Andi war es müde, sich selbst anzulügen.
Nach ihrer ersten Nacht mit Taz hatten die beiden den größten Teil der nächsten Woche zusammen im Bett verbracht. Aber dann kam er mit seltsamen Ausreden und ließ sie fallen. Er arbeite an einem anderen Film, sagte er. An etwas, das ihn den ganzen Sommer beanspruchen würde. Doch als sie an einem Nachmittag von der Bibliothek zur Cafeteria ging, sah sie ihn Hand in Hand mit einem zierlichen, brünetten Mädchen.
Andi war fast sicher, dass sie das Mädchen kannte, und als sie näher kamen, wusste sie, wo sie sie gesehen hatte. Die Brünette hatte bei Scrooge mitgespielt.
Das konnte nur eines bedeuten: Sie war Taz’ neue Schauspielerin, sein neues Projekt. Wahrscheinlich erzählte er ihr, dass wahre Schönheit dadurch komme, dass sie ihren Körper für die Kunst einsetze, oder etwas in der Art. Andi beobachtete, wie das Mädchen ihn anschaute, wie es lachte und kicherte und eng neben ihm herging. Dieses Bild brannte sich in ihrem Kopf ein und quälte sie nachts.
Während sie die Wahrheit immer deutlicher erkannte, konnte Andi nur eines denken: Bailey hatte mit ihrer Warnung recht gehabt. Andi konnte keinem anderen die Schuld geben. Das alles war ganz allein ihr Verschulden. Sie war so dumm gewesen, und diese Erkenntnis brach ihr fast das Herz. Sie konnte nicht essen oder schlafen und ihr war fast jeden Morgen furchtbar übel, während sie in dem Schmerz wegen all der Dinge, die sie aufgegeben hatte, versank. Sie hatte so viel an einen Typen verloren, der sie nur zum Narren gehalten hatte.
Taz war ein Lügner. Alles, was er gesagt hatte, war eine Lüge gewesen. Als Andi sich das endlich eingestand, wusste sie, dass sie ihn vergessen und in die Zukunft blicken konnte. Sie war immer noch am Boden zerstört, aber wenigstens wartete sie nicht mehr auf seinen Anruf, während er sie längst vergessen hatte und mit einer anderen schlief.
Die nächste Lüge zu entlarven war schwerer. Die Lüge, die Andi sich selbst erzählte. Die Lüge, dass die körperlichen Veränderungen, die sie bei sich beobachtete, allein durch ein gebrochenes Herz zu erklären wären. Die Kopfschmerzen und die Übelkeit und dass sie sich manchmal morgens übergeben musste. Ihre Symptome waren zu hartnäckig, um einfach eine körperliche Reaktion auf ihren Kummer sein zu können. Schließlich ging sie am letzten Tag im Mai in die Apotheke und kaufte sich etwas, von dem sie gedacht hatte, dass sie es erst benötigen würde, wenn sie längt verheiratet wäre.
Einen Schwangerschaftstest.
Andi nahm die Packung mit nach Hause, las die Gebrauchsanweisung und atmete dann tief ein. In zwei Minuten würde sie das Ergebnis kennen.
Ein Ergebnis, das – egal, wie es ausfiel – ihr Leben verändern würde.
Bailey riss die Reisetasche ihres Bruders aus dem Schrank im Flur und rannte in ihr Zimmer zurück. Ihr blieb nur noch eine Viertelstunde, bis sie zur Wochenendfreizeit von Campus für Christus am Lake Monroe aufbrechen musste. Sie freute sich seit Monaten auf dieses Wochenende, aber der Geschichtstest für ihren Sommerkurs an der Universität hatte länger gedauert, als sie erwartet hatte, und jetzt musste sie sich beeilen. Hektisch kramte sie eine Jeans, ein paar T-Shirts und ein Kapuzensweatshirt hervor. Als sie sich im Zimmer umsah, fiel ihr Blick auf ein gerahmtes Foto von ihr und Tim. Einen kurzen Moment bewegte sie sich nicht. Wie erstarrt blieb sie stehen und konnte sich nicht erklären, was mit ihr los war. Warum löste dieses Bild so sonderbare Gefühle in ihr aus? Es war bei der Premiere von Scrooge im letzten Winter aufgenommen worden. Sie und Tim trugen beide ihre Kostüme für das Theaterstück. Aber etwas an seinen Augen stimmte nicht. Er lächelte, als wäre Bailey einfach nur irgendein Fan, ein Mädchen, das sich da-rüber freute, mit ihm fotografiert zu werden. Tim war ihr Freund, aber seine Miene wäre nicht anders gewesen, wenn sie überhaupt nicht mit auf dem Bild gewesen wäre.
„Konzentrier dich!“ Sie drehte sich wieder zu ihrer Reisetasche he-rum und packte weiter. Socken, ihre Bibel, das Tagebuch, das ihre Mutter ihr für dieses Wochenende geschenkt hatte. Noch etliche Sachen wanderten in die Tasche, dann zog sie den Reißverschluss zu. Tim kam auch mit zu diesem Wochenende, und das war gut. Sie mussten miteinander sprechen. Bailey hoffte, eine ruhige Zeit am See würde sie und Tim näher zu Gott und zueinander führen. Sie hoffte, dieses Wochenende würde ihr helfen, sich zu erinnern, warum sie mit ihm zusammen war, obwohl ihr Herz nicht aufhören konnte, an Cody Coleman zu denken.
Ein trauriges Seufzen kam über ihre Lippen, während Bailey sich die Reisetasche über die Schulter warf. Cody würde an diesem Wochenende von Campus für Christus nicht teilnehmen. Er hatte Pläne mit seiner Mutter, hatte Bailey gehört. Das war ihr ganz recht. In Codys Augen waren sie nur Freunde, aber wenn Bailey in seiner Nähe war, konnte sie sich kaum an Tims Namen erinnern. Das musste doch etwas zu bedeuten haben, oder? Sie und Cody hatten jetzt wieder eine bessere Beziehung zueinander, nachdem sie eine Weile kaum miteinander gesprochen hatten. Sie schrieben sich manchmal eine SMS, und hin und wieder telefonierten sie sogar miteinander. Tim sagte, dass ihm das nichts ausmache, da er genau wisse, wer er sei und welchen Platz er in Baileys Leben einnehme.
Aber Bailey hatte manchmal insgeheim ihre Zweifel.
Sie atmete tief durch und zwang ihr Herz, ruhiger zu schlagen. Sie wollte das alles vergessen. An diesem Wochenende stand ihre Zeit mit Gott und mit ihren Freunden von Campus für Christus im Mittelpunkt. Ihr Handy klingelte, als sie gerade das Zimmer verlassen wollte. Sie sah, dass es Tim war, und lächelte. Er war wirklich ein lieber Freund. Wenn Cody nicht wäre, würde sie sich wahrscheinlich fragen, ob Tim derjenige sein könnte, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte. Sie hatte eine Schwäche für Tim, seit sie noch zur Schule gegangen war, und jetzt waren sie schon über ein Jahr zusammen, und eigentlich sollte Bailey Flanigan die glücklichste Studentin auf dem ganzen Campus sein.
Sie nahm den Anruf entgegen. „Hallo!“ Sie bemühte sich um einen unbeschwerten Tonfall. „Bist du etwa schon am See?“
„Hallo!“, sagte er, aber seine Stimme verriet, dass etwas nicht stimmte. „Ich habe eine Halsentzündung. Neununddreißig Fieber. Es tut mir leid.“
„Oh, nein.“ Tiefe Enttäuschung schlug über Bailey zusammen. Sie hatte sich ausgemalt, mit Tim in ihrer freien Zeit am Wochenende spazieren zu gehen und mehr über seine Träume für die Zukunft zu erfahren. Eine Antwort auf ihre Fragen zu finden und ihre Beziehung zu ihm zu vertiefen. „Warst du beim Arzt?“
„Ja, ich komme gerade vom Arzt. Ich muss das ganze Wochenende das Bett hüten. Der Arzt sagt, dass ich keinen Besuch bekommen sollte und meine Antibiotika nehmen muss. Anscheinend ist es wirklich ansteckend.“
„Das ist ja furchtbar.“ Bailey ließ sich auf ihr Bett fallen. So leid es ihr auch tat, dass dadurch ihr Wochenende anders verlaufen würde, hatte sie vor allem Mitleid mit ihm. „Okay. Dann ruh dich aus und werde bald wieder gesund. Ich rufe dich am Montag an.“
„Okay.“ Tim klang resigniert. „Ich bete für dich.“
„Ich auch für dich.“
Kundenstimmen
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23.08.2015Smilla507 / S. Degenhardt Wenn Gott das Drehbuch des Lebens schreibt (Band 3 von 4)
Im dritten Band der „Mission Hollywood“ Reihe steht diesmal der Film bzw. das Filmedrehen etwas weniger im Fokus als in den Bänden zuvor. Diesmal wird mehr das Schicksal von Andi und Bailey beleuchtet. Beide haben schwere Entscheidungen zu treffen. Aber auch Keith und Chase müssen Entscheidungen überdenken. Oberflächlich läuft
erst einmal alles perfekt, aber unter der Oberfläche herrscht Unruhe.
Auch wenn die Handlung überwiegend vorhersehbar war hat mir „Leben nach Drehbuch“ gut gefallen. Meiner Meinung nach ist es bisher auch der beste Band von „Mission Hollywood“ ("Große Träume" und "Auf der Welle des Erfolgs" empfehle ich zuvor gelesen zu haben). Es wird endlich einiges aufgeklärt. Einige Türen gehen zu, andere gehen auf. Die Romanfiguren leben in einem christlichen Milieu. Ich fand es sehr ermutigend zu lesen, wie sie mit unverhofften Wendungen und schweren Entscheidungen umgingen. Das Gebet spielt dabei eine wichtige Rolle.
Von der einen oder anderen Romanfigur muss man sich verabschieden. Dafür rücken neue nach und geraten mehr ins Scheinwerferlicht.
Karen Kingsburys Schreibstil ist wie gewohnt filmreif und beschert Kopfkino. Die Handlung bietet sowohl Tiefgang als auch entspannendes Lesen.
Das Ende ist diesmal nicht ganz so offen wie in den vorherigen Bänden. Und doch bleiben manche Dinge ungeklärt. Ich freue mich schon auf den 4. Band, der im amerikanischen unter dem Titel „Take Four“ erschienen ist.
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17.08.2015Klaudia K. "Mission Hollywood" ist Spannung pur!
Andi, die wegen eines charismatischen Mitstudenten vom Glauben an Gott abkam, wird durch sehr widrige Umstände in arge seelische Not gebracht, was schon deswegen sehr dramatisch für die junge Frau ist, weil sie dieser junge Mann gerade dann fallen lässt, als sie merkt von ihm schwanger zu sein.
Sie ist in einem wilden Strudel der
Selbstvorwürfe gefangen, zumal sie sich lebhaft vorstellen kann wie ihr Vater reagiert, der als streng gläubiger Christ mit seinen populären Filmen die Öffentlichkeit über wesentliche christliche Botschaften erreichen möchte. Es würde den Vater sicherlich zutiefst erschüttern und womöglich seinen Erfolg, der gerade über eine weitere Auszeichnung weitere Höhen erreichte, zerstören.
Sie sieht nur einen Weg den sie vermeintlich gehen kann.
Der Mitproduzent des Vaters hat schon längst bemerkt, dass ihn der Erfolg von seiner Familie entfremdet. Gerade zur rechten Zeit bekommt er ein Angebot als Jugendpastor. Ist dies ein schicksalshafter Wink Gottes?
Auch über das Schiksal von Bailey, Tim und Cody erfährt man in diesem letzten Roman der Autorin viel Neues und auch hier runden sich große Spannungsbögen aus den Vorgeschichten ab.
Der Abschluss dieser Trilogie ist aus meiner Sicht hervorragend gelungen, dabei in der Lektüre außerordentlich mitreißend und packend gehalten. Der Autorin gelingt es eine wunderschöne Erzählung, die sich über insgesamt drei herrlich zu lesende Werke erstreckt, zu vollenden. Die ausgefeilte Erzählkunst von Karen Kingsbury nimmt den Leser in diese Welt mit und man ist schon nach wenigen Seiten der Lektüre Teil des Geschehens. So hofft und bangt man mit den "Freunden" der Geschichte und sehnt sich danach, dass alles doch wohl gut ausgehen wird?
Von all den hervorragend dargestellten Romanfiguren hat mich vor allem Andis Schicksal sehr ergriffen. Gerade sie war oft daran schuld, dass meine Leselampe nachts häufig zu lange brannte. Die Frage, welchen Weg sie nun wohl für ihr Leben wählen würde hielt mich schlichtweg wach.
Der tiefere Sinn, den die Autorin ihren Werken in gekonnter Weise mitgibt, zeigt sehr deutlich welch üble Wege ein Mensch aus Erlebnissucht heraus gehen muss und welche schweren Bürden er dann folglich tragen wird.
All die erlebnisreichen Schicksale der Romanfiguren wurden geschickt mit einem christlichen Hintergrund verknüpft. Karen Kingsbury ist in meinen Augen ganz klar eine sehr talentierte Autorin. Sie vermag es in ihren Romanen eine unbeschwerte, herrlich leicht zu lesende Lektüre mit starken Elementen des Glaubens an Gott zu veknüpfen und auf diese Weise nicht nur zu unterhalten sondern auch in bestem und positiven Sinn einen guten Rat für das eigene Leben mit auf den Weg zu geben.
Viele Bibelstellen sind nahtlos und nahezu unauffällig in den Roman eingewoben. Gerade dies wirkt so lebendig und über die kraftvolle Botschaft dahinter so hoffnungsvoll für den geneigten Leser.
Ich freue mich schon auf das nächste Werk von Karen Kingsbury - in meinen Augen eine der besten Autorinnen dieses Genres.
Einen herzlichen Dank an den Francke Verlag, der uns diesen großartigen Roman über drei Folgen hinweg ermöglicht hat.
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