Jerusalem, Januar 1948: Den Holocaust hat Rachel Lubetkin überlebt. Aber der Preis, den sie dafür bezahlt hat, ist hoch. Das Mal auf ihrem Unterarm ist nicht nur in ihre Haut geritzt, sondern auch in ihr Herz.
In Jerusalem angekommen macht sie sich auf die Suche nach ihrem Großvater, dem vermeintlich einzigen Überlebenden aus ihrer Familie. Aber wie wird er reagieren, wenn er seine totgeglaubte Enkelin in die Arme schließt? Und was wird mit ihr geschehen, wenn die Wahrheit ans Licht kommt und ihr wohlgehütetes Geheimnis auffliegt?
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Prolog
Jerusalem, der sechste Tag des Ab, 70 n. Chr.
Unaufhörlich ertönte seit drei Tagen und Nächten das Krachen der Rammböcke. Und die wenigen Menschen, die noch innerhalb der Tempelmauern lebten, waren durch das Dröhnen, das von den Wänden widerhallte, dem Wahnsinn nahe.
Elisabeth presste den schlafenden Jungen noch enger an sich, als sie daran dachte, was geschehen würde, wenn die Tore schließlich brechen würden. Ihr Blick verweilte auf seinem Kopf mit dem zerzausten Haar. Sanft berührte sie seine Stirn, sein Ohr und strich schließlich mit den Fingerspitzen über seine Wangen.
Was für Hoffnungen hatte sie am Tage seiner Geburt gehegt! Als ein Erstgeborener aus dem Hause Levi hatte er dem Herrn in seinem heiligen Tempel in Jerusalem dienen sollen. Aber nun wusste sie, dass es anders kommen würde. Aaron, ihr Sohn, das einzige Kind, das ihrem Schoß entstammte, sollte mit ihr zusammen sterben. Und mit ihnen würde auch die Hoffnung ihres Volkes sterben.
Mit festem Griff umfasste sie die Mesusah, die Enoch ihr am Tag ihrer Hochzeit geschenkt hatte. Die zierliche goldene Kapsel glitzerte im Mondlicht. Mit winzigen Buchstaben eingraviert, enthielt sie die Verheißung, die Elisabeth und Enoch gewählt hatten, um ihrem gemeinsamen Lebensweg Sinn und Halt zu geben: »Ich habe euch mit immerwährender Liebe geliebt ...« Aber all dies wurde nun von den Eroberern mit Füßen getreten. Und ihr Liebstes lag schlafend in ihren Armen und würde bald nie mehr erwachen.
Der Kleine regte sich, sah seine Mutter, die ihn in schlaflosem Kummer betrachtete, zunächst schweigend an und sagte schließlich: »Mama, ich bin durstig. Dürfen wir jetzt Wasser trinken?«
Sie nickte und half ihm auf seine dürren Beine. Schon vor Tagen waren die letzten Lebensmittel aufgezehrt worden, nur Wasser gab es im Tempel immer noch im Überfluss. Unter seinem Hof befand sich ein Netz von Aquädukten und Zisternen, die Wasser von den Quellen des Kidrontals herbeiführten. Es konnte zwar sein, dass die Menschen in Jerusalem verhungern würden, aber die Könige des alten Israel hatten dafür gesorgt, dass sie nicht verdursten mussten.
Sie nahm Aaron auf den Arm und ging vorsichtig um die Menschen herum, die auf den Steinen des Frauenhofes schliefen und deren unruhigen Schlaf das Dröhnen der Rammböcke mit einem tödlichen Rhythmus untermalte. Während sie Aarons Kopf wiegte und den Jungen noch fester an sich drückte, füllten sich Elisabeths Augen mit Tränen.
»Wo ist Papa?«, fragte der Junge.
»Fort, mein Sohn. Still jetzt. Nur noch einen Augenblick, und dann gibt es Wasser.« Sie unterdrückte ein Schluchzen, als sie an ihren tapferen, wundervollen Enoch dachte. Vor einer Woche war er durch die Stadtmauern geschlüpft, um nach Wurzeln zu suchen. - Er war nicht mehr zurückgekehrt. Am nächsten Morgen hatte der Priester es ihr berichtet: Enoch war einer von Hunderten, die nun, ans Kreuz geschlagen, die Straße zum Berg Zion säumten. Sie war selbst auf die Mauer geklettert, weil sie sich gegen den Gedanken gesträubt hatte, dass jemand, der so jung und tapfer war, gefangen werden und einen solchen Tod erleiden konnte. Sie hatte sich selbst überzeugen müssen. Und als ihr Blick dem ausgestreckten Arm des Priesters gefolgt war, der dorthin deutete, wo Enoch hing, war sie innerlich gestorben. Wäre nicht Aaron gewesen, hätte sie sich von der Mauer auf die darunter liegenden Felsen gestürzt. Aber sie hatte sich dazu durchgerungen, noch eine Stunde, noch einen Tag zu leben, immer darauf hoffend, dass wenigstens ihr Sohn mit dem Leben davonkommen würde.
»Kommt Papa bald zurück?«, fragte der Junge.
»Still jetzt, Aaron. Hier ist Wasser.«
Sie näherte sich den dunklen Gestalten von vier jungen Zeloten, die neben der offenen Zisterne standen und in deren schwarze Tiefe starrten. »Er ist da. Ich habe ihn gefunden!«, hallte eine hohle Stimme aus der Tiefe herauf.
»Aber das Wasser. Wie tief ist das Wasser?«, rief einer der Männer, die neben der Zisterne standen.
»Etwas mehr als knietief. Der Gang ist eng. Wenn wir gut genährt wären, könnten wir es nicht schaffen. Aber hier ist er tatsächlich, der Weg nach draußen.«
Die Männer hatten Elisabeth bisher nicht bemerkt; zu sehr erfüllte sie die Hoffnung, ihrem selbst geschaffenen Gefängnis entkommen zu können.
Als sie jedoch ungläubig und vor Erregung etwas zu laut fragte: »Habt ihr den Fluchtweg gefunden?«, fuhren sie erschrocken auf und wandten sich drohend zu ihr um.
»Wo kommst du her?« Ein Mann, der wie eine Vogelscheuche aussah, trat einen Schritt auf sie zu.
»Wir sind wegen des Wassers gekommen«, entgegnete sie und drückte Aaron wieder fest an sich.
»Nun werden es also bald alle im Hof wissen und schreiend vom Teich her angelaufen kommen, bis auch der letzte Römer im Lager den Fluchtweg findet«, sagte der kräftige Zelot in angewidertem Tonfall.
»Ihr könnt uns doch mitnehmen«, erwiderte Elisabeth hastig.
»Oder euch auf der Stelle töten«, meinte ein anderer und machte einen Schritt auf sie zu. Seine Schwertklinge blitzte im Mondschein.
»Das würde sie jedenfalls davor bewahren, von den Römern missbraucht zu werden, meint ihr nicht auch?«, fügte er drohend hinzu.
»Nein, wartet.« Die Vogelscheuche trat zwischen sie. »Sie hat ein Kind, um das sie sich kümmern muss.« Er legte seine Hand schützend auf Aarons winzigen Rücken. »Ich hatte auch einen Sohn.« Dann stellte er sie zur Rede: »Wer bist du, Tochter Zions?«
»Ich bin Elisabeth, die Frau Enochs des Leviten, der gekreuzigt worden ist.«
Er nickte und stand dann einen Moment lang schweigend da.
»Los!«, flüsterte der Mann in der Zisterne heiser. »Du verschwendest wertvolle Zeit.«
»Töte sie!«, knurrte der Kräftige.
»Wird das Kind weinen, wenn wir euch mitnehmen?«
»Du wirst nicht weinen, nicht wahr, Aaron?«, fragte sie den Jungen bittend.
»Nein, Mama. Ich werde tapfer sein wie Papa.«
»Dann komm, Frau.« Die Vogelscheuche nahm sie am Arm und half ihr in das kühle Wasser der Zisterne. Als sie über die raue Steinkante glitt, verfing sich der Lederriemen, an dem ihre goldene Mesusah hing, und riss, sodass Enochs Geschenk in der Tiefe der Zisterne verschwand.
»Mein Amulett!«, schrie sie auf und beugte sich zum Wasser hinunter.
»Los, Frau. Lass das! Lass es!«
»Aber das ist alles, was mir noch von meinem Mann geblieben ist!«
»Willst du sterben, du Närrin?« Die Vogelscheuche packte sie hart am Arm. »Du hast ein Kind. Du musst an den Sohn denken, der dir vom Körper deines Mannes geblieben ist. Folge mir!«, kommandierte er. Das Feuer der Fackel leckte an der Decke des engen Aquädukts und sein Schein spiegelte sich im Wasser und an den Wänden wider, die einen so schmalen Gang bildeten, dass sie sich seitlich hindurchschieben mussten, um vorwärtszukommen.
Elisabeth tauchte die hohle Hand ins Wasser und hielt sie an Aarons durstige Lippen. Er schlürfte geräuschvoll und bat um mehr, während die Zeloten vor ihnen weitergingen.
Elisabeth beeilte sich, ihnen zu folgen, obwohl ihre nassen Kleider sie hinunterzogen und beim Vorwärtsgehen behinderten.
»Wohin gehen wir, Mama?«, fragte Aaron, während das Licht durch den langen Tunnel tanzte.
»In die Freiheit!«, keuchte Elisabeth. »Zum Leben.«
1. Jerusalem
Der winzige Lammspieß in der Mitte der riesigen schwarzen Bratpfanne wirkte erbärmlich und verloren. Rachel wischte sich die Hände an der Schürze ab und betrachtete stirnrunzelnd die Lammstücke, die sie auf einen Spieß gesteckt hatte. Dann zählte sie mit geschürzten Lippen die winzigen Tropfen Knoblauch, die sie mit der Knoblauchpresse auf das Fleisch träufelte. »Von dem Lämmchen ist nicht viel übrig geblieben«, meinte Rachel mit einem augenzwinkernden Lächeln zu Jakov, der ihr gebannt zusah. »Aber auch wenn es klein ist, müssen wir ihm Achtung entgegenbringen, nicht wahr? Wenn mich Ellie zum Busbahnhof bringt, musst du also den guten Professor Moniger daran erinnern, dass er es mit Fett begießen soll. Sonst schrumpft es wie Schuhleder!«
Bei dem Gedanken daran verzog Jakov voller Ekel sein Gesicht und rückte seine Augenklappe zurecht. »Wenigstens bleibst du so lange, bis du das Fleisch gewürzt hast!«, meinte er seufzend. »Gut und koscher, wie Großvater es mag. Was für ein Essen! Aber ich wünschte, du könntest bleiben und es zusammen mit uns essen. Lamm und Gemüserollen und dazu gute weiße Challah! Das Neujahrsfest der Nichtjuden ist ein sehr schöner Feiertag, finde ich. Und David hat uns für später auch noch ein amerikanisches Neujahrsprogramm versprochen. Kannst du nicht heute Abend bei uns bleiben und erst später in die Altstadt fahren?«
Rachel nahm Jakovs Kinn in die Hand. Tatsächlich erschien es ihr merkwürdig, dass ihr so eine wichtige und gefährliche Aufgabe übertragen würde, da sie doch im Grunde einzig und allein den Wunsch hatte, in der Küche zu hantieren, sich um Jakov zu kümmern und endlich in Frieden zu leben. Wenn Mosche nicht zu ihr hinsah, betrachtete sie ihn oft mit versonnenem Blick. Da ihr Herz nicht mehr so versteinert war wie früher und inzwischen wieder Gefühle zuließ, malte sie sich dann aus, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie weder das Mal auf ihrem Arm noch das in ihrem Herzen trüge. »Kleiner Bruder«, sagte sie schließlich zärtlich, »ich muss gehen. Ich tue es für unser Volk. Und auch für mich selbst.«
»Ja, Schwester.« Er stieß mit der Fußspitze gegen die Bodenfliesen und sein Kinn zitterte leicht. »Kommst du denn zurück?«
»Natürlich.« Sie hob sein Kinn noch etwas höher und küsste ihn leicht auf die Wange.
»Wann?«
»Bald.«
»Morgen?«
»Bald. Vergiss nicht, den Professor daran zu erinnern, dass er das Lamm übergießen soll, ja? Abgemacht?«
Jakov nickte. »Ich habe gehört, wie Captain Luke Thomas gesagt hat, dass es in der Altstadt sehr gefährlich ist. Er sagt, es ist ganz wichtig, dass du bald zurückkommst.«
»Es ist nicht gut für dich, wenn du dem Captain, Mosche und dem Professor bei ihrer Unterhaltung zuhörst«, schalt Rachel ihn und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Du hast mir doch gesagt, ich soll fragen, ob sie noch Kaffee wollen. Kann ich es da verhindern, wenn sie sich vor mir einfach weiter unterhalten, während ich warte, um ihr Gespräch nicht zu unterbrechen?« Er schnaufte ärgerlich und nestelte wieder nervös an seiner Augenklappe. »Ich habe gehört, was der Captain dir in dem Fleisch und dem Brot und dem Gemüse gebracht hat. Du musst sehr vorsichtig sein, Rachel. Ich wäre sehr traurig, wenn du in die Luft gesprengt würdest, so kurz nachdem ich dich wiedergefunden habe.«
»Ich auch, kleiner Bruder.« Sie fuhr ihm lächelnd durchs Haar und musste dann doch laut auflachen, als sie daran dachte, was der Captain, versteckt in den Lebensmitteln für das abendliche Festessen, alles mitgebracht hatte. In den Broten hatten sich zwei auseinandergenommene Pistolen, in dem Lammfleisch eine Handgranate und im Gemüse Sprengkapseln befunden.
In nicht einmal drei Stunden würde sie als Kurier einen Bus der Linie zwei besteigen. Sie würde Waffen zu den Soldaten bringen, die das belagerte jüdische Viertel hinter den alten Mauern der Jerusalemer Altstadt nicht aufgaben, obwohl sie fast verteidigungsunfähig waren. Abgesehen von dieser Mission gedachte sie dort, bei ihrem Volk, auch noch einige andere Dinge zu erledigen. Aber dies waren geheime Gedanken, die sie weder Mosche noch diesem aufgeweckten Kind erzählen konnte, das jetzt neben ihr in der Küche stand. »Dann sag mir also, Jakov«, meinte sie, »wollen sie denn noch Kaffee?«
»Nur der Professor und Mosche. Captain Thomas möchte gerne Tee, wenn du welchen hast.«
Seufzend füllte Rachel den Kessel und eilte dann durch den Flur zu Howards Arbeitszimmer, wo Luke, Howard und Mosche leise die Verteidigung der Altstadt besprachen.
»Vierzehn Gewehre?«
»Das ist alles. Und sie sind leider alle alt.«
»Und was ist mit Israels ältesten Waffen?«, wollte Howard von Luke wissen.
Luke räusperte sich ungemütlich. »In Sicherheit. Vor aller Augen versteckt.« Er zögerte einen Augenblick und fuhr dann fort: »Es geht das Gerücht um, dass sowohl der Mufti als auch die britische Regierung für die Schriftrollen mehrere tausend Pfund bieten.«
Mosche stieß ein bitteres Lachen aus: »Die Briten würden sie gerne in London ausstellen und der Mufti fände Vergnügen daran, sie bei einer Massenveranstaltung der Moslems zu verbrennen, nicht wahr?«
Howard nickte. »Ich glaube, wir haben wohl alle Beteiligten davon überzeugt, dass die Schriftrollen in jener Nacht in Bethlehem abhandengekommen sind.«
»Gut«, meinte Luke leise. »Aber da ist mir noch ein Gedanke gekommen.« Er zwirbelte stirnrunzelnd seinen Schnurrbart. »Ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen, was solche Sachen wert sind, aber der Preis wäre doch bestimmt hoch genug, um Waffen für eine ganze Armee kaufen zu können.«
Drückendes Schweigen lastete auf dem Raum, bis Howard schließlich das Wort ergriff: »Das steht völlig außer Diskussion, Luke. Ich weiß, dass du einen praktischen Vorschlag aus der Sicht eines Soldaten machst, aber ...«
Luke hüstelte und zuckte die Achseln. »War ja nur so eine Idee«, meinte er entschuldigend. »Auf jeden Fall, Howard, reise ich in einigen Monaten nach England ab. Wenn du möchtest, kann ich sie ja dann mitnehmen und in Sicherheit bringen.«
»Ich sehe keine andere Möglichkeit, sie aus Jerusalem hinauszuschmuggeln«, meinte Mosche. »Ich habe den starken Verdacht, dass wir unter Beobachtung stehen.«
»Falls mir irgendetwas passieren sollte, bevor ich nach Hause zurückkehre« – Luke senkte seine Stimme – »musst du wissen, Howard, dass ich dir meine Muschelsammlung vermacht habe.«
Howard lachte in sich hinein. »Die würde sich ganz gut in meinen Schaukästen machen.«
An der halb geöffneten Tür zum Arbeitszimmer angekommen, zögerte Rachel einen Moment, während sie Mosche zärtlich von hinten ansah. Sein Haar war wirr und er hatte einen Bademantel an, den er wegen des schweren Gipsverbandes an seinem Arm nur lose übergehängt hatte. Ein Gefühl der Wärme durchströmte sie, während sie sein dunkles Haar betrachtete. Einen Moment lang stockte ihr der Atem, dann wandte sie ihren Blick von ihm ab – plötzlich voller Scham über die Gefühle, die sie für diesen freundlichen, sanften Mann empfand. Er hat etwas viel Besseres als eine Frau wie mich verdient, dachte sie und kniff ihre Augen fest zusammen. Einen besseren Menschen als mich. Sie klopfte leise an die Tür, um sich bemerkbar zu machen, und betrat dann schnell das Zimmer, ohne es zu wagen, Mosche anzusehen, obwohl sie spürte, dass sein Blick auf ihr ruhte.
»Nur das Mädchen!«, rief Howard gut gelaunt.
»Zweimal Kaffee? Und einmal Tee für Sie, Captain Thomas?«
»Ja, bitte.« Luke räusperte sich, um nicht zu zeigen, dass er über das sehnsüchtige Verlangen, das er in Mosches Augen las, lächeln musste.
Rachel stellte die leeren Tassen auf ein Tablett und verließ dann eilig das Arbeitszimmer, um wieder in die Küche zu gehen, die Jakov inzwischen verlassen hatte. Sie zitterte und war außer Atem, einzig und allein, weil sie in Mosches Nähe gewesen war. Während sie das Tablett auf die Arbeitsplatte stellte, starrte sie seine Tasse an. Dann legte sie langsam ihre Hände darum, hob sie an den Mund und berührte mit ihren Lippen zärtlich die Stelle, die auch seine Lippen berührt hatten. »Ach, Mosche«, flüsterte sie, während sie die aufsteigenden Tränen zurückhielt, »ich kann nicht wieder hierher zurückkommen. Ich darf dich nicht wiedersehen. Niemals darf ich das. Ich darf es nicht zulassen, dass ich dich liebe. Nicht jetzt. Und auch nicht später.«
2. Das Zionstor
Captain Luke Thomas schlug den Kragen seines schweren Übermantels hoch und klopfte dann ungeduldig mit der Mündung seiner Maschinenpistole gegen seinen Oberschenkel. Er und sechs britische Soldaten, die seinem Kommando unterstanden, drängten sich jämmerlich frierend unter dem Torbogen des Zionstores und schauten in das Treiben der Schneeflocken, die über Jerusalem wirbelten. Der Schnee hatte sich nicht nur an der zerklüfteten Oberfläche der massiven Steinmauer um die Altstadt abgesetzt, sondern verzierte auch die Gebäude der Neustadt wie Zuckerguss ein Lebkuchenhaus. Der ungefähr zehn Zentimeter hohe Schnee bedeckte sowohl die Kopfsteinpflasterstraßen der Altstadt als auch die matschige Straße der Neustadt, die sich, von ausgewaschenen Furchen durchzogen, zuerst um den Berg Zion und dann durch das felsige Kidrontal hinauf bis zu dem Tor wand, an dem Luke und seine kleine Gruppe gerade warteten. Unter ihrer weißen Decke, sinnierte Luke, sieht die Stadt der Gläubigen ganz friedlich aus, weil man das Blut nicht sieht, das Juden und Araber hier vergossen haben. Die zerklüfteten Berge aus verbogenem Metall und zerbröckeltem Beton, von denen erst vor einer Woche die Schreie der Opfer des letzten Bombenattentats zu hören gewesen waren, fügten sich nun in stiller Harmonie in die weichen Konturen der umliegenden Gebäude ein. Es war, als ob Gott es müde geworden wäre, den unerbittlichen, hasserfüllten Kampf mit anzusehen, der Juden, Araber und Engländer entzweite und der das Gesicht der Heiligen Stadt verzerrte, um derentwillen sein Sohn geweint hatte.
»Ach, Jerusalem, Jerusalem«, sagte Luke leise, während er durch den weißen Vorhang zum Ölberg hinschaute. Er seufzte schwer. Nicht mehr lange und diese Schönheit würde wieder einmal vom Blut unschuldiger Menschen befleckt werden, die zwischen die Fronten derjenigen Juden und Araber gerieten, die das Land für sich beanspruchten.
»Was ha’m Se gesagt, Captain?«, fragte die raue Stimme Sergeant Hamiltons, dessen ständig rotes Gesicht und Beleibtheit ihm den Spitznamen »der dicke Ham« eingetragen hatten.
»Nichts.« Luke sah an sich herunter und lächelte. »Nichts«, wiederholte er matt. »Ich habe nur laut gedacht.«
»Schön is’ das, nich’, Sir?« Der rundliche kleine Sergeant schob seine Mütze höher und grub die Spitze seines blitzblank polierten Stiefels in den Schnee, der um ihren Unterstand lag. »Muss wohl auch so ausgeseh’n haben, als er hier war, wenn Se wiss’n, was ich mein’, Sir. Kaum zu glauben, dass jetzt Juden und Araber da draußen sind, um sich auszudenken, wie se sich gegenseitig das Gehirn aus ’m Kopf blasen könn’n. Und wir mitt’n drin, was? Aber eins is’ sicher« - er schnäuzte sich geräuschvoll in ein frisches weißes Taschentuch - »es is’ nich’ einer unter uns, der nich’ froh is’, wenn er wieder in England is’ und nich’ mehr hier in dieser Suppe, wenn Se wiss’n, was ich mein’, Sir.«
»Ja«, meinte einer der Männer zustimmend. »Ich wär’ für ’n warmes Ale in einem englischen Pub.«
»Nur noch vier Monate, Leute, und dann geht’s heim nach England«, verkündete Ham.
Der Jubelschrei der anderen Männer schallte leise vom Torbogen herüber: »Heim nach England!«
»Gott schütze den König!«, rief ein anderer freudig.
»Und Gott schütze die Juden, wenn wir nich’ mehr da sind, was, Captain?«, meinte Ham und stellte sich neben Luke, der immer noch in das Schneetreiben starrte.
»Ohne Gottes Schutz wird eine Rettung der Juden wohl nicht möglich sein, Ham«, entgegnete Luke ruhig. »Die arabischen Freischärler strömen ins Land und das arabische Oberkommando hat das Blut jedes in Palästina lebenden Juden gefordert. Ja, Gott schütze die Juden. Auf etwas anderes wagen sie ohnehin nicht zu hoffen. Und wenn wir nicht mehr hier sind, werden sie leider auch keinen anderen Schutz gegen fünf bewaffnete arabische Nationen haben.«
»Nich’, solange das Waffenembargo gegen sie verhängt is’, was, Captain? Nich’, dass ich etwa Politik hinterfrage, Sie versteh’n, Sir, aber glaub’n Se nich’ auch, dass es ’ne ziemliche Schande is’, dass es nich’ mal ’n ehrlicher Kampf sein wird? Ich mein’, die armen Teufel ham ja nich’ mal’n Gewehr zur Hand.«
»Leider können die Juden kein souveräner Staat sein, bis England offiziell abzieht, Ham, was bedeutet, dass sie bis dahin keine Waffen zu ihrer Verteidigung kaufen können. Und wenn wir dann weg sind ...«
»Dann isses für sie zu spät. Sam Baxter hat mir erzählt, dass alle arabischen Nation’n Panzer und Soldaten an den Grenzen zusammengezog’n ham. Die warten nur drauf, die Grenze zu überschreiten, sobald der letzte britische Soldat in die Heimat fährt. Die Juden wer’n dann nich’ mal Zeit ham, Waffen zu kaufen, wenn Se wiss’n, was ich mein’, Captain.«
Luke nickte und seine Miene verdüsterte sich, als er sich an die Worte des Muftis erinnerte: »Wir werden die Juden ins Meer treiben.«
Haj Amin Husseini, Großmufti von Jerusalem, hatte bereits damit begonnen, gegen seine meistgehassten Feinde, die jüdische Bevölkerung Palästinas, Krieg zu führen. Mit Terroranschlägen und Überfällen aus dem Hinterhalt hatten seine Jihad-Moqhaden, die heiligen Kämpfer des Islam, unterstützt von den angrenzenden arabischen Nationen, bereits ihren Angriff gegen die Juden begonnen. Und während die jüdischen Opfer zum Begräbnis auf den Ölberg gebracht wurden, beantwortete die jüdische Terroristenbande Irgun täglich Gewalt mit Gewalt, indem sie ihrerseits die unschuldige arabische Bevölkerung angriff. Wenn weiter nach dem Motto ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ verfahren wird, dann wird Jerusalem bald blind und zahnlos sein, dachte Luke. Die frommen Chassidim, die innerhalb der Altstadtmauern lebten und ihrem Glauben nachgingen, waren von feindlichen Arabern umzingelt und vom übrigen Jischuv im wahrsten Sinne des Wortes abgeschnitten. Nur noch eine dünne Lebensader verband sie über das Zionstor mit der Neustadt.
Luke sah auf seine Armbanduhr und musste bereits seine Augen anstrengen, um das Zifferblatt in der blauen Abenddämmerung des ersten Abends des neuen Jahres 1948 erkennen zu können. Es war halb sechs. Der Bus der Linie zwei, der letzte Bus zum Zionstor, hatte bereits dreißig Minuten Verspätung. Diese Strecke war die gefährlichste in der Stadt. Denn nachdem das Fahrzeug mit der verblichenen blauen Farbe und der schützenden Panzerung die Sicherheit des Busbahnhofes von Egged im Herzen des jüdischen Jerusalem verlassen hatte, musste es sich erst durch die arabischen Teile der Stadt winden, bevor es seine letzte Station, das Zionstor und die Altstadt, erreicht hatte.
Von Lukes Männern, die unter dem Bogen des verschlossenen Tores standen, war ein gereiztes Murren zu hören. Der gepanzerte Mannschaftswagen, der den Bus eskortierte, brachte nämlich auch die Soldaten mit, die sie von ihrer undankbaren Aufgabe ablösen sollten, den einzigen Zugang zum jüdischen Viertel der Altstadt zu bewachen. Eine halbstündige Verspätung des Busses bedeutete also für sie nicht nur, dass sie eine halbe Stunde länger auf das Abendessen warten mussten, sondern auch eine halbe Stunde länger kalte Füße und kalte Nasen hatten.
»Wie lang müss’n wir denn noch wart’n, Captain? Wir ham alle noch nich’ den Rausch von der letzten Nacht ausgeschlaf’n«, stöhnte Smiley Hitchcock, dessen unglücklicher Gesichtsausdruck seinen Namen Lügen strafte.
»Ja«, meinten die anderen zustimmend. »Was ham diese Kerle eigentlich für ’n Recht, unsere Zeit zu verschwenden?«
Luke rieb sich schnaufend mit seiner Hand über die kalte Wange. »Ganz ruhig, Jungs. Vielleicht ist der Bus im Schnee stecken geblieben.«
Den Gedanken, dass die Wachablösung vielleicht bis zu den Knien in einer Schneewehe steckte und den Bus mit militäreigenen Spaten ausschaufeln musste, empfand die kleine Gruppe als tröstlich. Sie lehnten sich gegen den steinernen Torbogen und überdachten in befriedigtem Schweigen die missliche Lage ihrer säumigen Kameraden. Hier waren sie immerhin einigermaßen vor den Unbilden des Wetters geschützt.
»Besser der Bus versinkt auf der Hin- als auf der Rückfahrt!« Smiley erschauerte bei dem Gedanken, nicht nur einen jüdischen Bus auf seiner Fahrt durch die feindlichen arabischen Gebiete entlang der Straße zum Zionstor bewachen, sondern gleichzeitig auch noch gegen den Schneesturm ankämpfen zu müssen.
»Was mein’n Sie, Captain – ob die Araber wohl was aushecken?«, fragte Harney, ein junger Soldat mit rosigen Wangen.
»Ach, hör doch auf damit.« Smiley stieß ihn heftig in die Rippen. »Du weißt doch, dass der Mufti die Hunde zurückgepfiffen hat, nachdem er letzte Woche die Ben Yehuda Street in die Luft gesprengt hat. Harney, der wird es doch weg’n so ’m armselig’n Ding wie ’nem Bus nich’ riskier’n, dass ihm die ganze Welt, die sowieso schon entrüstet is’, auf’n Leib rückt, also nee.«
»Na, gut«, fiel ein stattlicher junger Soldat namens Matthew ein. »Dann bin ich dafür, dass wir den großen langen Schlüssel nehmen, den der Captain in der Hand hat, und ihn zusammen mit einem Zettel an das Tor nageln. Darauf schreiben wir den Burschen die Nachricht: ›Sind zum Tee gegangen.‹ Was meinen Sie, Captain?« Er trat einen Schritt vor.
»Dafür ist später noch Zeit genug, Leute.« Luke ließ ihnen den Spaß, um die Zeit totzuschlagen. Dann sah er wieder voller Unruhe über die Verspätung des Busses auf seine Armbanduhr.
»Man sagt, der Mufti is’ zum Tee gegangen«, warf Ham ein.
»Wahrscheinlich eher nach Kairo, Sergeant«, setzte Smiley hinzu. »Und es wär’ gut, wenn wir ihn und seinesgleichen los wär’n, sag’ ich. Ich hab’ ein’n Tag lang zerfetzte Kinder aus dem Schutt der Ben Yehuda Street rausgeholt«, meinte er und schüttelte erbittert den Kopf.
»Juden. Araber. Die sind doch alle gleich«, knurrte ein junger Captain namens Stewart, der einen verbitterten Eindruck machte. Er war erst vor zwei Wochen aus England gekommen und der Patrouille als Beobachter zugeteilt. Seine Augen schienen in den dunkler werdenden Schatten zu glühen.
»Was is’ denn mit dem da?«, flüsterte Smiley Ham zu.
Stewart spuckte in den Schnee und knurrte: »Es is’ nich’ immer nur der Mufti, der irgendwelche Sachen in die Luft sprengt. Waren denn nich’ ein paar von euch hier, als diese Schweine von der jüdischen Irgun den Regierungstrakt des King David hochgehen ließen?« Die Männer starrten ihn schweigend an.
»Ein Punkt für Sie«, nickte Smiley. »Ein Punkt für ihn. Die ham massenhaft Engländer und arabische Regierungsangestellte umgebracht, jawohl. Ich und Sergeant Ham hier, wir ham noch vom Y.M.C.A.-Gebäude auf der anderen Straßenseite zerfetzte Leute von der Wand abgekratzt. Stimmt’s Sergeant?«
Ham versetzte ihm als Antwort einen Rippenstoß. »Jetzt reicht’s, Smiley«, meinte er leise, als er das sprachlose Entsetzen sah, das über Stewarts kantiges junges Gesicht glitt.
»Eine blutige Schweinerei war das«, fuhr Smiley unbeirrt fort.
»Tja, Sir, ich wollte nur sagen, dass ich der gleichen Meinung bin wie der Captain. Ich ...«
»Nun ist’s aber genug«, bellte Luke und trat drohend auf Smiley zu, der verwirrt über die plötzliche Missbilligung seines vorgesetzten Offiziers zur Mauer zurückwich, dort die Hacken zusammenschlug und zackig salutierte. »Jawoll, Sir!«, rief er laut mit starr geradeaus gerichtetem Blick.
Luke erwiderte seinen Gruß und ließ dann seinen Blick über die rasch in der Dunkelheit versinkende Landschaft schweifen, in der Hoffnung, endlich die schwachen Scheinwerfer des Busses ausmachen zu können.
Alle Augen verharrten zunächst auf Smiley, der nach dem Gruß seine Hand sinken ließ. Dann richteten sie sich verwirrt auf Ham. Der beugte sich zu dem begriffsstutzigen Smiley hin und flüsterte heiser: »Du Tölpel! Stewarts Bruder ist im King David umgekommen.«
* * *
Ellies Hände waren schweißnass und zittrig, als sie die Handbremse des alten schwarzen Plymouth Sedan kräftig anzog, um den Wagen zu parken.
»Ich finde es einfach abscheulich, im Schnee zu fahren!«, meinte sie mit einem flüchtigen Lächeln zu Rachel Lubetkin, die staunend die sanft fallenden Schneeflocken betrachtete.
»Wo ich herkomme, meine Freundin«, erwiderte diese mit dem unverkennbaren Akzent ihrer polnischen Heimat, »ist dies nur ein bisschen Schnee. Aber trotzdem, ist es nicht ein Wunder, dass es auch in Jerusalem Schnee gibt? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Großvater in seinen Briefen so etwas erwähnt hätte, außer in einem einzigen. Und als meine Mutter das las, schüttelte sie den Kopf und erzählte uns dann, dass es auch nur ein einziges Mal so viel geschneit hatte, während sie als junges Mädchen hier lebte. Damals haben sie die Jeschiva-Schüler hinausgeschickt, damit sie draußen spielen und Gott auf den Straßen loben konnten.«
»Beim nächsten Mal denkst du bitte daran, dass ich aus Kalifornien komme, und dann nehmen wir lieber ein Taxi, ja?« Ellie fuhr sich über die Stirn und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Ich glaube, die Taxifahrer finden den Schnee auch nicht so angenehm.« Rachel beobachtete, wie sich die heruntergekommenen jüdischen Taxis langsam durch die Jaffa Road zu dem düsteren, gedrungenen Busbahnhof von Egged schoben. Dann hielten sie am Bordstein hinter dem blassblauen Rumpf des Busses der Linie zwei, öffneten ihre Türen und die Fahrgäste ergossen sich auf den Bürgersteig wie Zirkusclowns, die in einem Kleinwagen zusammengepfercht gewesen waren. »Wer passt heutzutage überhaupt noch in ein Taxi?«
Ellie betrachtete argwöhnisch die Reihe der Wagen. »Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass deren Profil genauso abgefahren ist wie das von dieser alten Kiste hier.« Sie nahm angestrengt blinzelnd die Reifen der Linie zwei in Augenschein. »Rachel, sieh dir bloß die Reifen des Busses an. Willst du allen Ernstes in diesem Ding fahren? Die sind ja so glatt wie Billardkugeln.«
Unter günstigsten Bedingungen betrug die Höchstgeschwindigkeit eines Busses beim Anstieg auf den Zion ungefähr fünfzehn Stundenkilometer. Mit der schweren Eisenpanzerung musste der Motor jedoch selbst bei gutem Wetter Höchstleistungen vollbringen. Doch an diesem Abend, vermutete Ellie, konnte man von Glück sagen, wenn es der Bus überhaupt zum Zionstor schaffte.
»Vielleicht ist die britische Eskorte derselben Meinung wie du.« Rachel sah zu den vermummten Soldaten, die sich abwechselnd in die Hände bliesen und mit den Füßen stampften, während sie sich mit dem Busfahrer auseinandersetzten. Die Zornesröte im Gesicht, gestikulierte dieser heftig mit seinen Händen in Richtung der in der Ferne liegenden Altstadt. Er wusste so gut wie Ellie und Rachel, dass die Fracht, die er bis an die Schwelle der belagerten Altstadt bringen sollte, in dieser Nacht das Tor passieren musste. Die Soldaten, die normalerweise die jüdischen Passanten auf Waffen hin durchsuchten, hatten von der Jewish Agency bereits beträchtliche Bestechungsgelder erhalten. Heute Nacht, und zwar nur heute Nacht, würden sie den dreizehn jungen Haganah-Mitgliedern keine Beachtung schenken, wenn diese, mit Pistolen und Maschinenpistolen unter ihrer groben, weit geschnittenen orthodoxen Kleidung, den Bus bestiegen. Rachel, der einzige weibliche Fahrgast der Gruppe, war, wie Onkel Howard es vor einer Stunde formuliert hatte, »bis zur Unansehnlichkeit bepackt«.
»Tja, da ist irgendwas los.« Ellie sah, wie zwei weitere britische Panzerwagen durch die Jaffa Road rasten und vor dem Busbahnhof schlingernd zum Stehen kamen. »Bist du bereit?«
Rachel nickte, stieg aus und nahm noch einen kleinen abgenutzten Koffer aus dem Wagen. Sie zögerte jedoch einen Moment, als die Soldaten aus ihren Fahrzeugen kletterten und vorsichtig über den glatten Bürgersteig und dann durch die Drehtür in die geflieste Eingangshalle gingen. Sind alle diese Untergebenen der britischen Mandatsregierung bestochen worden?, fragte sie sich. Oder werden sie mich durchsuchen und festnehmen wie all die anderen Juden, die versucht haben, sich gegen den bevorstehenden arabischen Angriff zu wappnen?
Ellie nahm sie beim Ellbogen und ging mit ihr zum Eingang des Gebäudes. »Was ist da los, Ellie?«, fragte Rachel.
»Mosche hat uns ja gesagt, dass es hier von Soldaten wimmeln würde. Verhalte dich also ganz normal. Ich habe meine treue Kamera und meinen Presseausweis dabei, und so wird sich dir gegenüber schon niemand unverschämt benehmen und es riskieren, fotografiert zu werden.«
»Unverschämt?«
»Sie werden vielleicht die Männer abtasten. Aber diese Burschen wollen nicht dabei erwischt werden, wie sie eine Frau filzen. Das Life Magazin wird nämlich auch in London veröffentlicht.« Sie klapperte vielsagend mit den Augenlidern. »Glaubst du, diese Burschen möchten, dass ihre Mütter erfahren, dass sie unschuldige orthodoxe Mädchen durchsuchen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Ich werde in deiner Nähe bleiben, bis du einsteigst.«
Beide dachten insgeheim daran, dass auf jeden Juden, der mit einer Waffe angetroffen wurde, die Todesstrafe wartete. Ungeachtet dessen, dass Rachel nicht die leiseste Ahnung hatte, wie man eine Maschinenpistole lädt oder eine Handgranate zündet, brachte sie allein die Tatsache, dass sie solche Dinge bei sich trug, mit den jüdischen Terrorakten in Verbindung. Und diese standen inzwischen dem Entsetzen, das die Übergriffe des Muftis verbreiteten, in nichts mehr nach. Aus diesem Grunde hatte sich die Haganah, was »Verteidigung« bedeutet, entschlossen, ihre Waffen einzig und allein zu Verteidigungszwecken zu gebrauchen. Und die heiligen Stätten der Altstadt waren die Orte, die Verteidigung am nötigsten hatten. Da in der Altstadt nur zweitausend orthodoxe Juden lebten, die es als ihr einziges Lebensziel betrachteten, die Gesetze der Thora zu erfüllen, waren dort nur einige überalterte Gewehre aus dem Ersten Weltkrieg zu finden. Zwar waren inzwischen fast hundert Haganah-Mitglieder, als Jeschiva-Schüler verkleidet, an den britischen Torwächtern vorbeigeschlüpft, aber jeden Tag wurde es schwieriger, Männer und Material in die Altstadt zu schmuggeln. Rachel wusste, dass ihre bevorstehende Busfahrt sehr wohl die letzte Fahrt der Linie zwei zum Zionstor sein konnte.
Als Ellie und Rachel die Eingangstür des Gebäudes erreichten, durchbrach der schrille Ton der Sirene eines Krankenwagens die Stille. Der Fahrer und die beiden Soldaten des Geleitschutzes sahen auf und blickten dem hellen Blinklicht entgegen, das auf sie zukam.
»Es ist sehr wahrscheinlich, dass es Tote und Verwundete beim Konvoi von Tel Aviv gegeben hat«, berichtete ein hoch gewachsener, hagerer Soldat dem Fahrer. »Sind Sie bereit, es mit Ihren Fahrgästen zu wagen, auch wenn die Araber wieder unter Waffen stehen?«
»Vielleicht sind die Araber alle im Bab el Wad beschäftigt. Jerusalem ist nicht Bab el Wad, wissen Sie.« Damit hatte der Fahrer das Gespräch auf die enge Schlucht gebracht, die sich aus dem Tal nach Jerusalem hinaufwand. Seitdem vor einem Monat die Vereinten Nationen die Teilung Palästinas in zwei Staaten beschlossen hatten, waren jüdische Fahrzeuge, die von Tel Aviv kamen, ständig von den arabischen Freischärlern des Muftis angegriffen worden. Für Jerusalem, das mit seinen 100 000 Einwohnern tief im Herzen des arabischen Gebietes lag, war die schmale Schlucht von Bab el Wad die einzige Verbindung mit Tel Aviv und diese Verbindung wurde täglich zerbrechlicher.
Ellie nahm die Frauen und Männer in Augenschein, die in der Eingangshalle standen und auf Nachricht von ihren Freunden und Lieben warteten, die an diesem Tage unterwegs nach Jerusalem waren. Einige standen mit von Sorge gezeichneten Gesichtern in kleinen Gruppen in der Nähe der Tür. Eine junge Frau in einem hellblauen Kleid saß verloren auf einer harten Holzbank, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schluchzte. Ein älterer Mann in einem zerlumpten Wollpullover und mit einer Fischermütze auf dem Kopf saß neben ihr, rauchte eine Zigarette nach der anderen und starrte mit leerem Blick auf die beschädigten Fliesen zu seinen Füßen. Einige britische Soldaten standen an der Wand in der Nähe des Trinkwasserbrunnens. Sie waren genauso besorgt um ihre Kameraden, die pflichtgemäß den Konvoi nach Tel Aviv begleitet hatten. Wörter wie »Heckenschützen« und »Landminen« waren in ihrer Umgebung zu hören. Sie hatten ihre Gewehre geschultert und nahmen keine Notiz von der merkwürdigen Gruppe von Jeschiva-Schülern in der Halle, die darauf warteten, die Linie zwei besteigen zu können. In ihren langen schwarzen Mänteln und breitkrempigen Hüten wirkten sie so, als läge ein ganzes Jahrhundert zwischen ihnen und den schwer bewaffneten Dienern der britischen Mandatsregierung, die ihnen gegenüberstanden. Aber auch sie waren Soldaten und Offiziere - der Haganah. Ellie warf ihnen kurz einen prüfenden Blick zu und fragte sich neugierig, wie sie es wohl geschafft hatten, die Waffen, die sie ihres Wissens ja bei sich trugen, so gut zu tarnen. Unter ausgebeulten Hosen trugen sie Maschinenpistolen, die ihnen mit Riemen ans Bein gebunden waren. Unter ihren hohen Hüten waren vielleicht eine oder mehrere Handgranaten und unter den Rändern ihrer Taffits Patronengurte verborgen. Sie bemühte sich, nicht hinzusehen, als ein bärtiger Haganah-Mann mit Brille direkt auf die Soldaten zuging, zwischen die beiden Offiziere trat und geräuschvoll aus dem Trinkwasserbrunnen trank, während diese ihre Unterhaltung über seinen Kopf hinweg fortsetzten.
»Das nenne ich natürliches Verhalten«, flüsterte Ellie Rachel zu, als sie nur ungefähr drei Meter von den Haganah-Leuten entfernt Sitzplätze auf einer fast leeren Bank in der Nähe des Fahrkartenschalters fanden.
Der schmächtige Mann am Brunnen wischte sich die Lippen mit dem Handrücken, bevor er gemächlichen Schrittes wieder zu seiner Gruppe zurückging. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, während er sich mit einem großen, behäbigen jungen Mann unterhielt, der auf Ellie ganz und gar den Eindruck eines Ringkämpfers machte. Die Sprache der beiden konnte sie zwar nicht verstehen, aber sie sah zumindest, dass der Ringer zunächst seine Augenbrauen leicht hob und dann finster die Stirn runzelte.
Rachel beugte sich zu Ellie hin und flüsterte ihr zu: »Er spricht Polnisch.«
»Was hat er gesagt?«
»Die Engländer wissen noch nicht genau, welchen Schaden der Konvoi von Tel Aviv erlitten hat. Es sind jedoch Verwundete im Fahrzeug. Es wurde auch vom Ziviltransport aus auf die Angreifer geschossen. Sie sagen, man wird jeden verhaften, der eine Waffe trägt, mit der man auf Araber schießen kann.«
»Hat jemand die Araber festgenommen, die den Konvoi angegriffen haben?«
Rachel hob einen Finger, damit Ellie nicht weiterredete, während sie dem Gespräch der beiden Männer lauschte. »Die Araber sind geflohen, als das Panzerfahrzeug ankam. Möglicherweise sind auch Engländer verwundet. Aber man weiß es nicht genau.«
Eine Welle der Angst erfasste Ellie, als sie ihre junge jüdische Freundin ansah und ihr Profil eingehend betrachtete. Die orthodoxe Kleidung mochte wohl die Waffen, nicht aber die auffallende Schönheit Rachel Lubetkins verbergen. Und nun sollte Rachel eine Zielscheibe der Feindseligkeit arabischer Muslime werden.
»Bist du auch ganz sicher, dass du das wirklich willst, Rachel?«, fragte Ellie.
Rachel lehnte sich auf der harten Holzbank zurück und lächelte ihrer besorgten Freundin zuversichtlich zu.
»Es wird schon gut gehen mit mir«, sagte sie leise, während sie Ellie über die Hand strich, mit der diese die große schwarze Kamera hielt. »Wie sagt ihr in Amerika? Okay, nicht wahr? Ich werde ganz okay sein.«
Rachel zog ihre linke Augenbraue ein wenig hoch und betrachtete prüfend ihre Freundin, deren äußere Erscheinung unverkennbar amerikanisch war. In ihrem blaugrünen Pullover und der schwarzen Jersey-Hose machte Ellie den Eindruck, als habe sie vor, Ski zu fahren. Rachel hatte in Ellies amerikanischen Zeitschriften Bilder von solchen Frauen gesehen. »Du kennst die Lebensweise der orthodoxen Juden nicht, meine Freundin.« Sie fuhr mit der Hand über das marineblaue Kopftuch, das den seidigen Glanz ihres schwarzen Haars bedeckte. »In Polen, als ich noch ein junges Mädchen war, gehörte ich zu den Chassidim. Mein Vater war Rabbi. Ich werde meinem Volk einen sehr guten Dienst erweisen, und du, meine süße, liebe Freundin, wirst ihm auf andere Weise dienen, nicht wahr?« Der Blick ihrer dunkel- blauen Augen fiel auf die Kamera, die auf Ellies Schoß lag.
»Aber die Altstadt, Rachel. Sie ist jetzt so gefährlich. Überbring bitte nur die Botschaft und komm dann sofort wieder zurück.« Ellie empfand geradezu körperlichen Schmerz, als sie sich ausmalte, was den wenigen Auserwählten, die die heiligen Plätze innerhalb des jüdischen Viertels der Altstadt verteidigen sollten, sicherlich zustoßen würde. Ihre Augen suchten Rachels feine Gesichtszüge.
Schwarz-geränderte kobaltblaue Augen erwiderten zärtlich ihren Blick. »Nicht einmal das Zeug, das du anhast ...« Sie klappte kurz den Aufschlag von Rachels abgetragenem schwarzen Mantel hoch. »Glaubst du, dass dich nicht irgend so ein arabischer Typ bemerkt, wenn ihr beim Betreten des jüdischen Viertels gefangen werdet? Glaubst du, dass du innerhalb der Altstadtmauern sicher bist? Rachel, hast du nicht schon genug durchgemacht? Warum schicken sie nicht Frauen dorthin, die hier aufgewachsen sind, wenn sie jemanden brauchen, der eine Botschaft überbringt?«
Rachel legte ihre Hand unbewusst auf die Stelle ihres Unterarmes, an der sich die hässliche blaue Tätowierung »Nur für Offiziere« befand. Diese hatte sie früher als das Eigentum eines Nazibordells ausgewiesen. »Gerade weil ich so viel gesehen habe und mit dem Leben davongekommen bin, muss ich gehen. Mosche und ich haben stundenlang darüber gesprochen. In diesem Punkt ist er mit mir einer Meinung. Es ist meine Mizwah, meine Pflicht, mein Volk in der Altstadt zu warnen. Durch deine Sorge um mich kannst du mich nicht umstimmen.« Sie sah sich stirnrunzelnd in der dicht bevölkerten Eingangshalle um. »Ich bitte dich nur um eins.«
»Sag es mir.« Ellie beugte sich besorgt vor.
»Da mein Großvater hier in der Neustadt im Krankenhaus liegt und ich in seine heimatlichen Mauern in der Altstadt gehe, kommt mir der Gedanke, dass ich ihn vielleicht nie wiedersehen werde.« Sie hielt inne und sah Ellie forschend an.
»Die Ärzte sagen, er wird wieder gesund«, meinte Ellie zuversichtlich.
»Daran zweifle ich nicht.« Rachel wartete, bis in Ellies Augen Verständnis aufflackerte; ein Verständnis, das deutlich zeigte, dass jeder Augenblick eine Gefahr für Rachel in sich bergen konnte. »Wenn es passieren sollte, dass ich nicht zurückkomme und es eines Tages kein jüdisches Viertel mehr gibt, in das mein Großvater und mein kleiner Bruder heimkehren können, und wenn du feststellen solltest, dass meine Augen sie vielleicht in diesem Leben nicht mehr wiedersehen, dann bitte ich dich, dass du irgendwie ...« Als sie stockte, verschloss Ellie ihr sanft mit den Fingern die Lippen.
»Sprich es nicht aus, ja?« Ihre Stimme zitterte. »Du bist ...« Sie atmete tief durch und begann dann wieder, fast überwältigt von dem Gedanken, dass dies vielleicht die letzten Augenblicke waren, in denen sie ihrer Freundin ins Gesicht sehen konnte: »Weißt du, dass du auch für mich etwas ganz Besonderes bist? Also nimm dir einfach vor, wieder lebend zurückzukommen, ja?«
»Ja, aber ...«
»Kein ›Aber‹ ...«
»Aber wenn es nicht sein soll, musst du mir versprechen, dass du ihnen helfen wirst, ja? Großvater ist so alt. Und Jakov ist noch so jung. Und wir haben uns gerade erst wiedergefunden. Ich muss wissen, dass du meine Schwester sein wirst, meine kleine nicht-jüdische Freundin, wenn ich nicht hier bin.«
Ellie nickte und konnte lange nichts sagen. »Ich wünschte nur, Mosche ließe mich mit dir gehen.«
»Hast du nicht andere wichtige Dinge zu tun?« Rachel tippte wieder auf Ellies Kamera. »Ist es nicht deine Mizwah, für die Welt zu sehen und ihr unseren Kampf hier vor Augen zu führen? Die Menschen in der Welt müssen doch erkennen, dass dies für uns der letzte Winkel auf einem Planeten ist, auf dem so viele ... so viele ermordet worden sind. Ellie, ich sage dir, wenn meinem Volk nicht dieser Ort, nicht eine eigene Heimat, zugebilligt wird, dann gibt es keinen Ort auf der Welt, an dem es sicher sein kann. Und du musst dies allen vor Augen führen. Mit deinen Fotografien, ja? Dann werden sie sehen, dass es auch jetzt noch Menschen gibt, die uns vernichten wollen.« Sie berührte Ellie leicht am Arm. »Ist dies denn keine wichtige Aufgabe für dich?«
Ellie nickte zögernd. »Dann wünschte ich wenigstens, dass es Mosche gut genug ginge, um mit dir zu gehen. Wen kennst du denn überhaupt in der Altstadt, Rachel?«
»Ich bin die Enkelin von Rabbi Schlomo Lebowitz. Das genügt. Ich werde den anderen Rabbis von seinem Gesundheitszustand berichten und von seinem Wunsch, dass sie die Menschen unterstützen, die helfen wollen, die Altstadt zu retten. Sie werden mir zuhören.« Sie fuhr mit ihrer Hand in ihre Tasche und ließ den Brief durch ihre Finger gleiten, den der alte Mann vom Krankenhausbett aus für sie geschrieben hatte, während er sich noch von seinem Herzanfall erholte. »Und wenn sie mir nicht zuhören, dann habe ich zumindest getan, was ich tun konnte.« Bei dem Gedanken an Mosche, der immer noch an den Folgen einer Verletzung durch die Kugel eines Arabers litt, huschte ein Schatten über ihr Gesicht. »Was Mosche betrifft, so denke ich, dass er viel mehr zu tun hat, als sich um mich zu kümmern.«
»Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass es nichts gibt, was er lieber täte«, erwiderte Ellie und zog ihre Augenbrauen hoch.
Rachel schaute schnell weg und hoffte, dass Ellie die Hoffnungslosigkeit in ihren Augen nicht wahrgenommen hatte. »Er ist ein guter Mann. Anständig. Er verdient etwas Besseres als so eine wie mich«, meinte sie beschämt darüber, dass Ellie etwas von der Zuneigung zwischen ihr und Mosche bemerkt haben könnte. »Ich bin nicht dazu bestimmt, einen Mann zu lieben und von ihm geliebt zu werden. Du hast keine Ahnung, liebe Freundin. Du kannst nicht wissen, was ich alles erlebt habe. Aber ich danke dir dafür, dass du mich mit Augen siehst, die mich nicht verurteilen.«
»Wie könnte dich jemand dafür verurteilen, was dir durch die Nazis geschehen ist, Rachel?«
»Ich bin es selbst, die mich verurteilt. Vielleicht verstehst du das nicht. Aber ich werde Mosche nicht lieben. Ich will keinen Mann lieben, um ihn für mich zu haben.«
Die Endgültigkeit ihrer Worte erfüllte Ellie mit Hilflosigkeit. Sie spürte, dass Rachel nicht nur deshalb als Kurierin für die Altstadt zur Verfügung gestellt hatte, weil sie diese alte jüdische Stätte retten wollte, sondern auch um sich selbst zu verlieren. »Hör zu«, sagte Ellie mit fester Stimme, »ich möchte, dass du an eines denkst. Manchmal ist es viel schwerer zu leben als zu sterben, nicht wahr? Und ich spreche nicht nur vom Atmen und Herumlaufen. Ich meine das wirkliche Leben. Und das bedeutet, dass du weißt, dass die Menschen dich brauchen, egal, was du von dir selber hältst.«
In diesem Moment rief der Fahrkartenverkäufer hinter dem Schalter laut: »Die Linie zwei ist fertig zur Abfahrt!«
Rachel stand schnell auf, ängstlich darauf bedacht, nicht in Ellies flehendes Gesicht zu sehen. »Ich muss ...«
»Hast du gehört, was ich gesagt habe, Rachel?« Ellie fasste sie bei der Schulter. »Wenn du da hineingehst, dann kommst du auch wieder hinter dieser Mauer hervor - und zwar lebend; weil es alle möglichen Leute gibt, die dich jetzt brauchen. Und Leben, nicht Sterben, ist deine Mizwah.«
Rachel schüttelte langsam den Kopf und lächelte ihre aufgewühlte Freundin an. »Danke. Für alles.«
»Du steigst nicht in den Bus ein, bevor du mir nicht gesagt hast, dass du verstehst, was ich dir sagen will. Wir brauchen dich. Und wir lieben dich.«
Rachel nickte wieder und wandte sich dann ab, um sich hinter der Reihe der Jeschiva-Schüler anzustellen, die mit scharrenden Schritten auf die Tür der Linie Nummer zwei zugingen. Ellie blieb bei der Holzbank in der Eingangshalle stehen. Als Rachel sich umdrehte und die Hand zum Abschiedsgruß hob, betete Ellie inständig darum, dass es ihre Freundin irgendwie schaffen würde, nicht nur zu sich selbst zu finden, sondern auch Vergebung zu erlangen, damit sie wieder ein neues Leben beginnen konnte.
Bodie & Brock Thoene
Ein Ehepaar - zahllose Bestseller. Fast 30 Bücher zum Thema ZION entwerfen das detaillierte Bild einer wichtigen Wegstrecke Gottes mit seinem Volk. Für diese beispiellose Leistung (6 Mio. verkaufte Bücher) wurden sie mit acht Goldmedaillen der Evangelical Christian Publishers ausgezeichnet.
Bodie und Brock Thoene (ausgesprochen: Täinie) haben vier erwachsene Kinder und (z.Zt.) fünf Enkel, wobei ihre Söhne Jake und Luke die Tradition des Bücherschreibens fortsetzen. Einen Teil des Jahres verbringen sie am Lake Tahoe in Nevada und den anderen in London.
Bodie Thoene hat mit ihren Zion Chroniken ein Millionenpublikum in der ganzen Welt erreicht. Sie war zunächst als Drehbuchautorin tätig, bevor sie sich ganz dem Schreiben christlicher Romane widmete. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann Brock am Lake Tahoe in Nevada. Das Paar hat vier erwachsene Kinder.
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