Marie-Sophie Maasburg legt mit diesem Buch eine eindrückliche Biografie ihrer Großeltern vor. In Gesprächen berichten Fürstin Marie-Louise und Fürst Albrecht zu Castell-Castell davon, wie sie aus einer Lebenskrise heraus zu einem lebendigen Glauben an Jesus fanden; wie Gott sie durch die Schule des Glaubens führte; wie sie mit den Höhen und Tiefen ihres Lebens umgehen lernten; welche geistlichen Strömungen ihr Leben und Wirken beeinflusst haben. Der Leser wird Zeuge, wie sich das Fürstenpaar von Gott geführt sieht, sich in der ökumenischen Bewegung und in der Versöhnungsarbeit zwischen Deutschland und Israel zu engagieren, und wie die Liebe zum Heiligen Land über die Jahre wächst.
Ein inspirierendes Buch über die Lebens- und Glaubenswege des Fürstenpaares Castell, das an vielen Orten zu Brückenbauern wurde – auch, wenn es oft unbequem war, sich für Versöhnung und Vergebung einzusetzen.
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Vorwort
Als ich im März 2007 nach Castell reiste, um Akten für meinen Großvater zu ordnen, wusste ich noch nicht, worauf ich mich einlassen würde. Aber ich hatte ihm während meines Studiums versprochen, diese Arbeit einmal zu übernehmen und mit dem Diplom in der Tasche war Castell so gut wie jeder andere Ort, um auf Jobsuche zu gehen.
In diesen Tagen wurde die Idee geboren, anhand der vielen Unterlagen ein Buch zu schreiben. Ein gleichzeitig spannender und erschreckender Gedanke. Wie schreibt man ein Buch über das Glaubensleben der eigenen Großeltern? Ist man da nicht viel zu sehr involviert, um das objektiv darzustellen? Und der Berg an Material, den ich bereits geordnet hatte, war nur ein Bruchteil der existierenden Unterlagen! War es möglich, alle diese Informationen auf ein paar Seiten darzustellen?
Aber die Idee hat mich auch fasziniert – nicht zuletzt weil es mir die Chance bot, meine Großeltern noch mal ganz neu und intensiv kennenzulernen.
Also habe ich mich schließlich darauf eingelassen. Es folgten Monate voller Gespräche, sowohl mit meinen Großeltern als auch mit Menschen, die sie auf Etappen ihres Weges begleitet haben.
Bei der Sichtung der Themengebiete wurde mir schnell klar, dass ich im Rahmen dieses Buches nur der Spur einer kleinen Auswahl an Wegen, die meine Großeltern eingeschlagen haben, würde folgen können. Der Ausgangspunkt war schnell gefunden – ihr Weg zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus beim Marburger Kreis und die Erkenntnis, dass Vergebung und Versöhnung eine entscheidende Rolle spielen – egal in welcher Beziehung. Diese grundlegende Änderung in ihrem Leben hat sie viele verschiedene Richtungen einschlagen lassen. Ihr wachsendes Interesse an Israel und dem jüdischen Volk, verbunden mit den Erfahrungen der Versöhnungswege 1995, führte sie schließlich an den Punkt, an dem sie heute angelangt sind.
Das Ziel eines jeden Christen sollte es sein, die Einheit der Gemeinde Jesu wiederherzustellen. Der Weg meiner Großeltern hat ihnen persönlich die Sicht dafür geöffnet, dass es berechtigte Hoffnung auf Einheit gibt – dazu müssen aber alle, die an Jesus glauben, zusammenkommen. Nicht zuletzt die Juden – die messianischen Juden, die Jesus als ihren Messias erkannt haben.
Der Versuch einer Rückschau muss Stückwerk bleiben und kann nicht als vollendet betrachtet werden – zu vieles geschah und geschieht noch in dem langen Leben meiner Großeltern, als dass man hier alles beschreiben könnte. So gibt es mehrere Themen und auch Menschen, die nicht erwähnt werden konnten. Einige sollen hier aber kurz genannt werden, da sie eine wichtige Rolle auf dem geistlichen Weg meiner Großeltern gespielt haben: Mit der jüdischen Gemeinde in Würzburg sind sie seit Längerem freundschaftlich verbunden und mein Großvater hat bei Planung und Bau des Gemeindezentrums „Shalom Europa“ mitgewirkt.
Mit den Benediktinermönchen in Münsterschwarzach pflegen meine Großeltern eine langjährige Freundschaft, die auch häufig seelsorgerliche Hilfe beinhaltet. Zudem begleiten sie mit großem Interesse die weltumspannende Jugend-Gebetsbewegung PrayNet, die dort ihre Zentrale hat. Ebenfalls gute Freunde sind das Ehepaar Schaube aus Neufrankenroda, Gründer der Familienkommunität Siloah, deren Jugendarbeit weite Kreise zieht. Das Pfarrerehepaar Piehler liegt meinen Großeltern sehr am Herzen – langjährige Freunde aus Leipzig, mit denen sie eine tiefe Verbundenheit im Glauben empfinden.
In diesem Buch kann nicht ausführlich auf alle Versöhnungsbegegnungen im Leben meiner Großeltern eingegangen werden: mit Juden, Sinti und Roma, Katholiken, Mitarbeitern, Menschen aus dem Dorf und Mitgliedern der Familie.
Es konnte und sollte keine Aufzählung des Gewesenen werden, sondern schlaglichtartig Wendepunkte auf ihrem Weg mit Gott ausleuchten. Ein Weg, der nicht abgeschlossen ist, sondern auf dem beide ganz bewusst weitergehen. Es geht auch um manche begonnene Wege, vor allem in der eigenen Familie, die vielleicht noch zu Ende gegangen werden dürfen. Es kann nur ein Anfang sein, denn der Prozess der Versöhnung und Vergebung kann nie abgeschlossen werden, solange wir leben. Bei allem Streben bleibt die Erkenntnis, dass unsere menschlichen Bemühungen eben oft Stückwerk bleiben.
Als wir für die überarbeitete Neuauflage des Buches nach einem Titel suchten, kam mir spontan die Idee, es „Gerne unbequem“ zu nennen. Die erste Reaktion meiner Großmutter war: „Wir sind doch nicht immer gerne unbequem – vielleicht könnte man es ‚Manchmal gerne unbequem‘ nennen?“ Da musste ich lachen, weil doch kein Mensch gerne unbequem sein möchte, aber meine Großeltern sich dennoch durchaus bewusst sind, dass sie in ihrem Leben unbequem gewesen sind.
In diesem Fall finde ich, dass meine Großeltern in ihrem Glaubensleben tatsächlich gerne unbequem sind. Weil sie Jesus und immer neuen Erkenntnissen in seinem Reich gefolgt sind, gerne neue Erfahrungen machten und immer noch bereit sind, den Weg mit ihm weiterzugehen. Weil sie jeden Menschen daran teilhaben lassen. Weil sie darüber, was sie als wahr und richtig erkannt haben, nicht schweigen können.
Dieser ganze Weg war und ist nicht bequem. Nicht für meine Großeltern selbst und schon gar nicht für die vielen, die mit ihrem schnellen Tempo in Glaubensfragen einfach nicht mithalten konnten oder wollten. Selbst von Spott und Ablehnung aus dem engsten Umfeld haben sie sich nie abhalten lassen. Weil sie bei ihrer Bekehrung, ihrer Hinwendung zu Gott das Wort Jesu unumstößlich angenommen haben: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
Um auf diesem Weg zu bleiben, diese Wahrheit immer tiefer und besser zu erfassen und Leben in Gott zu haben, sind sie unbequem gewesen. Für viele. Und weil die Wahrheit selten bequem ist und uns dennoch frei macht, sind sie es gerne gewesen.
Und sie sind es bis heute: gerne unbequem.
Ich bin ihnen dankbar dafür!
Marie-Sophie Maasburg
Anmerkung:
Um es dem Leser leichter zu machen, nenne ich meine Großeltern im Text bei ihren Vornamen bzw. Großvater und Großmutter. Wenn in Beiträgen meiner Geschwister, Vettern und Cousinen jedoch Omama und Opapa vorkommt – wie wir unsere Großeltern normalerweise nennen – so habe ich das aus Authentizitätsgründen so belassen.
Kapitel 1
Geistliche Strömungen in den Häusern Castell und Waldeck
Von Jesko Graf zu Dohna
Um besser einordnen zu können, auf welcher Tradition und Erfahrung meine Großeltern, Albrecht Fürst zu Castell-Castell und Marie-Louise Fürstin zu Castell-Castell, geborene Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, ihren Weg mit Gott aufbauen konnten, werden zunächst einige Glaubensfragen aus den Familiengeschichten der Häuser Castell und Waldeck erläutert und die Lebensjahre von Albrecht und Marie-Louise bis zu ihrer Heirat kurz skizziert.
Adel und Kirche sind im frühen Mittelalter im ganzen christlichen Europa eine enge Verbindung eingegangen. Bischöfe und Priester, Äbte, Äbtissinnen, Nonnen und Mönche stammten fast ausschließlich aus dem Adel. So finden wir auch bei den Grafen Castell schon seit ihrem ersten Auftreten im 11. Jahrhundert eine enge Verbindung zu Bistümern und ihren Domkapiteln (u.a. Würzburg und Bamberg), Klöstern (u.a. Ebrach und Münsterschwarzach) sowie zu zahlreichen Pfarreien. 1282 ließ Graf Hermann Castell eine seiner wichtigsten Burgen in ein Karmeliterkloster, das künftig zugleich Grablege der Familie wurde, umfunktionieren. An Schenkungen und Stiftungen für Klöster und Pfarreien waren nicht selten regelmäßige Seelenmessen geknüpft, also die Verpflichtung, für die verstorbenen Stifter zu beten. Doch geistliche Institutionen wie Domkapitel und Klöster dienten auch der standesgemäßen Versorgung von Familienmitgliedern. Deshalb lebten bis zur Reformation immer wieder Angehörige der Familie als geistliche Ritter, Domherren, Äbtissinnen und Nonnen.
Einen Bischof hat das Haus Castell wohl nie hervorgebracht, was vermutlich auch daran lag, dass die Familie mehrfach auszusterben drohte. Es gibt keine persönlichen schriftlichen Glaubenszeugnisse aus dem Mittelalter, doch sprechen die kirchlichen Bauwerke und Epitaphien zur Ehre Gottes – freilich auch zum Ruhm des Hauses – eine eigene Sprache und setzen ein deutliches Bekenntnis zum christlichen Glauben.
Mit dem Beginn der Reformation zeigten sich die zerstrittenen Brüder Johann und Wolfgang auch konfessionell gespalten. Graf Johann, markgräflicher Amtmann in Kitzingen, war schon früh der evangelisch-lutherischen Lehre zugeneigt, während sein Bruder Wolfgang, Rat und Amtmann des Bischofs von Würzburg, bis zu seinem Tod 1546 am katholischen Glauben festhielt. Seine Söhne Georg, Heinrich und Konrad traten jedoch alle zum evangelischen Bekenntnis über und leiteten damit auch zwischen 1546 und 1559 die Reformation in den rund 20 Pfarreien der Grafschaft Castell ein. Auch wenn die Reformation von dem Tübinger Theologen Jacob Andreae, dem Vater der Konkordienformel, begleitet wurde, so ist es doch bemerkenswert, dass auch die drei regierenden Grafen sich gründliche theologische Kenntnisse erwarben. Viele der dickleibigen Bibelkommentare und theologischen Werke der Schlossbibliotheken in Castell und Rüdenhausen tragen handschriftliche Vermerke und Unterstreichungen ihrer Besitzer, was auf eine intensive Beschäftigung mit deren Inhalten schließen lässt. Das reformatorische Bekenntnis wurde von ihren Frauen mitgetragen und sogar besonders gefördert, wie die Stiftung Gräfin Elisabeths, geb. Gräfin von Helfenstein, zur Hebung der Pfarreinkünfte in sechs Castell’schen Pfarreien verdeutlicht. Als Graf Konrad sich noch zu Lebzeiten seines Vaters dem evangelischen Glauben zuwandte, sandte ihm der Würzburger Bischof einige lateinische und deutsche Bücher nach Castell, um den Übertritt womöglich noch zu verhindern, verbunden mit der Hoffnung, seine Frau, Gräfin Elisabeth geb. Markgräfin von Baden, werde die Bücher sorgfältig lesen. Da hatte er jedoch die Interessen des Grafen Konrad falsch eingeschätzt, denn „Religion war ihm Herzensangelegenheit, den größten Genuss fand er im Umgang mit gelehrten Theologen“ (August Sperl). Das gleiche Urteil könnte man auch über seine Brüder Heinrich und Georg abgeben. Für die Erziehung seiner Kinder erließ Graf Georg detaillierte Instruktionen: tägliches Gebet, Andacht und ein streng evangelisch-lutherischer Glaube waren dabei wichtige Erziehungsziele. In seinem Testament ermahnte er seine Nachfahren, am evangelischen Glauben festzuhalten: „Demnach der wolgeborne unser freundlicher lieber Bruder Graf Heinrich und wir uns die Zeit unserer Regierung zu der Augsburgischen Konfession und dann der darauf erfolgten christlichen Erklärung und Wiederholung in dem Konkordibuch bekannt und das gemelt Konkordibuch unterschrieben, folgends die christliche württembergische Kirchenordnung in unserer Grafschaft Kirchen aufgerichtet haben, bei welcher christlicher Religion dann beide unsere Söhne und Erben bis daher erzogen, also wollen wir uns zu ihnen unseren Söhnen väterlich versehen, sie werden bei solcher christlicher Religion durch Beistand des heiligen Geistes bis in ihre Gruben nit allein verharren, auch ihre Kinder, da ihnen der allmächtige Gott deren geben sollte, in solcher Religion auferziehen, sondern wir befehlen ihnen auch hiemit aus väterlicher Autorität, daß sie die Unterthane in der Grafschaft bei obbemelter christlicher Religion bleiben lassen, darinnen nichts ändern, auch keinen Kirchendiener oder Pfarrer in der Grafschaft annehmen wollen, er bekenne sich dann zu mehrgedachter Augsburgischer Konfession, Konkordibuch und aufgerichteter Kirchenordnung.“
Unter den fränkischen Grafen und Herren gehörten die Grafen Castell nicht, wie z.B. die Grafen von Wertheim oder von Schwarzenberg, zur ersten Generation derjenigen, die in ihrer Herrschaft die neue Lehre einführten. Nach zögerlichen Anfängen, dann mit der Rückendeckung des Augsburger Religionsfriedens (1555) und der Unterschrift unter die Augsburger Konfession wurde bis 1559 in der ganzen Grafschaft eine Pfarrei nach der anderen mit evangelischen Pfarrern besetzt. Mit Einführung der Reformation waren die Grafen Castell nach dem evangelischen Kirchenregiment auch Summus Episcopus (oberster Bischof) ihrer kleinen Landeskirche geworden. Nicht mehr die Bischöfe in Würzburg und Bamberg, sondern zwei Konsistorien in Castell und Rüdenhausen regelten die geistlichen und schulischen Angelegenheiten in den zur Grafschaft gehörigen Pfarreien. Dort, wo die Grafen Castell kein Patronatsrecht hatten, konnten sie in der Regel durch die Landesherrschaft über die Gemeinden die neue Lehre durchsetzen. Damit kontrollierte man nicht nur die Einsetzung der jeweiligen Pfarrer und Lehrer, führte Visitationen durch, übte Aufsicht über die Kirchengüter, sondern hatte als Patronatsherr auch Recht auf einen besonderen Sitz und Begräbnis in der Kirche, Trauergeläut, Fürbitte und andere Vorrechte.
Die Kirchenpatronate wurden erst 1969 aufgehoben. Damit erlosch auch die besondere Fürbitte der Pfarrer für den Kirchenpatron und seine Familie, die jeden Sonntag in allen Patronatspfarreien gebetet wurde. Bis heute sitzt Fürst Albrecht in der Casteller Grafschaftskirche St. Johannis in seinem Patronats-Stand, einer Loge auf Höhe der Kanzel, in der früher die ganze Großfamilie Platz fand. Heute würdigt man in der Kirchenleitung das Mitwirken der Patronatsherren mittlerweile wieder positiver. Der bayerische Landesbischof i.R. Dr. Johannes Friedrich hat im Jahr 2007 die noch aktiven Inhaber von Patronatsrechten zu einem Essen eingeladen, um ihnen für die Wahrnehmung dieser für die Kirche wieder als wichtig erkannten Aufgabe zu danken.
* * *
In der Familie wird heute die Beziehung zu Zinzendorf, einem lutherisch-pietistischen Theologen, Gründer und Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine und Dichter zahlreicher Kirchenlieder, und seinem geistlichen Erbe besonders gepflegt. 1720 besuchte der 20-jährige Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf seine verwitwete Tante Dorothea Renata, die als regierende Gräfin und erste Hausfrau im neuen Schloss in Castell residierte. Nachdem er sich bei seinem vierteljährigen Aufenthalt in seine Cousine Sophie Theodore verliebt hatte, reiste er nach Sachsen zurück, um das Einverständnis für die Eheschließung einzuholen. Auf dem Rückweg kehrte er bei seinem Freund Graf Heinrich XXIX. Reuß in Ebersdorf ein. Hier erfuhr er, dass dieser ebenfalls Sophie Theodore heiraten wollte. Gemeinsam fuhren sie nach Castell, um die Entscheidung der jungen Gräfin als göttlichen Willen anzuerkennen. Sophie Theodore entschied sich für Heinrich XXIX., der sie gutwillig, aber noch nicht „recht erweckt“ fand. Eine ähnliche Einschätzung hatte bereits zuvor der Ebersdorfer Hofmeister, Ulrich Bogislaus von Bonin, an Graf Heinrichs Mutter über die geistlichen Verhältnisse im Schloss Castell geschrieben: „Von einem wahren Christenthum ist wenig zu spühren.“ Die Verlobung fand 1721 im Schloss Castell statt. Zinzendorf hielt den Hausgottesdienst. „Habe ich Euer Gnaden Schwiegersohn nicht seyn können, so sind doch Sie meine hertzliebe Mama, und können aus meiner Liebe nicht gerißen werden“, schrieb er noch vier Jahre später aus Sachsen an seine Tante. Zeitlebens gelang es ihm aber wohl nicht, seine Tante von seiner besonderen „erweckten“ Glaubenspraxis zu überzeugen.
In einem Brief vom 9. Januar 1736 schreibt er ihr als „unterthänig treugehorsamer Sohn und Knecht“: „Erbarmen Sie sich über mich, der ich um ihrer Seele willen so viele Jahre voll Angst und Jammers bin und derhalben schon 3 Reisen gethan, aber noch nie an ihr Herz kommen können. Erbarmen Sie sich über sich selbst, damit sie nicht um den Heiland kommen und bitten den Herrn, daß er Sie in Zeiten richte, ehe Er Ihr Richter wird, so kan er in den Ewigkeiten ihr wolgewogner Fürst seyn. Es ist wahr, gnädige Mama, die guten Seelen haben Sie nicht recht tractiret, der Herr wird sie schon erinnert und darüber bestrafet haben, daß sie Ihnen nicht allemal begegnet wie sie gesollt. Wollen Sie aber aus Verdrus gegen andere den Heiland mißen, wollen Sie wider Gefühl und Gewissen sich länger härten? Wollen Sie noch länger warten, sich zu Jesu Füßen zu werffen, als 66 Jahr? Nein, gnädige Mama heüte da sie das lesen, fallen Sie mit 1.000 Thränen vor ihn nieder, und sagen Ihm: Herr Jesu erbarme dich über eine Seele, die du schon einmal kräftig gezogen hast, und die dir aus Faulheit, Schuzgeist, und Standeshoheit wieder untreu geworden! Laß mich mit völliger Überzeügung aller meiner Sünden und mit einem Liebesschmerz und mit einem Hunger und Durst nach der Gnade, aus dieser Zeit scheiden oder dir gar noch was nuze werden in dieser Welt. Ich will Euer Gnaden beten helffen und der barmherzige König wird uns erhören.“
So erfolglos er bei seiner Tante blieb, umso mehr Einfluss konnte er auf seinem sieben Jahre jüngeren Vetter Ludwig Friedrich, genannt Lutz, ausüben. Nach mehreren gemeinsamen Reisen und Besuchen in Herrnhut entschloss sich Graf Lutz, in Rehweiler ein pietistisches Gemeinwesen nach dem Vorbild von Herrnhut zu gründen. Es entstanden ab 1735 ein Waisenhaus, die sogenannte „Schlössleinkolonie“ und eine Saalkirche, die jedoch erst nach seinem Tod fertiggestellt werden konnte. Zinzendorf hat die kleine „Gemeine“ mehrfach besucht und unterstützt. Im August 1736 kam es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden Vettern, das zeitlebens nie mehr geheilt werden konnte. Graf Lutz heiratete 1744 die Gräfin Ferdinande Adriane zu Stolberg-Wernigerode, eine im hallischen Pietismus erzogene Frau, die durch ihre hebräischen und griechischen Sprachkenntnisse auch alt- und neutestamentliche Texte im Original lesen konnte. Durch seine Eheverbindung ist die Distanz zu Herrnhut und seine Annäherung an den hallischen und württembergischen Pietismus noch verstärkt worden. Die Gemeinde in Rehweiler hat sich seit den 1740er-Jahren nach und nach wieder aufgelöst, aber noch heute ist in Rehweiler und seinem Umland ein besonders frommer Geist zu spüren. Gräfin Ferdinande Adriane lebte nach dem Tod ihres Mannes in Burghaslach, wo sie engen Kontakt zu dem Pfarrer Christian Friedrich Buchrucker pflegte, der als ein Wegbereiter der fränkischen Erweckung im 19. Jahrhundert gilt.
Enge Verbindung hatte Graf Lutz auch mit seiner Nichte, der Gräfin Christiane zu Castell-Remlingen, der später vermählten Gräfin zu Stolberg-Stolberg, Mutter des bekannten Dichterpaares und Freundin Klopstocks. Gegen den Willen ihrer Eltern korrespondierte sie schon als junges Mädchen heimlich mit ihrem pietistischen Onkel, der sie auf ihrem Weg zu einem lebendigen Christentum bestärkte.
Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Grafschaft unter dem Regierungsdirektor Zwanziger von betont aufgeklärten Beamten regiert. Ergebnisse waren der Neubau der evangelischen Kirche, die Einführung eines eigenen Gesangbuches, die Gründung eines Gymnasiums sowie einer dazugehörigen öffentlichen Bibliothek. Über die Glaubenspraxis im Schloss Castell ist aus dieser Zeit wenig bekannt.
Aus Beicht-Tagebüchern, Briefen und Berichten der folgenden Generationen wissen wir aber, dass im Schloss Castell ein gottesfürchtiger, strenger und zugleich herzlicher Geist herrschte. In dem 1861 erlassenen Hausgesetz wurde festgelegt, „dass zur Succession in den Stammgutsbesitz des Gräflichen Hauses Niemand berechtigt sein soll, der nicht der evangelisch-protestantischen Kirche angehört, so lange noch ein dieser Kirche zugethaner Agnat vorhanden ist.“
Mehrere Familienmitglieder engagierten sich bei dem 1850 zwischen Castell und Rüdenhausen gegründeten Rettungshaus Trautberg zur Erziehung armer und sittlich verwahrloster Kinder, das nach dem Vorbild des Rauhen Hauses Johann Hinrich Wicherns in einem ehemaligen Castell’schen Schafhof gegründet worden war. Hier war man seit dem 18. Jahrhundert in ein überregionales Netzwerk des frommen hohen Adels, das immer wieder besondere geistliche Früchte hervorbrachte, eingebunden. Die Gründung der „Kinderbewahranstalten“ (Kindergärten) in Castell und Rüdenhausen durch gräfliche beziehungsweise fürstliche Stiftungen war ebenfalls ein Ergebnis dieses praktisch gelebten Christentums. Eine tägliche Andacht und die Lesung der Losungen mit der ganzen Familie und allen Hausangestellten gehörte zum selbstverständlichen Tagesrhythmus. Graf Carl zu Castell-Castell, der Urgroßvater des Fürsten Albrecht, pflegte am Sonntag die Predigt mitzuschreiben und seine Kinder später über das Gehörte abzufragen. Mit den meisten Pfarrern in Castell, aber auch mit manchen anderen Patronatspfarrern und ihren Familien herrschte ein herzliches und enges Verhältnis, das meistens auch noch nach dem Weggang der Pfarrersfamilien über Jahrzehnte in einem intensiven Briefwechsel gepflegt wurde. Predigten bei Taufen, Konfirmationen und Beerdigungen, aber auch Beschreibungen der letzten Lebenswochen von Verstorbenen als christliche Vorbilder wurden in zahlreichen Abschriften in der Großfamilie verbreitet. Das Gehörte und Gelesene vertiefte man in regelmäßigen Bibelkreisen. Daran hatten besonders auch die Frauen Anteil. Neben den nach Castell einheiratenden Frauen aus den Häusern Hohenlohe, Solms und Stolberg waren dies auch die vier unverheirateten Töchter des Grafen Carl und der Gräfin Emma, die seit Ende des 19. Jahrhunderts im Casteller Schlösschen wohnten.
Nach dem Tod der letzten Familienangehörigen Gräfin Agnes im Jahre 1938 wurde das Schlösschen an die Pfarrersfamilie Haffner vermietet. So wurde dieser gesegnete Ort während des Krieges ein Treffpunkt für die verbotenen christlichen Pfadfinderinnen. Auf dem benachbarten Familienfriedhof versammelten sich die jungen Frauen, um ihre Gelübde abzulegen, woran noch heute eine Bronzetafel erinnert: „In der Osternacht 1942 bekannten sich hier trotz Verbot sieben junge Mädchen zum Einsatz für Christus und die deutsche Jugend. Daraus wuchs der Bund christlicher Pfadfinderinnen und aus seinen Reihen durch Gottes Ruf die evangelische Communität Casteller Ring.“ Nachdem es für die später von ihnen gegründete Hauswirtschaftsschule zu eng wurde, zogen die frommen Frauen auf den Schwanberg um, wo sie immer noch segensreich ins Land hineinwirken. Das Schlösschen ist heute Wohnsitz des Fürsten Albrecht und seiner Frau Marie-Louise.
Auch im 20. Jahrhundert konnte die Kirche auf das Haus Castell zählen. Die Patronatsherren hatten für die meisten Castell’schen Patronatskirchen keine Baulastverpflichtungen, dennoch wurden für reparaturbedürftige Kirchengebäude stets Zuschüsse gewährt. Fürst Carl und Fürstin Anna Agnes stifteten 1925 der Kirche in Castell einen neuen Taufstein. Erster Täufling war ihr zweitgeborener Sohn Albrecht.
Über das Verhältnis des Fürsten Carl zu Glaube und Kirche sind nur bruchstückhafte Quellen vorhanden. Als Patronatsherr von sieben Patronatspfarreien der Linie Castell-Castell und später weiteren neun Senioratspfarreien hat er seine Pflichten immer erfüllt. Obwohl er den neuen Machthabern nach 1933 durchaus positiv gegenüberstand, protestierte er im Oktober 1934 mit anderen Standesgenossen gegen die Amtsenthebung des Landesbischofs von Bayern, Hans Meiser, durch die Nationalsozialisten.
Seine Frau Anna-Agnes, geb. Prinzessin zu Solms-Hohensolms-Lich, brachte die Tradition der Adventssprüche und Passionsandachten mit nach Castell, wie sie seit Langem in den Häusern Reuß und Stolberg üblich waren und bis heute praktiziert werden. Mit dem ersten Advent beginnend werden bei der täglichen Adventsandacht prophetische Verse aus dem Alten Testament von Karten, die an den 24 Adventskerzen hängen, abgelesen oder auswendig aufgesagt. Zu Weihnachten 2005 wurden diese Adventsspruchkarten von Fürstin Marie-Louise nachgedruckt und großzügig an Freunde und Verwandte verschenkt. Ihre älteste Enkeltochter Christina erzählt von dieser Tradition, die sie wiederum in ihre Familie getragen hat: „Dabei werden Sprüche aus dem Alten Testament, die in der Erwartung des Gottessohns formuliert sind, vorgetragen und an einen großen Adventskranz gehängt. Davor und danach werden Adventslieder gesungen und gebetet. Ich durfte damals als Älteste den ersten Spruch von unserer Urgroßmutter übernehmen und auswendig aufsagen: ‚Machet die Tore weit und Türen in der Welt hoch, damit der König der Ehren einziehe. Wer ist derselbe König der Ehren? Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit.‘ War ich stolz und geehrt darüber! Bis heute. So wird diese Tradition weitergetragen. Omama hat uns diese Adventssprüche vervielfältigt und zur Verfügung gestellt, sodass wir in unseren Familien damit fortfahren können. Unsere Buben machen mit Begeisterung mit und genießen diesen besonderen Bestandteil der Adventszeit. Was gibt es Schöneres, als dass wir Traditionen weitergeben, die mit einer lebendigen Erwartung auf unseren Herrn Jesus Christus gelebt werden!“
Die Mutter von Fürstin Anna-Agnes, die Fürstin Emma zu Solms-Hohensolms-Lich, die sehr oft in Castell zu Gast war, dichtete und komponierte auch geistliche Lieder, die im Familienkreis häufig gesungen werden. In dieser christlichen Tradition wuchsen die Kinder Philipp, Albrecht, Jutta, Elisabeth, Angelika und Christiana auf. Tägliches Tisch- und Abendgebet und der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehörten selbstverständlich zum Familienleben dazu. Taufen, Konfirmationen und natürlich die Hochzeiten waren Höhepunkte und festlich gestaltete Familienfeiern.
Als Albrecht 1943 Soldat wurde, führte er stets das von seiner Mutter geschenkte Neue Testament mit sich. Darin hat er einen Vers im 91. Psalm unterstrichen: „Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.“ Diese Zusage hat er persönlich verstanden, sie hat ihn immer begleitet und ihm Halt gegeben.
Als sein älterer Bruder Philipp und sein Vater Carl im Krieg fielen, wurde der damals kaum zwanzigjährige Graf Albrecht selbst Fürst und Familienchef. Das war für den jungen Mann, der nicht darauf vorbereitet worden war, den alten Familienbesitz mit Forst- und Landwirtschaft, dem Weingut und der Fürstlich Castell’schen Bank zu übernehmen, eine große unternehmerische Herausforderung. Neben der Verantwortung für die Angestellten und die Familie übernahm er nun auch mit allen Pflichten und Rechten das Patronat über die Castell’schen Patronatspfarreien.
1950 verlobte er sich in Arolsen mit Marie-Louise Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont. Sie stammt ebenfalls aus einem alten Dynastengeschlecht, das noch bis 1918 zu den regierenden deutschen Bundesfürsten gehörte.
Auch die Grafen zu Waldeck waren vom Beginn ihres Wirkens an eng mit der christlichen Kirche verbunden. In der Grafschaft Waldeck gab es am Ende des Mittelalters allein elf Klöster der Benediktiner(innen), Augustiner, Augustiner-Chorfrauen, Franziskaner, Zisterzienserinnen sowie eine Johanniter-Kommende. Mit dem Aufkommen der protestantischen Reform wurden diese nach und nach alle aufgehoben und ihre Güter verstaatlicht. Bei der Einführung der Reformation gehörten die Grafen zu Waldeck zur ersten Generation, die den Konfessionswechsel durchsetzte. Der junge Graf Philip IV. zu Waldeck erlebte Martin Luther auf dem Wormser Reichstag 1521 und war von dessen Auftreten und Lehren tief beeindruckt. Hier traf er auch mit der ebenfalls evangelisch gesonnenen Gräfin Margarethe von Ostfriesland zusammen, mit der er sich sogleich verlobte und die er zwei Jahre später heiratete. Sie wurde die erste evangelische Landesmutter des Waldecker Landes. Anders als in den größeren Städten begann die Reformation hier nicht als Volksbewegung, sondern ging zunächst von den regierenden Grafen aus. Johann Hefentreger (Trygophorus) war seit 1526 der führende Pfarrer, der die Grafen Waldeck geistlich und organisatorisch beriet. So setzten sie 1530 als Teilnehmer am Augsburger Reichstag auch ihre Unterschrift unter das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) und gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Schmalkaldischen Bundes.
Ein bewegendes Zeugnis seines Glaubens ist das Tagebuch des Grafen Wolrad über seine Reise zum Augsburger Reichstag 1548. Neben der ausführlichen Schilderung der Ereignisse ist es immer wieder von persönlichen, freien Gebeten durchzogen.
Das auf dem Reichstag beschlossene Interim unterbrach auch in der Grafschaft Waldeck den Fortgang der Reformation. Mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 wurde das evangelische Bekenntnis aber endgültig auch reichsrechtlich dem katholischen Glauben gleichgestellt. Schon ein Jahr später konnte die erste Waldeckische Kirchenordnung verkündet werden.
Trotz heftiger Anfeindungen der katholischen Nachbarstaaten gelang es, die Reformation in der kleinen Grafschaft und im Hause Waldeck zu festigen. Einige Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg, der auch für die Grafschaft Waldeck verheerend war, holte man auch hier pietistische Prediger ins Land, baute ein Waisenhaus, ein Hospital und ein Predigerseminar. Doch machten die „Schaakischen Händel“ (1702–1705) dieser Entwicklung ein baldiges Ende. Ein Streit im Damenstift Schaaken, in dessen Zentrum der radikal-pietistische Informator Johann Juncker stand, eskalierte und führte zum Ausscheiden der dem hallischen Pietismus zugeneigten Pfarrer. Fürst Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck unterzeichnete 1711 das Edikt „Contra Fanaticos et Pietistas“, womit die lutherische Orthodoxie wieder festgeschrieben wurde und in Zukunft „keine Visionen, Offenbarungen oder Entzückungen, Träume, Prophetische Regungen, und dergleichen zu achten“ seien.
Ein bewegendes Dokument persönlicher Frömmigkeit sind die Aufzeichnungen über das Sterben und den Tod des Fürsten Carl (1704–1763), verfasst von dessen Seelsorger Johann Franz Christoph Steinmetz. Der eher als Freigeist geltende Fürst bekannte auf dem Totenbett seine Sünden und konnte danach in Frieden sterben: „Es leuchtete aus allem, was er sagte, auch aus seinen freundlichen und lächelnden Mienen, eine so ganz besondere Glaubensfreudigkeit hervor, daß ich nicht unterlassen konnte, ihn zu fragen: ob er denn gar keinen Zweifel mehr an seiner Seligkeit habe? Nein gewiss keinen, war die Antwort. Aber, versetzte ich, Euer Durchlaucht sind doch ein Sünder. Schrecken Sie denn ihre Sünden nicht? Nicht mehr, sagte er. Gott hat mich selbst zu sich gezogen. Ich habe mich ihm hingegeben. Und ich weiss nun, daß mir um Christi willen alle meine Sünden vergeben sind.“
Wie in anderen deutschen Staaten wurde 1821 im Fürstentum Waldeck-Pyrmont eine Kirchenunion zwischen Lutheranern und Reformierten, die freilich noch lange heftig umstritten bleiben sollte, eingeführt. Zugleich entstand hier auch eine Erweckungsbewegung, die den Geist des kirchlichen Rationalismus zurückdrängte und in den Gemeinden wieder den persönlichen Frömmigkeitsstil erneuerte.
1872 gründete Fürstin Helene das Mädchenwaisenhaus Sophienheim, das nach ihrer verstorbenen Tochter Sophie benannt wurde, und übernahm selbst die Leitung des Hauses. Aus diesen Anfängen wurde 1888 nach dem Vorbild von Kaiserswerth und Bethel das Waldeck’sche Diakonissenhaus Sophienheim. Nach dem Tode der Fürstin Helene führten die Fürstinwitwe Luise und nach ihr die Fürstin Bathildis das sozialkaritative Werk fort.
Die Fürstin Bathildis zu Waldeck und Pyrmont, geborene Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, war die Großmutter von Fürstin Marie-Louise. Diese hat sie als eine innige Beterin in Erinnerung. Sie war auch die Protektorin des Bathildisheims in Arolsen, einer Anstalt zur Betreuung und Förderung behinderter Menschen, die 1912 gegründet wurde und nach wie vor besteht. Die Besuche bei den Behinderten in Begleitung ihrer Großmutter sind Fürstin Marie-Louise noch in lebhafter Erinnerung. Ihre Großmutter war auch der erste Mensch, der mit ihr gebetet und sie im Glauben an die Liebe Gottes ermutigt hat. Fürstin Bathildis las ihren Enkeln gerne kleine fromme Geschichten vor und war traurig, dass sie sonst in der Familie damit wenig Resonanz fand. Sie war eine treue Kirchgängerin, obwohl sie sehr schwerhörig war. Der Propst legte ihr immer die Predigt schriftlich in den Kirchenstand und die las sie dann während des Gottesdienstes, was Menschen, die das nicht wussten, etwas irritierte.
Mit ihren Eltern erlebte Marie-Louise nach eigenen Worten „ein Paar, das in guter Harmonie miteinander lebte und immer an anderen interessiert war. Über Glaubensfragen zu sprechen war nicht üblich, aber mein Vater ermöglichte uns Kindern durch sein liebevolles Wesen, auch in Gott einen liebenden Vater zu sehen.“
In den Gesprächen des jungen Brautpaars Albrecht und Marie-Louise spielte das Thema „Glaube“ noch keine Rolle. Allerdings gingen beide auf die Suche nach einem Trauspruch und die Braut wurde schnell fündig: „Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus.“ Diese Worte aus dem 2. Petrusbrief wurden ihnen bei der Trauung in Arolsen am 23. Mai 1951 für das gemeinsame Leben mitgegeben. Sie sollten sich in bisher 65 Ehejahren verwirklichen und bewahrheiten. Acht Kinder wurden ihnen geschenkt: Philippa und Johanna 1952, Maximilian 1953, Alexander 1954, Georg 1956, Christina 1962, Ferdinand 1965, Stephanie 1966. Mit 32 Enkeln und 31 Urenkeln erleben sie das besondere Geschenk einer Großfamilie.
Marie-Sophie Maasburg
Marie-Sophie Maasburg hat in Wien und Salzburg Geschichte studiert und sich ab 2008 voll dem Schreiben gewidmet. Unter ihrem Mädchennamen Lobkowicz hat sie sechs Bücher veröffentlicht, unter anderem ihr erstes Werk »Ich werde da sein, wenn du stirbst«, das zum Bestseller wurde. Sie ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.