So manchem ist Gott fremd geworden. Andere interessieren sich zum ersten Mal für ihn. Wieder andere sind auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben.
An 49 Stationen erfahren Sie, was Sie schon immer über Gott, den christlichen Glauben und den Sinn des Lebens wissen wollten.
Mit künstlerischen Beiträgen von Henning Diers.
Auch für das Lesen in der Gruppe geeignet.
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Zum Geleit
Eine jede Religion, jede Kirche und jede Konfession hat ihre Stärken und ihre Schwächen. Unbestritten ist die Stärke des Protestantismus: Eine klare, in kritischer Sorgfalt immer neu durchdachte und formulierte Theologie. Doch oft fehlt es an einer überzeugenden spirituellen Gestalt. Es mangelt an praktischen Hilfen, wie aus überzeugender Lehre ein überzeugendes Leben werden kann. Nicht wenige Menschen wenden sich deswegen von den evangelischen Kirchen ab und suchen Rat und Hilfe im Yoga oder bei buddhistischen Meditationslehren wie etwa dem Za-Zen.
Umso mehr ist ein Buch willkommen, das diesem Mangel abhelfen möchte.
Dazu bedarf es zuerst solider Kenntnisse der christlichen Botschaft und ihrer Lehrgestalt. Darum führt Christlich. Glauben. Leben. zunächst anhand von Luthers Katechismus in die wichtigsten Glaubenslehren der evangelischen Kirche ein. Die so gewonnenen Kenntnisse aber wollen in eine glaubwürdige Gestalt christlichen Lebens übersetzt werden, denn nur gelebter Glaube ist glaubwürdiger Glaube. So bleibt das Buch nicht bei der Lehrgestalt des christlichen Glaubens stehen, sondern zeigt, welche Konsequenzen sich aus der Lehre ergeben.
Der natürliche Ort, an dem solche Einsichten wachsen können, ist das Gespräch mit Menschen, die sich der gleichen Suchbewegung verschrieben haben. Hier können wir von den Erfahrungen anderer lernen und uns gegenseitig dazu ermutigen, die im Buch gegebenen Anregungen in unserer Alltagswelt umzusetzen. Machen wir uns also auf den Weg. Der Segen Gottes wird uns leiten und begleiten.
Reinhard Deichgräber
Einführung
1. Christlich. Glauben. Leben. – Ein erster Zugang
Wer hat sich nicht schon einmal gefragt:
Worum geht es im christlichen Glauben?
Was ist wichtig im Leben, besonders im christlichen?
Wie bringe ich Glauben und tägliches Leben in Beziehung?
Solche und ähnliche Fragen bildeten den Ausgangspunkt für das vorliegende Buch. In einer Zeit, in der nicht nur die Frage nach Gott, sondern auch die Inhalte und Ausdrucksformen des christlichen Glaubens an Selbstverständlichkeit verlieren, eröffnet es einen Weg, der persönlich oder gemeinschaftlich begangen werden will. Kurz: einen Weg, auf dem der christliche Glaube neu entdeckt werden kann. Für alle, die ihn begehen, wird er an unterschiedlichen Stationen bedeutsam werden und niemanden zum selben Ziel führen. Doch das will er möglich machen: jeden Einzelnen zu Schritten bewegen, durch die er Gott, wie die Bibel von ihm erzählt, näher kommen kann.
Den wegweisenden Anstoß zu diesem Projekt bildete Georg Gremels’ Buch: Meine Zeit in deinen Händen – Sieben Säulen evangelischer Spiritualität, das vor einigen Jahren entstanden ist. Dessen neunundvierzig Andachten wurden in verschiedenen Gemeinden für einen spirituellen Weg zur Vertiefung des Glaubens genutzt. Die ersten Erfahrungen in der Arbeit mit den „Sieben Säulen“ im Gemeindealltag zeigten bald, wie verheißungsvoll ein solcher Weg an Themen und Motiven von Luthers Katechismen sein kann; sie verlangten aber je länger je mehr nach einer methodischen Vertiefung und einer inhaltlichen Elementarisierung des Bisherigen.
Aus dieser Einsicht heraus entstand eine intensive Arbeitsgemeinschaft zwischen Georg Gremels und Harm Cordes, den beiden Autoren. Aus ihr ist – mit der besonderen Handschrift von Harm Cordes – der nun hier vorliegende, eigenständige und neu geschriebene Glaubenskurs erwachsen: Christlich. Glauben. Leben. In bewusster Anlehnung, aber auch Weiterentwicklung der Sieben Säulen will es fünfhundert Jahre nach dem reformatorischen Aufbruch auf ökumenische Weise helfen, das Evangelium von der Freundlichkeit Gottes für alle in der ökumenischen Familie neu verstehbar und erlebbar zu machen. Dass dieses Buch so zustande kommen konnte, verdanken wir insbesondere auch den großzügigen Zuschüssen der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und der Arbeitsgemeinschaft missionarischer Dienste. Gedankt sei an dieser Stelle auch der sorgfältigen Begleitung durch den Francke-Verlag und Anne Meiß.
Christlich. Glauben. Leben. bedient sich einer offenen Herangehensweise an die Grundthemen des Glaubens, die auf eine Grund-
überzeugung Martin Luthers zurückgreift. Das christliche Leben sei kein „Fromm-Sein“, sondern ein „Fromm-Werden“, d. h. im guten Sinne des Wortes ein beständiges Weiterwachsen. Mit dieser Feststellung wollte er dem Irrtum wehren, ein Mensch könne Gott nicht mehr näher kommen und brauche nicht mehr weiter in seiner Erkenntnis zuzunehmen.
Davon also war er überzeugt: Wichtiger als alles Fromm-Sein ist die Bereitschaft, sich immer wieder von Gott rufen, trösten und beschenken zu lassen. So wächst der Wunsch nach seiner Nähe neu und gewinnt Gestalt im Leben.
Dabei soll der altmodische Klang des Wortes „Fromm-Werden“ zentral auf das zielen, worum es ihm ging: auf die persönliche Beziehung eines Menschen zu Gott, die sein Leben und Denken, sein Handeln und Fühlen leitet und prägt. Denn er verstand die Frömmigkeit in ihrem ursprünglichen Sinne als ein Treueverhältnis. Grundlegend bleibt daher die Bereitschaft, das eigene Leben zu Gott in Beziehung zu setzen und aus dieser Beziehung heraus zu leben und zu handeln.
In diese Beziehung, diesen Glauben will dieser Kurs einführen. Sein Ziel dabei wird an den drei Begriffen des Titels erkennbar: Christlich. Glauben. Leben.
Christlich ...
... nennt sich dieses Buch, weil es von Grundgedanken und -haltungen des Glaubens geleitet ist, der im Evangelium von Jesus Christus seine entscheidende Zuspitzung erfährt. Diese „Gute Nachricht“ soll für seine Leser neu auf eine Weise erklingen, die Herz und Verstand gleichermaßen berührt.
Zugleich will dieses Buch zu einer grundlegenden Orientierung über die wesentlichen Inhalte und Gedanken christlichen Glaubens anleiten. Es will im Austausch über den eigenen Glauben sprachfähig machen und zu einer Betrachtung der eigenen Glaubens- und Lebenspraxis anregen.
Dafür steht das zweite Leitmotiv dieses Buches:
Glauben ...
... ist ein mehrschichtiger Begriff, mit dem zuallererst das Erfassen und Verstehen von Inhalten der christlichen Überlieferung gemeint sind, ohne dass sich jemand schon dazu verhalten müsste. Insbesondere die Reformatoren haben sich der klaren Darstellung eines solchen Glaubenswissens mit großem Fleiß und Ernst gewidmet. Luthers Katechismus ist ein Musterbeispiel dafür. In ausgezeichneter Weise hat er darin die Schlüsselgedanken christlichen Glaubens auf eine für jedermann verständliche und lernbare Weise entfaltet.
Zu dieser äußeren Vermittlung von Glaubenswissen tritt dabei ein zweites Anliegen: die persönliche Aneignung des Glaubens. Die mit der Vernunft erfassten Inhalte wollen auf das Leben jedes Einzelnen bezogen werden. Wie jemand sich zu ihnen verhält – ablehnend oder zustimmend, interessiert oder gleichgültig, begeistert oder unberührt – ist seine persönliche Entscheidung und Erfahrung. Sie lassen aus einem äußeren Glaubenswissen eine – wie auch immer gestaltete – persönliche Glaubenserfahrung werden.
Aus solchem persönlichen Fragen und Suchen nach Gott erwächst als dritte Glaubensdimension die personale Beziehung zu Gott. In ihr wird Gott zum Gegenüber eines jeden Menschen. In seiner Suche nach den Menschen wünscht er sich nämlich, dass auch umgekehrt jeder Mensch seine Nähe sucht und das Leben bewusst aus dieser Beziehung zu ihm gestaltet.
Diese drei Dimensionen des Glaubens, die Vermittlung von Wissen, die persönliche Aneignung und die persönliche Gottesbeziehung werden in 49 Betrachtungen entfaltet.
Leben ...
... ist darum die dritte Säule des Buches. Eine Säule, die für sich selbst spricht und die auch in der Heiligen Schrift ein Schlüsselbegriff ist. In seinem ganzen Handeln und Reden ist Jesus von dem Wunsch bestimmt, den Menschen ein gelingendes, mit Gott verbundenes Leben zu ermöglichen und sie dazu einzuladen.
Denn der Glaube, die Beziehung zu Gott, ist für ihn eine Wirklichkeit, die sich auf das ganze Leben eines Menschen bezieht und es einer wunderbaren, guten Veränderung zuführt. Eine Veränderung, deren Sinn nicht in einem bloßen Für-wahr-Halten von Lehr- und Glaubenssätzen besteht, sondern die das gesamte Denken, Handeln und Hoffen eines Glaubenden umfasst.
Dieser ganzheitliche Glaube liegt dem dritten Leitmotiv dieses Buches zugrunde: Leben. Luther hat es einmal so erklärt: In der Bibel fänden sich „nicht Leseworte ..., sondern eitel (d. h. lauter) Lebeworte“. In diesem Sinne wollen die unterschiedlichen Texte, Betrachtungen und Impulse dazu anregen, den Glauben an Gott als eine Kraft zu entdecken, die sich auf das ganze Leben bezieht und auswirkt.
Dazu finden sich für jeden Tag Anregungen zur persönlichen Beschäftigung mit Formen und Inhalten des christlichen Glaubens:
Texte und Betrachtungen eröffnen ein inneres Gespräch mit Kerngedanken des christlichen Glaubens;
Anleitungen zu persönlicher Stille und Gebet geben Anstöße zum Kennenlernen und Er-Leben elementarer Glaubensvollzüge;
die persönliche Stille, der mögliche Austausch mit anderen, auch in einer Gruppe, können dazu anregen, das Gelesene auf das persönliche Leben und die persönliche Beziehung zu Gott anzuwenden.
Das alles, damit das Gelesene zum Gelebten werden und der Glaube so zum Leben, ja, ins Leben kommen kann.
2. Christlich. Glauben. Leben. –
Wo der Weg entlangführt
Christlich. Glauben. Leben. ist in seinem Inhalt an den Hauptstücken von Luthers Katechismus orientiert. Demzufolge stehen in den ersten fünf Wochen Betrachtungen zum Glaubensbekenntnis, zu den Zehn Geboten, zum Vaterunser sowie zu Taufe und Abendmahl im Mittelpunkt. Diese Orientierung – die ihrerseits auf die Tradition zurückgreift – geschieht vornehmlich aus drei Gründen.
Zum einen bildet Luthers Katechismus bis heute einen wesentlichen Bestandteil der Glaubens- und Frömmigkeitstradition, die sich als Einführung und Vertiefung des Glaubens über viele Generationen hinweg bewährt hat. Damit bietet er einen plausiblen Einstieg in ein persönliches und gemeinschaftliches Nachdenken über Inhalte und Bedeutung des christlichen Glaubens.
Sodann will Luther damit Christen für Gespräche über ihren Glauben befähigen. Indem er ihnen einen überschaubaren, elementaren Leitfaden von Glaubenswahrheiten in die Hand legt, will er sie auch zum Zeugnis ihres Glaubens befähigen. Christlich. Glauben. Leben. will zum Entdecken einer zeitgemäßen persönlichen Sprache über den Glauben helfen.
Schließlich ist Christlich. Glauben. Leben. als Einführung auch für Menschen gedacht, die bisher keine oder kaum Berührung mit dem christlichen Glauben hatten und ihn kennenlernen möchten. Die dafür gewählte Orientierung an Luthers Katechismus knüpft dazu bewusst an sein Grundanliegen an, zu dem er seine Glaubenseinsichten verdichtet hatte: seinen Lesern und Schülern in kompakter und verständlicher Form die wichtigsten Inhalte und Gedanken des christlichen Glaubens zu vermitteln und zu ihrer persönlichen Aneignung anzuleiten.
Wenn Christlich. Glauben. Leben. im ersten Kapitel mit dem Glaubensbekenntnis einsetzt, während Luther noch die Zehn Gebote an den Anfang stellte, erklärt sich das aus den veränderten Rahmenbedingungen, in denen wir heutzutage leben. Die einzig herrschende Glaubensrichtung im 16. Jahrhundert war der christliche Glaube. Luther sah seine Aufgabe darin, diesen christlichen Glauben neu zu beschreiben und seinen Mitmenschen zu vermitteln. Andere Glaubensrichtungen oder Religionen, wenn sie denn überhaupt bekannt waren, waren demgegenüber so bedeutungslos, dass sie keiner ausführlichen Erwähnung bedurften.
Von diesem Grundwissen ist heute nicht mehr auszugehen. Im Gegenteil: Wenn von „Gott“ und seinem Wirken die Rede ist, kann damit in unserer religiös wie kulturell bunten Gesellschaft alles Mögliche gemeint sein. Jedes Gespräch über den Glauben muss daher mit dieser grundlegenden Klärung beginnen: Was meinen Christen, wenn sie „Gott“ sagen? Diese Klärung geschieht im ersten Kapitel anhand des sogenannten Apostolischen Glaubensbekenntnisses.
Die weiteren Kapitel folgen der Ordnung, wie Luther sie vorgelegt hat. Das zweite Kapitel wendet sich den Zehn Geboten zu, die mit dem 1. Gebot das Glaubensthema aufnehmen und dann elementare Regeln für das Zusammenleben der Menschen nach den Ordnungen Gottes darlegen.
Im dritten Kapitel zum Vaterunser findet sich eine Art Grundschule des Betens. Es entfaltet anhand der einzelnen Bitten des Vaterunsers grundlegende Aspekte des Gebetes und will zum persönlichen Gebetsleben anregen.
Die großen Themen, wie jemand Christ werden und als Christ leben kann, bilden den Spannungsbogen der Kapitel vier und fünf mit Taufe und Abendmahl. Diese beiden Sakramente der christlichen Kirche insbesondere bilden Vollzüge, in denen Gott auf ganz existentielle Weise in unserem Leben gegenwärtig sein und bleiben will.
Mit dem sechsten Kapitel zum Thema „Umkehr und Beichte“ verstärkt Christlich. Glauben. Leben. einen schon in der alten Kirche angelegten Gedanken. Es thematisiert das Scheitern des Menschen in seinem Glauben, seinem Leben und in seinen Beziehungen. Von da aus wird gefragt, welche Perspektiven der christliche Glaube für einen heilsamen Umgang mit Schuld und Versagen anbietet.
Die gegenwärtigen Herausforderungen werden im siebten Kapitel unter der Überschrift „Heute mit Gott leben“ thematisiert. Es nimmt einige für unsere Zeit und Gesellschaft charakteristische Rahmenbedingungen auf, in denen sich christlicher Glaube und Gemeinde heutzutage verorten und bewähren müssen.
Diese aus konfessionellen Wurzeln entstandenen, aber in die Weite ökumenischen Gesprächs gestellten Impulse bilden den Rahmen für den Weg, zu dem Christlich. Glauben. Leben. anregen will. Denn im Grunde muss jede Generation, ja, jeder Mensch für sich seinen Weg zu Gott suchen, gehen und darin das Leben entdecken. Indem er so Gott für sich entdeckt, hat er Teil an dem Geist, der nach wie vor Mitte des Kosmos ist und um den sich alles dreht.
3. Christlich. Glauben. Leben. –
Auf dem Weg sein
Christlich. Glauben. Leben. ist als ein Projekt angelegt, das sich über sieben Wochen erstreckt. Jede Woche steht unter einem Oberthema, das in Betrachtungen und Impulsen für jeden Tag entfaltet wird. Der Aufbau jedes Tages sei in aller Kürze dargelegt:
Die Inhalte stehen jeweils auf zwei gegenüberliegenden Seiten. Alle Tage sind gleich gegliedert. Sie finden als Erstes einen Bibeltext zum Thema des Tages. Ihm folgt eine Betrachtung, die einen Aspekt des Wochenthemas entfaltet. Der persönlichen Aneignung und Vertiefung dient eine Impulsfrage im Anschluss an die Betrachtung. Den Abschluss bilden ein oder mehrere Liedverse. Vorschläge für erste Stilleübungen und Gebete finden Sie im Anhang dieses Buches.
Als Einzelner auf dem Weg
Worauf Sie bei der Gestaltung Ihrer täglichen Zeit der Einkehr achten sollten:
Suchen Sie sich einen festen Ort für Ihre Übung. Gestalten Sie ihn so, dass Sie sich dort wohlfühlen. Eine Kerze, ein Kreuz oder ein Andachtsbild, eine Kniebank, eine Liege oder ein Stuhl können zur Ausgestaltung dieses Ortes dienen.
Täglich sollten Sie für Lektüre, Betrachtung und Stille eine Zeit von ca. 20 bis 30 Minuten einplanen. Stift und Tagebuch können Ihnen helfen, Ihre Erfahrungen festzuhalten und Ihre Gedanken zu ordnen.
Finden Sie heraus, welche Zeit in Ihrem Tagesablauf sich für Ihre Übungen eignet. Das kann der frühe Morgen sein, bevor die Eindrücke des neuen Tages Sie ablenken. Wenn Ihr Tagesablauf, Ihr Biorhythmus einen anderen Zeitraum nahelegt, wählen Sie diesen. Wichtiger als der Zeitpunkt ist die Regelmäßigkeit, mit der Sie sich dafür Zeit nehmen
Schützen Sie Ort und Zeit Ihrer Betrachtungen vor äußeren Einflüssen. Legen Sie beispielsweise das Telefon weit weg, dass es Sie nicht ablenken kann. Bitten Sie Angehörige oder Mitbewohner, Ihre Zeit der Besinnung nicht zu stören.
Hilfestellung durch Christlich. Glauben. Leben.:
Wählen Sie eine der Anregungen für die Stille aus dem Anhang (S. 136–138) aus und führen Sie diese durch, um zur Ruhe zu kommen und Ihr Herz für Gott zu öffnen. Sprechen Sie dazu eines der vorgeschlagenen Gebete (S. 138–143) oder ein freies Gebet.
Lesen Sie den Bibeltext des jeweiligen Tages und lassen ihn auf sich wirken. Berührt er Sie an einer Stelle? Was irritiert Sie? Wo empfinden Sie Nähe zu Personen oder Gedanken, die in dem Text vorkommen? Geben Sie Ihren Empfindungen, Gedanken und Eindrücken Raum, wie sie kommen und gehen. Wenn Ihre Gedanken abschweifen, können Sie zu Ihrer Stilleübung und danach zum Text zurückkehren.
Die Betrachtung im Anschluss – bewusst keine Auslegung – vertieft das in dem Bibeltext anklingende Thema und sucht seine Anbindung an unsere Lebenswirklichkeit. So fragt sie nach seiner Bedeutung für unser heutiges Leben und unseren heutigen Glauben.
Die Impulsfrage lädt Sie ein, für sich persönlich zu bedenken, welche Bedeutung die Gedanken zum Tag für Sie, Ihr Leben und Ihre Beziehung zu Gott haben.
Den Abschluss jeder Tages-Übung bilden ein oder mehrere Liedverse. Die Melodie und weitere Strophen finden Sie an angegebener Stelle im Gesangbuch. Wenn Sie mögen, lernen Sie diesen Vers auswendig, singen oder summen Sie ihn zum Ausklang Ihrer Übung. Beenden Sie Ihre Zeit der Stille mit einem Gebet (S. 142).
Setzen Sie sich bei Ihrer Zeit der Besinnung nicht selbst unter Druck. Freuen Sie sich an guten Erfahrungen. Lassen Sie sich von enttäuschenden nicht entmutigen. Erinnern Sie sich daran, wie geduldig Sie sich andere Fertigkeiten angeeignet haben. Wie auch dort Erfolg und Misserfolg zum Lernen dazugehörten, beispielsweise Ihre ersten Versuche auf dem Fahrrad, das Erlernen einer fremden Sprache oder Kochen-, Gärtnern-, Bohren- oder Sägenlernen ...
Bedenken Sie: Je mehr Ihr Herz und Ihr Verstand mit anderen Dingen beschäftigt, ausgefüllt sind, desto weniger Freiraum bieten Sie dem Wirken des Heiligen Geistes. Ein Gefäß muss leer sein, damit ich es füllen kann. Solches Leerwerden ist oft die größte Kunst. Manchem hilft dabei das Auswendiglernen von Bibel- oder Gesangbuchversen. Manchmal hilft es, störende Gedanken und Fragen aufzuschreiben und sich so von ihnen zu lösen.
Folgen Sie bei Ihren Übungen immer derselben Ordnung und nehmen Sie Veränderungen, wenn überhaupt, nur nach und nach vor.
Suchen Sie sich nach Möglichkeit einen oder mehrere Menschen, mit denen Sie sich über Ihre Erfahrungen, Ihre Fragen und Gedanken austauschen.
Am Ende Ihres Weges könnte eine besondere Feier stehen: ein Gottesdienst, in dem Sie bewusst den Abschluss des Weges feiern; es kann aber auch eine Freizeit sein, ein Besuch in einem Kloster oder ein Fest mit Freunden.
Als Gruppe auf dem Weg
Auch wenn ein Glaubenskurs wie Christlich. Glauben. Leben. die persönliche Entscheidung voraussetzt und jeder ihn nur für sich allein beschreiten kann, ist eine Weggemeinschaft mit anderen hilfreich, zuweilen sogar notwendig. Ein Vergleich aus dem Klettersport mag verdeutlichen, wie die Bemühungen des Einzelnen und der Gruppe zusammenhängen. Eine Seilschaft kann sich gegenseitig sichern, bei Schwächen unterstützen und ungeahnte Energien wecken! Auch die Freude über den bezwungenen Gipfel verdoppelt sich in der Gemeinschaft und lässt die Mahlzeit danach doppelt so gut schmecken.
Die Gruppenerfahrungen beim Bergsteigen bieten einen guten Vergleich für einen gemeinsamen Weg, den Christlich. Glauben. Leben. vorschlägt. Um 49 Tage durchzuhalten, braucht es Disziplin und Beharrlichkeit. Wer auf solch einem Weg die Möglichkeit hat, sich einmal in der Woche mit anderen aus der Gruppe auszutauschen oder zwischendurch Kontakt aufzunehmen, wird dadurch in der Regel gestärkt und kann Antworten auf offene Fragen finden.
Projekt-Gruppen – wie sie durch Christlich. Glauben. Leben. entstehen – können Beziehungen und Kontakte zwischen Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft und eine längere Verbundenheit stiften. Damit dieses gelingt, bedarf es einiger Vereinbarungen für die Gruppe:
Für Ihre Einzelbetrachtungen gilt alles, was im obigen Abschnitt für den Weg eines Einzelnen schon gesagt ist.
Machen Sie sich als Gruppe nicht ohne einen Leiter auf den Weg, der das Projekt selbst kennt und Erfahrung in der Begleitung von Einzelnen und Gruppen hat. Wenn Sie schon eine Gruppe, aber noch keinen Leiter haben, wenden Sie sich an Ihre Kirchengemeinde vor Ort.
Treffen Sie bei einem ersten Zusammenkommen vor Beginn des eigentlichen Projekts die wichtigsten Absprachen für Ihren gemeinsamen Weg: Wann treffen wir uns? Wo treffen wir uns? Wie laufen die Treffen ab? Was gibt es sonst noch zu bedenken?
Die Treffen der Gruppe sollten verlässlich besucht werden. Ansonsten sollte die Abmeldung bei dem Leiter der Gruppe geschehen.
Vereinbaren Sie Vertraulichkeit über alles, was in der Gruppe gesprochen und erlebt wird. Schützen Sie diesen vertraulichen Raum auch über das Ende des Projekts hinaus.
Bei Gesprächen über inhaltliche Fragen vermeiden Sie Festlegungen auf „richtige“ oder „falsche“ Ansichten.
Wichtiger als vermeintlich gute oder richtige Antworten sind die Fragen und Impulse an sich, die Teilnehmer in der Gruppe einbringen.
Entdecken Sie eine wertschätzende Haltung zu Ihren Weggefährten. Dazu gehört, dass Sie sich als Gruppenmitglieder bemühen, einander zu ermutigen und auf dem Weg zu bestärken, nicht aber sich zu maßregeln oder zu entmutigen.
Vereinbaren Sie einen für alle Teilnehmer realisierbaren zeitlichen Rahmen für die Treffen, an den Sie sich auch halten. Es ist besser, ein Gespräch zum vereinbarten Zeitpunkt abzubrechen, als Teilnehmer, die auf eine verlässliche Zeitplanung angewiesen sind, durch Überziehen zu verärgern oder zu verlieren.
Feiern Sie den Abschluss des gemeinsamen Weges: beispielsweise mit einem Fest, mit einem Gottesdienst Ihrer Gruppe oder einer anderen gemeinschaftlichen Aktion.
Als Gemeinde auf dem Weg
Von seiner Grundkonzeption ist Christlich. Glauben. Leben. auch als Glaubenskurs für die Gemeinde gedacht. Er richtet sich sowohl an die, die bereits Erfahrungen im Glauben und in Gemeinde haben, als auch an die, die einen neuen oder ersten Zugang zu Gemeinde und Glauben suchen. Von seiner Anlage her bietet der Kurs vielfältige Möglichkeiten, Grundfragen des Glaubens zu behandeln, Formen christlicher Spiritualität kennenzulernen und dabei die Interessen sowohl der einzelnen Teilnehmer als auch der Gemeinde miteinander ins Gespräch zu bringen.
Christlich. Glauben. Leben. ist daher bewusst so konzipiert, dass für die Teilnahme keine besonderen Bedingungen erfüllt werden müssen. Das Projekt schließt mit dem letzten Tag der Lektüre und dem letzten Gruppentreffen ab. Dabei können durchaus weitere Verabredungen getroffen werden.
Wenn Sie das Projekt in Ihrer Gemeinde durchführen möchten, sollten Sie Folgendes bedenken:
1. Legen Sie spätestens ein halbes Jahr vor Projektbeginn den Zeitraum fest, in dem Sie Christlich. Glauben. Leben. durchführen wollen.
2. Bilden Sie einen Kreis von ehrenamtlichen Mitarbeitern, der bei der Durchführung des Projekts helfen kann. Wichtig sind vor allem Helfer, die bei der Werbung, bei der Organisation der Gruppen und in der Begleitung der Gruppen unterstützen. Wenn auch deutlich zeit- und arbeitsintensiver, kann der Mitarbeiterkreis das Projekt zuvor für sich durchlaufen, bevor er es für die ganze Gemeinde anbietet.
3. Suchen Sie Zeiträume im Kirchenjahr oder im Jahreslauf der Gemeinde, die für die Durchführung günstig erscheinen. Bewährte Zeiträume sind die Passionszeit oder die etwas ruhigeren Wochen nach den Konfirmationen und vor dem Beginn der Sommerferien.
4. Für die Übungen des Einzelnen und für die Gruppentreffen finden Sie das Nötige im oben Gesagten.
5. Überlegen Sie, ob es einen für Gruppentreffen geeigneten Raum in der Gemeinde gibt. Er sollte bequeme Möbel haben, die auch Stilleübungen ermöglichen. Hilfreich ist, wenn ein Stuhlkreis gebildet werden kann. Der Raum sollte gut temperiert und beleuchtet sein.
6. Verzichten Sie im Projektzeitraum auf andere zeit- oder vorbereitungsintensive Vorhaben in der Gemeindearbeit. Laden Sie bestehende Gruppen und Kreise ein, sich an Christlich. Glauben. Leben. zu beteiligen.
7. Stellen Sie als Leiter des Projekts sicher, dass Teilnehmer und Gruppenleiter bei Bedarf zeitnah Beratung oder Seelsorge durch eine in geistlicher Begleitung erfahrene Person in Anspruch nehmen können.
8. Suchen Sie die Kooperation mit benachbarten Gemeinden in der Region. Das könnte eine Entlastung bei der Durchführung oder eine Bereicherung der Zusammenarbeit vor Ort mit sich bringen.
Kapitel 1:
Irgendetwas glaubt jeder ...
Und ich?
Impulse zum Glaubensbekenntnis
1.1 Den Schöpfer wahrnehmen:
„Ich glaube an Gott.“
Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Denn er hat ihn über den Meeren gegründet
und über den Wassern bereitet.
(Psalm 24,1f.)
Irgendetwas glaubt jeder. Christen glauben an Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat.
In Gesprächen über den Glauben stößt dieser Satz leicht auf Widerspruch. Verschiedene Einwände kann man da hören: „Sieben Tage soll die Schöpfung gedauert haben? – eher doch wohl sieben Milliarden Jahre ...“, oder: „Wenn überhaupt, stammt der Mensch vom Affen ab, aber nicht von Adam ...“, oder: „Das Universum begann mit einem großen Knall und nicht mit ein paar großen Worten ...“
Solche und andere kritische Anfragen sind es, die sich gegen das vermeintlich biblische Bild von der Schöpfung der Welt richten. Nur laufen sie ins Leere, wo sie Aussagen der Bibel mit einem naturwissenschaftlichen Maßstab messen. Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch!
Sie beschreibt vielmehr, dass Gott eine Beziehung zwischen sich und seiner Schöpfung, zwischen sich und seinen Geschöpfen stiftet. Nicht wie Gott, sondern was Gott mit seiner Schöpfung ins Leben gerufen hat, ist also entscheidend. Über allem steht sein Urteil: „Siehe, es war sehr gut!“
Was trägt solch eine aus der persönlichen Betroffenheit und nicht aus der naturwissenschaftlichen Sichtweise erwachsende Sicht für die eigene Einstellung zum Leben aus?
Das zeigt sich am Beispiel des Schöpfungswunders schlechthin: an einem neugeborenen Kind. Je intensiver Eltern sein Werden und Wachsen begleiten, desto größer ist am Tag der Geburt ihr Staunen, ihre Ehrfurcht vor dem neuen Leben, das sie nun in den Händen halten, das sie sehen und fühlen können. Ein Kind wie viele andere – und doch ein einzigartiges Wunder, ihr Kind! Ein Wunder, über das Gott selbst sein „Sehr gut“ gesprochen hat.
Mit dieser Erfahrung wächst bei den Eltern ihre Verantwortung für dieses Geschöpf. Sie nennen es „unser“ Kind und ahnen, dass es ihnen nur auf Zeit anvertraut ist. Nach bestem Wissen und Gewissen stellen sie sich der großen Aufgabe, ihm seinen Weg ins Leben zu ebnen.
Weil sie dabei an Grenzen ihrer Möglichkeiten und Gaben stoßen, beziehen sich viele intuitiv auf Gott, den Schöpfer und Erhalter des Lebens. Nicht zuletzt deshalb ist es vielen Eltern nach wie vor wichtig, dass ihr Kind getauft wird. Mit der Taufe vertrauen sie es dem Schutz und der Güte Gottes an. In der Taufe wird deutlich: Wie der Ursprung, so liegen auch Zukunft und Ziel des Kindes in der Hand seines guten Schöpfers.
Beziehung zum Schöpfer des Lebens – Vertrauen auf seine Güte – Hoffnung für die Zukunft der Schöpfung: Um diese Glaubenssätze geht es der Bibel. Wer sie im Vertrauen nachvollziehen kann, dem füllt sich das Herz:
Mit Staunen über das Wunder des Lebens.
Mit Dank für den, der es geschaffen hat und erhält.
Mit Zuversicht im Blick auf das, was kommen mag.
Welche Erfahrungen in der Schöpfung rühren mich an?
Gott liebt diese Welt, und wir sind sein eigen.
Wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen:
Gott liebt diese Welt!
Gott liebt diese Welt. Er rief sie ins Leben.
Gott ist’s, der erhält, was er selbst gegeben.
Gott gehört die Welt!
(EG 409, 1.2)
1.2 Der Mensch im Sohn:
„Ich glaube an Jesus Christus ...“
„Jesus Christus, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich und der Erscheinung
nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode,
ja zum Tode am Kreuz.
(Philipper 2,6-8)
Irgendetwas glaubt jeder. Christen glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Mensch gelebt hat.
Viel gelehrte Mühe ist aufgewandt worden, um diesen Glaubenssatz zu untermauern. Mit mäßigem Erfolg. Wohl finden sich vereinzelte historische Hinweise auf das Leben Jesu, doch wirklich belastbar ist das Material nicht. Jesus als historische Persönlichkeit bleibt erstaunlich blass. Umso deutlicher tritt er hervor, wenn man sein Leben als das eines Menschen mitten unter den Menschen seiner Zeit wahrnimmt. So schildern es die Evangelien.
Mühsam, entbehrungsreich waren die Umstände seiner Geburt. In Nazareth wächst er auf. Unerkannt und wenig beachtet: im Haus eines Handwerkers, eingebettet in eine große Familie, erzogen im jüdischen Glauben wie seine Altersgenossen. So ist er einer von ihnen.
Menschliche Züge gehören ebenso zum erwachsenen Jesus. Bewusst lässt er sich von Johannes taufen: Seinen Weg als Prediger beginnt er mit der Umkehr, die Johannes seinen Hörern zumutet. Von seinen starken Gefühlen weiß die Bibel zu erzählen. Kaum einer Erfahrung ist er ausgewichen: Freude, Glück und Begeisterung säumen seinen Weg genauso wie Trauer, Ärger, Zorn oder Zweifel. Und im Sterben durchfährt ihn das Entsetzen, von Gott verlassen zu sein. So ist er ganz Mensch!
Davon zeugt auch sein Umgang und sein Respekt allen gegenüber, die ihm begegnen: Er wendet sich Kranken zu. Er lässt sich von geistig Verwirrten nicht verschrecken. Er tröstet Mutlose. Er weicht Trauernden nicht aus. Aber auch Feste und Freude gehören dazu!
Vielfach sind die Spuren zu finden, an denen Jesus seine Wertschätzung, seine Liebe zu den Menschen zeigt. Deswegen bekennen ihn Christen als den menschgewordenen Sohn Gottes. Und deswegen gilt auch bis heute: Mein ganzes Leben mit seinen schönen und hässlichen, seinen glücklichen und seinen enttäuschenden Anteilen ist ihm kostbar. Seine liebende Zuwendung will meinen Blick auf mich selbst, mein eigenes Leben und das meiner Mitmenschen lenken.
Wenn Jesus, der Sohn Gottes, das Leben so wertschätzen kann: Ob auch ich mich darin üben lerne, mein Leben anzunehmen, wie es nun einmal ist? In seinen Höhen und Tiefen; in seinen Leidenschaften und seiner Eintönigkeit; in seinem Lichtvollen und Schattenhaften?
Solch liebendes Annehmen nennt die Bibel Glauben: Mein Leben, jedes Leben ist so kostbar, dass Jesus Mensch geworden ist, um es mit mir zu teilen. Das macht es wertvoll. Für Jesus und unbedingt auch für mich.
Welche Erfahrungen im Leben Jesu sind mir wichtig?
Dem alle Engel dienen, wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden, verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll gerettet werden, wenn er dem Kinde glaubt.
(EG 16, 2)
1.3 In Höhen und Tiefen nicht allein:
„ ... hinabgestiegen in das Reich des Todes ...“
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch,
ich kann sie nicht begreifen.
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist,
und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da.
(Psalm 139,5-8)
Irgendetwas glaubt jeder. Christen glauben an Jesus Christus, dem selbst das Reich des Todes offensteht.
Im Glaubensbekenntnis heißt es, Jesus sei „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Diesem Satz liegt ein uraltes Weltbild zugrunde. Demnach kommen die Verstorbenen in das Totenreich, wo sie den Anbruch des ewigen Lebens erwarten.
Der Glaube, Jesus sei nach seinem Tod in dieses Reich des Todes hinabgestiegen, um es nach drei Tagen wieder zu verlassen und ein neues Leben anzutreten, hat viele Hoffnungen geweckt: Hoffnung für ungläubig Verstorbene, denen Jesus eine erneute Chance auf Glauben und Rettung gibt. Hoffnung für die vielen aus anderen Religionen, die dort ihm und seiner Liebe begegnen. Hoffnung, dass das Totenreich eines Tages seine Gefangenen freigeben muss und dass die Macht des Todes durch Jesus endgültig gebrochen wird.
Ein moderner Ausdruck für diese Hoffnungen findet sich in dem Wort: „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“ So können Menschen in Furcht vor dem eigenen Tod oder dem eines geliebten Menschen Trost finden. Obwohl die bittere Erfahrung bleibt: Der Tod ist ein Ende, ein Loslassen, ein Loslassen-Müssen, manchmal auch ein Losgerissen-Werden.
Doch ganz gleich, wie schmerzhaft, wie unvermittelt mich diese Erfahrung treffen mag, mit dem Tod falle ich nicht ins Dunkle, ins Bodenlose, sondern in seine Hand! Eben dazu hat Jesus das Reich des Todes durchschritten, damit er mich auffangen kann. Am tiefsten Punkt meiner Existenz!
Gilt das Bekenntnis „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ nicht auch schon viel früher? Machen nicht viele Menschen bereits in diesem Leben Erfahrungen mit der Macht des Todes, der sie selbst wenig entgegenzusetzen haben?
Hinter mancher Depression steckt diese Macht, die alles zunichte werden lässt. Menschen fühlen sich von Glück und Freude des Lebens ausgeschlossen, sie erleben sich als Lebendige schon wie tot. Was hier trösten kann, ist die Gewissheit, selbst in dieser Einsamkeit, in dieser Dunkelheit von Gott nicht verlassen zu sein.
Schatten des Todes fallen dort in das Leben, wo ein dementer Mensch begleitet sein will. Unaufhaltsam und schleichend zerrinnen ihm Erinnerungen, Fertigkeiten und Kenntnisse und mit ihnen Beziehungen und Lebensinhalte. Stück für Stück stirbt ihm mit dem Geist das Leben. Wie gut, wenn wir vertrauen können, dass Jesus ihn auf diesem einsamen Weg nicht verlässt.
Wer also diesen tiefgründigen Satz aus dem Glaubensbekenntnis bewegt, weiß seinen Trost zu schätzen: Er vermag die besonders zu trösten, die mit dem Tod ringen; die in seinen Machtbereich geraten sind. Sie sind selbst im dunkelsten Ringen nicht allein. Jesus hat das Reich des Todes durchschritten und bleibt jedem an der Seite. Und wenn ich eines Tages der Macht des Todes anheimfalle, dann ist da seine Hand, die mich auffängt.
Wann gelingt es mir, mich ganz fallen zu lassen?
Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.
Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod
doch ein in Gottes Gnade trotz aller unsrer Not.
Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit.
(EG 533, 1-3)
1.4 Niemand ist Gott gleichgültig:
Er wird „kommen zu richten“
Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!
Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.
Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut. Darum bestehen die Gottlosen nicht im Gericht noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergeht.
(Psalm 1)
Irgendetwas glaubt jeder. Christen glauben an Jesus Christus, Gottes Sohn, dem ihr Leben nicht gleichgültig ist.
Aus diesem Grund heißt es im Glaubensbekenntnis, Jesus werde kommen, „zu richten die Lebenden und die Toten.“ Seinen Ursprung hat dieses Bekenntnis in einem Gleichnis, das Jesus als Richter der Welt schildert. Er beurteilt die Menschen nach ihren Taten und Versäumnissen. Danach bestimmt er sie für das Reich Gottes oder die ewige Strafe (Matthäus 25).
Das ist eine harte Vorstellung, die sich schwer mit zeitgenössischen Bildern vom „lieben Gott“ in Einklang bringen lässt. Vieles in uns empört sich dagegen. Wenn Gott die Liebe in Person ist, kann er da Menschen auf ewig bestrafen? Welcher Mensch, fehlbar wie wir nun einmal sind, hat überhaupt eine Chance auf ein ewiges Leben bei Gott? Mit welchem Recht will Gott über Menschen urteilen, die nie von ihm gehört haben, also keine Chance hatten, sich ihm zuzuwenden?
Aber auch genau gegenteilige Gedanken könnten uns beschäftigen: Wäre nicht die Vorstellung beklemmend, der Verlauf, der Ertrag unseres, meines Lebens könnte Gott völlig gleich-gültig sein? Wie bedeutungslos wären meine persönlichen Mühen um ein gutes, Gott gefälliges Leben, wenn Gott sie in keiner Weise würdigt? Schreit nicht das Elend, das viele Menschen in dieser Welt unverschuldet erleiden, nach einer letzten, ausgleichenden Gerechtigkeit? Wird nicht die Botschaft Jesu auf unzulässige Weise verkürzt, wo der Gedanke an ein letztes Gericht daraus gestrichen wird?
Mit dem Gleichnis vom Weltgericht verdeutlicht Jesus: Kein Leben ist ihm gleichgültig, auch nicht meines. Das Gleichnis stellt mir den Ernst vor Augen, mit dem Jesus auf jeden Menschen sieht. Weil er mich liebt, kann und will er über meine Fehler und Schwächen nicht hinwegsehen. Gerade darum deckt er sie auf, richtet mich neu aus und will mein Leben zum Besseren wenden. Weil er meine Gaben und Talente kennt, fordert er Rechenschaft darüber, wie ich mit dem mir Anvertrauten umgehe. So nahe Jesus seinen himmlischen Vater den Menschen bringen möchte, so unbeirrt behält er Gottes Größe und Majestät im Blick.
Je länger ich diese Gedanken bewege, desto klarer kann mir werden, wie viel Liebe, Zuwendung, Interesse Jesus für mich und mein Leben hat. Wie immer sein Urteil über mein Leben ausfallen wird, vor dem Hintergrund dieser Liebe vertraue ich auf seine Güte.
Entscheidend bleibt das Vertrauen auf diese Liebe, die in mir die Achtung vor mir selbst wie vor Gott wachsen lässt. In ihr kann ich mich zu meinen Begrenztheiten bekennen und dennoch auf ein freundliches, liebevolles Urteil über mein Leben hoffen. Denn ungeachtet aller meiner Schwächen und Fehler glaube ich, dass ich als Person für Jesus vor allem eines nicht bin: gleichgültig.
Wie geht es mir mit dem Richten Gottes über mein Leben?
Er kommt zum Weltgerichte: zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.
(EG 11, 10)
1.5 Leben im Glauben:
„Ich glaube an den Heiligen Geist“
Die Paläste werden verlassen sein, und die Stadt, die voll Getümmel war, wird einsam sein, dass Burg und Turm für immer zu Höhlen werden, dem Wild zur Freude, den Herden zur Weide, so lange, bis über uns ausgegossen wird der Geist aus der Höhe.
Dann wird die Wüste zum fruchtbaren Lande und das fruchtbare Land wie Wald geachtet werden. Und das Recht wird in der Wüste wohnen und Gerechtigkeit im fruchtbaren Lande.
(Jesaja 32,14-16)
Irgendetwas glaubt jeder. Christen glauben an den Heiligen Geist, der ihren Glauben erfrischt und belebt.
Alljährlich spielen sich in südlichen Klimazonen dramatische Entwicklungen ab. Wo über Wochen und Monate reges Leben herrschte, Pflanzen, Tiere und Menschen wachsen und gedeihen konnten, setzt die Trockenzeit ein. Mit zunehmender Dürre verliert die Natur einen unverzichtbaren Teil ihrer Lebensgrundlage: das Wasser.
Pflanzen und Gräser verdorren. Büsche und Bäume können ihr Wasser noch aus immer größeren Tiefen ziehen, bis auch sie der Hitze Tribut zollen müssen und ihre Blätter verlieren. Menschen und Tiere fliehen vor Hitze und Trockenheit in weniger ausgedörrte Gegenden.
Wenn der dringend benötigte Regen so lange ausbleibt, wächst die Not für Mensch und Natur. Bis er eines Tages doch wieder einsetzt. Dann führen die Flüsse frisches Wasser, der Boden wird neu durchfeuchtet und die Wasserspeicher füllen sich. Die Natur sprießt und blüht wieder auf.
Der Regen dient schon im Alten Testament zum Vergleich für das Wirken von Gottes Geist im Herzen der Menschen. Denn auch der Glaube entwickelt seine Kraft nicht aus sich selbst. Der Heilige Geist erst entfaltet eine ungemeine Lebendigkeit in ihm.
So wie Pflanzen, Tiere und Menschen nicht aus sich selbst heraus leben, sondern das Wasser brauchen, so braucht der Glaube Gottes belebenden Geist. Dieser Geist weckt und stärkt mein Vertrauen in Gottes Liebe und Nähe zu mir. Er öffnet meine Augen für Aufgaben und Menschen, die ich ohne ihn nicht gesehen hätte. Er stärkt und stützt mich, wo ich alleine den Halt verlieren müsste.
Wie ein erfrischender Regenguss in der Hitze des Sommers meine Lebenskräfte weckt und neu anregt, so bringt Gottes Geist Schwung in mein Leben. Umgekehrt hat manche Kraft- und Leblosigkeit in meinem Glauben ihre Ursache darin, dass Gottes Geist mich nicht erreicht.
Was für mein persönliches Leben gilt, hat auch im Gemeinde-
leben seine Gültigkeit. Ohne Gottes Geist dörren Glaube und Gemeinschaft aus. Trocken und wüst wird das Leben dort! Doch Gott will seine Saat im Glauben zur Blüte und Frucht bringen. Durch seinen Geist.
Was erfrischt meine Beziehung zu Gott?
Zieh ein zu deinen Toren, sei meines Herzens Gast,
der du, da ich geboren, mich neu geboren hast,
o hochgeliebter Geist des Vaters und des Sohnes,
mit beiden gleichen Thrones, mit beiden gleich gepreist.
Zieh ein, lass mich empfinden und schmecken deine Kraft,
die Kraft, die uns von Sünden Hilf und Errettung schafft.
Entsünd’ge meinen Sinn, dass ich mit reinem Geiste
dir Ehr’ und Dienste leiste, die ich dir schuldig bin.
(EG 133, 1-2)