Elam erwachte vor Sonnenaufgang und verließ sein Haus, um auf die Felder zu gehen. Der Torfgeruch des Cranberryfelds breitete sich um ihn herum aus. Er liebte den Beginn der Erntezeit, wenn sein normalerweise vorhersehbares – und, um ehrlich zu sein, ziemlich monotones – Leben sich in einen von Adrenalin getriebenen Wettlauf gegen die Zeit verwandelte.
Der Nebel breitete sich wie ein undurchsichtiger Teppich über dem Land aus. Diese sanfte Verwandlung, wenn alles ruhig war und er nichts sagen oder tun musste, war jeden Morgen Elams Lieblingsmoment. Er schlenderte am Rand des Feldes entlang und kontrollierte die reifen roten Früchte, die wie ein Schatz unter den Pflanzen verborgen waren.
Er kniete nieder und nahm ein paar in die Hand. Der feuchte Tau legte sich in Tropfen auf seinen verstümmelten Finger. Cranberrys, diese winzigen Beeren, hatten den größten Teil seiner 39 Lebensjahre beherrscht.
Er marschierte über das Feld zurück, wobei sein viel zu früh ergrautes Haar über seinen Hemdkragen strich. Aus den Küchenfenstern fiel Licht. Mit seiner leeren Kaffeetasse in der Hand ging er darauf zu. Er stieg die Stufen hinauf und sah Ruth am Tisch sitzen und in die morgendliche Dunkelheit hinausstarren. Im Licht der Petroleumlampe sah er ihre müden herunterhängenden Schultern und die dunklen Ringe unter ihren Augen.
Elams Herz hämmerte und sein Mund wurde trocken, als er sein Haus betrat. Er fühlte sich so fehl am Platz, seit andere Menschen in seine Privatsphäre eingedrungen waren, und doch war ihm bewusst, dass sich Ruth noch schlechter fühlen musste. Sie blickte nicht auf. Er stand am Eingang und verkrampfte die Hände um seine Kaffeetasse. Schnell stellte er sie auf den Arbeitstisch, bückte sich und löste seine Schnürsenkel.
Das Geräusch der Steinguttasse auf dem Metall, das den Tisch überzog, – auf dem Elams verstorbene Mutter früher ihren Kuchenteig ausgerollt hatte –, schien Ruth aus ihren Gedanken zu reißen.
»Guten Morgen«, sagt sie. Ihre Stimme klang rau.
Elam nickte. »Guten Morgen.«
Er zog seine Stiefel aus, nahm seine Tasse und stapfte in Socken durch die Küche. Seine Mutter würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn sie Ruths riesigen weißen Hund sehen könnte, der unter ihrem Tisch schnarchte. Aber Ruths sechsjährige Tochter Sofie hatte das Haus erst betreten, als auch der Hund mitgekommen war. Dann hatte sie stundenlang den Arm um die zerzauste Mähne des Tiers gelegt und Elam unter ihrem Pony hervor finster angesehen, als sollte er es ja nicht wagen, ihr ihre lebende Schutzdecke wegzunehmen.
Deshalb hatte er lieber nicht vorgeschlagen, dass der Hund besser in der Scheune bleiben solle.
Während Elam seine Kaffeetasse nachfüllte, warf er einen Blick auf den Herd und sah eine Pfanne mit Bratkartoffeln und Eiern. Die aufgeschlagenen braunen Eierschalen lagen neben der gusseisernen Pfanne. Die metallenen Salz- und Pfefferstreuer standen daneben; einige Körner waren auf dem Fleischerblock verteilt.
Ruth sagte: »Entschuldige. Ich wollte gerade sauber machen, aber … ich bekam einen Anruf.«
»Kein Problem«, sagte Elam sanft. »Ich … ich bin froh, dass du dich wie zu Hause fühlst.«
»Es ist auch genug für dich da, wenn du möchtest.«
Elam zögerte. »Was ist mit deinen Mädchen?«
Sie lächelte schwach. »Sie mögen keine Eier.«
Er drehte sich zu ihr um. Der Tisch war bis auf ihr Handy leer. Ruth hatte den Kopf vorgebeugt und ihr gewelltes Haar fiel nach vorn, sodass er die Nackenwirbel deutlich heraustreten sah. Ruth war zu dünn. »Hast du schon gegessen?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Fang ruhig an.«
Elam hielt es jedoch nicht für richtig, einer so traurigen Frau gegenüberzusitzen und allein das Essen zu verdrücken, das sie zubereitet hatte. Er nahm zwei Teller aus dem Küchenschrank und stellte sie auf die Arbeitsplatte. Mit der Bratschaufel beförderte er auf jeden Teller eine Portion Eier und Kartoffeln. Dann nahm er die Teller mit zum Tisch und rang mit sich, auf welchen Stuhl er sich setzen sollte. Ruth gegenüber Platz zu nehmen, erschien ihm zu persönlich. Sich ans andere Tischende zu setzen, erschien ihm zu distanziert. Die meisten Menschen würden sich über so etwas keine Gedanken machen, aber die meisten Menschen waren auch nicht wie Elam Albrecht, der sich im Umgang mit anderen Menschen schwer tat und sich alles ganz genau überlegte. Nach kurzem Nachdenken entschied er sich, sich Ruth gegenüber an den Tisch zu setzen, aber einen Stuhl weiter, damit sie ihn nicht direkt mit ihren beunruhigenden Augen ansehen konnte. Sein Fuß streifte den Hund. Nachdem er seinen Stuhl zurückgezogen hatte, schob er Ruth einen der beiden Teller hin.
Ruth blickte zu ihm auf und wirkte überrascht. »Danke«, sagte sie.
Er antwortete nicht, sondern senkte nur kurz den Kopf zum stummen Tischgebet und begann, sein Essen in sich hineinzuschaufeln.
Der Hund schnarchte. Der Wasserhahn tropfte. Elams Herz hämmerte. Schon sein ganzes Leben lang hatte er an diesem Tisch gesessen, aber jetzt hatte er keine Ahnung, was er mit seinen Händen tun sollte. Er verkrampfte die Hand um die Gabel.
Ruth wirkte so zerbrechlich, während sie an seinem Tisch saß und das erste Tageslicht durch den vergilbten Vorhang auf ihr Gesicht fiel. Elam schaute sie an und es tat ihm weh, dass sie und ihre Kinder diese tiefe Trauer durchlitten, die er selbst so gut kannte. Letztes Weihnachten hatte er an diesem Küchentisch gesessen, sein Standardessen aus Steak und Eiern zu sich genommen und das Familienbild betrachtet, das sein Cousin Chandler seinem jährlichen Rundbrief beigelegt hatte. Er hatte ihn um seine hübsche Frau und seine Töchter beneidet, da er selbst keine Familie hatte. Jetzt war Chandler tot. Und seine Frau Ruth und seine Töchter waren allein und fast mittellos, wenn das, was er gehört hatte, stimmte.
Elam stufte sich in vielen Bereichen nicht als gewandt ein, besonders nicht, was Herzensangelegenheiten betraf, aber er wünschte, er könnte mehr sagen. Doch er selbst hatte Erfahrung mit Trauer und wusste: Trauer ließ sich am besten schweigend ertragen.
Er stand auf, zwängte sich zwischen dem Tisch, den Stühlen und der Wand durch und nahm eine Tasse aus dem Schrank. Die Kaffeekanne war noch warm. Er brachte Ruth eine Tasse und ging dann zum petroleumbetriebenen Kühlschrank und holte einen kleinen Behälter mit halbfetter Vanillesahne. Er stellte sie vor Ruth. Da hob sie den Blick – Tränen glänzten in ihren Augen – und lächelte. »Danke, Elam«, sagte sie. »Du bist sehr nett.«
Ruth drückte die Hände flach auf den Boden – das gefrorene Gras war stachelig und glitzerte – und spürte diese neue Welt, die sich um sie drehte. Sie zog ihren rechten Fuß hoch und beugte sich vor, um ihre Unterschenkelmuskeln zu dehnen. Dann wiederholte sie das Gleiche mit ihrem linken Bein. Sie streckte die Arme aus und rollte den Hals, um die Verspannungen aus ihrem Körper zu vertreiben. Das Rad der Windmühle knarrte und sie hörte die Vögel zwitschern. Hier draußen war es leichter zu atmen und zu denken.
Es kam ihr so vor, als hätte sie seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr tief durchgeatmet.
Ruth wusste, dass sie zuerst lieber ein Stück gehen sollte, um ihre untrainierten Muskeln wieder ans Laufen zu gewöhnen, aber ihr Geist verlangte nach mehr Bewegung. Sie lief langsam los. Der kühle Septemberwind, der an ihren Ohren vorbeirauschte, trug den ersten Herbstgeruch in sich und noch einen anderen Geruch, nach Erde und Feuchtigkeit. Der Mond stand noch hoch und rund am Himmel, obwohl sich die Morgendämmerung am östlichen Horizont immer weiter ausbreitete.
Sie lief weiter, vorbei an den dunklen Kanälen, die neben den zahlreichen Cranberryfeldern angelegt waren. Die Sterne verblassten, da der Horizont immer heller wurde. Ohne das Laufen zu unterbrechen, zog sie den Vliespulli über den Kopf und band ihn sich um den Bauch. Als sie zum See kam, blieb sie am Ufer stehen und entdeckte, wenn ihre Augen sie nicht täuschten, in der Ferne einen Lichtschein.
Die Stalltüren waren aufgeschoben, da das Licht der Laterne für Elams Arbeit nicht ausreichte. Elam hatte normalerweise keinen Blick dafür, wenn Dinge immer schlechter aussahen – das ging sogar so weit, dass ihn seine Schwester Laurie darauf aufmerksam machen musste, wenn es an der Zeit war, sich neue Kleidung oder Stiefel zu kaufen. Aber bei altmodischen Geräten war das ganz anders. Jahrzehntelange erfolgreiche Ernten hatten der Driftless Valley Farm zu einem ständigen Wachstum verholfen, aber die Bedürfnisse der Farm waren mit diesem Erfolg ebenfalls gestiegen. Elam bearbeitete jetzt achtzig Hektar mit denselben Geräten, mit denen sein Großvater zwanzig bearbeitet hatte. Dies als mühsam zu bezeichnen, wäre stark untertrieben. Bis jetzt kamen Elam und seine Männer irgendwie klar, aber mit jedem Jahr und mit jedem zusätzlichen Feld wurde die Herausforderung größer.
»Elam?«
Als er seinen Namen hörte, blickte er auf und entdeckte Ruths Silhouette, die von den mondbeschienenen Feldern hinter ihr umrahmt wurde. Ihm stockte der Atem. Um sich abzustützen, hielt er sich an einem der verrosteten Zinken des Erntegeräts fest. Jedes Mal, wenn er sie sah, wurde er unsicher, und obwohl er oft unsicher wurde, wenn er mit jemandem sprechen musste, der nicht zu seiner direkten Familie gehörte, wusste er, dass seine jetzige Unsicherheit nichts damit zu tun hatte. Manchmal konnte er mit Ruth so ungezwungen sprechen, wie er es außer mit seiner Schwester mit niemandem erlebte, und trotzdem war von dieser Ungezwungenheit nichts zu spüren, wenn sie ihn unvorbereitet erwischte, so wie jetzt.
»Ru…uth?« Er legte seinen öligen Lappen weg und stellte die Laterne auf die Werkbank.
»Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht stören«, sagte sie.
»Du … du störst nicht.«
Ruth rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt. »Deine Schwester Laurie hat mir gesagt, dass du zur Ernte vielleicht noch ein paar zusätzliche Hände brauchen könntest.« Sie schwieg einen Moment. »Stimmt das?«
Elam hob den Lappen auf und begann wieder, die Zinken zu ölen. Stimmte das? Laurie wusste, dass er die Cranberryernte schon längst bis ins Detail geplant hatte. Aber er spürte, dass es Ruth viel Überwindung kostete, ihn darauf anzusprechen. Wie könnte er die Witwe seines Cousins abweisen? Er würde einen Weg finden, ihr zu helfen.
»Ja … ja«, sagte er. »Wir sind dieses Jahr knapp besetzt. Meinst du, du könntest helfen?«
Ruth sagte: »Nur wenn du unsere Kost und Logis von meinem Lohn abziehst.«
Als er gefragt worden war, ob Ruth mit ihren zwei kleinen Töchtern nach der Beerdigung ihres Mennes in seinem Haus wohnen könnte, war Elams einziger Einwand gewesen, dass er kein geübter Gastgeber war. Laurie hatte ihn überredet, dass es gut wäre. Sie hatte sein Haus gründlich geputzt und einige Sachen gekauft, um die Räume ein wenig zu verschönern, in denen seit dem Tod seiner Mutter die Hand einer Frau fehlte.
Doch letztendlich wohnte Laurie ja nicht hier und Elam musste dafür sorgen, dass sich seine Gäste wohlfühlten. Und jetzt wollte ihm sein Gast für seine bescheidene Gastfreundschaft auch noch etwas bezahlen! Oben im Himmel schüttelte seine Mutter bestimmt den Kopf.
»Ruth, du … bist Teil der Familie«, sagte er. »Mein Haus ist dein Haus.«
Ruth senkte den Blick und ihr Haar fiel nach vorne. Er sah, dass die Locken in ihrem Nacken dichter waren. »Dafür bin ich dir sehr dankbar«, sagte sie.
»Gerne.« Er konzentrierte sich darauf, denselben Zinken noch einmal zu ölen. »Die Ernte fängt morgen an und dauert ungefähr … drei Tage. Ich schaue, ob ich eine wasserdichte Hose und Stiefel finde, die dir passen.«
»Großartig. Ich freue mich darauf.«
Er erwiderte ihr Lächeln und schob die Krempe seines Strohhuts nach oben, während er ihr nachblickte, wie sie den Stall verließ. Am Tor drehte sie sich noch einmal um und er wurde verlegen, doch dann begriff er, dass sie ihn im Dunkeln nicht sehen konnte.
»Ich bin dir für alles, was du für uns tust, sehr dankbar, Elam«, sagte sie.
Er nickte. »Gerne, Ruth.«
Dieses Mal kamen ihm die Worte flüssig über die Lippen ...
Kundenstimmen
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26.02.2023Ingrid S. 
Bei einem Anschlag in Kabul kommt Chandler, der Ehemann von Ruth ums Leben. Auch ihr Schwiegervater, der ebenfalls wie ihr Mann für Ärzte ohne Grenzen gearbeitet hat, stirbt dabei. Ruth geht mit ihren beiden kleinen Töchtern und ihrer Schwiegermutter zu Verwandten, die auf einer Cranberryfarm in Wisconsin leben Sie sind Mennoniten der alten Ordnung und leben einen ganz andere
Art von Leben, als den Lebensstil, den Ruth kennt. Ruths Ehe war nicht unbedingt das, was sie sich gewünscht hätte. Sie und ganz besonders ihre ältere Tochter trauern. Nach und nach lebt sie sich auf der Farm ein, hilft bei der Cranberryernte und kommt Elam dem Cousin ihres Mannes dabei nahe und empfindet wieder ein wenig Glück. Doch plötzlich scheint sich alles zu ändern...
Das Buch ist flüssig zu lesen und die Charaktere sind gut beschrieben, dadurch kommen sie einem sehr nahe. Die Handlung ist spannend und dramatisch – ganz besonders im zweiten Teil. Die Themen Trauerbewältigung und vor allem das Aufarbeiten der Vergangenheit einer Ehe, stehen im Mittelpunkt. Genial fand ich die Wendungen gegen Ende des Buches.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen, vor allem, weil er ganz anders war, als ich erwartet hatte und deshalb etwas ganz Besonderes. Sehr empfehlenswert!
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25.02.2023sophies.booklove_ 
Die junge Mutter Ruth ist frisch verwitwet und reist zur Beerdigung ihres Mannes in dessen Heimat zu seinen menonitischen Verwandten auf eine Cranberryfarm. Dort erwartet sie eine ganz neue Lebenswelt, aber auch viel Liebe und Geborgenheit. Sie und ihre Töchter verarbeiten noch den plötzlichen Verlust ihres Vaters und Ehemannes. Durch die Mutter ihres verstorbenen Mannes und seinem Cousin finden
sie einen Platz, an dem sie heilen können.
Elam hat die Familie in sein Haus aufgenommen und kann sich irgendwann kaum noch vorstellen, dass sie früher oder später wieder abreisen werden. Ruth und er finden eine besondere Verbindung in der Trauer, aber er will unbedingt das richtige für sie tun und weiß einfach nicht genau was das ist.
Auf diese Geschichte habe ich mich so sehr gefreut, weil sie das Buch Ruth als Vorlage hat. Die Atmosphäre und gerade der Anfang des Buches haben mir direkt viel Spaß beim Lesen gemacht. Ruth war für mich eine besondere Frau, die nur das beste für ihre Töchter möchte. Auch Elam mochte ich sehr gerne. Er war liebevoll und aufmerksam, immer um alle anderen besorgt und hat sich selber dabei immer wieder hinten angestellt.
Allerdings hat ein Handlungsstrang des Buches mich dann doch verloren und mich beim Lesen enttäuscht. Ich verstehe warum die Autorin es so hat einfließen lassen, aber irgendwie war es für mich trotzdem nicht rund.
Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Manchmal gingen mir einige Emotionen zu schnell oder man hätte noch etwas tiefer greifen können, aber im allgemeinen Zusammenhang hat das dann oft doch Sinn gemacht.
Besonders gefallen hat mir die Beziehung zwischen Ruth und Elams Schwester und auch die Beziehung zu ihren beiden Töchtern. Interessant war auch, dass man Einblicke in das menonitische Leben bekommen hat. Allerdings waren die nicht extrem im Vordergrund.
Auch der Glaube spielte eine Rolle. Er beeinflusst die Entscheidungen der Charaktere. Mir fehlte etwas, dass er Ruth und Elam im Inneren nicht so sehr charakterisiert hat und ihr persönliches Glaubensleben nur an bestimmten Stellen hervortat.
Das Buch zeigt, dass aus gebrochenen Herzen wieder eine neue Zukunft entstehen kann und man eine Familie nie aufgeben sollte.
Ich mochte die Idee dieser Geschichte sehr, fand auch viele Aspekte der Umsetzung beim Lesen interessant und ebenso konnten die Charaktere mich doch oft mitfühlen lassen. Auch wenn mir nicht alle Handlungsstränge des Buches so zugesagt haben, hatte die Geschichte viel Potential und wird bestimmt einige Leserherzen begeistern.
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24.02.2023Lesestern 
Der Weg aus der Trauer – eine Achterbahn der Gefühle
„Licht sucht sich seinen Weg“ von Jolina Petersheim ist die bewegende Geschichte einer jungen Frau zwischen Liebe und Pflicht und ihrer Sehnsucht nach einem Neubeginn.
Der Roman ist im Januar 2023 bei Francke Buch erschienen.
Als Ruth Neufelds Ehemann und ihr Schwiegervater bei einem Einsatz der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ihr
Leben verlieren steht die junge Witwe zusammen mit ihren beiden kleinen Töchtern Sophie und Vivianne vor den Trümmern ihres Lebens. Sie schließt sich ihrer Schwiegermutter Mabel an, die zurück zu ihren Verwandten nach Wisconsin zieht.
Dort erwartet sie das Leben in einer mennonitischen Gemeinschaft auf einer Cranberry Farm, den Wurzeln der Familiengeschichte ihres Ehemanns Chandler. Was zunächst befremdlich ist, wird schon bald für die junge Witwe und ihre Töchter zu einem ruhigen Ort der Geborgenheit und wohltuender Gastfreundschaft, der sie in ihrer Trauer auffängt. Die Zuwendung ihrer Schwiegermutter Mabel, die aufmerksame und freundschaftliche Aufnahme im Hause ihres Verwandten Elam und die Arbeit auf den Feldern innerhalb einer festen Gemeinschaft setzen einen Heilungsprozess in Gang, der auf einen Neubeginn hoffen lässt. Doch dann passiert etwas, das alte Erinnerungen ans Licht bringt und unmögliche Entscheidungen fordert...
Mein Leseeindruck:
Jolina Petersheim schreibt fesselnd und versteht es mit überraschenden Wendungen den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht zu erhalten.
Es geht um den Trauerprozess einer jungen Witwe, der viele andere Themen verbirgt und langsam ans Licht bringt...
Im Rückblick, anhand in die Geschichte eingestreuter Briefe erfahren wir von einem alles andere als perfekten Familien und Eheleben, das durch den Tod des Partners plötzlich endet, aber noch lange nicht verarbeitet ist.
Dadurch wird man als Leser angestoßen neu über die Werte Ehe, Familie und Mutter-Sein nachzudenken...
Mein Fazit:
Die Autorin hat mich als Leserin total gepackt, emotional durch alle Höhen und Tiefen der Vergangenheit und Gegenwart von Ruths Geschichte mitgerissen und mich mit einem grandiosen Finale überrascht.
Eine zeitgemäße Interpretation und Weiterführung der biblischen Ruth Geschichte verbunden mit einer fesselnd-emotionalen Handlung, deren Ende noch lange nachhallt.
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21.02.2023Klaudia K. 
Der Roman "Licht sucht sich seinen Weg" von Jolina Petersheim ist eine in die heutige Zeit übertragene Liebesgeschichte, die sich in ähnlicher Weise in der Bibel von Ruth und Boas zu lesen ist.
Ruth erfährt, dass ihr Mann Chandler und ihr Schwiegervater während einer Bombardierung in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Chandler war als leidenschaftlicher Arzt für afghanische Opfer tätig
und setzte sich in jeder freien Minute für seine Patienten vor Ort ein.
Von nun an muss Ruth für ihre gemeinsamen Töchter Sofie und Vivienne alleine sorgen und groß ziehen. Als kleine Kinder verstehen sie kaum, was mit ihrem Vater geschehen ist. Besonders die 6 jährige Sofie leidet unter dem Tod ihres Vaters sehr und kann den Schmerz kaum verwinden. Schließlich entscheiden sich Ruth und ihre Schwiegermutter Mabel mit den kleinen Kindern zu Elam, Chandlers Cousin, zu ziehen. Elam, der eine Cranberryfarm besitzt, gehört der mennonitischen Gemeinde an und ist von Natur aus sehr schüchtern. Ruth möchte helfen und auf der Farm arbeiten. Mit der Zeit lernen sie sich besser kennen...
Besonders interessant fand ich es, wie die Autorin dem Leser über kursiv geschriebene Briefe in retrospektiver Sicht schrittweise Einblicke in das nicht immer harmonisch ablaufende Eheleben zwischen Ruth und Chandler bietet. Ruth war ganz offensichtlich schon längere Zeit nicht mehr glücklich in ihrer Ehe, zumal Chandlers Lebensfokus eher im beruflichen Bereich angesiedelt war und seine Arbeit stets Vorrang vor dem Familienleben hatte.
Elam ist in dieser Hinsicht ein ganz anderer Charakter. Er ist ein aufmerksamer und interessierter Zuhörer und nimmt sich Zeit für sie und ihre Kinder. Schon steht die Überlegung im Raum, ob es nach einer angemessener Zeit nicht doch möglich wäre eine glückliche Familie zu gründen.
Ruth kämpft sehr mit ihren Gefühlen die zwischen Trauerbewältigung, Hoffnung auf ein neues Glück, Schuldgefühlen und abgrundtiefem Leid hin und her wogt. Die Freude auf ein neues, vielversprechendes Leben mit Elam steht ihr vor Augen. All dies konnte ich mitempfinden und empfand ich auch als logisch nachvollziehbar.
Jedoch nutzte die Autorin einen sehr ungewöhnlichen, in meinen Augen recht unglücklichen Kunstgriff, der sicherlich kontrovers diskutiert werden kann. Dem einen Leser mag die abrupte Wendung der Story gefallen, dem anderen jedoch - und zu diesen möchte ich mich zählen- sieht sich eher hart vor den Kopf gestoßen, um nicht zu sagen sogar verletzt zu sein. Ich litt furchtbar mit Ruth und Elam, bevor ich über den erwähnten Kunstgriff der Autorin in voller Fahrt, mental gesehen, gegen eine Betonwand gefahren wurde.
Doch eine Wendung am Ende der Geschichte hat mich wieder mit dem Schicksal von Ruth versöhnt. Ich fühlte mich glücklich.
Die christliche Empfehlung von Mabel, die sich in unserer Zeit auf die Ehe anwenden lässt, hat mir sehr gut gefallen.
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08.02.2023Marianne 
Ruth und ihre zwei kleinen Töchter sind nun allein. Von Ehemann und Vater Chandler bleibt nur Asche. Mit seinem Vater war er in einem Krankenhaus in Afghanistan tätig als die Bomben fielen. Ruth und die Kinder finden bei der Verwandtschaft ihrer Schwiegermutter Zuflucht. Die junge Witwe möchte die Gastfreundschaft nicht überstrapazieren, aber sie weiß nicht wo sie für ihre
kleine Familie ein neues Leben aufbauen kann.
Ihr alleinstehender Gastgeber, ein Cousin ihres verstorbenen Mannes, ist Cranberry Farmer. Ruth kann bei der Ernte mitarbeiten während ihre Töchter es genießen Zeit mit ihrer Großmutter zu verbringen. Die junge Frau schätzt die Freundlichkeit ihres Gastgebers sehr. Zum ersten Mal seit langem fühlt sie sich gesehen und wertgeschätzt. Sie kann sich sogar eine Zukunft mit ihm vorstellen. Doch dann bekommt sie einen Anruf, der alles verändert. Sie muss eine Entscheidung treffen. Eine Entscheidung, die unmöglich erscheint und in jedem Fall Herzen brechen wird.
Diese Geschichte spielt in Amerika auf einer Mennonitenfarm. Gleichzeitig erzählt es von humanitären Hilfseinsätzen in Kolumbien und Afghanistan und einer Kindheit in Irland. Die Geschichte wird teilweise in Form von Briefen und Erinnerungen wiedergegeben. Am Ende bleibt manches offen, was aber nicht nachteilig ist.
Zweimal nimmt das Geschehen eine überraschende Wende. Das bringt Dramatik in die Geschichte, vor allem aber bringt es den Leser ins Grübeln: Wie würde ich mich in dieser Situation verhalten" Das Ende ist unerwartet und doch nachvollziehbar.
Eine besondere Stärke der Autorin ist Charaktere zu zeichnen, die ans Herz wachsen und auch nach dem Lesen im Gedächtnis bleiben. Das vordergründige Thema in diesem Buch ist Ehe. Es werden Fragen nach Wertschätzung und Enttäuschung in der Ehe aufgeworfen, nach Nähe und Distanz, Wert und Gesehenwerden. Daneben beleuchtet es Spannungen, die durch die Belastung durch fordernde Kleinkinder auftreten und mangelnder Verbindlichkeit. Ich glaube nicht, dass ich allen Ansichten der Autorin teile, aber ich habe trotzdem sehr gern dieses Buch gelesen.
Fazit: Ein Buch, das zu Herzen geht und wichtige Themen rund um Ehe und Elternschaft betrachtet. Wunderbar gezeichnete Charaktere, überraschende Wendungen und geistliche Themen machen dieses Buch zu einem Lesegenuss. Sehr empfehlenswert!
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08.02.2023Kristina 
Eine junge Witwe auf der Suche nach Zukunft
Ruth und ihre beiden Töchter stehen nach dem plötzlichen Tod von Chandler, dem Ehemann und Vater, vor dem Nichts. Gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter, deren Mann bei dem selben humanitären Auslandseinsatz ums Leben kam, suchen sie Zuflucht auf der Cranberryfarm von Chandlers Cousin Elam. Die Ruhe auf der mennonitischen Farm und die Schönheit
der Natur tun Ruth gut. Während der Cranberryernte hilft Ruth tatkräftig mit und Elam und sie kommen sich näher. Der ruhige, zuverlässige Mann vermittelt ihr Sicherheit. Doch dann nimmt die Geschichte plötzlich eine dramatische Wende, die alles in Frage stellt....
„Licht sucht sich seinen Weg“ ist das 1. Buch von Jolina Petersheim, dass ins Deutsche übersetzt wurde. Der Klappentext hat mich neugierig gemacht und ich war gespannt auf die Geschichte, der mir unbekannten Autorin. Anfangs irritierte mich die Vielzahl der Personen und Orte, doch bald hat mich Ruth's Geschichte gefesselt.
In Briefen und Rückblicken erfährt man wie Ruth und Chandler sich kennen und lieben gelernt haben, liest von der schnellen Hochzeit und fast zeitgleich der Adoption der älteren Tochter. Während Ruth ganz unvorbereitet nur noch Mutter und Hausfrau war, arbeitete Chandler weiterhin als Arzt und half wo immer er konnte. Der plötzliche Tod von Chandler reißt Ruth als allem Bekannten heraus. Neben ihrer Trauer und den Sorgen um die Zukunft muss sie für ihre zwei Mädchen stark sein. Die Schwiegermutter ist ihr dabei eine große Hilfe. Elam ist erst einmal nur ein stiller, zuverlässiger Fremder, doch die seltenen Gespräche zwischen ihm und Ruth sind tiefgründig und sie sieht sich nach langer Zeit wahrgenommen... Ein unerwarteter Anruf stellt dann aber Ruth' und Elam's Welt Kopf und Ruth muss sich ganz neu Gedanken machen über ihre Zukunft und die ihrer Töchter und über Ehe und gegebene Versprechen, über Vergebung und Neuanfang...
Ruth war mir von Beginn an sehr sympathisch und ich konnte ihre Gedanken und Gefühle sehr gut nachempfinden. Auch den stillen Elam mochte ich gern und die plötzliche Wende und Ruth's Entscheidung hat mich mit Elam weinen lassen. Mit Chandler dagegen bin ich nicht so recht „warm geworden“.
Irritierend empfand ich das Ende des Buches, wo die Geschichte noch mal eine unerwartete Wendung nimmt. Danach bleibt das Ende offen...
„Licht sucht sich seinen Weg“ ist ein tiefgründiger Roman, der mir gut gefallen hat.
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05.02.2023Grace2 
Bewegendes Schicksal einer jungen Witwe.
Das Buch „Licht sucht sich seinen Weg“ der Autorin Jolina Petersheim ist der erste Roman der Autorin in deutscher Übersetzung und führt den Leser nach Wisconsin zu den mennonitischen Wurzeln der Autorin.
Ruth kehrt mit ihren zwei kleinen Töchtern und ihrer Schwiegermutter Mabel zurück in die Heimat von Mabel, nachdem sowohl ihr Mann als auch
ihr Schwiegervater bei einem Bombenangriff in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Beide waren für Ärzte ohne Grenzen tätig, als es zu dem Unglück kam. Ruth versucht nun ihr Leben und das ihrer beiden Töchter neu zu ordnen. Sie bekommt nicht nur von ihrer Schwiegermutter Unterstützung, auch der Cousin ihres Mannes Elam hilft ihr. Aus Hilfe wird Freundschaft und aus Freundschaft wird Liebe, bis ...
Der Roman der Autorin gibt einige sehr schöne Einblicke in das Leben der Mennoniten der alten Ordnung als auch wissenswerte Erklärungen zur Cranberry Ernte. Hierbei passt sich der Schreibstil von Jolina Petersheim der Lebensweise der Mennoniten an, es geht ein bisschen langsamer voran, was mit der Geschichte aber völlig stimmig ist. Die Erzählung selbst zeigt die Schwierigkeiten einer jungen Witwe mit kleinen Kindern, deren Ehe auch vor dem Tod des Mannes nicht mehr die beste war. Im Raum steht die Frage, wo liegt der Schwerpunkt einer Frau, bei ihrem Mann oder sind die Kinder vorrangig. Die Autorin führt den Leser durch die vielen Argumentationspunkte hierzu und legt ihren Schwerpunkt auf die Aussagen der Bibel. Sehr beeindruckt haben mich hier die Ausführungen von der Schwiegermutter Mabel, die einen sehr nachdenklich zurücklassen. Doch ich hatte bei dem Buch auch meine Schwierigkeiten. Zum einen hat sich mir nicht wirklich die moderne Adaption der biblischen Geschichte von Ruth und Boas erschlossen, zum anderen ist das Ende des Buches etwas verwirrend. Dazu muss sich jeder Leser wohl seine eigene Meinung bilden. Insgesamt gesehen hat das Buch für mich seinen Höhenpunkt in den Ausführungen von Mabel zur christlichen Ehe, die schwierige Situation einer jungen Witwe werden aber auch gut dargestellt. Es zeigt sich aber, warum es früher das sog. Trauerjahr gegeben hat, um genau solche hier dargestellten Konflikte zu vermeiden. Ein interessantes Buch, dessen Ende nicht wirklich überzeugt.
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31.01.2023Ulrike M. 
Mit Spannung habe ich das Buch zur Hand genommen und bin begeistert von der Story! Nicht nur, wie sich die Handlung im Teil 2 komplett wendet und dann zum Schluß nochmal alles ganz anders ist, sondern auch das Thema „Trauer“ und „Trauer bei Kindern“ hat mich sehr bewegt. Ebenso die ganze Thematik „Ehe, die zur Gewohnheit wird“. Der Autorin
gelingt es gut, einfühlsam die Charaktere zu schildern und den Leser mitzunehmen in die Ereignisse, die sie beschreibt. Und der Schluß ist einfach grandios!
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