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Heidi Schmidt

 Heidi SchmidtIM JANUAR 2010 IST HEIDI SCHMIDT, FAST 19 JAHRE NACH IHRER TRANSPLANTATION, HEIMGEGANGEN.
DER HIER ANGEFÜGTE ARTIKEL VON NICOLE VOGEL SOLL AN DIESEN AUSSERGEWÖHNLICHEN MENSCHEN ERINNERN UND ZUM DANKEN ANREGEN.

DAS GANZ BESONDERE LEBEN EINER GANZ BESONDEREN AUTORIN
In letzter Zeit geht es ihr nicht so gut. Vielleicht sind es nur die Nachwirkungen eines Virus, vielleicht ist es aber auch der Anfang vom Ende. Die junge Frau ist außer Puste. Hinter liegt kein Dauerlauf oder Hindernisrennen. Das einzige Hindernis ist die Treppe zu ihrer Wohnung. Sie kann nur langsam gehen, eine Stufe nach der anderen erklimmen. Und trotzdem ist sie außer Atem. Obwohl sie zwischendurch eine Pause eingelegt hat.
Heidis Leben geht langsamer voran. Sie braucht viel Ruhe. Zu viel Stress wirkt sich sofort auf ihre Gesundheit aus. Täglich nimmt sie Medikamente. Die Nebenwirkungen beeinträchtigen ihren Alltag, ihre Konzentrationsfähigkeit. Aber ohne die Medikamente ging Heidis Leben gar nicht mehr voran. „Im Prinzip müsste ich schon längst tot sein“, sagt sie.
Heidi Schmidt kam 1972 mit einem Herzfehler auf die Welt. Ihre Herzscheidewand war kaum vorhanden, so dass sich das sauerstoffarme mit dem sauerstoffreichen Blut vermischte. Heidis Körper fehlte Sauerstoff, der Stoff zum Atmen. Keine lange Lebensdauer, prophezeiten die Ärzte, verschoben die Todesprognose aber immer weiter in die Zukunft. Seltsamerweise erlebte Heidi nämlich bis zu ihrer Einschulung eine relativ normale Kindheit. Sie musste nur darauf achten, sich nicht zu überanstrengen, und ihre Freunde wussten, dass sie mit ihr nicht toben dürfen. Sie stimmten ihre Spiele auf Heidi ab, so dass sie etwa beim Gummitwist nicht springen musste, sondern über das Seil gehen durfte. „Ausgeschlossen wurde ich nie, wofür ich sehr dankbar bin.“ In der zehnten Klasse gab es allerdings einen Jungen, der sie wegen der bläulichen Verfärbung ihrer Haut ständig hänselte. „Sein Verhalten war für mein Selbstwertgefühlt nicht sehr förderlich, aber wir haben uns später als Erwachsene wieder ausgesöhnt.“
Ungefähr zur selben Zeit lernte Heidi im Jugendkreis ihrer Gemeinde ihren jetzigen Mann Mathias kennen. „Am Anfang haben wir x-mal Schluss gemacht, weil wir dachten, dass wir irgendwie überhaupt nicht zusammen passen“, sagt sie heute lachend. Bei ihm und Gott konnte sie sich ausweinen, wenn sie in Krisenzeiten glaubte, für ihre Freunde und Familie nur noch eine Last zu sein.
Denn in der weiterführenden Schule verschlechterte sich Heidis Zustand sichtbar. Bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr musste sie ein fünf Kilo schweres Korsett tragen und schaffte es nicht mehr, die Wege zwischen Bushaltestelle und Schule zu bewältigen. Ein Taxi brachte sie fortan zur Schule.
In der elften Klasse ging es ihr so schlecht, dass sie nicht einmal mehr alleine die Klassenräume wechseln konnte. Eine Lehrerin und ihr damaliger Kinderarzt setzten sich dafür ein, dass Heidi vom Staat bezahlten Heimunterricht bekam, bis sie 1992 ihr Abitur machte.
Ein Jahr vorher jedoch war es soweit. Heidi konnten wegen einer geeigneten Spende Herz und Lunge transplantiert werden. Über ein Jahr hatte sie darauf gewartet und außer Haus ständig einen Pieper mit sich herumgetragen.
Als sie schließlich zur OP gerufen wurde, musste sie noch einige Stunden warten. In dieser Zeit war sie ganz ruhig und hatte keine Angst. „Auch wenn das blöd klingt: Ich weiß, dass ich keine Angst vor dem Tod haben muss, weil ich dann zu meinem Gott komme. Ich habe auch nicht ständig gebetet, denn zwischen mir und Gott war ja alles klar.“
Doch Gott schien noch einiges mit Heidi vorzuhaben. Etwa drei Jahre nach ihrer OP schrieb sie einen autobiographischen Jugendroman über ihre Herz-Lungen-Transplantation („Mircos letzte Chance“), worauf bis heute zahlreiche Bücher folgten.
Gut ein Jahr nach der Transplantation bekam Heidi allerdings eine chronische Abstoßung und die Ärzte gaben ihr nur noch vier bis fünf Jahre zu leben. Mittlerweile liegt die Operation fast 14 Jahre zurück und Heidi lebt immer noch. „Ich bin mal wieder mehr als sieben Jahre überfällig“, sagt sie verschmitzt.
Ein Jahr nach der Transplantation haben Heidi und Mathias geheiratet. Mit ihm kann sie über alles reden, auch über das Sterben und den Tod. „Ich weiß, dass ich mich absolut auf ihn verlassen kann, egal, was noch kommt. Diese Gewissheit tut mir sehr gut. Aber er hilft mir nicht nur ‚seelisch’, sondern auch im Haushalt“, erzählt Heidi.
Die meiste Zeit ist sie jedoch alleine zu Hause und arbeitet am PC, schreibt Bücher oder werkelt an ihrer Homepage (www.heidi-schmidt-buch.de). Durch das Internet pflegt sie den Kontakt zu den Lesern ihrer Bücher und hat neue, wertvolle Freunde gefunden, die ihr gut tun und für sie beten.
Für praktische Unterstützung vor Ort kann sich Heidi auf ihre Familie verlassen, denn ihre Eltern und ihre jüngste Schwester Sabine wohnen im selben Haus. Sie helfen gerne, wenn die Treppe mal wieder zum Problem wird, weil zum Beispiel schwere Einkaufstüten hinaufgetragen werden müssen. In ihrem christlichen Elternhaus hat Heidi schon früh gelernt, Gott zu vertrauen und seine Hilfe praktisch zu erleben.
Dennoch hat Heidi auch manchmal Zweifel. „Ich bin kein Superchrist. Wenn ich etwas nicht verstehe oder wütend oder enttäuscht bin, dann sage ich Gott das auch so.“ Wenn die Treppe wieder zum scheinbar unüberwindbaren Hindernis wird, wenn Heidi das Gefühl hat: “Jetzt ist es soweit, das ist der Anfang vom Ende“, wenn es ihr wieder schlechter geht, wie in letzter Zeit -, dann hat sie besonders Angst vor dem Siechtum, wie sie es bei anderen Transplantationen erlebt hat.
Doch sie vertraut Gott. „Mein Leben ist zwar nicht immer einfach und toll – aber ich würde mit keinem andern Menschen auf der Welt tauschen wollen. Denn gerade durch meine Krankheit habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass Gott mich durchträgt, egal, wie schlimm es kommt.“
Und manchmal tut Gott auch wieder kleine Wunder. Direkt zum Frühlingsanfang unternehmen Heidi und Mathias einen Spaziergang im Nachbarort. Steigungen, Stufen, Treppen bewältigt Heidi ohne größere Anstrengungen. Das schwere Atmen bleibt aus. Die Sonne scheint in Heidis Gesicht und bringt sie zum Lächeln: „Das ist für mich echt ein kleines Wunder.“

Von Nicole Vogel


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