscht sich nichts mehr, als dass wir in einer gesunden, vertrauensvollen Beziehung mit ihm leben, so wie er es schon immer geplant hat und wie es am Anfang der Menschheitsgeschichte war: Adam und Eva lebten im Garten Eden in ungetrübter Gemeinschaft mit Gott und miteinander. Ihr Leben war frei von Ärger, Stress, Ängsten, Sorgen, Problemen, Schmerzen, Krankheiten, und auch der Tod spielte keine Rolle. Die Menschen waren nackt, aber sie schämten sich weder vor Gott noch voreinander, da sie in einer Beziehung lebten, die durch und durch von Liebe und Vertrauen geprägt war. Sie mussten einander nichts vormachen, sich nicht voreinander schützen, sondern hatten die Freiheit, sich ohne Angst zu zeigen, wie sie waren. Paradiesische Zustände.
Für dieses Leben in der engen und vertrauten Gemeinschaft mit Gott sind wir Menschen geschaffen. Danach sehnen wir uns in unserem tiefsten Inneren zurück, seit wir es durch die Abkehr von Gott, wie sie in 1. Mose 3 beschrieben ist, verloren haben.
Im Garten Eden kam es zu einem dramatischen Beziehungsbruch, der mit einem harmlos anmutenden, aber tierisch geschickt eingefädelten Gespräch begann. Die Schlange stellte Gottes Wort infrage und schürte Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit. Sie redete Eva erfolgreich ein, dass Gott dem Menschen etwas vorenthalte. Damit zogen das Misstrauen Gott gegenüber und die Angst, zu kurz zu kommen, in das menschliche Herz ein, was wir bis heute merken. Auch in den Herzen von Jesus-Nachfolgern keimen immer mal wieder Misstrauen und Zweifel auf: »Sollte Gott gesagt haben?«
Als Eva und mit ihr dann auch Adam die Grenze überschritten, die Gott gezogen hatte, um den Menschen zu schützen, änderte sich alles. Die vertraute Beziehung zu Gott zerbrach. Die Menschen mussten Eden verlassen, der Rückweg war versperrt. Jenseits des Paradieses lebten sie fortan in einer Welt, die völlig anders als die bisher bekannte war. In dieser Welt gehören Sorgen, Ängste, Nöte, Verletzungen, Schmerzen, Krankheit und Tod zum menschlichen Leben dazu. Geschaffen sind wir Menschen jedoch für eine andere Welt. Wen wundert es da, dass wir uns zeit unseres Lebens nach mehr sehnen. Paulus drückt es in Römer 8,22-23 (NLB) so aus: Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt, wie unter den Schmerzen einer Geburt. Und selbst wir, obwohl wir im Heiligen Geist einen Vorgeschmack der kommenden Herrlichkeit erhalten haben, seufzen und erwarten sehnsüchtig den Tag, an dem Gott uns in unsere vollen Rechte als seine Kinder einsetzen und uns den neuen Körper geben wird, den er uns versprochen hat.
Es gibt eine Sehnsucht, die durch nichts in dieser Welt, und mag es noch so schön und wertvoll sein, gestillt werden kann. Diese Sehnsucht ist das Heimweh des Herzens nach Gott. Und er, der die Sehnsucht in uns weckt und lebendig hält, sehnt sich ebenfalls zutiefst nach uns, obwohl es nach dem Sündenfall, jenseits von Eden, weiter abwärts mit den Menschen gegangen ist.
Rachsucht, Bosheit, Eigensinn und die Begierde, so sein zu wollen wie Gott, bestimmen das menschliche Leben. Wenn ich mir anschaue, wie unsere Welt sich entwickelt und Menschen miteinander umgehen, wenn ich die Nachrichten einschalte oder auch den ehrlichen Blick in mein eigenes Herz wage, komme ich zu derselben Schlussfolgerung, die sich mir schon beim Lesen der ersten elf Kapitel der Bibel aufdrängt: Wir Menschen sind krank und brauchen Heilung, die nur bei Gott zu finden ist. Wir gehören zu ihm, sind nach seinem Vorbild, zu ihm hin geschaffen und können nur in der Verbindung mit ihm heil werden.
Der zugewandte Gott
Welch eine Gnade, dass Gott sich uns Menschen in seiner Liebe zuwendet! Es ist ihm nicht egal, was aus uns wird. Wenn wir in den Evangelien Jesu öffentliches Wirken verfolgen, können wir immer wieder sehen, wie sehr ihn die Not seines Volkes und auch einzelner Menschen, denen er begegnet, bewegt. So wird in Matthäus 9,35-38 erzählt, wie Jesu Herz sich vor Mitleid zusammenzieht beim Anblick seines Volkes, das hilf- und orientierungslos umherirrt, weil keine geistlichen Leiter da sind, die ihnen den rechten Weg zeigen. Es trifft ihn tief, diese Menschen zu sehen, die an allen möglichen und unmöglichen Orten nach Leben suchen, das doch nur bei ihm zu finden ist. Sie laufen am Ziel ihres Lebens vorbei, ohne es zu merken, und niemand sagt es ihnen. Diese Menschen sind wie Schafe ohne Hirten. Der Gedanke, dass auch nur einer von ihnen verloren gehen könnte, zerreißt Jesus das Herz und er ermutigt seine Jünger, den Vater um mehr Menschen zu bitten, die seine Botschaft weitertragen.
In Lukas 7,11-17 wird die bewegende Begegnung Jesu mit einer trauernden Frau geschildert. Eine Witwe trägt ihren einzigen Sohn zu Grabe. Wie viel Hoffnung lässt sich retten, wenn so etwas passiert? Jesus sieht die verzweifelte Frau in ihrem Schmerz und ihrer Hoffnungslosigkeit. Nachdem ihr Mann und nun auch noch ihr Sohn tot sind, hat sie niemanden mehr, der sie versorgt. Mit den Männern stirbt auch ihre Zukunft. Jesus weiß das und ihm dreht sich vor Mitleid förmlich der Magen um. Er ist sofort ganz bei der Frau, wendet sich ihr zu und tröstet sie mit schlichten Worten. Dann befiehlt er dem Jungen aufzustehen und das Unmögliche geschieht: Der Tote richtet sich auf und die Mutter kann ihren quicklebendigen Sohn in die Arme schließen. Jesus setzt dem menschlichen »Das war’s« sein göttliches »Steh auf!« entgegen, und das verändert alles. Aus Trauer wird Freude, aus unaussprechlichem Leid sagenhaftes Staunen, aus Furcht vor dem Leben Gottesfurcht und damit Mut zum Leben.
Der Gott der Bibel ist ein zutiefst lebensbejahender, liebender, zugewandter und mitleidender Gott. Sein Herz schlägt für uns Menschen, die das Leben in seiner Herrlichkeit verloren haben. Er schenkt uns aus freien Stücken, was sich niemand verdienen kann: Gott spricht uns in Jesus Christus gerecht und wir dürfen befreit von unserer Schuld mit ihm leben. (vgl. Römer 3,23-25) Der von Menschen verlassene Gott stirbt am Kreuz als von Gott verlassener Mensch, damit seine geliebten Kinder für immer mit ihm leben können. Welch ein Beweis göttlicher Liebe! Durch die gesamte Bibel lassen sich die Spuren dieser Liebe beobachten. Wie Gott Menschen nachgeht, sie einlädt, um sie wirbt, sie heilt und befreit und sie, obwohl sie ihm immer wieder untreu werden, nicht aufgibt.
Gott achtet uns Menschen, die wir seine Liebe so oft mit Füßen treten, unendlich wert. Er liebt uns zu sehr, um uns aufzugeben. Seine Liebe ist eine Liebe, die wir nicht mit dem Verstand erfassen, sondern nur im Glauben ergreifen können. Eine Liebe, die alles erträgt, immer hofft, allem standhält und niemals vergeht. (vgl. 1. Korinther 13)
Hand aufs Herz:
Was begeistert Sie an Gottes Schöpfung am meisten und wie zeigt sich Gottes Herz darin?
Was bedeutet es Ihnen, dass Gott Sie mit den Augen der Liebe ansieht?
Falls Sie zu überzogener Selbstkritik neigen: Was könnte die Ursache dafür sein?
Wie würde sich Ihre Beziehung zu Gott verändern, wenn Sie seiner Sicht auf Sie mehr Glauben schenkten als Ihrer eigenen?
Andrea Tschuch
Andrea Tschuch lebt mit ihrem Mann in Oberhausen und ist Mutter zweier erwachsener Söhne. Als Referentin ist sie in christlichen Gemeinden unterwegs, um Menschen durch Predigten und Vorträge mit Gottes Wort in Berührung zu bringen und in die vertrauensvolle Herzensbeziehung zu Jesus Christus einzuladen.