Stephen sagt immer, wie toll seine Auszeit war. Und da habe ich mir das so überlegt.«
Stephen Lefort ist Bobbys Chef bei der Zeitung, wo er gerade ein Praktikum in der Grafikabteilung macht.
Ich bin sprachlos. Man hat mir schon oft vorgeworfen, zu perfektionistisch zu sein, und so ist es ja auch, das gebe ich ja auch offen zu. Aber ich kann doch von meinem Sohn erwarten, dass er das Nächstlogische tut: nach der Schule aufs College gehen, oder? Schließlich haben wir seine Privatschule bezahlt, er hat bei den Aufnahmetests erstklassig abgeschnitten und wurde bereits bei drei hervorragenden Colleges angenommen.
In meiner Kehle wächst ein Angstkloß. Um ehrlich zu sein, habe ich gespürt, wie uns Bobby Stück für Stück verlässt. Im Lauf der letzten zwei Jahre hat er sich mit seinem großherzigen, kreativen Wesen mal für die Schule, mal für Sport, für Mädchen oder für fromme Dinge interessiert.
Bill macht sich deswegen keine Sorgen. Das hat er noch nie gemacht.
»Ich wollte mit dem Rucksack durch Europa touren, die ganzen Museen besuchen, wie Swannee es auch gemacht hat. Und natürlich eine Weile in Paris bleiben, bei ihrem Künstlerfreund, Jean-Paul.« Er wird leicht rot unter seinem buschigen Pony. »Sowas eben.«
Ich versuche die Angst herunterzuschlucken. »Ich halte das nicht für eine so gute Idee, jetzt nach Paris zu fahren, angesichts des islamischen Terrors und der ganzen Schläferzellen überall.«
»Aber wäre es nicht cool, wie Swannee durch Europa zu tingeln?«
Swannee ist meine Mutter und sie lernte Jean-Paul schon als Teenager kennen, während der Unruhen im Frühling 1968. Sie ist Künstlerin und ihre Zeichnungen aus dieser Zeit zeigen Polizeigewalt, ausgebrannte Autowracks und Chaos.
»Das war damals eine sehr konfuse und chaotische Zeit, Bobby.«
»Weiß ich. Ist es nicht krass, dass Swannee dabei war?« Seine braunen Augen leuchten wie der Eiffelturm bei Nacht. »Und ich könnte die ganzen Museen besuchen wie Uroma Sheila auf ihrer Reise durch Europa. Das wird eine Familientradition!«
Der Kloß rutscht mir durch die Kehle und plumpst in den Magen. »Bobby! Deine Uroma ist auf dieser Reise mit dem Flugzeug abgestürzt!«
Er spricht einfach weiter. »Und ich muss unbedingt nach Wien. Die Gemälde im Kunsthistorischen Museum wollte ich schon immer mal sehen, das weißt du.«
Nein, das wusste ich nicht. Höchstens meine Mutter. Mit ihr würde er über solche Dinge reden.
»Außerdem geht es nicht nur darum, möglichst viel Kunst aufzusaugen. Stephen hat gesagt, ich könnte von unterwegs für die Press schreiben. Er kennt Leute in der Nähe von Wien, bei denen ich wohnen kann, und ich kann auch den Missionaren bei der Flüchtlingsarbeit helfen.«
Sein hübsches, jungenhaftes Gesicht strahlt vor Aufregung und Begeisterung. Er ist eine jüngere Version von Bill und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Sein dickes, widerspenstiges rotbraunes Haar fällt ihm ins Gesicht und verdeckt die Augen, die hellbrauner, strahlender und freundlicher nicht sein könnten. Er ist auch so groß wie sein Vater, fast einsfünfundachtzig, schlaksig, und der Flaum auf seiner Oberlippe ist in letzter Zeit immer mehr zu einem kratzigen Dreitagebart geworden.
Ich suche nach einem Fluchtweg aus der Küche, aber Bobby steht genau in der Tür. Die Worte kreisen wie heulende Geister um mich herum: Bereitschaftspolizei, Unruhen, Flugzeugabsturz, Flüchtlinge. Ich setze ein Lächeln auf. »Wow. Hört sich an, als hättest du schon eine ganze Weile darüber nachgedacht«, sage ich leise.
Als ich Bill abends davon erzähle, zuckt er nur mit den Achseln. »Wir müssen ihn ziehen lassen, Abbs. Bobby ist eine treue Seele. Der hält sich aus Schwierigkeiten raus. Wenn Jason ins Flugzeug steigen wollte, dann würde ich mir schon eher Sorgen machen. Aber für ihn gibt es genug Regeln im Internat, die er noch brechen muss. Spätestens Weihnachten fliegt er von der Schule.«
Ich finde daran nichts lustig. Beide Jungs ziehen gleichzeitig aus. Und keiner von beiden so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich schließe die Augen und sehe den sechzehnjährigen Jason, blaue Augen, blondes Haar, wie er sagt: »Die haben ein super Footballteam, Mom. Du hast gehört, was der Scout gesagt hat. Die brauchen mich.« Er hatte gezwinkert und mich angegrinst, wohlwissend, dass ich dem Grübchen in seiner rechten Wange nichts entgegenzusetzen hatte.
»Bobby macht das schon«, sagt Bill. »Er kümmert sich doch die ganze Zeit schon um uns.«
»Mensch, Bill. Das ist doch das Problem. Er will sich um alle Menschen kümmern. Gibt sein ganzes Geld einem Obdachlosen oder einem armen Künstler. Er weiß nicht mal, wie man ein Bahnticket kauft oder ein Hotel findet. Er musste noch nie ...«
Bill gebietet mir mit einer Hand Einhalt. »Und genau deswegen müssen wir ihn ziehen lassen. Er lernt das schon. Ohne uns.«
* * *
Drei Monate später stehen wir in der Rotunde des Atlanta History Centers, der ganze Middleton-Bartholomew-Clan, und lauschen Swannee.
»Es war eine ganz schöne Meisterleistung, das Baby hierherzubringen«, sagt sie.
»Das Baby« ist das Cyklorama, ein Rundgemälde, das länger als ein Footballfeld ist, sechs Tonnen wiegt und so hoch ist wie ein dreigeschossiges Haus. Als wir noch Kinder waren, gingen meine Eltern mit meinen Schwestern und mir nach Grant Park in den Zoo und dort in das alte Backsteingebäude, in dem das Cyklorama seit hundert Jahren stand. Wir liefen durch den kreisrunden Raum und betrachteten die Schlacht um Atlanta, während Mama die Geschichte erzählte. »1864 kam der Wendepunkt im Sezessionskrieg. ... Das Bild war ursprünglich für ein Publikum aus dem Norden gedacht. ... Seht ihr den Soldaten mit dem Clark-Gable-Gesicht?«
Ich war zugleich fasziniert und abgestoßen von den blutüberströmten Soldaten und toten Pferden.
Das gewaltige Gemälde ist jetzt in einem aufwendigen Verfahren an sein neues Zuhause in Buckhead gebracht worden. Sowohl Mama als auch Daddy wurden als Berater für dieses Projekt hinzugezogen. Mama, weil sie die Mary Swan Middleton ist, eine bekannte Künstlerin aus Atlanta, und Daddy, weil er seit über vier Jahrzehnten Stadtplaner in Atlanta ist.
Wir alle dürfen vor der eigentlichen Eröffnung hinter die Kulissen schauen: Mama und Daddy; Nan, Ellie und ich, unsere Ehemänner und Kinder. Mamas Bewegungen sind anmutig, das Licht fällt auf ihr weißes Haar. Sie erklärt uns, was alles nötig war für diesen Umzug.
Bobby schaut seiner Großmutter mit begeisterter Verehrung zu. Als Kind war er gern bei ihr zu Hause und sah ihr beim Malen zu. Er hat sie schon zu vielen Ausstellungen begleitet, ihre Gemälde getragen und ihr geholfen, sie in den Häusern von Buckhead aufzuhängen. Er atmet bei ihr Farbe, Terpentin und Geschichten ein und greift sofort selbst zum Pinsel, wenn er nach Hause kommt.
Das Einzige, was ich malen kann, sind weiße Wände.
Mein Vater, rechts neben mir im Rollstuhl, sagt etwas und ich beuge mich zu ihm. »So schön, dass du hier bist, Abbie. Ich weiß noch genau, wie wir uns damals das Gemälde angeguckt haben. Du und deine Mom und deine Schwestern.«
Denselben Kommentar hat er in den vergangenen zwanzig Minuten schon zweimal gemacht. Derselbe Angstkloß meldet sich wieder. Eigentlich ist Daddy inzwischen blind, aber er hat darauf bestanden, mit uns gemeinsam das Cyklorama anzuschauen, und es gibt keinen Wunsch, den Mama, meine Schwestern und ich ihm abschlagen würden. Wir versuchen verzweifelt, ihm seine Gesundheit zu erhalten und jeden Dämon abzuwehren, sei es Krankheit oder Depression, der ihn befallen will. Aber natürlich kämpfen wir auf verlorenem Posten.
Bill steht auf der anderen Seite. Ich greife nach seiner Hand und halte sie fest. Gott sei Dank ist er bei all den Veränderungen mein Fels in der Brandung. Mein Blick huscht von Daddy zu Bobby und zu Jason und ich denke nur, ich kann doch nicht alle drei auf einmal verlieren. Nicht jetzt. Noch nicht.
* * *
Drei Wochen später liegen wir im Bett und lesen, Bill und ich. Die Kluft zwischen uns ist so breit wie der Chattahoochee River, der nach Süden durch Atlanta rauscht. Er klappt sein Buch zu. »Ich brauche eine Auszeit, Abbie.«
»Ja, ich weiß«, pflichte ich ihm bei. »Das kostet alles so viel Kraft, aber es wird besser, wenn wir erst in das Loft gezogen sind.«
»Das meine ich nicht.«
Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. »Und was meinst du?«
»Ich habe ein Projekt in Chicago angenommen. Es dauert drei Monate.«
Bill war schon öfter auf Dienstreisen. Aber drei Monate? Aus meiner trockenen Kehle kommt sekundenlang kein Wort. Dann platzte ich heraus: »Aber Bobby fährt am Montag!«
Bill rollt sich auf die Seite und sieht mich an. »Ja, aber es ist nicht so, als würde er aufs College gehen und uns brauchen, um seine Taschen auszupacken oder sein Zimmer einzurichten. Er packt einen Rucksack und fliegt nach Europa! Jason fährt am Dienstag ins Internat. Ich bin noch da, um die Jungs zu verabschieden und unsere ganzen Sachen einzupacken, keine Angst.«
Der Ausdruck in seinen Augen ist kühl, fast aggressiv. »Wieso warst du für unseren Umzug, wenn du dann drei Monate nicht da bist?«, flüstere ich.
Er liegt jetzt auf dem Rücken. Das Licht vom Nachttisch lässt seine grauen Haare hervortreten. Er trägt das schäbige orangefarbene T-Shirt, das er schon seit Jahren aussortieren sollte. Irgendwann funktionierte er es wenigstens zum Schlafanzugoberteil um. Durch einen Riss im Ärmel lugt seine braun gebrannte und durchtrainierte Schulter hervor. Er riecht noch immer nach Spaß und Action, aber seine Augen sind geschlossen und die Mundwinkel zeigen nach unten.
»Ich war nicht dafür, Abbie«, sagt er schließlich. »Du hast gebettelt und gebettelt und dann hast du es entschieden.« Seine Stimme klingt hart, verärgert. Und müde.
Ich versuche zu schlucken, aber die Trockenheit droht mich fast zu ersticken. Wir wohnen seit achtzehn Jahren im Grant-Park-Viertel von Atlanta. Aber dieser neue Ort, ein Loft in Atlantas beliebter Beltline, ist luftig und hat eine einzigartige Aussicht. Und Daddy hat geholfen, es zu entwerfen. Bill und ich waren uns einig, dass es ein kluger Schritt ist, dorthin zu ziehen. Wir waren uns einig ...
»Ich komme einfach nicht mehr damit klar, dass du immer alles kontrollieren musst, Abbs. Ich ... brauche eine Auszeit.«
Er rollt sich auf die andere Seite, weg von mir, und da weiß ich, dass wirklich alles auseinanderfällt.
* * *
Die Kisten stehen für den Umzugswagen bereit und ich sitze in unserem großen, leeren alten Haus auf dem Fliesenboden neben Poncie, unserer Spaniel-Promenadenmischung, die mich mit ihrem Blick anfleht, ihr zu erklären, was da gerade passiert. »Wir ziehen um, altes Mädchen«, sage ich. »Das habe ich dir doch schon erklärt.«
Sie schlittert jetzt schon seit Wochen von einem Zimmer ins nächste, die goldbraunen Augen traurig, als würde ich sie direkt vor ihrer kleinen feuchten Nase hintergehen. Wie kann ich es wagen, das ganze Haus einzupacken?
Auf meinem iPhone läuft Billy Joel. Ich nehme einen großen Schluck Wasser und kraule Poncies weiches, flauschiges Fell. Billy säuselt seinen Traum hinaus. Er möchte einfach nur zu Hause sein, mit der Person, die er liebt.
Wieder habe ich diesen Kloß im Hals und auf einmal muss ich weinen. Poncie schmiegt sich an mich, den Kopf auf meinem Schoß, und ich kraule und weine, kraule und weine, während Billy mein Leben in Liedform zum Besten gibt.
Ich kann seine Sehnsucht nachempfinden.
Sie wohnt auch in mir.
Ach wenn doch nur.
Wie kann alles nur so schieflaufen?
Ich brauche eine Auszeit, Abbie.
Die Kisten sind durchnummeriert und in einer Excel-Tabelle notiert, damit das Umzugsunternehmen sie beim Ausladen gleich ins richtige Zimmer bringen kann. Ich habe alles bis ins Kleinste vorausgeplant.
Außer ...
Ich brauche eine Auszeit.
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28.07.2021Marianne Abbies wohlgeordnetes Leben bricht zusammen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr geliebter Mann eine Pause, eine Auszeit, von ihrer Ehe verlangt; ausgerechnet als ein Umzug aus dem vertrauten Familienheim in eine moderne Wohnung der gehobenen Klasse ansteht. Da beide Söhne zur selben Zeit ausziehen, sitzt Abbie allein und verlassen zwischen Umzugskisten, die sie nicht auspacken will.
Für ihr
Sohn Bobby geht ein langgehegter Traum in Erfüllung. Nach seinem Schulabschluss will er ein Jahr in Europa verbringen. Er möchte unbedingt Kunstmaler werden, doch seine Mutter stellt sich eher einen vernünftigen Beruf für ihn vor. Auf jeden Fall will sie unbedingt, dass er gleich mit dem Studium beginnt. Es ist nicht einfach, aber er setzt sich durch. Dabei unterstützt ihn seine Oma, die seine Leidenschaft für Kunst teilt.
Es liegt lange zurück, doch Caro leidet noch immer unter den gewaltsamen Verlust ihrer iranische Freundin. Lola verschwand am selben Tag, an dem ihre Mutter grausam ermordet wurde. Caro macht sich Vorwürfe, dass sie nicht für ihre Freundin da war.
Diese drei Personen begehen gemeinsam einen Pilgerweg. Abwechselnd erzählen sie ihre Geschichten, die auf erstaunliche Weise miteinander verwoben sind. Dabei geht es um Kontrollsucht und um die Angst loszulassen, um das erdrückende Tragen von fremden Lasten, und um die Suche nach einem Glauben, der in schweren Zeiten Halt gibt. Es geht auch um Liebe, sogar um drei verschiedene Arten von Liebesbeziehungen - ein junges Entdecken des anderen, die Frage nach dem richtigen Partner, und die Enttäuschung über die Veränderung des Partners in einer langjährigen Ehe.
Die Erzählweise dieses Buchs erinnert an Sharon Garlough Browns Bücher über vier Frauen, die auf einer Glaubensreise sind. Inneres Reifen und Wachsen der Charaktere stehen im Mittelpunkt. Dabei hilft eine geistliche Mentorin, die es versteht, die richtigen Fragen zu stellen. Die Auseinandersetzung mit Fehlentscheidungen und unguten Verhaltensweisen schenkt beim Lesen neue Einsichten.
Fazit: Obwohl es in dieser Geschichte vor allem um die Auseinandersetzung mit zerstörerischen Verhaltensweisen geht, ist die Handlung spannend. Sehr empfehlenswert, vor allem für Leser, die nicht nur oberflächliche Unterhaltung suchen.
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24.07.2021Gudrun Ermes Abbie ist es gewohnt alles unter Kontrolle zu haben. Als ihre beiden Söhne aus unterschiedlichen Gründe ausziehen und ihr Ehemann Bill sich eine Auszeit von der Ehe nimmt, bricht ihre Welt zusammen. Sie beschließt ihrem ältesten Sohn auf den Jakobsweg zu folgen und lernt dort eine andere Art von Gemeinschaft kennen, die das Innere nach Außen kehrt und bei
den meisten Pilgern ein neues Bewußtsein für den weiteren Lebensweg schafft.
Dieser Roman läßt den Leser sehr tief in die Gedankenwelt der Hauptpersonen blicken. Der Schreibstil ist flüssig und emotional . Die geschilderten Einzelschicksale sind sehr vielschichtig. Es geht um Kontrolle und Kontrollverlust, um das Loslassen anderer Familienmitglieder, um das Loslassen von Schuldgefühlen, um die Flüchtlingsthematik , um Sinnfindung, um Glaubenssuche und Fanatismus. Und alles ist eingebettet in die wunderbare und auch anstrengende Wanderung auf dem Jakobsweg.Jeder der Teilnehmer lernt auf diesem Weg etwas über sich selber und jeder hat eine andere Inspirationsquelle. Gehaltvolle Gespräche und Zeit für tiefgehende Gedanken über die eigene Vergangenheit bereichern den Roman . Im genau richtigen Moment passiert öfter etwas entscheidendes, das den weiteren Weg weist, so als wenn es von oben gelenkt wird.
Das Buch unterhält und regt zum Nachdenken an.
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10.06.2021katikatharinenhof Es ist die Reise , die zählt. Nicht das Ziel
Abbie blickt auf alles, was sie sich erträumt hat - einen erfolgreichen Mann, zwei Söhne und ein Zuhause, das eindeutig ihre Handschrift trägt. Aber ihre Idylle gerät ganz furchtbar in Schieflage, als ihre Söhne flügge werden und ihre eigenen Wege gehen und ihr Mann ihr eröffnet, dass er Abstand braucht,
um wieder durchatmen zu können.Vollkommen mit sich und ihren Gedanken allein gelassen, stellt sie sich die Frage, was nun werden soll. Aber den Kopf in den Sand stecken gilt nicht und deswegen packt Abbie ihren Trekkingrucksack und begleitet ihren Sohn Bobby auf dem Jakobsweg. Und diese Pilgerreise hat ihre ganz eigenen Gesetze...
"Und im Gepäck das Leben" erzählt von vier Schicksalen, die es zu bewältigen gilt, von Menschen, die mit sich, ihrem Los und Gott hadern und gemeinsam auf dem Jakobsweg ihre Erfahrungen sammeln.
Abbie ist mit ihrem Hang, alles zu kontrollieren, durchzuplanen und nichts dem Zufall zu überlassen so unglaublich anstrengend, dass ich über den gesamt Verlauf des Buches Schwierigkeiten habe, mit ihr warm zu werden. Mich wundert es nicht, dass sich ihr Mann eine Auszeit nimmt, denn mit ihrer erdrückenden Überfürsorglichkeit und ihrem Hang zum Perfektionismus schnürt sie selbst dem Leser die Luft zum Atmen ab.
Caro hat ein Trauma zu verarbeiten, dass sie in die Alkoholsucht getrieben hat und sie bekämpft immer noch ihre Dämonen,auch wenn sie zwischenzeitlich trocken ist.
Rasa und Bobby gefallen mir von allen Beteiligten am besten, da die beiden frischen Wind in die Erzählung bringen und gerade Rasa, trotz ihrer schlimmen Erfahrungen, für eine Atmosphäre sorgt, in der man sich sofort wohlfühlt.
Der Jakobsweg fordert seinen Tribut und so kommt es, dass nicht nur Blasen und andere Wehwehchen jeden Schritt schmerzhaft machen, auch die Erkenntnis, dass man loslassen muss, um wieder ganz bei sich selbst anzukommen, sorgt für Tränen.
Die Zusammenhänge, warum gerade die vier den Weg gemeinsam gehen, werden nach und nach ersichtlich, aber die Auflösung hat mir einfach viel zu viele Zufälle, die die Pilgergemeinschaft miteinander verbindet. Das lässt das Buch an vielen Stellen fragwürdig erscheinen und rückt die Geschichte in ein unglaubwürdiges Licht.
Die Werte des christlichen Glaubens sind gerade für Abbie in dieser schwierigen Zeit wie ein Leuchtturm, bedeuten sie für sie doch Licht und Zuversicht, Hoffnung auf einen Neubeginn und spenden Trost, auch wenn sie manchmal der Verzweiflung nahe ist und mit Gott hadert.
Das Happy End wirkt in meinen Augen sehr überspannt und diese Effekthascherei hat das Buch nun wirklich nicht nötig.
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