Um diesen Stuhl hatte ich schwer gekämpft. Hoffentlich würde ich für diese Mühe belohnt.
»Woher wussten Sie, dass ich es bin?«, fragte er.
»Sie hatten gesagt, dass Sie ein Lions-Trikot tragen würden.«
»Ach ja. Das hatte ich, nicht wahr?«
»Können wir bestellen? Ich habe nur zwanzig Minuten Zeit.«
Mr Rich drehte den Kopf zur Tür. »Ich hatte gehofft, dass … Ah, da ist er ja!« Die Tür ging auf und ein großer, athletisch gebauter Mann im eleganten Anzug und mit kurzen schwarzen Dreadlocks trat ein. Er kam mir vage bekannt vor.
»Denny! Wir wollen gerade bestellen.« Mr Rich legte die Ledertasche auf seinen Schoß und rutschte auf seinem Stuhl zur Seite, um dem Neuankömmling Platz zu machen.
Der Mann setzte sich auf die zwanzig Zentimeter Stuhl, die Mr Rich ihm freigeräumt hatte, ragte aber größtenteils in den ohnehin schon engen Gang.
»Das ist mein Sohn Linden.«
Jetzt fiel bei mir der Groschen. Mein Blick flog zu den vielen Fotos von berühmten Persönlichkeiten hinüber, die im Laufe der Jahre hier gegessen hatten. Dort an der Wand hing er. Zwischen Eminem und Drew Barrymore thronte er über den lächelnden Mitarbeitern.
Ich richtete mich ein wenig höher auf. »Der Linden Rich, der für die Lions spielt?«
»Ja«, antwortete er. »Und Sie sind …?«
»Das ist Elizabeth Balsam«, antwortete Mr Rich an meiner Stelle, »die Journalistin von der Free Press, die die Skandalgeschichten geschrieben hat. Über Korruption und Land Grabbing und die zehntausend – oder waren es elftausend? – nicht ausgewerteten Vergewaltigungsindizien, die vor einer Weile gefunden wurden.«
Ich setzte das dezente Lächeln auf, das ich seit meinem Studium jeden Morgen vor dem Spiegel einübe, weil ich hoffe, dass es mich gleichermaßen aufgeschlossen wie intelligent erscheinen lässt.
»Ach ja. Okay.« Linden nickte. »Ich sehe die Ähnlichkeit. In den Augen.«
»Welche Ähnlichkeit?«, fragte ich.
In diesem Moment kam ein Kellner an unseren Tisch und rief überschwänglich: »Hallo, Denny! Was darf ich euch bringen?«
Wir bestellten unsere Coney Dogs – für mich ganz klassisch mit Soße und Zwiebeln, für Linden mit allem, was sie in der Küche hatten, und für Mr Rich nur mit Soße.
Während der Kellner dem alten Mann am Grill unsere Hotdog-Bestellung zurief, wandte sich Linden an seinen Vater: »Du gibst ihr diese Kamera nicht.«
»Du hast nur gesagt, dass ich vorerst die Fotos behalten soll«, sagte Mr Rich. »Warum soll ich ihr die Kamera nicht geben? Sie gehört dir nicht, Denny.«
»Ihr gehört sie auch nicht.«
»Nein, aber sie kann sie Nora geben.«
Linden atmete tief ein und blickte beiseite.
Jedem anderen wäre es wahrscheinlich peinlich gewesen, wenn in seinem Beisein über ihn gesprochen wurde, als wäre er nicht da, aber in mir hatten die Jahre im unbarmherzigen Journalismusgeschäft diese absolut natürliche Reaktion fast abgetötet.
Ungebeten schaltete ich mich in das Gespräch ein und begann, meine Fragen zu stellen. »Am Telefon sagten Sie, man habe Ihnen ein paar Dinge ausgehändigt, die in der Asservatenkammer der Polizei gefunden wurden. Dinge, die einer Verwandten von Ihnen gehören?«
»Nein, sie gehören einer Verwandten von Ihnen. Ich erzähle Ihnen die Geschichte am besten der Reihe nach.«
Ich widerstand dem Drang, mein Handy herauszuholen, um seine Worte aufzuzeichnen.
Doch bevor Mr Rich seine Geschichte erzählen konnte, wurden unsere Coney Dogs bereits in keiner erkennbaren Ordnung auf den Tisch geknallt. Wir schoben die Teller hin und her, bis jeder seinen Hotdog hatte. Die beiden Männer mir gegenüber nahmen ihren in die Hand und bissen hinein. Ich begann, meinen mit Messer und Gabel zu schneiden, wofür ich von Linden einen »Das-soll-wohl-ein-Witz-sein!«-Blick erntete.
»Ich lese die Free Press seit Jahren«, begann Mr Rich. »Dabei ist mir immer wieder Ihr Name untergekommen.«
Ich nickte, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich ihm folgen konnte.
»Und ich habe mir überlegt: Vielleicht ist diese Elizabeth Balsam mit der Balsam verwandt, die ich kenne. Diesen Namen hört man in Detroit nicht oft. Ich weiß nicht, ob ich ihn außer in Verbindung mit Nora Balsam überhaupt schon einmal gehört habe. Sagt Ihnen ihr Name etwas?«
Ich spießte ein Stück Wurst auf und tunkte es in die Soße. »Nein, tut mir leid.«
Linden hob die Hand, um seinem Vater zu signalisieren: »Das habe ich dir doch gleich gesagt!«
»Nicht so vorschnell«, erwiderte der alte Mann an seinen Sohn gewandt. »Du hast selbst gesagt, dass sie genauso aussieht wie sie.«
»Ich gebe zu, dass Sie ihr ähnlich sehen«, gestand Linden ein. »Aber – nehmen Sie es mir bitte nicht übel – irgendwie seht ihr alle gleich aus.«
Ich lachte. Als Weiße in einer Stadt, in der über 80 Prozent schwarz sind, war ich es gewohnt, gelegentlich daran erinnert zu werden, wie sich Minderheiten in den meisten Teilen dieses Landes fühlten. Das störte mich nicht. Im Gegenteil, es machte mir bewusst, dass die Leserschaft, für die ich schrieb, nicht nur aus Leuten wie mir bestand.
Ich trank einen Schluck Wasser. »Ich weiß immer noch nicht, von wem Sie sprechen. Oder worum es überhaupt geht.«
Mr Rich schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. »Richtig, ich wollte doch der Reihe nach erzählen. Sie wissen besser als jeder andere, dass vieles in dieser Stadt im Argen liegt. Ich habe etwas gesucht, das sehr lange verloren war. Ich wusste, dass die Polizei es hatte, aber versuchen Sie mal, in einer Organisation, die in fünf Jahren fünf Polizeichefs hatte, jemanden ans Telefon zu bekommen, der sich auskennt. Und dann haben sie viel wichtigere Dinge zu tun, als irgendeine alte Tasche zu suchen, die in einem Regal verstaubt.« Er hielt inne und lächelte breit. »Aber ich habe sie endlich gefunden. Vor zwei Jahren habe ich einen Anruf bekommen und dann haben sie sie mir zurückgegeben. Und noch ein paar andere Sachen, mit denen ich gar nicht gerechnet hatte.« Er tippte auf die Tasche auf seinem Schoß, die erstaunlich sauber war und keinen einzigen Tropfen Hotdog-Soße aufwies. »Diese Kamera gehört Nora Balsam. Außerdem habe ich eine ganze Schachtel voll Fotos für sie.«
Ich merkte, dass ich die Augen zusammenkniff, während ich versuchte, die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen und zu kapieren, was das alles mit mir zu tun hatte. Hastig zwang ich mich, meine Gesichtsmuskeln zu entspannen und eine mitfühlende Miene aufzusetzen. »Und Sie glauben, ich wäre mit ihr verwandt und könnte ihr die Sachen deshalb geben?«
»Das war meine Hoffnung.«
Ich wischte meine bereits sauberen Hände an meiner Serviette ab. »Es tut mir leid, Mr Rich, aber ich fürchte, Sie müssen woanders suchen. Ich habe diesen Namen noch nie gehört.«
Der alte Mann wirkte enttäuscht, aber ich war erleichtert. Immerhin hatte ich größere Fische an der Angel und mein Abgabetermin rückte immer näher. Ich hatte wirklich keine Zeit, um irgendjemandem alte Fotos zu überbringen. »Es tut mir sehr leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann. Und jetzt muss ich leider los.« Ich wollte einige Geldscheine aus meinem Portemonnaie holen, doch Linden hob die Hand.
»Das Essen geht auf mich.«
»Danke.« Ich trank mein Wasserglas leer, zog den Riemen meiner Handtasche über meine Schulter und schob meinen Stuhl fünf Zentimeter zurück. Mehr Platz war nicht. »Nur so aus Neugier: Warum lagen diese Sachen bei der Polizei? Was ist auf den Fotos zu sehen?«
Linden schaute seinen Vater an, der den Blick auf seinen Teller senkte, als stünde die Antwort auf meine Frage in der verschmierten Soße.
»Sie wurden 1967 bei den Rassenunruhen aufgenommen.«
Sofort erhöhte sich mein Herzschlag. Ich rutschte wieder an den Tisch heran und beugte mich vor. »Haben Sie die Fotos dabei?«
»Denny hat gesagt, dass ich sie lieber nicht mitbringen soll.«
»Warum nicht?«
»Genau aus diesem Grund«, sagte Linden. »Weil Sie kein Interesse an all dem hatten, bis Sie erfuhren, was auf den Fotos zu sehen ist.«
Ich lehnte mich zurück und versuchte, cool auszusehen. Dieses umgängliche, aber doch intelligente Lächeln aufzusetzen. »Natürlich interessieren mich die Bilder. Ich setze mich seit Jahren dafür ein, Korruption und Misswirtschaft in dieser Stadt anzuprangern. Wenn Fotos von historischer Bedeutung auf einer Polizeiwache vergammeln, ist das nur ein weiteres Symptom für das größere Problem. Ich arbeite seit Wochen an einer großen Story, die im Zusammenhang mit den Rassenunruhen steht. Diese Fotos wurden nie veröffentlicht, nehme ich an. Ich bin mir sicher, dass die Free Press für das Recht, diese Bilder der Welt zeigen zu dürfen, einen guten Preis bezahlen wird. Immerhin waren das so ziemlich die größten Unruhen, die wir hier in den USA je hatten.«
Linden deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Da! Da hast du es! Genau, wie ich gesagt habe.«
Mr Rich legte eine Hand auf den Unterarm seines Sohnes. »Ist ja gut. Beruhige dich und lass mich bitte auch mal etwas sagen.« Er schaute mich mit müden Augen an. »Miss Balsam, ich trage eine schwere Last mit mir herum. Seit fünfzig Jahren belastet mich etwas, das ich loswerden möchte. Diese Kamera und diese Fotos muss Nora bekommen. Nicht eine Zeitung, nicht ein Museum, nicht eine Bibliothek. Sondern Nora. Ich kann sie ihr leider nicht geben. Aber Sie könnten das tun. Wären Sie bereit, sich einfach zu erkundigen? Ein wenig nachzuforschen, ob Sie tatsächlich mit ihr verwandt sind, so wie wir es vermuten? Und falls Sie mit ihr verwandt sind, wären Sie dann bereit, Kontakt zu ihr aufzunehmen? Sie sozusagen langsam auf das vorzubereiten, was da auf sie zukommt? Diese Fotos werden viele schmerzliche Erinnerungen in der alten Frau wecken. Aber ich weiß in meinem Herzen – der Herr hat es mir auf die Seele gelegt –, dass ich sie ihr geben muss.«
Eine der wichtigsten Lektionen, die ich in meinen ersten Jahren als Journalistin gelernt hatte, war es, mich nicht emotional auf eine Story einzulassen. Deshalb hatte ich eine Mauer um mein Herz herum errichtet, hinter der ich mich bei meiner Arbeit grundsätzlich verschanzte.
Aber in den Augen dieses Mannes lag etwas, das diese Mauer bröckeln ließ.
Ich tippte mit dem Finger auf den Tisch. »Warum haben Sie die Fotos, wenn Nora die Bilder aufgenommen hat?«
»Sie hat die Bilder nicht aufgenommen. Mein Onkel hat die Bilder gemacht. Aber er ist nicht mehr da. Sie gehören jetzt ihr.«
»Warum?«
»Sie ist seine Frau.«
Eine Mischehe in den 1960er-Jahren? Die Sache wurde immer interessanter. Vielleicht könnte ich diese Geschichte in meine großangelegte Artikelserie über die Unruhen und die damalige Zeit einbauen. Falls ich tatsächlich mit dieser Nora verwandt war, könnte ich das Ganze sogar als persönliche Familiengeschichte aufziehen.
»Okay, angenommen, ich bin mit ihr verwandt. Ich kenne diese Frau trotzdem nicht und sie kennt mich nicht. Warum sollte sie mir auch nur zuhören?«
»Miss Balsam, glauben Sie an Gott?«
Diese Frage überrumpelte mich. »Ja.«
»Glauben Sie, dass er aus allem, was geschieht, etwas zu seiner Ehre machen kann?«
Meine Eltern glaubten das. Meine Schwester auch. Ich hatte es früher auch geglaubt. Bis ich gesehen hatte, wie chaotisch und kaputt und außer Kontrolle die Welt war. Wenn der Journalismus mich etwas gelehrt hatte, dann die Erkenntnis, dass wir alle nur durch ein Minenfeld aus Gefahren und Raubtieren und dummen Zufällen stolpern. Aber es war nicht zu übersehen, dass Mr Rich glaubte, Gott hätte ihm eine Aufgabe übertragen – er sollte diese Sachen zurückgeben –, und dass er keinen Frieden finden würde, solange er diese Aufgabe nicht erfüllt hatte.
Statt seine Frage zu beantworten, stellte ich eine Gegenfrage. »Warum schicken Sie ihr die Sachen nicht einfach mit der Post?«
Ich wartete auf eine Antwort, aber er nannte mir keinen logischen Grund.
»Würden Sie sich einfach erkundigen, ob Sie mit Nora verwandt sind?«, fragte er.
Der flehentliche Ausdruck in seinen braunen Augen löste noch mehr Steine aus meiner ohnehin schon bröckelnden Schutzmauer.
»Also gut. Ich erkundige mich«, antwortete ich.
Mr Rich nickte und schob eine Visitenkarte über den Tisch. Ich mied Lindens kritischen Blick, als ich die Karte einsteckte und mich aus meinem Stuhl zwängte.
»Es war schön, Sie kennenzulernen«, sagte ich. »Danke für das Essen.«
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15.03.2021Seelensplitter auf www.lovelybooks.de Drei Generationen: heute, 1960 und 1860 - Jahreszahlen, die eigentlich nichts miteinander zu tun und doch hängen sie zusammen. Es geht um die Problematik zwischen weißen und schwarzen Menschen. Menschen die anders sind. Die als Sklaven gehalten wurden und die man ausbeutete. Die man ausschloss, nur weil sie eine andere Hautfarbe hatten. Zudem geht es darum, wie drei Frauen
hinter die Vorhänge sehen, helfen, wo es keiner mehr sonst tun würde, Liebe empfinden, wo Hass regieren möchte.
Die Frage ist, folgst du den drei Frauen und lässt dich mitnehmen?
Wie ich das Gelesene empfinde:
Das Buch riss mich ziemlich schnell in seinen Bann. Gut empfand ich dabei, das ich mich erst in der jetzigen Zeit befinde, dann um 1963 und eben um 1860. Denn in jedem einzelnen Jahr passiert so unglaublich viel. Sei es ein Kind, das nicht als weißes auf die Welt kommt und deswegen vertauscht werden muss. Sei es, dass eine Ehe geschlossen wird, obwohl alle dagegen sind, sei es, dass ein Richter alles andere als fair ist und sei es, dass eine alte Frau einem Mädchen das Leben neu zeigt - unter verschiedenen Aspekten des Lebens. Das hat mich unendlich berührt und auch in den Bann gezogen, sodass ich wirklich an einem Abend stur durchgelesen habe, denn ich wollte wissen, wie die Geschichte endet, doch irgendwie blieb mir das ein oder andere noch zu sehr offen. War nicht gut genug aufgelöst - dafür hat mein Kopfkino dafür reichlich weiter die Geschichte gesponnen.
Die Charaktere:
Es geht um starke Frauen - um eine junge Frau die mitten im Krieg steckt, in dem sich die Sklavenverhältnisse ändern müssen, dann um eine Frau die mitten im Aufruhr heiratet und dennoch alles daran setzt, das es klappen kann, und es geht um eine Journalistin die einen geheimnisvollen Auftrag erhält. Alle Frauen sind ziemlich tapfer, stark und behaupten sich gegen Männer. Dabei ist der Glaube eine wichtige Ressource. Doch ein heimlicher Hauptakteur ist ein Haus, das schon 1860 stand und deswegen auch vieles mit ansehen musste und durfte und deswegen klar seine Geheimnisse offenbaren möchte. Es geht aber um so vieles mehr und die Charaktere sind wirklich autark und intensiv.
Spannung:
Dadurch das es drei verschiedene Handlungsstränge gibt, die aber zusammengehören, ist es unendlich spannend, denn immer dann wenn ich gerade wissen mag wie es weiter geht, kommt das nächste Jahr und ich erfahre wieder neues. So blieb ich am Buch kleben und konnte kaum aufhören zu lesen.
Empfehlung:
Das Buch greift ein irre wichtiges Thema auf, das auch in Deutschland immer mehr Gehör finden muss und sollte. Nämlich das egal welche Hautfarbe ein Mensch hat, er ist nicht anders als du oder ich. Nur wenn er sich doof verhält ist er auch doof, wobei manchmal lohnt es sich, gerade hier auch wirklich bewusst hinzusehen, warum der Mensch so ist, wie er ist.
Für mich ist dieses Buch wirklich eine Augenweite gewesen und genial ist, das Frauen eine enorm wichtige Rolle dabei spielen.
Es ist ein christlicher Roman, wo auch Hinweise auf den Glauben gesetzt werden, jedoch so das es nicht aufdringlich oder wie ein Bekehrungsversuch wirkte, sondern eher wie ein Beisatz, die Frage ob Gott den Weg vorzeichnet und das man manches erst Jahre später versteht fand ich gut. Deswegen lest das Buch. Egal ob 14 Jahre oder 99. Es ist ein Buch dass das Herz berührt. Und ich hoffe irgendwie das es noch einen Nachfolger geben wird, denn mir blieb irgendwie noch manches zu offen.
Bewertung:
Gute Unterhaltung, Augenmerk auf ein aktuelles Thema, Spannung und Träumen stehen im Vordergrund und genau das mochte ich an diesem Werk, weswegen ich auch volle fünf Sterne vergeben möchte.
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25.09.2020maebuerle auf lovelybooks.de Das Rassenproblem auf den Punkt gebracht
„...“Warum hat er sie angegriffen?“ Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Solche Männer brauchen keinen Grund.“ Was für Männer?“ „Sie wissen schon, wichtige weiße Männer. Sie brauchen für gar nichts einen Grund.“...“
Das Gespräch zwischen Nora und William fand in Detroit im Jahre 1963 statt. William ist ein dunkelhäutiger Fotograf. In einer Ausstellung ist ein
Bild von ihm zu sehen. Es zeigt einen Weißen, der dem Fotografen die Kamera zerschmettert hat. Der Weiße ist Noras Vater. Diese Episode gehört zu Elizabeths Familiengeschichte. Das weiß sie aber noch nicht, als ein alter Mann an sie herantritt und sie bittet, eine Kamera und Fotos an ihre Verwandte namens Nora weiterzugeben. Von der Verwandten hat Elizabeth nie gehört. Doch sie ist Journalistin und wittert eine Geschichte.
Die Autorin hat eine bewegende Familiengeschichte geschrieben. Sie reicht vom amerikanischen Bürgerkrieg bis in die Gegenwart. Drei Generationen der Familie lerne ich kennen. Elizabeth hat einen Fehler gemacht und verliert ihre Festanstellung als Journalistin. Plötzlich hat sie Zeit, um nach Nora zu suchen. Anrufe bei Verwandten weisen ihr den richtigen Weg. Nora wohnt in Lapeer County und freut sich auf Elizabeth. Letztere möchte ein paar Tage dort bleiben, um in Ruhe über ihre Zukunft nachdenken zu können.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er bringt die Probleme konkret auf den Punkt und lässt viel Platz für die Emotionen der Protagonisten. Es sind die starken Frauen, die die Familiengeschichte dominieren. Das Gespräch, das ich anfangs zitiert habe, hat gravierende Folgen. Nora stammt aus begüterten Haus und wohnt in der besten Gegend von Detroit. Nora und William sehen sich öfter. Nora spürt, dass William tiefer sieht. Für ihn ist sie nicht nur eine Puppe, mit der man angibt.
„...In genau dem Moment verliebte sich Nora auf einem unscheinbaren hellbraunen Sofa in eine tadellos sauberen Wohnzimmer an der Ecke Zwölfte Straße und Seward Street in den falschen Mann...“
Sie heiraten. Das stellt beider Leben auf den Kopf, denn weder seine, noch ihre Familie sind begeistert. Bei Nora sieht Elizabeth eine schöne, aber sehr alte Quiltdecke. Nora hat sie von ihrer Ahnin Mary. Auch von der hatte Elizabeth noch nie gehört.
„...Meine Großtante schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich sollte mich das nicht überraschen.“ „Warum nicht?“ „Weil die Geschichte immer von den Siegern geschrieben wurde.“...“
Im Jahre 1861 war Mary hochschwanger. Ihr Mann Nataniel ist gegen die Sklaverei und meldet sich deshalb für den amerikanischen Bürgerkrieg. Plötzlich ist Mary allein für die Farm verantwortlich. Als sie geflohene Sklaven bei sich aufnimmt, wird sie angefeindet. Auch Nataniels Mutter ist dagegen.
„...Sie war immer für die Sklavenbefreiung. Aber sie glaubt einfach, Schwarze wären grundlegend anders als Menschen westeuropäischer Herkunft und die Freigelassenen sollten nach Afrika geschickt werden...“
Dass die Probleme ihrer Vorfahren auch heute noch nicht gelöst sind, wird Elizabeth klar, als ihr ein Zeitungsartikel in die Finger kommt, in dem darüber informiert wird, dass ein weißer Polizist einen schwarzen Jungen erschossen hat.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeigt in drei unterschiedlichen Handlungssträngen, welche Konsequenzen das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe haben kann. Dabei macht die Autorin deutlich, dass ein friedliches Zusammenleben Respekt auf beiden Seiten erfordert und dass Gewalt keine dauerhafte Lösung ist.
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27.04.2020dorli In ihrem Roman "Wir hofften auf bessere Zeiten" erzählt Erin Bartels eine mitreißende Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen erstreckt. Gleichzeitig schildert die Autorin den Umgang mit Rassismus im Norden der USA im Wandel der Zeit, indem sie den Leser auf eine Zeitreise zu den Rassenunruhen 1967 in Detroit sowie in die 1860er Jahre auf eine Farm mitnimmt, die
während des Sezessionskrieges Teil eines Fluchthilfenetzwerks war, welches Sklaven auf der Flucht aus den Südstaaten nach Kanada Unterschlupf gewährte.
Die Detroiter Journalistin Elizabeth Balsam wird gebeten, eine alte Kamera und eine Schachtel voller Fotos an Nora Balsam - angeblich eine entfernte Verwandte von ihr - zu übergeben. Da Elizabeth weder Nora kennt, noch Zeit und Interesse hat, will sie der Bitte nicht nachkommen. Erst als sie erfährt, dass es sich bei den Fotos um Bildmaterial über die 1967er Unruhen handelt, wird sie hellhörig. Als ihr Chef ihr kurz darauf unerwartet kündigt, beschließt Elizabeth, Nora ausfindig zu machen. Ihr Weg führt sie zu einem alten Farmhaus nahe Lapeer, in dem Nora seit vielen Jahren lebt. Während ihres Aufenthalts lernt Elizabeth nicht nur die alte Frau, bei der es sich tatsächlich um ihre Großtante handelt, peu à peu besser kennen, sie stößt auch auf ein über 150 Jahre zurückliegendes Drama, in dem Noras Urgroßmutter Mary die Hauptrolle spielt"
"Wir hofften auf bessere Zeiten" wird fesselnd erzählt und entwickelt schnell einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann. Der Roman besticht vor allen Dingen durch ein abwechslungsreiches Geschehen und einen vielschichtigen Handlungsaufbau - eine Vielzahl an Personen und die drei unterschiedlichen, ständig wechselnden Zeitebenen verlangen dabei besonders auf den ersten Seiten konzentriertes Lesen, um nicht den Faden zu verlieren. Es ist Erin Bartels ganz hervorragend gelungen, die gegenwärtige Handlung mit den dramatischen Ereignissen der 1860er und 1960er Jahre zu verknüpfen. Die Autorin lässt ihre drei Hauptfiguren im Wechsel zu Wort kommen, so dass man die Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln verfolgen und intensiv am Schicksal der einzelnen Akteure teilhaben kann. Obwohl die Lebensläufe der drei Balsam-Frauen gänzlich unterschiedlich sind, verbindet sie doch eine Sache - jede von ihnen setzt sich über die für ihre Zeit geltenden gesellschaftlichen Konventionen hinweg und versucht trotz Verachtung, Beleidigungen und Einschüchterungen durch ihre Mitmenschen auf ihre Weise die Mauern zwischen Schwarz und Weiß einzureißen. Abseits davon macht die Autorin auch deutlich, wie wichtig es im Leben ist, anderen Menschen deren Schuld vergeben zu können.
"Wir hofften auf bessere Zeiten" ist sowohl mitreißende Familiengeschichte wie auch fesselndes Gesellschaftsporträt - ein Roman, der mich mit seinen ineinander verschlungenen außergewöhnlichen Lebensgeschichten durchweg begeistert hat.
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20.04.2020Gudrun Ermes Die Autorin erzählt in diesem Roman die Lebensgeschichte dreier Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Ausprägungen des Rassismus konfrontiert werden.
Da ist Mary Balsam, die sich während des amerikanischen Bürgerkriegs in den entlaufenen Sklaven George verliebt. Nora Marys Urenkelin heiratet gegen den Widerstand ihrer Eltern in den 1960ern einen Schwarzen und die Journalistin Elizabeth macht sich auf
die Spurensuche nach der Familiengeschichte ihrer Großtante Nora.
Der Autorin gelingt es wunderbar diese drei Geschichten miteinander zu verknüpfen, so das dem Leser Stück für Stück die familiären Zusammenhänge und die geschichtlichen Hintergründe offenbart werden. Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er ist flüssig, spannend und zeichnet sich durch unvorhersehbare Zusammenhänge und Wendungen aus. Zu Beginn muss man etwas aufpassen auf welcher Zeitebene man sich gerade befindet, aber durch die Personen wird es immer schnell klar. Die Handlungen sind vielschichtig und der Leser ist von Beginn an gespannt wie sich die Vergangenheit auf die Gegenwart auswirken wird.
Die Vielschichtigkeit der Geschichte und die unterschiedlichen historischen Zeitebenen , die sich erst langsam zu einem zusammenhängendem Gesamtbild zusammensetzen, beeindrucken mich sehr. Die überzeugende Charakterentwicklung und die glaubwürdige Darstellung historisch belegter Ereignisse haben mich sehr angesprochen. Der christliche Glaube in sehr unterschieldichen Ausürägungen oder eben der Zweifel daran fließt immer wieder in die Handlung ein und bereichert die Erzählstränge, die sich am Ende zu einem verdichten. Es handelt sich um ein Buch, das den Leser unterhält , informiert und zum Nachdenken anregt.
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19.04.2020Dreamworx Drei Frauen trotzen ihrer Zeit
Die ehrgeizige Reporterin Elizabeth Balsam wundert sich nicht schlecht, als ein älterer Herr an sie herantritt und sie um einen Gefallen bittet. Sie soll jemandem eine mit Fotos gefüllte Schachtel samt Kamera übermitteln, der anscheinend mit ihr verwandt sein soll, dessen Existenz ihr bis dato allerdings nicht bekannt war. Elizabeth hat sich noch nicht entschieden,
ob sie diese Bitte erfüllen will, als sie ihren plötzlich ihren Job verliert. Um die Zeit sinnvoll zu verbringen, verlässt sie ihre Heimat Detroit und besucht die ihr unbekannte Großtante Nora, um ihr die in Verwahrung genommenen Gegenstände zu überbringen. Während ihres Aufenthaltes wächst Elizabeth nicht nur Nora immer mehr ans Herz, sondern sie erfährt auch viele unbekannte Details und Geheimnisse ihrer Familiengeschichte, die sich nachhaltig auf Elizabeth" Leben auswirken"
Erin Bartels hat mit "Wir hofften auf bessere Zeiten" einen packenden und tiefgründigen Generationenroman vorgelegt, der die amerikanische Geschichte über einen langen Zeitraum beleuchtet und vor allem den Konflikt zwischen Weißen und Farbigen näher in Augenschein nimmt, der bis heute nicht beigelegt ist. Nicht nur der flüssig-leichte und bildhafte Schreibstil weiß den Leser von Beginn an zu fesseln, auch die Struktur des Romans trägt seinen Teil dazu bei. Über drei Zeitebenen verteilt die Autorin ihre Handlung und lässt mit den wechselnden Perspektiven unterschwellig die Spannung immer weiter in die Höhe steigen. So behandelt eine Zeitebene die Gegenwart um Elizabeth und Nora, ein anderer erzählt die Geschichte von Mary Ende des 19. Jahrhunderts während des amerikanischen Bürgerkrieges, und der letzte lässt Noras Erlebnisse zur Zeit der Rassenunruhen in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts Revue passieren. Die Autorin zeichnet drei Generationen von Frauen, die sich alle mutig und kämpferisch den Widerständen entgegenstellen, um das Leben zu führen, das sie für sich als geeignet ansehen. Gleichzeitig verwebt die Autorin in den unterschiedlichen Zeitebenen den damaligen politischen und gesellschaftlichen Hintergrund, so dass die Entwicklung über die Jahrhunderte in Bezug auf den Rassenkonflikt sehr anschaulich vermittelt wird.
Die Charaktere sind sehr fein und facettenreich gezeichnet, was sie lebensnah und glaubwürdig erscheinen lässt. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, fühlt sich ihnen verbunden und kann so mit ihnen leiden, fühlen und fiebern. Elizabeth ist eine toughe Reporterin, die alles für eine gute Story tun würde. Sie besitzt für ihren Beruf den richtigen Riecher und eine ausgeprägte Neugier. Die Kündigung lässt sie unsicher werden und sich auf sich selbst zurückbesinnen. Nora ist eine nette alte Dame, die in vielen Dingen verschlossen ist wie eine Auster. Erst nach und nach taut sie auf und enthüllt, was für eine mutige und entschlossene Frau sie eigentlich ist. Mary muss sich in Kriegszeiten allein durchschlagen und kämpft mit Stärke mutig gegen alle Widerstände an. Sie hat ein großes Herz und lebt die Gleichberechtigung, was vielen in ihrem Umfeld ein Dorn im Auge ist.
"Wir hofften auf bessere Zeiten" ist ein eindrucksvoller, anrührender und vielschichtiger Debütroman, der dem Leser nicht nur drei großartige Protagonistinnen mit einer interessanten Handlung beschert, sondern das Thema Rassismus aufrüttelnd und eindringlich präsentiert. Absolute Leseempfehlung für ein tiefgründiges Buch, das noch lange nachhallt!
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12.04.2020Sabine Wilhelm Sehr schönes tolles Buch. Konnte es gar nicht zur Seite legen. Die Geschichte fesselt einen, sie erzählt über mehrere Generationen.
11.04.2020Marianne Elisabeth ist eine ehrgeizige Journalistin. Sie setzt alles ein auf ihrer Jagd nach einer guten Geschichte. Zu gern wüsste sie mehr über die großen Rassenunruhen im Jahr 1967 in ihrer Heimatstadt, Detroit. Als ein Unbekannter ihr von einer Schachtel mit Originalfotos dieser Unruhen erzählt, will sie diese unbedingt sehen. Dafür soll sie aber eine ihr unbekannte Großtante aufsuchen, der
die Fotos eigentlich zustehen. Da Elisabeth ungerechterweise gerade ihren Arbeitsplatz verloren hat, hat sie Zeit für einen ausgedehnten Besuch bei dieser älteren Frau, Nora. Nach und nach erfährt sie Teile ihrer bewegten Familiengeschichte. Für Elisabeth rücken die Bilder bald in den Hintergrund, denn ihre Großtante wächst ihr ans Herz, und die Familiengeschichte verändert ihr Leben.
Diese Geschichte wird abwechselnd in drei Zeitebenen erzählt. Dabei greifen die Geschichten ineinander und beantworten aufgeworfene Fragen der anderen Zeitepochen. Zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs am Ende des 19. Jahrhunderts muss die schwangere Mary ein großes Anwesen allein verwalten, da ihr Mann in den Krieg zieht. Diese mutige Frau bietet entflohenen Sklaven ein Zuhause, und leistet auf diese Weise ihren Beitrag im Kampf für die Gleichheit aller Menschen. In ihrer Umgebung stößt sie dafür auf starken Widerstand.
Nora kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus. Auch wenn ihre Familie gegen Rassismus ist, kommt es für sie nicht in Frage, dass Nora einen Schwarzen heiratet. Nora gibt für ihre Liebe alles auf, doch bei den Detroiter Rassenunruhen im Jahr 1967 verliert sie alles.
Elisabeth lernt Nora fünfzig Jahre später kennen. Zu gern wüsste sie, was Nora alles erlebt hat, aber Nora spricht nicht gern darüber. Und manchmal scheint es als wären ihren Gedanken nicht mehr ganz klar, denn sie spricht von ihrem längst verschwundenen Mann so als wäre er noch da.
Am Anfang fällt es schwer in die Geschichte hineinzukommen, denn es werden eigentlich drei Geschichten erzählt, und es dauert, bis die Charaktere wirklich greifbar werden. Doch schon bald werden die Zusammenhänge zwischen den Geschichten klar, und das Buch wird so spannend, dass es schwerfällt es zur Seite zu legen. Auch wenn dieses Buch in einem christlichen Verlag erscheint, spielt der christliche Glaube aber eher eine untergeordnete Rolle.
Der Leser sieht, wie sich der Rassismus im Laufe der Zeit verändert hat, aber doch bis zum heutigen Tag präsent ist. Das spiegelt leider die Wirklichkeit dieser amerikanischen Großstadt wider. Die Geschehnisse sind teilweise tragisch, aber es ist wichtig, dass Geschichten wie diese erzählt werden, damit aus dem Vergangenem gelernt wird.
Fazit: Ein berührendes und spannendes Buch über den Rassismus in Amerika, das drei mutige Frauen porträtiert, die sich trotz Widerstände zu ihren Überzeugungen bekennen.
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