Die bekannte Autorin und Referentin Noor van Haaften legt nach ihrem Buch über Elia nun eine weitere gründliche Bibelauslegung vor. Diesmal gewährt sie ihren Lesern tiefe Einblicke in das Leben von Samuel. Dieser kam als Kind in die Obhut des Hohepriesters Eli. Als Richter, Priester und Prophet reiste er kreuz und quer durch Israel und forderte das Volk zu Einkehr, Buße und radikaler Nachfolge auf. Eine faszinierende Geschichte, die auch heute noch aktuell ist!
Fragen am Ende jedes Kapitels fordern dazu auf, die geistlichen Einsichten auf das persönliche Leben zu übertragen. Dadurch eignet sich dieses Buch auch für das gemeinsame Lesen in der Gemeinde und im Hauskreis.
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Vorwort
Mit Samuel stehen wir auf der Schwelle zu einer neuen Ära in der Geschichte des alten Volkes Israel: der Zeit der Könige. Samuel selbst war einer der letzten Richter Israels. Er trat aber auch als Priester und Prophet auf und war in kritischen Zeiten eine starke Führungsgestalt, die dem Volk Israel unermüdlich mit einer klaren Botschaft Gottes entgegentrat. Er hat die ersten zwei Könige Israels gesalbt, Saul und David. Leider hat Samuel selbst Davids Königtum nicht mehr erlebt, denn er starb, als David vor Saul und seinen Truppen auf der Flucht war.
Samuels Lebensgeschichte beginnt in 1.
Samuel 1 mit einer weinenden Frau und endet mit der Ankündigung seines Sterbens in 1. Samuel 25. Ich lade Sie dazu ein, aktiv mit einzusteigen in den Lebensbericht dieses faszinierenden Menschen und mitzureisen: von Rama nach Silo, von Silo wieder nach Rama und von da aus in noch andere Städte des damaligen Israel, um neues über Samuel und über Samuels Gott zu entdecken, der damals wie auch heute mit und durch Menschen seine Geschichte schreibt. Nehmen Sie sich Zeit, um – allein oder im Bibelkreis – in der Lebensgeschichte des alten Propheten Hinweise, Lektionen, Verheißungen und He-rausforderungen für Ihr eigenes Leben zu finden. Denn auch in Ihrem Leben will Gott handelnd auftreten, auch durch Sie schreibt er seine Geschichte.
Die Idee für dieses Buch entstand während zwei Bibelwochen im Bibelkonferenzzentrum Langensteinbacher Höhe in Karlsbad, als wir uns mit Samuel beschäftigten. Wie schon bei anderen Bibelwochen waren Pastor Andreas Schäfer, Leiter des Konferenzzentrums, und ich gemeinsam für die Vorträge verantwortlich. Ich freue mich immer über diese Zusammenarbeit, denn in Andreas verbindet sich gründliches Bibelwissen mit geistlichem Tiefgang und praktischer Anwendung. Auf meine Bitte, ob ich Material aus seinen drei Vorträgen für dieses Buch verwenden dürfe, reagierte er positiv. Ich möchte ihm dafür herzlich danken!
Noor van Haaften, Soest 2016
Kapitel 1
Leere Hände
1. Samuel 1,1-18
„… und Hanna hatte keine Kinder.“
1. Samuel 1,2
„Der Herr hat die Stimme meines Weinens gehört.“
Psalm 6,9
Und es war ein Mann aus Ramataim-Zophim, vom Bergland Ephraim, der hieß Elkana, ein Sohn Jerochams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zuphs, eines Ephratiters. Er hatte aber zwei Frauen, die eine hieß Hanna, die andere Peninna. Peninna aber hatte Kinder und Hanna hatte keine Kinder. Dieser Mann nun ging Jahr für Jahr hinauf aus seiner Stadt, um den HERRN der Heerscharen anzubeten und ihm zu opfern in Silo. Dort aber waren Hophni und Pinehas, die beiden Söhne Elis, Priester des HERRN. An dem Tag nun, als Elkana opferte, gab er seiner Frau Peninna und allen ihren Söhnen und Töchtern Anteile [vom Opfermahl]. Hanna aber gab er einen doppelten Anteil, denn er hatte Hanna lieb; aber der HERR hatte ihren Mutterleib verschlossen. Und ihre Widersacherin reizte sie sehr mit kränkenden Reden, um sie darüber zu erzürnen, dass der HERR ihren Mutterleib verschlossen hatte. Und so ging es Jahr für Jahr; sooft sie zum Haus des HERRN hinaufzog, kränkte jene sie so, dass sie weinte und nichts aß. Elkana aber, ihr Mann, sprach [dann] zu ihr: Hanna, warum weinst du? Und warum isst du nicht? Warum ist dein Herz so traurig? Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne? Und [eines Tages] stand Hanna auf, nachdem sie in Silo gegessen und getrunken hatte. Eli, der Priester, saß eben auf seinem Stuhl beim Türpfosten des Tempels des HERRN. Sie aber, betrübt, wie sie war, betete zum HERRN und weinte sehr. Und sie legte ein Gelübde ab und sprach: HERR der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd ansehen und an mich gedenken und deine Magd nicht vergessen wirst und deiner Magd einen Sohn geben wirst, so will ich ihn dem HERRN geben, so lange er lebt, und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen! Während sie nun lange vor dem HERRN betete, beobachtete Eli ihren Mund. Hanna aber redete in ihrem Herzen; nur ihre Lippen bewegten sich, doch so, dass man ihre Stimme nicht hörte. Da meinte Eli, sie wäre betrunken. Und Eli sprach zu ihr: Wie lange willst du betrunken sein? Gib deinen Wein von dir! Hanna aber antwortete und sprach: Nein, mein Herr, ich bin eine Frau von beschwertem Gemüt; Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken, sondern ich habe mein Herz vor dem HERRN ausgeschüttet! Halte doch deine Magd nicht für eine Tochter Belials, denn aus großem Kummer und Betrübnis habe ich so lange geredet! Da antwortete ihr Eli und sprach: Geh hin in Frieden! Der Gott Israels gewähre dir deine Bitte, die du an ihn gerichtet hast! Sie sprach: Lass deine Magd Gnade finden vor deinen Augen! So ging die Frau ihren Weg und aß und ihr Angesicht war nicht mehr so wie vorher und sah nicht mehr traurig aus.
1. Samuel 1,1-18
Wenn wir das erste Buch Samuel aufschlagen, stehen wir auf der Schwelle zu einer neuen Ära: Die Ära, die wir hinter uns lassen, ist die Zeit, in der Gottes Volk Israel von Richtern geführt wurde. Die Ära, auf die es zugeht, ist die Zeit, in der Gottes Volk von Königen regiert wurde. Auf der Schwelle, die diese zwei Epochen miteinander verbindet, steht Samuel. Seine Geschichte fängt an mit einer weinenden Frau, Hanna. Ihr Name bedeutet Gnade.
Wir befinden uns in Rama im Bergland Ephraim, etwa acht Kilometer nördlich von Jerusalem (V. 1 und 19). Dort lebt der Ephratiter Elkana. Sein Name bedeutet „Gott hat geschaffen, ergründet“. Er ist ein Nachkomme von Jakobs Sohn Levi und gehört somit zu einer besonderen Kategorie von Israeliten. Die Leviten standen von ihrem 25. bis zu ihrem 50. Lebensjahr im Dienst Gottes, sie halfen „bei der Verrichtung der Aufgaben an der Stiftshütte“: Sie trugen die Stiftshütte und assistierten beim Gottesdienst. Sie besaßen keinen eigenen Erbteil bzw. hatten kein eigenes Grundstück im Land Kanaan. Den Grund dafür finden wir in 4. Mose, wo Gott zu Aaron sagt: „Du sollst nichts erben, auch kein Teil unter ihnen haben; denn ich bin dein Teil und dein Erbe inmitten der Kinder Israels.“ Für ihre Versorgung waren die Stämme Israels mitverantwortlich: Jeder Stamm Israels leistete seinen Beitrag für den Lebensunterhalt der Leviten. Auch musste jeder Stamm ihnen vier Städte aus seinem Stammesgebiet und dazu noch Weideland für ihre Herden zur Verfügung stellen. Die Leviten lebten also zerstreut in den verschiedenen Stammesgebieten.
Zwei Frauen, ein Mann (V. 2)
In Vers 2 erfahren wir, dass Elkana zwei Frauen hatte. Dass Polygamie nicht Gottes Absicht war (und ist), wissen wir. Ein Mann und eine Frau, so hat Gott eine Ehe gemeint. In Kanaan aber war Polygamie üblich. Es kam nicht nur vor, wenn die erste Frau unfruchtbar war, sondern auch dann, wenn es mehr Frauen als Männer gab, wenn man viele Kinder für die Arbeit auf dem Feld oder bei den Herden brauchte oder wenn mehrere Eheverträge einem Haushalt zu Prestige und Reichtum verhalfen. Vor allem bei nomadischen Gruppen oder unter Bauern war es wichtig, dass jede Frau zu einem Haushalt gehörte und produktiv war. Dass Gottes Volk nicht frei geblieben ist von Polygamie, sehen wir schon bei Abraham und Jakob und nun auch bei Elkana. Dass dies geduldet wurde, ist aus 5. Mose 21,15-17 zu entnehmen, denn dort finden wir Regeln in Bezug auf die Rechte der Kinder von verschiedenen Frauen.
Es ist nur ein kleiner Satz, aber er spricht Bände: „Peninna aber hatte Kinder und Hanna hatte keine Kinder“ (V. 2). Vermutlich finden wir hier den Grund dafür, dass Elkana sich eine zweite Frau nahm. Hanna war seine große Liebe, aber als sich herausstellte, dass sie unfruchtbar war, kam Peninna (der Name bedeutet Rubin) ins Haus, um für Nachkommen zu sorgen. Mit dem Kommen dieser Frau brach für Hanna eine schreckliche Zeit an. Peninna gebar ein Kind nach dem anderen, während sich bei ihr selbst nichts tat. Wer ungewollt kinderlos ist, weiß, wie das ist, wenn Verwandte oder Freundinnen freudestrahlend ankündigen, dass sie ein Baby erwarten. Wie das schmerzt, wenn Menschen spontan nachfragen: „Wann ist es bei euch so weit?“ Oder wenn man schnell ein Urteil ausspricht: „Die werden wohl keine Zeit für Kinder haben, bei ihnen geht die Karriere vor …“
Für Hanna muss das unheimlich schwer gewesen sein, immer wieder feststellen zu müssen, dass Peninna wieder mal schwanger war. Die zwei Frauen gehörten zum selben Haus, sie waren mit demselben Mann verheiratet. Und Peninna kannte kein Erbarmen, sie sorgte dafür, dass Hanna sich ihrer Unfruchtbarkeit bewusst war. In Vers 6 wird sie die Widersacherin Hannas genannt: „Sie reizte sie sehr mit kränkenden Reden, um sie darüber zu entzürnen, dass der Herr ihren Mutterleib verschlossen hatte.“
Hanna und Peninna erinnern mich an Sarah und Hagar. Auch Sarahs Ehe war lange kinderlos, was in der damaligen Kultur eine Schmach war. Während Hanna ihr Leid trug und damit zum Herrn ging, versuchte Sarah ihr Problem selbst zu lösen, indem sie Abram vorschlug, ein Kind mit ihrer Sklavin Hagar zu zeugen. Als Hagar dann schwanger wurde, kränkte sie Sarah dermaßen, dass es zu einem heftigen emotionalen Ausbruch kam und Hagar davonlief. Auffallend ist, dass Abram von den Spannungen, die zu diesem Aufbruch führten, kaum etwas mitbekam. Dass Elkana dagegen ein feines Gespür für den Schmerz seiner Frau hatte, werden wir bald sehen.
Silo (V. 3-8)
Elkana reiste jedes Jahr von seinem Wohnort Rama nach Silo, um Gott anzubeten und um zu opfern (V. 3). Silo liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Bethel und 32 Kilometer nördlich von Jerusalem. Hier hatte man während der Verteilung des Landes unter der Führung Josuas die Stiftshütte aufgeschlagen und die Bundeslade aufgestellt, womit Israel sein geistliches Zentrum an einem festen Ort hatte. Wahrscheinlich war das Heiligtum in Silo in späteren Jahren ein steinernes Gebäude oder es waren einzelne Umzäunungsmauern um das bewegliche Zelt herum. In 1. Samuel 2,22 ist von der „Stiftshütte“ die Rede, in 1. Samuel 3,3 vom „Tempel des Herrn, wo die Lade Gottes war“.
Eli (sein Name bedeutet „hoch ist der Herr“), der in Silo als Hohepriester tätig war, war ein Nachkomme des jüngsten Sohnes von Aaron. Er war nicht nur Priester, sondern auch Richter über Israel. Er hatte zwei Söhne: Hophni und Pinehas (V. 3). Über sie erfahren wir später mehr.
Dass Elkana „Jahr für Jahr“ nach Silo zog, deutet darauf hin, dass er ein frommer, gläubiger Mensch war, dem es wichtig war, Gott zu gehorchen und ihn anzubeten. Es war den Männern des Volkes Gottes ja verordnet, jährlich drei Pilgerreisen zum Heiligtum zu unternehmen: am Fest der ungesäuerten Brote, am Fest der Wochen und am Fest der Laubhütten. Man sollte nicht mit leeren Händen vor dem Herrn erscheinen, sondern jeder mit dem, was er geben konnte, je nach dem Segen, den der Herr ihm geschenkt hatte. Nach den Opfern folgte ein Opfermahl, wovon zuerst der Priester, dann der Anbeter und seine Familie oder Gäste einen Teil aßen. Elkana teilte seinen Teil mit seinen beiden Frauen und den Kindern von Peninna. In Vers 5 wird extra erwähnt, dass Hanna immer einen doppelten Anteil bekam, weil Elkana Hanna lieb hatte.
Jedes Mal, wenn Elkana mit seinen zwei Frauen und der Kinderschar Peninnas nach Silo reiste, war sich Hanna ihrer Kinderlosigkeit schmerzhaft bewusst. Sie konnte den Kindern von Peninna nicht ausweichen, sie reisten ja mit, sie spielten, sie schrien, sie riefen nach ihrer Mutter, sie waren einfach da. Vielleicht trug Peninna eins ihrer Kinder auf dem Arm. Oder war sie gerade wieder schwanger? Vielleicht prahlte sie damit. Auf jeden Fall tat sie alles, um Hanna zu kränken. In diesen Tagen konnten sich die beiden Frauen von Elkana nicht aus dem Weg gehen. Peninna nützte das aus und sorgte dafür, dass dieser Gang nach Silo eine einzige Quälerei für Hanna war (V. 7).
Ich stelle mir das etwa so vor: Peninna ist wieder schwanger und überreicht Hanna das Kind, das sie auf dem Arm trägt. „Kannst du mir die Kleine mal abnehmen, mit einem Kind im Bauch wird mir das zu schwer.“ Sie seufzt und wischt sich den Schweiß von der Stirn: „Puh, diese Schwangerschaft ist heftig, es würde mich nicht wundern, wenn es diesmal Zwillinge sind.“ Dann fragt vielleicht eins ihrer Kinder: „Mama, warum hat Tante Hanna eigentlich keine Kinder?“ Der kleine Bruder kommt dazwischen: „Wissen wir doch, das hat uns Mama doch erzählt: Sie kann nicht!“ – „Aber warum nicht, Mama …?“
Elkana bekam die Spannungen und die Quälerei unterwegs vielleicht nicht direkt mit. Wenn man mit anderen Familien zusammen reiste, konnte es sein, dass er sich bei den Männern aufhielt. Es kann aber auch gut so gewesen sein, dass Peninnas Arroganz und Gemeinheit Hanna gegenüber so hinterlistig waren, dass nur Hanna das gemerkt hat.
Männer sagen eher direkt, was sie meinen, wir Frauen machen das oft subtiler. Wir sprechen ein leises Wort, das so scharf ist wie ein Messer. Wir werfen jemandem einen Blick zu, der töten kann. Diese Dinge geschehen hier, während man unterwegs ist zum Heiligtum Gottes. Fromme Menschen, unterwegs zum Gottesdienst. Mit Herzen voller Hass.
Hanna wird in dieser Situation dermaßen kleingemacht von Peninna, dass sie einfach fertig ist. Einmal in Silo ist sie in Tränen aufgelöst und kann keinen Bissen herunterbringen. Das nimmt Elkana wahr und versucht, seine Frau zu trösten, indem er ihr einen extra Anteil an der Opfermahlzeit gibt. Und er spricht auch mit Hanna: „Warum weinst du? Und warum isst du nicht? Warum ist dein Herz so traurig? Bin ich dir nicht mehr wert als zehn Söhne?“ (V. 8). In seinen Worten klingt eine Liebeserklärung durch: Wir haben doch einander. Du hast doch mich.
Hier sage ich: „Chapeau, Elkana!“ Denn für einen Mann seiner Zeit und Kultur ist nicht nur auffallend, dass er die Tränen seiner Frau wahrgenommen hat, sondern auch, dass er darüber mit ihr sprechen wollte. Dennoch waren weder seine liebe Geste noch seine Worte genug. Elkana konnte den Schmerz seiner geliebten Frau nicht lindern.
Menschlicher Trost kommt oft zu kurz. Es gibt Schmerzen oder Sehnsüchte, die sich nicht durch gute Worte oder menschliche Liebe oder Treue lindern lassen. Nur Gott sieht (und versteht) den tiefsten Schmerz, nur Gott kann unser Herz erfüllen. Und Hanna wendet sich dann tatsächlich an ihn, schüttet ihm ihr Herz aus und findet Trost. Aber das kommt später.
Gott
Wir kehren kurz zurück zu Vers 5, in dem etwas sehr Auffallendes gesagt wird: Der Herr hatte Hannas Mutterschoß verschlossen. Die Unfruchtbarkeit Hannas hatte keine körperliche Ursache – es war also nicht so, dass sie aus medizinischen Gründen nicht schwanger werden konnte. Hanna konnte nicht schwanger werden, weil Gott ihren Mutterschoß verschlossen hatte. Jetzt werden wir hellhörig! Denn dasselbe wird in der Bibel auch von anderen Frauen gesagt. In 1. Mose 16,2 sagt Sara zu ihrem Mann Abram: „Sieh doch, der Herr hat mich verschlossen, dass ich keine Kinder gebären kann.“ In 1. Mose 30,2 sagt Jakob zu seiner geliebten Frau Rahel: „Bin ich an Gottes Stelle, der dir Leibesfrucht versagt?“
Auch bei Sara und Rahel kam die Unfruchtbarkeit von Gott. Man kann das negativ sehen – und vielleicht hat Peninna das Hanna spüren lassen: „Mir schenkt Gott Kinder, aber dir nicht – also hat Gott mich lieb, dich aber …“ Man kann es aber auch anders sehen. Gott hatte einen besonderen Plan mit Hanna. Die Verwirklichung davon fing damit an, dass er sie an einen Punkt brachte, wo sich nach menschlichem Ermessen nichts mehr tun ließ.
Das scheint ein biblisches Prinzip zu sein: Gottes Wirken fängt oft da an, wo wir machtlos sind. Es geht ja darum, dass er wirkt und nicht wir. Hannas Schwangerschaft sollte kein „Menschenwerk“, sondern ein Wunder Gottes sein. Gott hatte mit dem Kind, das sie austragen und gebären würde, etwas Besonderes vor. So war es auch bei Sarah und Abraham, denen Gott im hohen Alter ihren Sohn Isaak schenkte, und dann bei Isaak und Rebekka, die als Antwort auf die Gebete Isaaks die Zwillinge Esau und Jakob bekamen. Jakobs Frau Rahel, die lange Zeit unfruchtbar war, wurde die Mutter von Josef, durch den die ganze Familie Jakobs – zwölf Söhne und ihre Familien – vor dem Hungertod gerettet wurden, und zwar in Ägypten, wo Gott sie haben wollte. Sarah, Rahel und auch Hanna hatten eine Rivalin. Bei Sarah war es Hagar, bei Rahel ihre Schwester Lea. Bei Hanna war es Peninna.
Tränen (V. 9-18)
In Vers 9 kommt ein Wendepunkt in der Geschichte. Man hat in Silo geopfert und vom Opfermahl gegessen. Eli, der Priester, sitzt zufrieden auf seinem Stuhl beim Türpfosten des Gotteshauses. Hanna aber ist total am Ende. Sie steht auf vom Mahl und sondert sich ab, um allein zu beten: „Betrübt wie sie war, betete sie zum Herrn und weinte sehr“ (V. 10).
Hanna sucht ihre Zuflucht bei Gott. Im Gebet schüttet sie ihr Herz vor ihm aus. Alles, was sie erlebt hat, alles, was sie empfindet – die Enttäuschung über das Ausbleiben einer Schwangerschaft, die Reise nach Silo in der Gesellschaft von Peninna und ihren Kindern, die Kränkung und Demütigung unterwegs – das alles schüttet Hanna vor Gott aus. Sie ist am richtigen Platz, denn was Hanna braucht, ist Trost von oben, den Trost ihres himmlischen Vaters, der alles sieht und alles weiß.
Kennen wir das in unserem Leben? Diese Flucht zu Gott, dieses Trost-Suchen bei dem Ewigen, der uns ein Vater sein will? Ich denke an Psalm 142; da versteckt sich David vor Saul in einer Höhle und sagt: „Ich schreie mit meiner Stimme zum Herrn, ich flehe mit meiner Stimme zum Herrn. Ich schütte meine Klage vor ihm aus und verkünde meine Not vor ihm“ (V. 2-3). David wusste, an wen er sich wenden sollte. In Psalm 62, den er schrieb, als er von jemandem verraten wurde, fängt er an mit diesen Worten: „Nur auf Gott wartet still meine Seele; von ihm kommt meine Rettung. Nur er ist mein Fels und mein Heil, meine sichere Burg; ich werde nicht allzu sehr wanken.“ Dann beschreibt er, wie Menschen ihn zertrümmern und hinabstoßen wollen. Aber dann kommt er wieder auf den Anfang zurück: „Nur auf Gott wartet stille meine Seele (…) Vertraue auf ihn allezeit (…) schüttet euer Herz vor ihm aus.“
Genau das tut Hanna. Sie zieht sich nicht gekränkt in irgendein Eckchen zurück, sie sucht weder die Konfrontation mit Peninna, noch beklagt sie sich bei ihrem Mann, sondern sie steht auf, geht in das Gotteshaus und sucht Gott. Abgesondert von allen Menschen schüttet sie ihr Herz vor ihrem himmlischen Vater aus. Sie ist betrübt, sie weint sehr und sie betet lange, auffallend lange. Hanna fühlt sich anscheinend wohl und geborgen bei ihrem Herrn. Sie kennt das vertraute Umgehen mit Gott. Es tut ihr gut, bei ihm zu sein und ihm zu sagen, wie es in ihrem Herzen aussieht, was sie belastet. Mit Worten oder auch ohne Worte, mit Tränen, die für Gott genauso wirken wie ein Gebet, denn er hört die Stimme unseres Weinens!
Irgendwann in ihrem langen Gebet spricht Hanna ein Gelübde vor Gott aus. Wenn er ihr einen Sohn schenkt, wird sie ihn dem Herrn geben, solange er lebt. Sie wird absehen von ihrem Anrecht auf dieses Kind. Sie wird keinen Anspruch auf ihren Sohn erheben – er wird dem Herrn für immer geweiht sein. Ihre Worte „Es soll kein Schermesser auf sein Haupt kommen“ (V. 11) deuten hin auf das (übrigens freiwillige) Gelübde eines Nasiräers. Das war jemand, der sich für eine bestimmte Zeit Gott weihte und das bekräftigte, indem er sich die Haare wachsen ließ und keinen Wein trank. Hanna sagt Gott ihren Sohn zu, „solange er lebt“. Mit diesem weitreichenden Versprechen unterstreicht sie die Aufrichtigkeit ihrer Bitte: Wenn der Herr ihr Gebet erhört, wird sie als Dank ihren wertvollsten Besitz (den lang ersehnten Sohn) dem Herrn geben. Sie nennt sich Gottes Magd – so wie das auch Maria viele Generationen später tat – und sagt ihrem Herrn damit: Ich bin deine Dienerin, mache mit oder aus meinem Leben, was du willst. Ich bestimme nicht, bestimme du.
Eli nimmt Hannas Beten wahr und merkt auch, dass das alles wohl sehr lange dauert. Wer betet denn noch so lange? Und was soll das – man hat doch gerade geopfert, da wurde auch schon gebetet und angebetet! Verärgert steht er auf und wendet sich an Hanna. Er wirft ihr vor, sie sei betrunken. Ein hartes, scharfes Wort, das Hanna nicht umhaut. Sie ist gerade länger im Gespräch mit Gott gewesen und das hat ihrer Seele gutgetan. Nun kann sie Eli einfach sagen, was im Gotteshaus wirklich vor sich gegangen ist: „Ich habe mein Herz vor dem Herrn ausgeschüttet!“ (V. 15). Eli soll sie nicht für eine Tochter Belials halten (V. 16), sie hat aus Kummer und Betrübnis so lange geredet.
Hannas Worte müssen Eli getroffen haben. Und sie treffen uns! Wie kann es sein, dass ein Mann, der im Dienst Gottes steht, das lange Beten einer Frau so missverstehen und falsch einschätzen kann? Dass Eli Hanna beschuldigt, betrunken zu sein? Nun aber, wo Hanna vor ihm steht und ihm erklärt, dass sie aufgewühlt war und lange mit Gott gesprochen hat (V. 16), verändert sich seine Miene. Dieser Priester, der nicht gerade ein Glaubensheld war, wird von Gott gebraucht, um Hanna ein prophetisches Wort zu sagen. Sie soll hingehen in Frieden, der Gott Israels wird ihre Gebete erhören (V. 17). Dieses Gotteswort ruft eine Veränderung in Hanna hervor. Als sie Silo verlässt, ist ihr Gesichtsausdruck anders und sie hat wieder Appetit. Auf der Heimreise nach Rama wird sie wieder Peninna um sich haben. Davon ist sie nicht befreit. Aber ihr Herz ist von Gott getröstet und erfüllt worden. Hanna geht nicht länger gebeugt, ihr Rücken ist gerade, ihre Fußstapfen sind fest. So geht sie im Vertrauen ihren Weg mit Gott.
Leviten
Alle Leviten gehören dem Stamm Levi an, dennoch konnten nur die Leviten, die direkt von dem Hohepriester Aaron, dem Bruder von Mose, abstammten, Priester werden (2. Mose 28,1). Nur sie durften die Opfergaben darbringen. Aus ihrer Mitte wurde der Hohepriester auserwählt, der eine Generation lang diente.
Leviten, die Nachkommen von Mose oder seiner Schwester Mirjam waren, waren den Priestern unterstellt. Sie waren u. a. verantwortlich für die Bewachung des Heiligtums und für das Tragen des heiligen Zeltes. Sie standen den Priestern bei den verschiedenen Aufgaben in der Stiftshütte und später im Tempel zur Seite.
Die Zeit der Richter
Die Zeit der Richter fing an nach dem Tod Josuas (Jos. 24,29-31, Ri. 2,6-10) und endete mit der Wahl Sauls zum König (1. Sam. 10,17ff; 12). Der Apostel Paulus spricht in seiner Rede in Antiochia von einer Gesamtperiode von 450 Jahren (Apg. 13,20).
Die Richter Israels waren sowohl politische als auch geistliche Leiter des Volkes. Sie waren das Sprachrohr Gottes und mussten dafür sorgen, dass das Recht im Land aufrechterhalten blieb. Leider war die Richterzeit eine Epoche voller Not. In Richter 21,25 lesen wir: „In jenen Tagen war kein König in Israel. Jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Man pendelte in diesen Jahren zwischen Gehorsam und Abfall von Gott, was sich im Wechsel von Freiheit und Unterdrückung widerspiegelte. Im Buch Richter sehen wir einen sich immer wiederholenden Zyklus: Gott schenkte seinem Volk einen Richter, der sie führen (und der auch Recht sprechen) sollte. Dann ging es eine Zeit lang gut (übrigens nicht immer); dann starb der Richter und Israel fiel wieder von Gott ab und wurde von einem fremden Volk unterdrückt. Darauf schrie man zu Gott und er gab dem Volk einen neuen Richter. Das Volk Israel wurde befreit und es ging eine Zeit lang gut … usw. Richter 2,11-19 berichtet von diesem sich immer wiederholenden Zyk-lus. In Richter 3,7-16,31 werden drei aufeinanderfolgende Zeitabschnitte von Unterdrückung und die Aktivitäten von zwölf „Retter-Richtern“ beschrieben (der hebräische Titel Richter bedeutet auch Befreier oder Retter). Die letzten Richter Israels vor der Einsetzung des Königtums in Israel waren Eli und Samuel (siehe Apg. 13,20).
Das Gelübde des Nasiräers
Das Gelübde des Nasiräers war ein besonderes Versprechen der Absonderung und Weihe für Gott (vgl. 4. Mo. 6,2-5.13-21). Es galt für eine bestimmte Zeit. Bei Samuel betraf es sein ganzes Leben (1. Sam. 1,1). Auch Johannes der Täufer war sein ganzes Leben über ein Nasiräer (Lk. 1,15).
Im NT lesen wir, dass auch der Apostel Paulus ein Gelübde abgelegt hatte (Apg. 18,18). Dass er sich in Kenchreä, östlich von Korinth, das Haupt scheren (oder in Griechisch eher: das Haar kurzschneiden) ließ, weist darauf hin, dass die Zeit seines Gelübdes vorbei war. Es ist nicht klar, ob es ein Nasiräergelübde betraf oder ein Gelübde, das Paulus am Beginn seiner risikoreichen Reise durch Mazedonien und Griechenland abgelegt hatte und das jetzt, beim Verlassen dieses Gebiets, eingelöst wurde. Auffallend ist, dass Paulus diese Zeremonie (das Kurzschneiden seiner Haare) ausführt, obwohl er predigt, dass mit Christus das Gesetz der Zeremonien aufgelöst wurde.
Fragen zu Kapitel 1
Bedenken Sie, was in dieser Geschichte für Sie persönlich wichtig – trostvoll, ermutigend, herausfordernd – ist. Wie können Sie das in Ihrem Alltag umsetzen?
Wie reagieren Sie, wenn ein bestimmter Wunsch nicht erfüllt wird?
Was ist dafür nötig, um von Selbstmitleid, Neid oder Bitterkeit frei zu bleiben?
Gibt es in Ihrem Leben eine Peninna, die Sie kleinmacht? Wenn ja: Wie können wir uns innerlich frei machen von Mobbing, übler Nachrede und Ähnlichem, was uns andere antun?
Während wir oft Trost und Ermutigung suchen bei Menschen, die uns nahe sind, sonderte sich Hanna ab und schüttete ihr Herz bei Gott aus. Kennen Sie diese Erfahrung (V. 12 und 16)?
Lesen Sie Psalm 139,1-5. Was bedeuten Ihnen diese Worte in Bezug auf Ihr Beten?
Gott fängt oft dort an, wo wir machtlos und hilflos sind. Bedenken Sie biblische Beispiele, wo dies geschieht. Könnte das für Sie momentan auch relevant sein?
In ihrem Gebet legt Hanna ein Gelübde ab: Wenn Gott ihr einen Sohn schenkt, wird er ihm sein Leben lang geweiht sein.
Nirgendwo fordert die Bibel uns dazu auf, dass man im Gebet ein Gelübde vor Gott ausspricht, es wird aber auch nicht verboten. Wohl wird klar gesagt, dass man ernsthaft und sorgfältig mit Gelübden umgehen soll: Man soll sie nie voreilig geben (Spr. 20,25) und man soll seine Gelübde erfüllen und sich an das halten, was man Gott versprochen hat (5. Mo. 23,22-24 und Ps. 50,14).
Waren Sie auch schon einmal in einer Situation, in der Sie Gott im Voraus etwas versprochen haben, wenn er Ihnen Ihre Bitte erfüllt? Wenn ja, was brachte Sie dazu, Gott dieses Versprechen zu geben, und was ist daraus geworden?
Was können wir heute von Hanna lernen?
Kinder sind ein Geschenk Gottes. Wenn Sie Kinder haben: Was bedeutet diese Wahrheit für Sie?
Noor van Haaften
Eleonore (Noor) van Haaften studierte Heilpädagogik an der Uni Utrecht und absolvierte an der britischen Missionsschule All Nations Christian College ein weiteres Studium. Sie war einige Jahre in der christlichen Studentenarbeit in Österreich tätig und arbeitete dann als Redakteurin und Moderatorin beim niederländischen Rundfunk- und Fernsehsender EO. Seit 2002 beschäftigt sie sich hauptsächlich mit Vortragsreisen in Europa und dem Schreiben von Büchern und Artikeln.
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