Hamburger Hafen, das Tor zur Welt. Auf unserem Frachter hieß es: „Leinen los!“, und schon legte die „Sonneberg“ ab. Christel und ich standen an der Reling und winkten unseren Müttern am Kai zu. Sie blieben zurück, mit Tränen in den Augen. Wir winkten immer noch, als unser Schiff das Hafenbecken verließ, um Kurs auf die Nordsee zu nehmen.
Kalter Dezemberwind blies uns ins Gesicht. Bald darauf passierten wir Schulau, wo sich die Schiffsbegrüßungsanlage befindet. Die Lautsprecher-Ansage wurde gut verständlich über das Wasser zu uns herübergetragen. Die Verabschiedung endete mit dem Satz: „... Wir hoffen, Sie bald wieder im Hamburger Hafen begrüßen zu können. Gute Reise!“
Rückkehr in den Hamburger Hafen, Rückkehr nach Deutschland? Nein, das war an jenem 18. Dezember 1969 nun wirklich nicht unser Thema. Ganz im Gegenteil! Schließlich hatten wir seit Jahren auf diesen Tag hingearbeitet …
Christel war während ihrer Ausbildung an der Bibelschule Bergstraße klar geworden, dass Gott sie in der Äußeren Mission haben wollte. Viele Missionswerke suchten damals händeringend nach Mitarbeitern; aber wo genau war Christels Platz? Ihr Herz begann speziell für Bibelübersetzung für die Völker zu schlagen, die immer noch keine Bibel in ihrer eigenen Sprache haben. Als geübte Sekretärin brachte sie für einen solchen Dienst gute Voraussetzungen mit. So nahm sie im Sommer 1967 an dem Grundkurs des internationalen Missionswerks Wycliff im Siegerland teil, bewarb sich und wurde als „Mitarbeiterin in Ausbildung“ angenommen. Anschließend setzte sie ihr Studium der englischen Sprache in London fort.
Was mich betrifft, so war mein Interesse an Weltmission entscheidend durch das Buch Glühende Retterliebe von Oswald Smith geweckt worden. Deshalb hatte ich 1964 meinen Beruf als Außenhandelskaufmann quittiert und die Ausbildung am Theologischen Seminar St. Chrischona bei Basel begonnen. Dort hörte ich unter anderem auch von der wichtigen Arbeit der weltweit wirkenden Wycliff-Bibelübersetzer und entschied mich 1968 zur Teilnahme an dem Grundkurs bei Wycliff. Übrigens, eine der Lehrerinnen war eine gewisse Christel Müller (in die ich mich heimlich verliebte). Mit der Annahme bei Wycliff war eine weitere entscheidende Weichenstellung in meinem Leben erfolgt. Die folgenden neun Monate wurden äußerst intensiv: Gemeindepraktikum in Hamburg, ab Ostern 1969 konzentriertes Englischstudium in London und Verlobung mit Christel im Juni bei ihr zu Hause. Im Sommer absolvierten wir gemeinsam den zweiten Wycliff-Kurs in England. Ende September heirateten wir in Hamburg. Dann besuchten wir Freunde und Gemeinden in Deutschland und der Schweiz, die an unserem künftigen Einsatz in Nigeria Interesse zeigten; auf diese Weise schenkte der Herr uns einen Trägerkreis, der jahrzehntelang mit Gebet und Spenden hinter uns stand. Neben diesem Reisedienst tätigten wir Einkäufe für unseren Einsatz in Westafrika und bereiteten unser Gepäck auf die Ausreise vor. Nun lag diese intensive Zeit hinter uns. An jenem 18. Dezember 1969, an Bord der „Sonneberg“, waren wir einfach nur froh, dass es endlich, endlich losging – nach Afrika.
Wie dankbar waren wir an jenem Abend in unserer Kajüte für den Rat von Freunden, mit dem Schiff nach Nigeria zu fahren, statt zu fliegen. Nun lagen drei Wochen vor uns, in denen wir in aller Ruhe auf einen völlig neuen Lebensabschnitt umschalten konnten. Unsere „Sonneberg“ war allerdings kein Kreuzfahrtschiff, sondern ein ganz gewöhnlicher Frachter, der aber auch dafür eingerichtet war, bis zu 12 Passagiere zu befördern. Als sogenannter „Outsider“ hatte uns die Deutsche See-Reederei – mit Sitz in Rostock in der damaligen DDR – mit diesem Schiff das weitaus günstigste Angebot unterbreitet, um uns in zugesagten drei Wochen nach Lagos zu bringen. Also Stress ade und umschalten auf ... ja, am besten auf Hochzeitsreise! In dem ganzen Trubel der Ausreisevorbereitungen hatten wir im September zwar Hochzeit gefeiert, die Hochzeitsreise aber erst einmal verschoben. Nun war der perfekte Zeitpunkt dafür gekommen: Neben Essen, Ausruhen und Lesen nahmen wir uns viel Zeit zum Erzählen. Das tat uns beiden sehr gut; in mein Tagebuch schrieb ich: „Ich habe mich neu in meine Frau verliebt.“ In unserer täglichen Bibellese betrachteten wir Texte über – was ja nahelag – Boten Gottes auf See. Welche Lektionen musste z. B. der Prophet Jona lernen! Wir waren gespannt, was auf uns beide in den nächsten Wochen zukommen würde.
Kundenstimmen
Eine Echtheits-Überprüfung der Bewertungen hat vor deren Veröffentlichung nicht stattgefunden. Die Bewertungen könnten von Verbrauchern stammen, die die Ware oder Dienstleistung gar nicht erworben oder genutzt haben.
16.12.2015ckleseratte "Warum brauchen Bibel-Übersetzer heute zig Jahre, wenn Luther das doch in wenigen Monaten geschafft hat"" Eine Antwort auf diese Frage findet man in "Der Glaube steckt in der Leber".
Christel und Hans-Jürgen Scholz waren als Wycliff-Mitarbeiter mehrere Jahre in Nigeria bei den Ebira. Dieses Volk wünschte sich sehr eine Bibelübersetzung in ihre Sprache, da sie andere Sprachen nicht ausreichend verstehen,
um die Bibel z. B. in Englisch zu lesen. Zunächst einmal mussten Christen und Hans-Jürgen also diese Sprache lernen, eine Grammatik erstellen, ein Alphabet, das alle wichtigen Laute erfasst und auch die Tonhöhen oder Betonung, da diese für eine völlig andere Bedeutung sorgen kann. Nachdem das geschafft war, konnten erste Lesefibeln erstellt und einfache Geschichten aufgeschrieben werden. Erst dann begann die eigentliche Bibelübersetzung. Dafür arbeitete das Ehepaar eng mit einem einheimischen jungen Mann zusammen, der vieles mit ihnen zusammen übersetzte, aber fürs Verständnis der Texte die Erklärungen und auch die theologischen Kenntnisse des Ehepaars benötigte.
Dabei merkten Christel und Hans-Jürgen Scholz, wie schwierig es ist, scheinbar so einfache Bibelstellen wie z. B. die Heilung des Gelähmten in deren Sprache zu übersetzen. Die völlig andere Kultur sorgt dafür, dass man nicht einfach wörtlich übersetzen kann, weil vieles sonst nicht verstanden wird. Das Bett der Ebira ist eine Erhöhung aus Lehm, das könnte man nicht mitnehmen. Natürlich kennen sie auch moderne Betten, aber hier fragten sie gleich: "Gab es so etwas Modernes damals schon"" Eine Matte würde reißen, wenn man einen Kranken damit transportierte. Als endlich eine Lösung gefunden worden war, merkten die Bibelübersetzer einige Zeit später, dass die Ebira die Geschichte trotzdem noch nicht richtig verstanden. Sie hielten es für ein Wunder, dass der Gelähmte nicht vom Dach kullerte. Hier half eine Illustration in der Bibel weiter, bei der die Ebira sehen konnten, dass die Häuser damals in Israel ein Flachdach hatten, etwas, das für sie völlig unbekannt war.
Diese kleine Begebenheit zeigt, wie komplex eine Bibelübersetzung in die Sprache eines Volkes ist, bei dem die meisten noch nie aus ihrem Kulturkreis herausgekommen sind und daher sehr vieles nicht begreifen können. Noch schwieriger wird es bei komplizierten Begriffen wie Prophet, Versöhnung oder Vergebung oder eben "Glaube". Auch hier fanden die Bibelübersetzer eine optimale Lösung, bei den Ebira hat der Glaube mit der Leber zu tun.
In all den Jahren in Nigeria erlebte das Ehepaar Scholz immer wieder Wunder und eine Lösung schwieriger Situationen in letzter Minute. Dabei wurde auch oft Böses zum Guten gewandt wie damals, als alle christlichen ausländischen Organisationen in Nigeria verboten wurden. Trotzdem erlebten sie auch Leid und nicht alles lief immer glatt.
"Der Glaube steckt in der Leber" ist keine Biografie von Christel und Hans-Jürgen Scholz, auch wenn man natürlich sehr viel über sie erfährt. Im Mittelpunkt steht hier das Projekt der Bibelübersetzung für die Ebira, das Vorher und Nachher wird nur kurz abgerissen, damit die Leser nicht mit offenen Fragen zurückbleiben. Fotos helfen, sich einen bildlichen Eindruck zu verschaffen.
Immer noch gibt es in über 1000 Sprachen kein einziges biblisches Buch. "Der Glaube steckt in der Leber" ist ein interessantes Glaubenszeugnis, das Verständnis für fremde Kulturen weckt und zeigt, wie komplex das Projekt "Bibelübersetzung ein eine fremde Sprache" sein kann.
› mehr...